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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des Z in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. September 1994, Zl. 4.323.092/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. September 1994 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, der am 12. September 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 16. September 1991 den Asylantrag gestellt hat, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 20. Oktober 1991 abgewiesen und ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer kein Asyl gewähre.
Gegen diesen Bescheid richtete sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 23. September 1991 angegeben, er sei syrischer Staatsangehöriger. Als "letzte Wohnadresse im Heimatstaat" gab er eine bestimmte Adresse in Sarajevo an. Ausgewiesen hat er sich mit einem vom jemenitischen Paßamt in Tripoli ausgestellten Reisepaß. Er führte aus, er sei "vom palästinensischen Stamm" und mit einer "Jugoslawin" verheiratet. Aufgewachsen sei er in einem Land (nach seinen Angaben: Syrien), in dem es nur mehr Krieg gebe. Als Angehöriger der palästinensischen Volksgruppe hätte er "in keinem Land Rechte". Aufgrund des Bürgerkrieges könne er mit seiner Familie nicht weiter in "Jugoslawien", wo er sich zuletzt aufgehalten habe, leben. Deshalb habe er sich entschlossen, ins Ausland zu flüchten. Er möchte mit seiner Familie in Österreich ein neues Leben ohne Krieg beginnen und eine neue Existenz aufbauen. Seine Verwandten und Bekannten in Syrien seien im Krieg ums Leben gekommen.
In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, er sei als Mitglied der PLO bereits 1978 geflüchtet. Seit 1981 habe er sich in "Jugoslawien" befunden, wo er als Staatenloser verfolgt worden sei.
In der Berufungsergänzung vom 24. Mai 1993 gab er dann an, daß er seit 1975 Mitglied der PLO sei und als solcher im Libanon gekämpft habe. 1979 sei ihm die Rückkehr (nach Syrien) verweigert worden. Von 1981 bis 1985 habe er sich zu einer militärischen Ausbildung im damaligen Jugoslawien befunden, in welches Land er mit einem libanesischen Reisepaß eingereist sei. Nach einem Einsatz als Kämpfer der PLO im Irak sei er 1986 - diesmal mit einem gefälschten jordanischen Reisepaß - neuerlich nach Jugoslawien eingereist. Seitdem habe er in diesem Land gelebt, wobei ihm jedoch die Legalisierung seines Aufenthaltes verweigert worden sei. Von 1989 bis 1990 habe er sich ein Jahr in Libyen aufgehalten. Von der PLO sei verlangt worden, daß er sich von seiner Frau und den Kindern trenne; da er dies verweigert habe, habe ihn die PLO "fallen lassen". Er habe Probleme mit den libyschen Behörden bekommen und sei schließlich mit einem jemenitischen Paß im Jahre 1990 nach "Jugoslawien" zurückgekehrt. Da sein dortiger Aufenthalt neuerlich nicht legalisiert worden sei und er als Ausländer bei Ausbruch des Bürgerkrieges mit den Behörden Probleme bekommen habe, sei er nach Österreich geflüchtet.
Die belangte Behörde vertrat die Ansicht, daß dem Ermittlungsverfahren nicht zu entnehmen sei, welche Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführer besitze. Er sei somit als staatenlos anzusehen. Gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 sei der Beschwerdeführer daher dann Flüchtling, wenn er sich aus den in dieser Gesetzesstelle angeführten Gründen außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befinde und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sei, in dieses Land zurückzukehren. Da sich der Beschwerdeführer vor seiner Einreise nach Österreich mit seiner Familie in der "ehemaligen SFRJ" aufgehalten habe, sei dieses Land das Land seines gewöhnlichen Aufenthaltes. Er habe jedoch keine asylrelevante Verfolgung durch die dortigen Behörden dargetan. Der dort herrschende Bürgerkrieg stelle keine individuell gegen den Beschwerdeführer gerichtete konkrete Verfolgung dar. Selbst wenn man davon ausginge, daß der Beschwerdeführer Staatsangehöriger Syriens oder eines anderen arabischen Staates sei, sei für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, weil er bei seiner Erstvernehmung keine asylrelevante Verfolgung durch die Behörden eines arabischen Staates dargetan habe.
Der belangten Behörde ist darin beizupflichten, daß ein Bürgerkrieg grundsätzlich keine asylrelevante Verfolgung darstellt, weil den daraus resultierenden Benachteiligungen sämtliche im betreffenden Land lebenden Menschen ausgesetzt sind und solche Verhältnisse daher nicht als konkrete, individuell gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgungshandlungen eingestuft werden können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. März 1995, Zl. 94/20/0798). Daß der Beschwerdeführer von einer mit dem behaupteten Bürgerkrieg einhergehenden Gruppenverfolgung unmittelbar betroffen wäre (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 20. Mai 1994, Zl. 93/01/0210), hat er nicht vorgebracht. Zu Recht ging die belangte Behörde auch davon aus, daß der Beschwerdeführer bei seiner Erstvernehmung keine asylrelevante Verfolgung in Syrien oder einem anderen arabischen Staat vorgebracht hat.
Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, die Erstbehörde sei ihrer Ermittlungs- und Manuduktionspflicht nicht nachgekommen, weshalb die belangte Behörde infolge Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 zu einer Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens verpflichtet gewesen wäre, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 - auf den sich der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang beruft - wohl bestimmt, die Asylbehörden hätten in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen.
Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG i.V.m. § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Falle hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 leg. cit. in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu bringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis zur Zl. 94/20/0798). Da im Beschwerdefall über die bereits oben behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Fluchtgründe im Vorbringen des Beschwerdeführers vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren und der Beschwerdeführer nach Verlesung des Protokolles über die darüber aufgenommene Niederschrift in arabischer Sprache angab, alles verstanden und nichts mehr hinzuzufügen zu haben, hatte die belangte Behörde, da auch sonst ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren erster Instanz nicht hervorgekommen ist, gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 die Ergebnisse des Verfahrens erster Instanz ihrer Entscheidung zugrunde zu legen.
Da der Beschwerdeführer bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung - wie dargetan - keine asylrelevanten Umstände im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 geltend gemacht hat, erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995010083.X00Im RIS seit
20.11.2000