TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/28 95/06/0270

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Veröffentlicht am 28.03.1996
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §59 Abs1;
BauO Stmk 1968 §57 Abs1 litc;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde der Stadtgemeinde Leoben, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 31. Oktober 1995, Zl. 03-12.10 L 5 - 95/5, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1) T in L, 2) Josef P und 3) Gertrude P, beide in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ergibt sich aus dem hg. Erkenntnis vom 16. März 1995, Zlen. 94/06/0130 und 0131. Aufgrund dieses Vorerkenntnisses, des Vorbringens in der Beschwerde und der von der Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen Bescheid vorgelegten Gemeindeakten ergibt sich folgender Sachverhalt:

Die zweitmitbeteiligte und die drittmitbeteiligte Partei (in der Folge kurz: Bauwerber) sind Eigentümer einer Liegenschaft im Gebiet der beschwerdeführenden Gemeinde, auf der ein Wohnhaus errichtet ist. Die erstmitbeteiligte Partei (in der Folge kurz: Nachbar) ist Miteigentümer eines angrenzenden Grundstückes.

Mit Eingabe vom 12. Dezember 1989 beantragten die Bauwerber die baubehördliche Bewilligung für verschiedene bauliche Maßnahmen, insbesondere eine umfangreiche Veränderung des Altbestandes (für den ein sogenannter "vermuteter Konsens" sprach). Nach Antragsmodifikationen bzw. weiteren Antragstellungen wurde den Bauwerbern mit Bescheiden der Baubehörde erster Instanz vom 8. März 1990 eine Baubewilligung für bauliche Maßnahmen im Erdgeschoß und im ersten Obergeschoß des Hauses erteilt, weiters mit Bescheid vom 8. Mai 1990 eine Widmungsbewilligung und schließlich mit Bescheid vom 1. Juni 1990 eine Baubewilligung für einen Dachgeschoßausbau und Errichtung von Pkw-Abstellplätzen; insbesondere sollte die bestehende Dachkontur derart geändert werden, daß nunmehr anstelle der vorhandenen Satteldachkonstruktionen und Gaupenausbildungen Mansardendachflächen entstehen, wobei die Traufenhöhen und Firsthöhen unverändert blieben. In den steilen Mansardendachflächen würden stehende Gaupen entsprechend der erforderlichen Belichtungsfläche der dahinterliegenden Räume eingebaut (das Nähere ist dem eingangs erwähnten hg. Erkenntnis vom 16. März 1995, Zlen. 94/06/0130 und 0131, zu entnehmen).

In einem Amtsvermerk der Baudirektion der Gemeinde vom 6. März 1991 ist festgehalten, daß im Zuge der Bauarbeiten das erste Obergeschoß und das Dachgeschoß vollständig abgetragen worden bzw. laut Aussage des Bauwerbers "das Mauerwerk teilweise im Zuge der Umbauarbeiten eingestürzt" sei. Es sei daher die Baueinstellung zu veranlassen und "der Konsenswerber" schriftlich aufzufordern, ein Widmungs- und Bauansuchen hinsichtlich der nunmehr vorgesehenen Baumaßnahmen einzureichen.

Mit Schreiben vom 6. März 1991 teilte ein Baumeister namens der Bauwerber (zusammengefaßt) mit, es sei geplant gewesen, die Außenwände des bestehenden Baukörpers zur Auflagerung zweier Decken heranzuziehen. Nach Abtragung der alten Decke über dem ersten Obergeschoß habe sich ergeben, daß das Außenmauerwerk von derart schlechter Beschaffenheit gewesen sei (Mörteldruckfestigkeit sehr gering, Wandstärken im Verhältnis zur Steingröße sehr gering), daß es aus statischer Sicht nicht vertretbar gewesen wäre, dieses Mauerwerk für die vorgesehene Nutzung heranzuziehen. Demnach habe er mit Einverständnis der Bauwerber vorgeschlagen, das Außenbauwerk bis zur Unterkante der Decke über dem Erdgeschoß abzutragen und ein neues Mauerwerk in zeitgemäßer Bauweise (38 cm dick, Porothermziegel) herzustellen. Somit sei eine Ausführung gegeben, die den Erfordernissen der Standfestigkeit und des Wärmeschutzes gerecht werde.

In einem Aktenvermerk vom 18. März 1991 hielt der Leiter des Baupolizeiamtes fest, der Leiter der Rechtsabteilung habe aufgrund dieses Sachverhaltes auf § 57 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung verwiesen, "womit feststeht, daß die Wiederherstellung des 1. Obergeschosses mit neuem Mauerwerk nicht der baubehördlichen Genehmigungspflicht unterliegt, da es sich im vorliegenden Fall um eine Sanierung handelt". Dies sei den Bauwerbern mit dem Hinweis bekanntgegeben worden, daß hinsichtlich des ersten Obergeschosses "Ausführungspläne mit den neu eingetragenen Wandstärken bis zur Rohbaubeschau vorzulegen sind".

Nach weiteren Verfahrensschritten zeigten die Bauwerber am 4. September 1991 an, daß sich der "Umbau" im Rohbauzustand befinde. Die Rohbaubeschau fand am 23. September 1991 statt, wobei Ausführungspläne vorgelegt wurden.

Von der Behörde wurde schließlich von Amts wegen für den 21. April 1993 eine Bauverhandlung zwecks "Genehmigung der Ausführungspläne" angeordnet. In dieser Verhandlung wurde festgehalten, daß ein Ansuchen um Genehmigung der Ausführungspläne nicht eingebracht worden sei. Die Bauwerber erklärten hierauf, sich in die gegenständliche Verhandlung einzulassen und stellten gleichzeitig den Antrag "auf Durchführung des Verfahrens zur Genehmigung des gegenständlichen Ausführungsplanes". Der Amtssachverständige führte aus, anläßlich der Rohbaubeschau sei festgestellt worden, daß nach Einsturz des Mauerwerkes über der Decke des Erdgeschosses im Erdgeschoß eine massive Decke eingezogen und die Aufmauerung des Mauerwerkes im ersten Stock mit geringeren Wandstärken gegenüber dem Bestand vorgenommen worden sei. Der Ausbau des Dachraumes sei nicht, wie im Plan dargestellt, in Holzriegelbauweise, das Stiegenhaus ausgenommen, welches bereits im bewilligten Bauplan mit massiven Umfassungsbauteilen dargestellt gewesen sei, sondern zur Gänze mit einer Stahlbetondecke, Stahlbetonschrägen und einem gemauerten Außenmauerwerk erfolgt. Im ersten Stock und im ausgebauten Dachraum sei die Raumeinteilung geändert worden. Im bewilligten Bauplan seien die Raumhöhen und Gebäudehöhen wie folgt kotiert worden: Im Erdgeschoß und im ersten Stock 2,60 m, im ausgebauten Dachraum: Außenwandhöhe 2,00 m, Deckenhöhe im Stiegenhaus 2,40 m und Deckenhöhe im Wohnbereich 2,60 m. Im vorliegenden Ausführungsplan seien die Raumhöhen im Erdgeschoß, im ersten Stock und im ausgebauten Dachraum durchwegs mit 2,60 m angeführt. Bei der Außenwandhöhe sei ein Maß von 2,15 m eingetragen (es folgen weitere Ausführungen, insbesondere zu den Naturmaßen, die im Beschwerdefall nicht unmittelbar relevant sind).

Der Nachbar erhob Einwendungen gegen das Vorhaben und brachte insbesondere vor, daß es sich infolge der Abtragung "des gesamten altbestehenden Mauerwerkes im Bereich des ersten Obergeschosses" um den Neubau eines Gebäudes handle, weshalb der gesamte Neubau einer Widmungsbewilligung bedürfe. "Sollte nunmehr eine nachträgliche Baubewilligung erteilt werden, ist § 61 Abs. 2 lit. a BauO verletzt". Bei dem im "Auswechslungsplan ersichtlichen Gebäude" handle es sich um ein dreigeschoßiges Objekt. Es werde eine "neue Geschoßfläche mit zusätzlicher Gewinnung von Bebauungsdichte errichtet. Die geschaffenen Geschoßflächen überschreiten das im Flächenwidmungsplan ausgewiesene Höchstausmaß. Es liegt damit ein Widerspruch zum Flächenwidmungsplan vor, der auch die Interessen der Nachbarn beeinträchtigt". Auch fehlten die Bebauungsgrundlagen im Sinne des § 3 Abs. 3 BO, weshalb die Bestimmung des § 61 Abs. 2 lit. c BO verletzt sei. "Mit der Dreigeschossigkeit des Objektes" würden auch die Abstandsvorschriften verletzt. Das betreffe sowohl die Gebäudeabstände als auch die Grenzabstände. Ebenso sei auch § 5 BO hinsichtlich der Bestimmungen über die Gebäudehöhe verletzt. Er spreche sich daher gegen die Erteilung der nachträglichen Baugenehmigung aus, "da diese Bauführung, wie sie tatsächlich errichtet wurde, nie seine Zustimmung gefunden hätte". Er erachte "die gegenständliche Vorgangsweise als Rechtsbeugung und Verletzung der Gleichheit". Außerdem sei ihm seinerzeit erklärt worden, daß es sich bei der gegenständlichen Dachform, die auch er zu verwirklichen beabsichtigte, um ein Pseudomansardendach mit einer Form der Fassadenverkleidung handle. Darüber hinaus sei die ursprüngliche Bauverhandlung aufgrund "eines unkorrekten Vorprüfungsverfahrens durchgeführt" worden. Er beantrage, das "nachträgliche Genehmigungsansuchen" abzuweisen und "die erforderlichen Schritte gemäß § 70a BauO zu setzen".

Mit Bescheid vom 19. Juli 1993 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde die angestrebte "Genehmigung von Ausführungsplänen" und wies die Einwendungen des Nachbarn sowie seinen Antrag auf Erlassung eines Bescheides gemäß § 70a BO als unbegründet ab. Begründend wurde diesbezüglich ausgeführt, daß für das gegenständliche Bauvorhaben die Widmungsbewilligung, womit der Dachgeschoßausbau und die Abänderung der Dachaußenform bei Beibehaltung der First- und Traufenhöhe bewilligt worden sei, in Rechtskraft erwachsen sei. Ebenso sei die aufgrund dieser Widmung erteilte Baubewilligung in Rechtskraft erwachsen. Gegenstand des nunmehrigen Verfahrens sei lediglich die Genehmigung von Ausführungsplänen hinsichtlich der "im Sachverhalt dargestellten Abänderung des Dachknickes, bzw. der Innengestaltung des Objektes". Hinsichtlich der inneren Gestaltung des Objektes stehe dem Nachbarn kein subjektiv-öffentliches Recht zu, und es seien diesbezüglich auch keine Einwendungen erhoben worden. Die übrigen Einwendungen, die zwar dem Grunde nach subjektiv-öffentliche Rechte nach der Bauordnung geltend machten, seien abzuweisen, weil hierüber bereits rechtskräftig entschieden worden sei. Aufgrund der Bewilligungsfähigkeit der Ausführungspläne sei daher auch die Erlassung eines Bescheides gemäß § 70a BO nicht erforderlich.

Dagegen erhob der Nachbar Berufung "insoweit, als das Ansuchen um Genehmigung von Auswechslungsplänen nicht zur Gänze abgewiesen" worden sei, die mit Berufungsbescheid des Gemeinderates der Gemeinde vom 14. Feber 1994 als unbegründet abgewiesen wurde. Begründend wurde ausgeführt, daß mit Bescheid vom 8. Mai 1990 die Widmung des fraglichen Grundstückes, auf welchem sich ein Altbestand befunden habe, unter Berücksichtigung der geplanten Umbaumaßnahmen und des Ausbaues des Dachgeschoßes für Wohnzwecke bei gleichzeitiger Errichtung von 3 Pkw-Abstellplätzen erteilt worden sei. In der Widmungsbewilligung seien unter anderem der Verwendungszweck, die Straßenfluchtlinien sowie die Verwendung der Freiflächen festzusetzen. Keinesfalls sei es aber von Belang, ob es sich hiebei um Um-, Zu- oder Neubauten handle. Demnach sei festzuhalten, daß für das fragliche Grundstück eine rechtskräftige Widmungsbewilligung vorliege und daß vom Nachbarn im Widmungsverfahren keine wie immer gearteten Einwendungen gegen die geplante Nutzung des Grundstückes erhoben worden seien. Gegenstand der Bauverhandlung vom 21. April 1993 sei ausschließlich die Prüfung und Genehmigung der vorgelegten Ausführungspläne gewesen. Einwendungen der Nachbarn gegen die Bewilligung der Auswechslungspläne könnten daher nur insoweit vorgebracht werden, als die geplanten Abänderungen eine Verletzung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte darstellten. Wie aus den vorgelegten Plänen zu ersehen sei, bezögen sich die baulichen Änderungen ausschließlich auf den inneren Ausbau und die Gestaltung der Wohneinheiten. Die geringfügige Erhöhung der Dachtraufe um 15 cm führe jedoch zu keiner Beeinträchtigung der subjektiv-öffentlichen Rechte des Nachbarn. Bauliche Änderungen im Inneren des Gebäudes seien jedoch der Beurteilung der Nachbarschaft entzogen. Demnach habe die Baubehörde erster Instanz die Einwendungen des Nachbarn zu Recht abgewiesen. Die in der Berufung getroffene Feststellung, wonach die Baudirektion selbst auf die Notwendigkeit der Durchführung eines ergänzenden Bauverfahrens hingewiesen habe, stehe mit der Fortführung des Verfahrens nicht im Widerspruch, zumal es hiedurch auch zur Abwicklung des berufungsgegenständlichen Verfahrens gekommen sei. Eine neuerliche Widmung sei nicht erforderlich gewesen, weil sich weder an der Benützungsart noch an der flächenmäßigen Gestaltung des Objektes etwas geändert habe.

Dagegen erhob der Nachbar Vorstellung.

Mit Bescheid vom 3. Mai 1994 hob die belangte Behörde den Berufungsbescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungsbehörde zurück; diese Vorstellungsentscheidung wurde mit dem bereits mehrfach genannten hg. Erkenntnis vom 16. März 1995, Zlen. 94/06/0130 und 0131, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof kam dabei zusammengefaßt zum Ergebnis, daß es sich bei der Widmungsbewilligung vom 8. Mai 1990 um die von der belangten Behörde (wenn auch für den Fall der gänzlichen Abtragung des raumbildenden Mauerwerkes im Dachgeschoß oder auch im ersten Obergeschoß gemäß § 57 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 58 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung) als erforderlich erachtete Widmungsbewilligung handle. Dem könne im Beschwerdefall auch nicht entgegengehalten werden, daß diese Widmungsbewilligung nicht alle Festsetzungen im Sinne des § 3 Abs. 3 BO enthalte, denn soweit Festsetzungen nicht getroffen worden seien, fehle es an einer Änderung bestehender rechtlicher Verhältnisse, die durch das Widmungsverfahren hervorgerufen würde, womit dem Nachbarn daher alle subjektiv-öffentlichen Rechte für ein späteres Baubewilligungsverfahren gewahrt blieben. Die Frage, welche Festsetzungen nun im einzelnen mit dieser Widmungsbewilligung vom 8. Mai 1990 getroffen worden seien, könne daher dahingestellt bleiben; maßgeblich sei vielmehr, daß die dem (damals) angefochtenen Bescheid zugrundeliegende tragende Rechtsauffassung der belangten Behörde, es mangle an einer Widmungsbewilligung, unzutreffend sei.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid im fortgesetzten Verfahren hat die belangte Behörde abermals den Berufungsbescheid wegen Verletzung von Rechten des Vorstellungswerbers (des Nachbarn) behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde verwiesen. Begründend führte die belangte Behörde nach zusammengefaßter Darstellung des Verfahrensganges aus, daß es vorliegendenfalls entgegen der Ansicht des vorstellungswerbenden Nachbarn nicht an einer Widmungsbewilligung mangle (wurde im Sinne der Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes näher ausgeführt). Der Vorstellungswerber habe darüberhinaus aber auch eingewendet, daß durch das gegenständliche Projekt das im Flächenwidmungsplan ausgewiesene Höchstmaß der Bebauungsdichte überschritten werde und durch die Dreigeschossigkeit des Objektes auch die Abstandsvorschriften verletzt würden. Im Widmungsbewilligungsbescheid vom 8. Mai 1990 sei lediglich festgelegt worden, daß bei der Änderung des bestehenden Satteldaches auf ein Walmdach die Traufen- bzw. die Firsthöhe des ursprünglichen Satteldaches beizubehalten seien. Weitere Festsetzungen, wie insbesondere Abstände und Bebauungsdichte, seien mit der Widmungsbewilligung nicht erfolgt, sodaß der nunmehrige Vorstellungswerber seine subjektiv-öffentlichen Rechte im Baubewilligungsverfahren habe geltend machen können. Diese Einwendungen hätten die Gemeindebehörden mit der Begründung abgewiesen, daß Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens lediglich die Genehmigung von Ausführungsplänen hinsichtlich der im Sachverhalt dargestellten Abänderung des Dachknickes bzw. der Innengestaltung des Objektes gewesen sei. Die übrigen Einwendungen seien jedoch abgewiesen worden, weil hierüber bereits rechtskräftig entschieden worden sei.

Dieser Rechtsansicht könne nicht beigetreten werden. Dem Akteninhalt könne nämlich entnommen werden, daß das erste Obergeschoß sowie das Dachgeschoß vollständig abgetragen worden seien bzw. das Mauerwerk teilweise im Zuge der Umbauarbeiten eingestürzt sei. Dies habe zur Folge, daß die rechtskräftige Baubewilligung vom 8. Mai 1990 betreffend Umbaumaßnahmen im Bereich des ersten Obergeschosses nicht mehr konsumiert werden könne. Mit Bescheid vom 1. Juni 1990 sei der Ausbau des Dachgeschosses genehmigt worden. Der Dachausbau sollte dergestalt erfolgen, daß nach Abbruch der bestehenden Dachkonstruktion, der Wohnungstrennwände und der Stiegenhauswände nach Maßgabe des vorliegenden Bauplanes insgesamt drei Wohneinheiten mit näher bezeichneten Nutzflächen ausgebaut werden sollten. Ein Vergleich des mit Bescheid des Bürgermeisters vom 1. Juni 1990 genehmigten Bauplanes mit dem im gegenständlichen Verfahren genehmigten Bauplan (Anmerkung: das ist der Austauschplan) ergebe, daß der Dachknick der Mansardendachkonstruktion nunmehr erhöht worden sei und sich dadurch eine Erhöhung des Kniestockes um ca. 20 cm ergebe. Außerdem soll beim gegenständlichen Projekt der Ausbau des Dachraumes nicht in Holzriegelbauweise, sondern zur Gänze mit einer Stahlbetondecke, Stahlbetonschrägen und einem gemauerten Außenmauerwerk erfolgen. Die Firsthöhe habe sich dadurch nicht erhöht.

Ein Baubewilligungsbescheid sei seiner rechtlichen Natur nach eine Polizeierlaubnis im Sinne der Verwaltungsrechtslehre. Die Baubewilligung enthalte den Ausspruch, daß gegen die beabsichtigte Bauführung, wie sie sich in den Plänen und sonstigen Unterlagen darstelle, aus öffentlichen Rücksichten keine Bedenken obwalteten. Wesentlicher Inhalt einer Baubewilligung sei daher der behördliche Ausspruch, die bauliche Maßnahme sei vom Standpunkt des öffentlichen Interesses zulässig. Entscheidend sei daher sowohl der technische Weg als auch das bauliche Ergebnis (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Mai 1993, Zlen. 83/06/0034, 0035).

Durch den Abbruch sowohl des Dach- als auch des ersten Obergeschosses hätten die ursprünglich erteilten Umbaubewilligungen nicht mehr konsumiert werden können, weil der "technische Weg" (im Original unter Anführungszeichen), der neben dem baulichen Ergebnis auch einen wesentlichen Inhalt der Baubewilligung bilde, nicht mehr durchführbar sei. Es habe sich die Notwendigkeit ergeben, ein neuerliches Baubewilligungsverfahren durchzuführen. Es sei daher unzulässig gewesen, im vorliegenden Verfahren die Einwendungen des Nachbarn unter Hinweis auf rechtskräftig erteilte Baubewilligungen abzuweisen. Es wäre vielmehr die Aufgabe der Baubehörde gewesen, die Einwendungen gegen das gegenständliche Vorhaben, insbesondere die Einwendung einer Abstandsverletzung, inhaltlich zu behandeln. Da mangels entsprechender Behandlung der erhobenen Einwendungen nicht ausgeschlossen werden könne, daß Rechte des Nachbarn verletzt worden seien, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde der Gemeinde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zutreffend führt die Beschwerdeführerin aus, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Rechtsauffassungen der Aufsichtsbehörde, die in einem aufhebenden Vorstellungsbescheid ausgedrückt sind und den aufhebenden Spruch dieses Bescheides tragen, bindende Wirkung zukommt. In diesem Umfang erstreckt sich die Bindung auf alle beteiligten Parteien und Behörden, einschließlich der Aufsichtsbehörde selbst; wird der betreffende Bescheid nicht aufgehoben, so binden die den aufhebenden Spruch tragenden Rechtsauffassungen auch den Verwaltungsgerichtshof (siehe die Ausführungen im genannten Erkenntnis vom 16. März 1995, Zlen. 94/06/0130 und 0131, unter Hinweis auf Vorjudikatur).

Die Beschwerdeführerin bringt vor, im angefochtenen Bescheid vertrete die belangte Behörde die Rechtsansicht, daß durch den Abbruch sowohl des Dach- als auch des ersten Obergeschosses die ursprünlich erteilte Umbaubewilligung sowie die Baubewilligung für den Ausbau des Dachgeschosses nicht mehr konsumiert werden könne, weil der technische Weg, der neben dem baulichen Ergebnis auch einen wesentlichen Inhalt der Baubewilligung bilde, nicht mehr durchführbar sei, weshalb sich die Notwendigkeit der Durchführung eines neuerlichen Baubewilligungsverfahrens ergeben habe, in welchem es daher unzulässig gewesen sei, die Einwendungen des Nachbarn unter Hinweis auf rechtskräftig erteilte Baubewilligungen abzuweisen; es wäre vielmehr Aufgabe der Gemeindebehörden gewesen, die Einwendungen gegen das gegenständliche Vorhaben, insbesondere die Einwendung wegen Abstandsverletzung, inhaltlich zu behandeln. Diese Auffassung sei unrichtig, zumal die Aufsichtsbehörde nach wie vor irrigerweise davon ausgehe, daß durch den Abbruch des Gebäudes bis auf das aufgehende Mauerwerk im Erdgeschoß, der Altbestand und somit der vermutete Konsens untergegangen seien, "weshalb auch der Gegenstand des Bauverfahrens von der Aufsichtsbehörde als Neubau bzw. neubauähnliche Bauführung qualifziert wurde und somit die Einwendungen des Nachbarn Tauber, daß Abstandsbestimmungen verletzt seien, einer inhaltlichen Prüfung zuzuführen seien". Vielmehr sei davon auszugehen, daß die Widmungsbewilligung vom 8. Mai 1990 unter Berücksichtigung des rechtmäßig bestehenden Altbestandes die Neugestaltung des Objektes, wie es zur Errichtung gelangt sei, erfasse. Mit dieser Widmungsbewilligung, die unangefochten in Rechtskraft erwachsen sei, sei die Art der Bebauung und Nutzung der Liegenschaft "eindeutig und unmißverständlich festgelegt" worden. Die Rechtskraft der erteilten Widmungsbewilligung für das Grundstück hänge aber nicht davon ab, ob dieses Ziel im Zuge eines Neu- oder Umbaues bzw. eines Zubaues erreicht werde. Demnach sei von der Aufsichtsbehörde "wiederum nicht berücksichtigt worden, daß für das den Gegenstand der Baubewilligung - Genehmigung der vorgelegten Ausführungs- bzw. Abänderungspläne - bildende Gebäude eine Widmungsbewilligung vorliegt".

Darüber hinaus sei "bis dato in ähnlich gelagerten Fällen die Aufsichtsbehörde immer davon ausgegangen, daß die Zulässigkeit der Wiedererrichtung eines Objektes, welches bis auf die Grundmauern (Fundament) abgetragen wurde, wobei auch Teile des Fundamentes fehlten, gegeben sei, da eine derartige Bauführung als "Sanierung des Altbestandes" interpretiert wurde". Hier sei bedeutend mehr Bausubstanz vom Altbestand übriggeblieben, weil auch das aufgehende Mauerwerk des Erdgeschosses vorhanden geblieben sei. Es könne daher auch deshalb der vermutete Konsens noch nicht untergegangen sein, "weshalb die erteilte Umbaubewilligung, aufgrund dessen, daß die, für die Abänderung vom Konsens, erteilte Widmungsbewilligung sowie die Genehmigung von Ausführungsplänen, die sich im wesentlichen auf eine Änderung der Materialien (Betondecke statt Holzdecke, schmäleres Ziegelmauerwerk, usw.) sowie auf eine geringfügige Veränderung der Traufe bezieht, als eine Einheit betrachtet werden kann, begrifflich nicht über den "Umbau" hinausgeht. Somit kann bei einer baubehördlichen Genehmigung von Ausführungsplänen, welche sich im Rahmen der erteilten Widmungs- bzw. Baubewilligung bewegt, eine Verletzung von subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten im Sinne der Steiermärkischen Bauordnung keinesfalls gegeben sein". Im übrigen sei die Einwendung des Nachbarn im bezug auf die Abstandsverletzung unbegründet (wird näher ausgeführt).

Dem ist folgendes zu entgegnen: Wie sich aus der Sachverhaltsdarstellung ergibt, wurde (entgegen dem ursprünglichen Konzept, das den früheren Baubewilligungen zugrundelag) im ersten Obergeschoß das gesamte tragende Mauerwerk "in zeitgemäßer Weise" neu errichtet, nachdem das frühere tragende Mauerwerk zur Gänze entweder eingestürzt war oder abgebrochen worden war. Entgegen der Beurteilung der Beschwerdeführerin handelt es sich bei der "Wiederherstellung des 1. Obergeschosses mit neuem Mauerwerk" um eine Baumaßnahme, die jedenfalls (schon) gemäß § 57 Abs. 1 lit. c der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149 (BO), bewilligungspflichtig war, weil es sich dabei nicht um eine Wiederherstellung des URSPRÜNGLICHEN Bestandes handelte und nicht fraglich sein kann, daß die Wiedererrichtung dieses (eingestürzten oder abgetragenen) Mauerwerkes in "zeitgemäßer Weise" mit entsprechenden, modernen Baumaterialien von Einfluß inbesondere auf die Festigkeit im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung sein kann (siehe dazu die zur Steiermärkischen Bauordnung ergangenen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. März 1988, Zl. 86/06/0192, = BauSlg. Nr. 1082, betreffend eine Deckenauswechslung; vom 28. Juni 1990, Zl. 90/06/0045, betreffend Deckenauswechslungen sowie das Entfernen sämtlicher Zwischenwände in einem Geschoß und das Abtragen von Außenmauern; ferner vom 22. Juni 1995, Zl. 92/06/0129, betreffend die Errichtung einer Mauer).

Weiters ist davon auszugehen, daß die Decke des ersten Obergeschosses sowie das gesamte darauf errichtete Dachgeschoß in einem technisch und rechtlich untrennbaren Zusammenhang mit dem tragenden Mauerwerk des ersten Obergeschosses stehen:

Einerseits kann die Geschoßdecke und das Dachgeschoß ohne dieses tragende Mauerwerk gar nicht errichtet werden; andererseits ist ein entsprechender Baukonsens für dieses tragende Mauerwerk im ersten Obergeschoß rechtliche Voraussetzung des darauf (rechtlich wie tatsächlich) beruhenden Dachgeschosses samt der entsprechenden Geschoßdecke (vgl. beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Dezember 1981, Zl. 06/0970/80, keine Aufstockung auf einem konsenslosen Erdgeschoß; oder auch vom 1. April 1993, Zl. 91/06/0005, betreffend eine Bewilligung für einen Zubau; vom 15. September 1994, Zl. 94/06/0101 = BauSlg. Nr. 190/1994, wonach ein Baubewilligungsbescheid für das gesamte Haus die Voraussetzung für den Ausbau eines Dachgeschosses ist). Zutreffend hat daher die belangte Behörde erkannt, daß die Baubewilligung vom 1. Juni 1990, soweit sie den Dachgeschoßausbau betraf, rechtens nicht konsumiert werden konnte. Das trifft auch für die Baubewilligung vom 8. März 1990, soweit sie das erste Obergeschoß betraf, zu, weil nach der Lage des Falles Untrennbarkeit anzunehmen ist. Die Beurteilung der belangten Behörde, daß "sich die Notwendigkeit ein neuerliches Baubewilligungsverfahren durchzuführen", ergab, ist daher zutreffend, hingegen die den Bescheiden der Gemeindebehörden zugrundeliegende Auffassung, es genüge vorliegendenfalls, wenn das Baubewilligungsverfahren die "Abänderung des Dachknickes" bzw. die "Innengestaltung des Objektes" umfasse, unrichtig. Damit ist aber noch nicht die Frage beantwortet, was nun konkret Gegenstand des vorliegenden Baubewilligungsverfahrens war.

Die Bauwerber haben im Zuge der Baumaßnahmen einen Ausführungsplan vorgelegt und in der Bauverhandlung vom 21. April 1993 den Antrag "auf Durchführung des Verfahrens zur Genehmigung des gegenständlichen Ausführungsplanes" gestellt. Bei der gegebenen Sachlage war dies nach dem Gesagten dahin zu verstehen, daß sie damit die Erteilung der noch erforderlichen baubehördlichen Bewilligungen zur Realisierung des in diesem Ausführungsplan ersichtlichen Projektes anstrebten (dies umsomehr, als der von der beschwerdeführenden Gemeinde vorgelegte Ausführungsplan keinerlei farbliche Darstellungen im Sinne des § 59 Abs. 4 letzter Satz BO aufweist, aus denen man allenfalls Rückschlüsse auf den Umfang des Projektes ziehen könnte). Jedenfalls ist nicht ersichtlich, daß der Antrag tatsächlich nur den "Dachknick" und die "Innengestaltung" umfaßt hätte, zumal auch ein solcher Antrag nach dem eingangs Gesagten abzuweisen gewesen wäre.

Soweit die Beschwerdeführerin ausführt, der Berufungsbescheid halte sich im Rahmen der erteilten Widmungsbewilligung, verkennt sie, daß die belangte Behörde dies ohnedies nicht in Zweifel gezogen hat und mit dem angefochtenen Bescheid den Berufungsbescheid nicht deshalb aufgehoben hat, weil es an einer Widmungsbewilligung mangle oder der Berufungsbescheid im Widerspruch zur Widmungsbewilligung (die, was hier abermals hervorzuheben ist, nicht alle an sich erforderlichen Festsetzungen enthält) stehe. Vielmehr wurde der Berufungsbescheid deshalb aufgehoben, weil es rechtswidrig war, ausgehend von einem unrichtigen Verständnis des Umfanges dieses Bauverfahrens Einwendungen des Nachbarn gegen das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben lediglich unter Hinweis auf vorangegangene Baubewilligungen abzuweisen und damit insofern in Wahrheit rechtsirrig eine Sachentscheidung zu verweigern. Diese Rechtsauffassung der belangten Behörde ist aber nach dem Gesagten zutreffend. Die Frage hingegen, ob die Einwendungen des Nachbarn, die die Gemeindebehörden infolge eines Rechtsirrtums nicht meritorisch geprüft haben, berechtigt sind oder nicht, war nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides und hat daher auch nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu sein. Damit ist auf das Vorbringen in der Beschwerde, die Einwendung des Nachbarn in bezug auf die Abstandsverletzung sei ohnedies unberechtigt, nicht einzugehen.

Zweckmäßigerweise wäre aber im weiteren Verfahren vor den Gemeindebehörden der Umfang (die "Sache") des gegenständlichen Baubewilligungsverfahrens unmißverständlich klarzustellen.

Da somit bereits die Beschwerdeausführungen erkennen lassen, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Trennbarkeit gesonderter Abspruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995060270.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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