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L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §19;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König über die Beschwerde des
H in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 12. Oktober 1995, Zl. Ve1-550-2350/1-1, betreffend Nachbareinwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. M K und 2. T K, beide in S, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in I,
3. Gemeinde K, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und den erst- und zweitmitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Ansuchen vom 22. November 1994 ersuchten die erst- und die zweitmitbeteiligte Partei bei der mitbeteiligten Gemeinde um die Erteilung einer Baugenehmigung für ein Strandhaus. Über dieses Ansuchen wurde am 17. Jänner 1995 vom Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde eine Bauverhandlung durchgeführt. Zu dieser Verhandlung wurde der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladen. In der Ladung wurde das Haus als Lagerhaus bezeichnet und auf die bei der Behörde aufliegenden Pläne verwiesen (in dem im Akt erliegenden Antrag der mitbeteiligten Parteien ist die maschinschriftliche Bezeichnung des Bauvorhabens "Bestehendes Strandhaus mit 2 Wohnräumen" handschriftlich korrigiert in "Bestehende Lagerhütte"; in der angeschlossenen Baubeschreibung wird der Verwendungszweck mit "Bestehendes Strandhaus seit 1959" angegeben). Entsprechend der Verhandlungsschrift über diese mündliche Verhandlung ersuchte der Beschwerdeführer darin um eine Definition bzw. die Angabe des Verwendungszweckes einer Lagerhütte. Auf Grund dieses Ersuchens führte der Verhandlungsleiter entsprechend der Niederschrift aus, daß im Hinblick auf die Widmung "Sonderfläche Liegewiese" ein Gebäude zulässig sei, das in seiner Art und in seinem Umfang zur Betreuung der Liegewiese notwendig sei und darüber hinaus einen Raum aufweisen könne, "der zum kurzzeitigen Aufenthalt und der Benützung im Zusammenhang mit dem Badebetrieb genutzt werden" könne. Dies schließe auch die Errichtung einer Sanitärzelle im Mindesterfordernis mit ein. Nach der Niederschrift gab der Beschwerdeführer die Stellungnahme ab, er stelle fest, daß nach der Planunterlagenverordnung die Unterlagen mangelhaft seien.
Mit Bescheid vom 27. Februar 1995 wurde den erst- und zweitmitbeteiligten Parteien die Errichtung einer Lager- und Strandhütte entsprechend den zum Bestandteil des Bescheides erklärten Plänen erteilt. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 7. Juni 1995 wurde diese Berufung als unbegründet abgewiesen. Begründend führte der Gemeindevorstand in diesem Bescheid aus, daß nach § 30 Tiroler Bauordnung den Nachbarn nur bezüglich jener Bestimmungen und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen ein Mitspracherecht zustehe, die nicht nur der Wahrung öffentlicher Interessen, sondern auch dem Schutz des Nachbarn dienten (subjektiv-öffentlich rechtliche Einwendungen). Der Beschwerdeführer behaupte, daß auf Grund unvollständiger und mangelhafter Einreichunterlagen ein mangelhaftes Bauverfahren verursacht worden sei. Er habe damit eine Verletzung eines Rechtes behauptet, das ausschließlich dem öffentlichen Interesse diene und das die Behörde von sich aus zu wahren habe. Die Vorschriften über die Vollständigkeit von Planunterlagen begründeten laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Nachbarrechte, da den Nachbarn kein Rechtsanspruch auf Vorlage der Bauordung entsprechender Pläne zustünde.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung. Diese Vorstellung wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde insbesondere aus, daß in der mündlichen Verhandlung vom Beschwerdeführer nach einer näheren Darlegung des genauen zulässigen Verwendungszweckes des beantragten Gebäudes lediglich vorgebracht worden sei, daß nach der Planunterlagenverordnung die Unterlagen mangelhaft wären. Weiteres Vorbringen sei nicht erfolgt. Erstmals in der Vorstellung erweitere der nun rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer sein Vorbringen und behaupte weitere Rechtsverletzungen. Zur Beurteilung der Zulässigkeit dieser Einwendungen sei jedoch zu prüfen, ob Präklusion im Sinne des § 42 AVG vorliege. Nach Auseinandersetzung mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Übereinstimmung vom angekündigtem Gegenstand der Verhandlung und tatsächlich verhandeltem und genehmigtem Projekt wird darauf hingewiesen, daß zwar in der "Anberaumung einer Bauverhandlung" vom 3. Jänner 1995 im Textteil lediglich auf die Errichtung einer Lagerhütte, an weiterer Stelle jedoch ausdrücklich auf die zum gegenständlichen Bauansuchen eingereichten Pläne und Behelfe verwiesen worden sei, welche bis zum Tage der Verhandlung zur Einsicht auflägen. Die Ladung habe ausdrücklich auch den Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG für den Fall nicht rechtzeitig erhobener Einwendungen enthalten. In den Unterlagen finde sich vor allem in der Baubeschreibung als angegebene Art und Verwendungszweck der geplanten baulichen Anlage die Angabe "bestehendes Strandhaus seit 1959" sowie unter der Rubrik "allgemeine Baubeschreibung, kurze Angabe der Aufteilung und Zweckbestimmung der einzelnen Räumlichkeiten innerhalb der baulichen Anlage" die Angabe "bestehendes Strandhaus mit zwei Wohnräumen, Terrasse und Nebenräumen erbaut ca. 1959". Die belangte Behörde verkenne nicht die grundsätzliche Widersprüchlichkeit all dieser projektbezogenen Angaben; diesen Eindruck habe offenbar auch der Beschwerdeführer gehabt. Nach den allgemeinen Erklärungen des Verhandlungsleiters über den zulässigen Verwendungszweck habe der Vorstellungswerber jedoch nur den allgemein gehaltenen Einwand nach der Planunterlagenverordnung erstattet.
Die belangte Behörde setzte sich sodann mit den Anforderungen an eine Einwendung im Sinne des § 42 AVG im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auseinander und kam zu dem Ergebnis, daß die vom Beschwerdeführer abgegebene Stellungnahme nicht als Einwendung im Sinne der Geltendmachung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes zu werten sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung der einfachgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Geltendmachung nicht präkludierter nachbarrechtlicher Einwendungen und auf Nichtanwendung nichtiger verwaltungsrechtlicher Bescheide geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und, ebenso wie die erst- und zweitmitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer bekämpft den angefochtenen Bescheid unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit zunächst mit der Begründung, daß seine sowohl in der Bauverhandlung als auch in der Berufung gegen den Baubewilligungsbescheid erhobenen Einwendungen so ausreichend konkretisiert gewesen seien, daß eine zulässige nähere Ausführung zu einem späteren Zeitpunkt "nicht erforderlich war". Das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Vorstellung stelle im wesentlichen nichts anderes als eine solche spätere Ausführung dar. Eine solche sei zulässig (der Beschwerdeführer verweist auf das hg. Erkenntnis vom 17. November 1987, Zl. 82/05/0096). Es sei daher keine Präklusion eingetreten.
Zu diesen Ausführungen ist darauf hinzuweisen, daß der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden kann, wenn sie den bloßen Hinweis, daß die Planunterlagen nicht der Planzeichenverordnung entsprächen, nicht als die Geltendmachung eines subjektiv öffentlichen Rechtes qualifiziert hat. Die vom Bauwerber vorgelegten Pläne müssen nach ständiger hg. Rechtsprechung (vgl. Hauer, Der Nachbar im Baurecht4, 288, mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung) ausreichen, dem Nachbarn jene Informationen zu vermitteln, die er zur Verfolgung seiner Rechte im Verwaltungsverfahren und vor dem Verwaltungsgerichtshof braucht. Ein weitergehendes subjektives Recht dahingehend, daß die Planunterlagen und sonstigen Belege vollständig der Rechtslage entsprechend vorgelegt werden, kommt dem Nachbarn nicht zu. Dies gilt auch für die Tiroler Bauordnung, da die in § 30 Abs. 4 TBO enthaltene allgemeine Umschreibung der subjektiven Rechte (Rechte, "die nicht nur der Wahrung öffentlicher Interessen, sondern auch dem Schutz des Nachbarn" dienen) der langjährigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht, wobei auch der demonstrativen Aufzählung in § 30 Abs. 4 TBO keinerlei Anhaltspunkt entnommen werden kann, daß der Tiroler Landesgesetzgeber durch die Vorschrift des § 30 Abs. 4 TBO den Kreis der subjektiven Nachbarrechte etwa in dem allenfalls der Beschwerde unterstellbaren Sinn erweitern wollte. Entsprechend der Rechtsprechung ist dem Begriff der Einwendung die Berufung auf ein subjektives Recht immanent, wobei es ausreicht, daß erkennbar ist, welche Rechtsverletzung der Nachbar geltend machen möchte (vgl. Hauer, Der Nachbar im Baurecht4, 83f.). Daher hat der Verwaltungsgerichtshof auch in dem vom Beschwerdeführer zitierten Erkenntnis folgerichtig das Vorliegen einer Einwendung angenommen, da sich der damalige Beschwerdeführer in der Verhandlung gegen die Errichtung des Bauwerkes am geplanten Standort unter Nichteinhaltung der gesetzlichen Mindestabstände ausgesprochen hatte, sodaß erkennbar war, daß sich der Nachbar auf sein Recht auf Einhaltung der Abstände berufen wollte. Insofern unterscheidet sich der Sachverhalt im Beschwerdefall wesentlich von dem dem zitierten Erkenntnis zugrunde gelegenen Sachverhalt. Der Beschwerdeführer hat im weiteren Verfahren nicht eine bereits erhobene Einwendung näher begründet (was nach dem von ihm zitierten Erkenntnis zulässig ist), sondern er erst nach der mündlichen Verhandlung ein Vorbringen erstattet, welches allenfalls als die Geltendmachung subjektiver Rechte gedeutet werden kann. Der Beschwerdeführer vermag auch mit seinen Beschwerdeausführungen nicht aufzuzeigen, als welche Einwendung der in der mündlichen Verhandlung von ihm vorgebrachte Einwand zu verstehen wäre. Der undifferenzierte Einwand, Unterlagen entsprächen nicht der Planunterlagenverordnung, kann nicht als die Geltendmachung eines konkreten subjektiv-öffentlichen Nachbarrechtes angesehen werden. Die belangte Behörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, daß Präklusion eingetreten war.
2. Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, daß "ein mit dem Antrag nicht übereinstimmender Baubewilligungsbescheid ... nicht Gegenstand einer Vorstellungszurückweisung sein" könne, sondern es sei ein derartiger Bescheid "von der Behörde bereits von Amts wegen als nichtig aufzuheben".
Die Bewilligung wurde im erstinstanzlichen Bescheid nicht nur nach einer Beschreibung des beantragten Objekts, sondern auch unter Bezugnahme auf die Pläne und hinsichtlich des Verwendungszwecks unter Verweis auf den "im Eingabeplan eingetragenen Verwendungszweck" erteilt.
Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid bereits ausgeführt hat, ist in der dem Ansuchen vom 22. November 1994 angeschlossenen Baubeschreibung auf das bestehende Strandhaus hingewiesen und dieses in der allgemeinen Baubeschreibung auch beschrieben worden. Soweit der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen die Verwendung verschiedener Ausdrücke für das beantragte Projekt in den Einreichunterlagen und in der Ladung rügen sollte, ist ihm zuzugestehen, daß eine Fehlbezeichnung des beantragten Objekts in der Ladung den Nachbarn an seiner Rechtsverfolgung hindern kann (soweit tatsächlich ein inhaltlicher Unterschied zwischen dem Antrag und der Beschreibung in der Ladung besteht), daß aber ein darin liegender Verfahrensmangel im Beschwerdefall insofern nicht wesentlich ist. Der Beschwerdeführer hat nicht näher dargetan, worin die Abweichung der Bewilligung vom Antrag gelegen sein sollte. Er scheint seine Auffassung auf die Verwendung unterschiedlicher Ausdrücke für das Objekt zu stützen. Insofern liegt aber keine Abweichung vor, da - wie dargestellt - zwar (in der handschriftlich korrigierten Fassung) im Antrag zwei verschiedene Begriffe für das beantragte Objekt verwendet werden (im erstinstanzlichen Bescheid wurde im Vorspruch von einem Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung zur Errichtung "einer Lager- und Strandhütte" gesprochen), die Bewilligung aber für das im erstinstanzlichen Bescheid einleitend umschriebene Bauvorhaben erteilt wurde, wobei zudem auf die zum Bestandteil des Bescheides erklärten Pläne verwiesen wurde. Hinsichtlich des Verwendungszwecks wird auf den "im Eingabeplan eingetragenen Verwendungszweck" verwiesen. Es ist daher nicht ersichtlich, inwiefern die erteilte Bewilligung vom Antrag abwiche. Die belangte Behörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, daß der bei ihr angefochtene Gemeindebescheid insoweit nicht an einer Rechtswidrigkeit leidet.
3. Eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides erblickt der Beschwerdeführer weiters darin, daß die im Baubewilligungsbescheid enthaltene Bezeichnung "Strandhütte" in der Tiroler Bauordnung nicht enthalten sei. Der Bescheid stimme daher nicht nur mit dem Antrag nicht überein, sondern er sei mangels zulässiger Bezeichnung des Verhandlungsobjektes nicht überprüfbar und könne daher nicht Gegenstand einer Vorstellungsentscheidung sein.
Zu diesem Vorbringen ist darauf hinzuweisen, daß die Baubehörde nicht verpflichtet ist, bei der Umschreibung des Verwendungszweckes ausschließlich verba legalia zu verwenden, sofern nur der Inhalt der erteilten Bewilligung ausreichend klar ist. Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer auch nicht dargetan, in welchem Recht er durch die Verwendung des Begriffes "Strandhütte" verletzt sein sollte. Der Beschwerdeführer wurde somit durch die im Beschwerdefall erfolgte Festlegung des Verwendungszweckes in keinem Recht verletzt.
4. Soweit der Beschwerdeführer die Einhaltung des Flächenwidmungsplanes als subjektiv-öffentliches Nachbarrecht geltend macht, ist ebenfalls auf die eingetretene Präklusion zu verweisen.
5. Da somit die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Baurecht Nachbar Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der RechtskraftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995060253.X00Im RIS seit
03.05.2001