Index
10/07 Verfassungs- und VerwaltungsgerichtsbarkeitNorm
B-VG Art53Leitsatz
Abweisung eines Antrags eines Viertels der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses auf Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit (mit der Mehrheit) betreffend die Frage, ob Akten und Unterlagen "im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung" (Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder) liegen; hinreichende Begründung des Mehrheitsbeschlusses, dass die (potentielle) abstrakte Relevanz der ergänzenden Beweisanforderung (Vorlage sämtlicher Akten und Unterlagen zu Besetzungen bzw Betrauungen von Leitungsfunktionen in nicht von der ÖVP geführten Kabinetten) durch das einschreitende Viertel nicht im erforderlichen Maß dargelegt wurdeRechtssatz
Rechtmäßigkeit der angefochtenen (Bestreitungs-)Beschlüsse des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses vom 14.07.2022:
Für den VfGH ist es nicht offenkundig, dass die Verlangen des einschreitenden Viertels der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses vom Umfang des Untersuchungsgegenstandes des Untersuchungsausschusses gedeckt sind. Auch aus diesem Grund dürfen die Anforderungen an die Begründung der (Bestreitungs-)Beschlüsse nicht überspannt werden.
Nach Auffassung des VfGH legen die (Bestreitungs-)Beschlüsse hinreichend deutlich und nachvollziehbar dar, das einschreitende Viertel der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses habe es unterlassen, in seinen Verlangen hinreichend zu begründen, dass die begehrten Akten und Unterlagen "im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung" liegen und damit von (potentieller) abstrakter Relevanz für den Untersuchungsgegenstand sind.
Der VfGH stimmt dieser Beurteilung in den (Bestreitungs-)Beschlüssen zu. Es ist aus den Verlangen des antragstellenden Viertels der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses nicht zu erkennen, inwiefern es bei den darin genannten Bestellungen zu Begünstigungen von mit der ÖVP verbundenen Personen gekommen sein soll. Ist es aber, wie im vorliegenden Fall, nicht offenkundig, dass die Bestellungen, auf die sich die begehrten Akten und Unterlagen beziehen, im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung liegen, hätte das einschreitende Viertel in seinen Verlangen dafür eine nähere Begründung geben müssen. Die Verlangen enthalten diesbezüglich lediglich die pauschale Annahme, dass es auch in nicht von der ÖVP geführten Ressorts zu Begünstigungen von mit der ÖVP verbundenen Personen gekommen sein könnte.
Wie bereits in E v 29.06.2022, UA 4/2022, dargelegt, kann es nicht Zweck einer ergänzenden Beweisanforderung gemäß §25 Abs2 und 3 VO-UA sein, ohne Bezeichnung näherer - zumindest generalisierter - Anhaltspunkte die Vorlage von Akten und Unterlagen zu begehren. Es muss vielmehr bereits im Verlangen nachvollziehbar offengelegt werden, welchen konkreten Fragen oder Vermutungen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes im Rahmen der ergänzenden Beweisanforderung nachgegangen werden soll. Wie die Gesetzesmaterialien zu §24 und §25 VO-UA ausführen, beziehen sich ergänzende Beweisanforderungen - "[i]m Unterschied zum grundsätzlichen Beweisbeschluss, der eine allgemeine Aufforderung insbesondere zur Übermittlung aller bezughabenden Akten und Unterlagen enthält" - auf "bestimmte Beweismittel im sachlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand". Unter "einem 'bestimmten Beweismittel' ist dabei nicht ein genau bezeichneter Akt zu verstehen, sondern ein konkret umschriebener Vorgang im Rahmen der Verwaltung. Die Bestimmtheitsanforderung soll bloße Erkundungsbeweise oder 'Bepackungen' ausschließen".
Die vom antragstellenden Viertel der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses vertretene Auffassung, dass vom Untersuchungsausschuss auf der Grundlage von §25 VO-UA auch Akten und Unterlagen vergleichbarer Sachverhalte - gleichsam unabhängig vom Untersuchungsgegenstand - angefordert werden können, um beurteilen zu können, ob eine ähnliche Vorgangsweise gewählt wurde wie bei den vom Untersuchungsgegenstand erfassten Sachverhalten, oder um aufzeigen zu können, dass behauptete Vorteilsgewährungen nicht stattgefunden haben, ist verfehlt. Eine solche Auslegung widerspräche den in Art53 Abs2 und 3 B-VG festgelegten Begrenzungen des Untersuchungsgegenstandes und der Vorlageverpflichtungen sowie den diesbezüglichen Regelungen der VO-UA. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass das Verhalten von Akteuren des Untersuchungsausschusses im Rahmen der Sitzungen des Untersuchungsausschusses für den VfGH keinen Maßstab für die Rechtmäßigkeit von (Bestreitungs-)Beschlüssen bildet.
Die Begründung der (Bestreitungs-)Beschlüsse des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses stellt maßgeblich darauf ab, dass ein Zusammenhang der Verlangen gemäß §25 Abs2 und 3 VO-UA mit dem Untersuchungsgegenstand nicht offenkundig sei. Demgegenüber wird nicht auf die Frage eingegangen, ob die Verlangen in sachlicher Hinsicht (zur Gänze) nicht unter den Untersuchungsgegenstand fallen. Insbesondere wird nicht thematisiert, ob die Zuwendung von Vorteilen durch nicht der ÖVP zurechenbare Bundesminister überhaupt unter den Untersuchungsgegenstand fällt. Der VfGH kann daher diese Frage in der vorliegenden Entscheidung offenlassen.
Bei diesem Ergebnis ist zudem nicht auf die Frage einzugehen, ob und inwieweit sich der Untersuchungszeitraum - wie in sämtlichen Verlangen gemäß §25 Abs2 und 3 VO-UA zugrunde gelegt - (auch) auf die Zeit "seit 2014" erstreckt, sodass Akten und Unterlagen bereits ab diesem Zeitpunkt von der Vorlagepflicht erfasst wären.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Untersuchungsausschuss, Nationalrat, Beweise, VfGH / PrüfungsgegenstandEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:UA7.2022Zuletzt aktualisiert am
18.10.2022