TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/27 93/15/0233

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Veröffentlicht am 27.03.1996
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §211 Abs1 litg;
BAO §213 Abs1;
BAO §215 Abs4;
BAO §217 Abs1;
BAO §236 Abs1;
BAO §239 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde des O in D, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 29. Oktober 1993, Zl. 1555-2/93, betreffend Nachsicht eines Säumniszuschlages, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Laut Rechnung mit Datum vom 1. Jänner 1992 veräußerte der Beschwerdeführer (anläßlich der Aufgabe des von ihm als Einzelunternehmer geführten Betriebes) "Anlagegegenstände, Warenvorräte und halbfertige Arbeiten" um S 4,751.143,20 (einschließlich Umsatzsteuer in Höhe von S 791.857,20) an die O GmbH (in der Folge: GmbH), welche in der Folge den genannten, auf einen vollen Schilling abgerundeten Umsatzsteuerbetrag als Vorsteuer geltend machte. Dem Antrag der GmbH vom 7. Dezember 1992 auf Umbuchung des zuletzt genannten Betrages auf das Abgabenkonto des Beschwerdeführers wurde am 29. Dezember 1992 entsprochen. Die Belastung des Abgabenkontos des Beschwerdeführers mit einer Umsatzsteuerrestschuld aus der Veranlagung der Umsatzsteuer für das Jahr 1991 in Höhe von S 805.045,-- (Buchungstag: 18. Juni 1993) mit Fälligkeitstag 10. Februar 1992 hatte die Festsetzung eines Säumniszuschlages gegenüber dem Beschwerdeführer in Höhe von S 16.101,-- zur Folge. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit der nach der Aktenlage in Rechtskraft erwachsenen Berufungsvorentscheidung vom 28. Juli 1993 abgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 5. August 1993 beantragte der Beschwerdeführer, ihm diesen Säumniszuschlag wegen des Vorliegens einer sachlichen Unbilligkeit nachzusehen. Dies im wesentlichen mit der Begründung, er habe das durch die Umbuchung auf seinem Abgabenkonto entstandene Abgabenguthaben bis zur Durchführung der Veranlagung für das Jahr 1991 nicht verwendet und der Umbuchungsantrag sei angesichts dessen, daß die Ermittlung der Teilwerte der veräußerten Anlagegenstände und Warenvorräte auf Grund des Betriebsumfanges äußerst viel Zeit in Anspruch genommen habe und daß es unter keinen Umständen möglich gewesen wäre, per 10. Februar 1991 (richtig wohl: 1992) eine "korrekte Umsatzsteuervoranmeldung" zu erstellen, rechtzeitig gestellt worden.

Gegen den dieses Nachsichtsansuchen abweisenden Bescheid des Finanzamtes erhob der Beschwerdeführer Berufung, in welcher er die näheren Umstände der in Rede stehenden Lieferungen und die einer Ermittlung der Teilwerte der veräußerten Anlagegenstände und Warenvorräte zum 10. Februar 1992 entgegenstehenden Hindernisse darlegte.

Nach Erlassung einer abweislichen Berufungsvorentscheidung beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung wegen Nichtvorliegens der behaupteten sachlichen Unbilligkeit ab; dies sinngemäß mit der Begründung, der Beschwerdeführer hätte den Anfall eines Säumniszuschlages durch Entrichtung der genannten Umsatzsteuerschuldigkeit "am Fälligkeitstag (10.2.1992)" vermeiden können. Schwierigkeiten bei der Erstellung einer "korrekten Umsatzsteuervoranmeldung" seien deshalb nicht verständlich, weil der Beschwerdeführer immerhin die genannte Rechnung erstellt habe. Eine sachliche Unbilligkeit der Einhebung des Säumniszuschlages liege trotz des von der Umbuchung bis zur Verbuchung des Umsatzsteuerbescheides für das Jahr 1991 auf dem Abgabenkonto des Beschwerdeführers bestehenden Guthabens nicht vor, weil die Nachbelastung mit Umsatzsteuer einen Fälligkeitstag vor der Umbuchung aufweise. Anders als der Beschwerdeführer meine, habe die belangte Behörde in einem gleichgelagerten konkreten Fall keine Weisung zugunsten des betroffenen Abgabepflichtigen erteilt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepfichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach Lage des Falles unbillig wäre. Die in dieser Gesetzesstelle bezogene Unbilligkeit der Abgabeneinhebung kann entweder persönlich oder sachlich bedingt sein, wobei sachlich bedingte Unbilligkeit dann anzunehmen ist, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodaß es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der in der anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muß seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflußbare Weise eine von ihm nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (siehe hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. März 1995, Zlen. 94/13/0264, 0265, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters zu § 217 Abs. 1 BAO schon mehrfach ausgesprochen, daß der Eintritt der Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages allein davon abhängt, daß eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird. Die Vorschrift berücksichtigt somit nicht die Gründe, aus welchen im Einzelfall eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wurde. Damit hat der Gesetzgeber dargetan, daß er die Gründe, die zum Zahlungsverzug geführt haben, im Anwendungsbereich der in Rede stehenden Gesetzesstelle grundsätzlich als unmaßgeblich erachtet. Aus dem Eintritt der Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages allein läßt sich somit eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nicht ableiten (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1992, Zl. 91/15/0017, und das dort zitierte Vorerkenntnis).

Die Einhebung eines nach dem Gesetz verwirkten Säumniszuschlages kann allerdings wie bei anderen Abgaben unbillig im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO sein (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. September 1995, Zl. 95/13/0049). Nach dem eben zitierten Erkenntnis stellt die Einhebung eines Säumniszuschlages eine eine Nachsicht rechtfertigende Unbilligkeit dar, wenn die Festsetzung dieser Nebengebühr ausschließlich durch die verzögerte Erledigung eines Umbuchungsantrages entstanden ist und den Abgabepflichtigen an der Verzögerung kein Verschulden trifft oder wegen einer für den durch die Umbuchung zu Begünstigenden unvorhersehbaren kontokorrentmäßigen Verrechnung nichts oder weniger umgebucht werden konnte, als im Zeitpunkt der Einbringung des Umbuchungsantrages an Guthaben des Antragstellers zu Buche stand. Der Fall unterscheidet sich, so heißt es in diesem Erkenntnis weiter, von dem mit dem hg. Erkenntnis vom 29. November 1994, Zl. 94/14/0094, entschiedenen dadurch, daß im früher entschiedenen Beschwerdefall anders als in dem später entschiedenen Beschwerdefall das Bindeglied zwischen den Abgabenkonten - nämlich ein ZEITGERECHTER Überrechnungs- bzw. Umbuchungsantrag - fehlte.

Im nunmehrigen Beschwerdefall ist auf der Sachverhaltsebene unbestritten, daß die auf Grund der Veranlagung des Beschwerdeführers zur Umsatzsteuer für das Jahr 1991 am 18. Juni 1993 nachbelastete Umsatzsteuer von S 805.045,-- einen Fälligkeitstag - der angefochtene Bescheid spricht vom 10. Februar 1992, tatsächlich war dies aber gemäß § 19 Abs. 2 Z. 1 lit. a UStG 1972 der 10. März 1992 - etliche Monate vor Stellung des Umbuchungsantrages durch die GmbH (am 7. Dezember 1992) hatte.

Mangels eines zeitgerechten Umbuchungsantrages ist der vorliegende Beschwerdefall nicht dem mit dem besagten hg. Erkenntnis vom 20. September 1995 entschiedenen Beschwerdefall vergleichbar, sondern in dem hier bedeutsamen Punkt dem Fall, der dem dort zitierten die damalige Beschwerde abweisenden hg. Erkenntnis vom 29. November 1994 zugrundeliegt. Daß zwischen dem 29. Dezember 1992 und dem 17. Juni 1993 - also in einem Zeitraum, der sich an die mehrmonatige Dauer der Säumnis im Jahr 1992 anschloß - auf dem Abgabenkonto des Beschwerdeführers ein Guthaben bestanden hat, läßt die Einhebung des Säumniszuschlages nicht als unbillig erscheinen. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Hinderungsgründe für eine termingerechte Entrichtung des mit einem Säumniszuschlag belegten Teiles der Umsatzsteuerschuldigkeit für das Jahr 1991 sind seiner Sphäre zuzurechnen und lassen daher die Einhebung eines Säumniszuschlages ebenfalls nicht als unbillig erscheinen, zumal das Finanzamt dem Umbuchungsantrag der GmbH ohne Verzögerung nachgekommen ist (Dem erst am 7. Dezember 1992 gestellten Umbuchungsantrag wurde schon am 29. Dezember 1992 entsprochen).

Auch mit der Behauptung, in einem näher bezeichneten Fall habe das Finanzamt zugunsten des betroffenen Nachsichtswerbers entschieden, zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, weil Maßstab für dessen Beurteilung nur das Gesetz, nicht aber eine Erledigung betreffend einen anderen Abgabepflichtigen sein kann.

Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde "wirklichkeitsfremde Vorstellungen" und eine rechtlich unrichtige Beurteilung vorwirft, wird damit - anders als dies die Beschwerde sieht - kein Verfahrensmangel aufgezeigt.

Da sohin dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden. Diese Entscheidung konnte im Hinblick auf die Klarstellung der im Beschwerdefall zu lösenden Rechtsfrage durch die Vorjudikatur gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG im Dreiersenat getroffen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1993150233.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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