TE Vfgh Erkenntnis 1994/3/5 KR1/93

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Veröffentlicht am 05.03.1994
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art121 Abs1
B-VG Art126a
B-VG Art127a Abs1
B-VG Art127a Abs8
RechnungshofG 1948 §17
RechnungshofG 1948 §18
Nö PflichtschulG §41 Abs4
VfGG §36a
VfGG §36d

Leitsatz

Zuständigkeit des Rechnungshofes zur Überprüfung der Gebarung eines Gemeindeverbandes unabhängig von der Einwohnerzahl der verbandsangehörigen Gemeinden; Verpflichtung der Hauptschulgemeinde Schwechat als nunmehriger Antragsgegnerin anstelle der Niederösterreichischen Landesregierung nach Änderung des B-VG bzw VfGG zur Ermöglichung der Überprüfung ihrer Gebarung bei sonstiger Exekution

Spruch

I. In Stattgebung des Antrags wird festgestellt, daß der Rechnungshof gemäß Art121 Abs1 B-VG iVm Art127 a Abs1 und 8 B-VG sowie §§17 iVm 18 RHG zuständig ist, die Gebarung der Hauptschulgemeinde Schwechat seit 1988 zu überprüfen.

II. Die Hauptschulgemeinde Schwechat ist schuldig, die Überprüfung ihrer Gebarung seit 1988 durch den Rechnungshof bei sonstiger Exekution zu ermöglichen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. Der Rechnungshof trat am 5. Juli 1993 an den Verfassungsgerichtshof (zu KR 1/93) mit dem Antrag auf folgende Feststellung heran:

"Der Rechnungshof ist zuständig, die Gebarung der Hauptschulgemeinde Schwechat seit 1988 gemäß Art121 Abs1 B-VG iVm Art127 a Abs8 B-VG und §17 RHG zu überprüfen."

1.1.2. Begründend wurde ua. ausgeführt:

"Mit Schreiben vom 4. Mai 1993 ... teilte der Rechnungshof dem Obmann des Schulausschusses der Hauptschulgemeinde Schwechat mit, daß er deren Gebarung überprüfen werde. Eine Gleichschrift des Prüfungsauftrages wurde auch dem Amt der Niederösterreichischen Landesregierung zugeleitet.

Der Rechnungshof unternahm am 13. Mai 1993 durch seine beauftragten Beamten den Versuch, die Gebarung der Hauptschulgemeinde Schwechat an Ort und Stelle zu überprüfen. Der Obmann der Hauptschulgemeinde Schwechat, Vizebürgermeister L S, verweigerte die Gebarungsüberprüfung, worüber eine Niederschrift aufgenommen wurde.

Die Verweigerung wurde damit begründet, daß die Mitgliedsgemeinden der Hauptschulgemeinde Schwechat gemeinsam nicht 20.000 Einwohner hätten. Gemäß §18 RHG sei der Rechnungshof aber nur für die Überprüfung der Gebarung von Gemeinden über 20.000 Einwohnern zuständig. Die anwesenden Organe der Hauptschulgemeinde Schwechat erachteten eine Zuständigkeit des Rechnungshofes daher als nicht gegeben.

Mit Schreiben vom 26. Mai 1993 ... wurde die Niederösterreichische Landesregierung von der Behinderung in Kenntnis gesetzt und ihr mitgeteilt, daß der Rechnungshof am 14. Juni 1993 einen neuerlichen Versuch an Ort und Stelle unternehmen werde, die Gebarung der Hauptschulgemeinde Schwechat zu überprüfen. Gleichzeitig wurde auch der Obmann des Schulausschusses der Hauptschulgemeinde Schwechat von dem beabsichtigten neuerlichen Prüfungsversuch in Kenntnis gesetzt.

Am 14. Juni 1993 unternahmen die Vertreter des Rechnungshofes einen neuerlichen Versuch, die Gebarung der Hauptschulgemeinde Schwechat an Ort und Stelle zu überprüfen. Der Obmann des Schulausschusses beharrte auf dem Rechtsstandpunkt, wonach der Rechnungshof für die Überprüfung der Gebarung der Hauptschulgemeinde Schwechat nicht prüfungszuständig sei, und ließ die Vornahme von Prüfungshandlungen nicht zu. Darüber wurde eine Niederschrift aufgenommen.

Weder auf die Mitteilung betreffend den ersten Prüfungsversuch noch auf das Schreiben, mit dem die Behinderung des ersten Prüfungsversuches mitgeteilt und der zweite Prüfungsversuch angekündigt wurde, erfolgte eine Äußerung der Niederösterreichischen Landesregierung...

Die Hauptschulgemeinde Schwechat ist gemäß den Bestimmungen der §§41 ff NÖ Pflichtschulgesetz, LGBl. 5000-8, durch Verordnung der Niederösterreichischen Landesregierung vom 10. Juni 1983 (69/83) LGBl. 5000/10-7 als Gemeindeverband eingerichtet.

Gemäß Art121 Abs1 B-VG ist der Rechnungshof ua. zur Überprüfung der Gebarung der Gemeindeverbände zuständig. Bei diesen Überprüfungen sind gemäß Art127 a Abs8 B-VG und §17 RHG jene Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die für die Überprüfung der Gebarung von Gemeinden mit mindestens 20.000 Einwohnern gelten. Anders als bei den Gemeinden (Art127 a Abs1) ist weder den einschlägigen Rechtsvorschriften noch den diesbezüglichen Gesetzesmaterialien eine Einschränkung der Prüfungszuständigkeit auf jene Gemeindeverbände zu entnehmen, die eine bestimmte Größenordnung erreichen, wie zB eine Mindesteinwohnerzahl von 20.000 Einwohnern in den Mitgliedsgemeinden.

So führen die EB zu §17 der RV für ein Rechnungshofgesetz, 585 BlgNR V. GP aus:

'Die Gemeindeverbände sind ein Zusammenschluß von Gemeinden; als solche sind sie diesen näher verwandt als den Ländern. Für die Überprüfung der Gemeindeverbände sollen nicht - wie es das Staatsrechnungshofgesetz im §24 für die Bezirke vorgesehen hatte - die Bestimmungen betreffend die Kontrolle der Länder, sondern jene betreffend die Gemeinden sinngemäß Anwendung finden. Der Bestimmung kommt heute insofern praktische Bedeutung zu, als derartige überörtliche Einrichtungen mit bestimmten Zuständigkeiten auf dem Gebiete des Fürsorgewesens, des Straßenwesens u. dgl. schon derzeit bestehen.'

Weder im Bericht des Verfassungsausschusses, 626 BlgNR V. GP, noch im StenProt. der 83. Sitzung des NR vom 16. Juni 1948 (V. GP) findet sich ein Hinweis, der die Prüfungszuständigkeit des Rechnungshofes auf Gemeindeverbände mit mindestens

20.000 Einwohnern einschränkt.

Die Ausführungen in den EB über die nähere Verwandtschaft der Gemeindeverbände zu den Gemeinden als zu den Ländern sind im Hinblick auf die unterschiedliche Berichterstattung betreffend die Gebarungsüberprüfungen zu sehen. Bei sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen betreffend die Prüfung der Länder hätte der Rechnungshof seine Überprüfungsergebnisse der Landesregierung zuzustellen und nicht den Bürgermeistern bzw. den Gemeinderäten der in den Gemeindeverbänden zusammengeschlossenen Gemeinden.

Auch die maßgebliche Lehre ist einhellig der Ansicht, daß die Prüfungszuständigkeit des Rechnungshofes alle Gemeindeverbände unabhängig von deren Einwohnerzahl umfaßt..."

1.2.1. Die am 19. Juli 1993 zur Stellungnahme eingeladene Niederösterreichische Landesregierung äußerte sich wie folgt:

"Gemäß Art126 a B-VG in der am 31. Juli 1993 in Kraft getretenen Fassung der B-VG-Novelle BGBl. 508/1993 entscheidet der Verfassungsgerichtshof ua. auf Antrag des Rechnungshofes über Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Rechnungshof und einem Rechtsträger gemäß Art121 Abs1 B-VG über die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen, die die Zuständigkeit des Rechnungshofes regeln.

Während es nach der vor dem 31. Juli 1993 geltenden Rechtslage des §36 a VerfGG zwei Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof gab, nämlich 1. die endgültige ablehnende Stellungnahme der Landesregierung oder 2. die mit Kenntnis der Landesregierung erfolgte Behinderung am Prüfungsvollzug, liegt seit der Novelle BGBl. 510/1993 eine Meinungsverschiedenheit nur mehr vor, wenn ein Rechtsträger (das sind der Bund, die Länder, die Gemeindeverbände, die Gemeinden und andere durch Gesetz bestimmte Rechtsträger) die Zuständigkeit des Rechnungshofes zur Gebarungsüberprüfung ausdrücklich bestreitet oder die Gebarungsüberprüfung tatsächlich nicht zuläßt.

Eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem Rechnungshof und dem Rechtsträger Land Niederösterreich besteht nicht. Es liegt vielmehr eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem Rechnungshof und dem Gemeindeverband Hauptschulgemeinde Schwechat vor.

Weder die B-VG-Novelle BGBl. 508/1993 noch die VerfGG-Novelle BGBl. 510/1993 enthalten Übergangsbestimmungen etwa in dem Sinn, daß bereits anhängige Verfahren nach den früher geltenden Bestimmungen zu Ende zu führen sind. Es gilt daher auch für das zu KR 1/93 anhängige Verfahren die durch die Novellen BGBl. 508 und 510/1993 veränderte Rechtslage.

Da im Antrag des Rechnungshofes ausdrücklich als Antragsgegner die Niederösterreichische Landesregierung genannt ist und da der Antrag die mit Kenntnis der Landesregierung erfolgte Behinderung am Prüfungsvollzug geltend macht, sich also ausdrücklich auf die frühere Fassung des §36 a Abs2 VerfGG stützt, müßte dieser Antrag auf Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit zwischen dem Rechnungshof und der Niederösterreichischen Landesregierung wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen werden.

In der Sache erlaubt sich die Niederösterreichische Landesregierung darauf hinzuweisen, daß sie mit der Argumentation des Rechnungshofes übereinstimmt und die Prüfungszuständigkeit des Rechnungshofes für Gemeindeverbände (ohne Rücksicht auf die Einwohnerzahl der zum Gemeindeverband gehörigen Gemeinden) anerkennt..."

1.2.2. Dazu langte beim Verfassungsgerichtshof eine Replik des Rechnungshofs ein.

1.3.1. Die Hauptschulgemeinde Schwechat gab folgende Äußerung ab, der die Stadtgemeinde Schwechat und die Gemeinde Zwölfaxing beitraten:

"Nach einem fernmündlichen Aviso im April 1993 unternahm der Rechnungshof am 13. Mai 1993 einen Prüfungsversuch bei der Hauptschulgemeinde Schwechat. Die Hauptschulgemeinde hat sich damals auf den Rechtsstandpunkt gestellt, daß der Rechnungshof nur befugt sei, Gemeindeverbände ab einer ... Gesamtvolkszahl von über 20.000 Einwohnern zu überprüfen. Dieser Rechtsstandpunkt wurde dem Rechnungshof auch mitgeteilt. Am 14. Juni 1993 erfolgte ein zweiter Prüfungsversuch, die Rechtsmeinung der Hauptschulgemeinde und damit die ablehnende Haltung wurden wiederholt und bis zum heutigen Tag aufrechterhalten. Folgende Erwägungen liegen dieser Meinung zugrunde:

Mit Bundes-Verfassungsgesetz vom 12. Juli 1962, BGBl. 205, wurde die verfassungsrechtliche Stellung der Gemeinden neu formuliert und in die Bundesverfassung integriert. Gemäß Art116 B-VG gliedert sich somit jedes Land in Gemeinden, und zwar in Ortsgemeinden. Die im B-VG ebenfalls vorgesehenen Gebietsgemeinden wurden bis dato durch die österreichische Rechtsordnung noch nicht verwirklicht. Sämtliche verfassungsgesetzlichen Normen beziehen sich somit auf die Ortgsgemeinde an und für sich. Festgehalten in Art116 Abs4 ist, daß durch die zuständige Gesetzgebung für einzelne Zwecke die Bildung von Gemeindeverbänden vorgesehen werden kann. Es handelt sich aber, wie schon erwähnt, um reine, für bestimmte Aufgaben, die an und für sich den Gemeinden zugeordnet sind, gebildete Zweckverbände; der Vorrang hinsichtlich aller die Selbstverwaltung betreffenden Agenden liegt jedoch bei der einzelnen Gemeinde.

Offensichtlich hat dies auch den Bundesverfassungsgesetzgeber dazu veranlaßt, die Regelungen für Gemeindeverbände so zu treffen, daß sich sämtliche verfassungsgesetzlichen Organisations- und sonstigen Vorschriften von jenen der für die Gemeinden geltenden ableiten. Es sei zB auf Art119 a Abs10 B-VG verwiesen, wo ausdrücklich die für die Gemeindeaufsicht maßgeblichen Bestimmungen sinngemäß auch für Gemeindeverbände anzuwenden sind. Das B-VG stellt somit selbst keine unterschiedlichen Normen für Gemeinden und Gemeindeverbände auf, im Gegenteil, die Rechte der Gemeindeverbände sind als solche von den Rechten der einzelnen Gemeinde abgeleitete Rechte anzusehen.

Im Lichte dieser Ausführungen war nun seitens der Hauptschulgemeinde Schwechat zu überlegen, inwieweit der Rechnungshof zur Überprüfung des Gemeindeverbandes zuständig sei. Art127 a B-VG regelt die Gebarungskontrolle von Gemeinden durch den Rechnungshof. Hiebei ist die Kontrolle von Gemeinden mit mindestens 20.000 Einwohnern von jener anderer Gemeinden zu unterscheiden. Alle Normen, die ein selbständiges Vorgehen des Rechnungshofes ermöglichen, beziehen sich auf Gemeinden mit mindestens 20.000 Einwohnern. Andere Gemeinden sind lediglich über Ersuchen der jeweiligen Landesregierung von der Kontrolle durch den Rechnungshof umfaßt. Art127 a Abs8 führt nun aus, daß die für die Überprüfung von Gemeinden mit mindestens 20.000 Einwohnern geltenden Bestimmungen ebenfalls für die Überprüfung von Gemeindeverbänden zu gelten haben. Aus diesen verfassungsgesetzlichen Bestimmungen ist nach Ansicht der Hauptschulgemeinde Schwechat lediglich herauszulesen, daß die für die Abwicklung des Prüfungsvorganges normierten Regelungen sinngemäß anzuwenden sind, keinesfalls jedoch ein selbständiges Einschreiten des Rechnungshofes ermöglichen.

Letztendlich ist jedoch Art127 a B-VG nicht unmittelbar anwendbar, sondern der Rechnungshof gründet seine Kontrollfunktion und sein Vorgehen auf die Bestimmungen des RHG. Kernstück dieses Gesetzes stellt, was die Überprüfung der Gemeindegebarung betrifft, §18 dar. In dieser Bestimmung werden die Befugnisse, das konkrete Vorgehen und die Abwicklung der Gebarungskontrolle für Gemeinden mit mindestens 20.000 Einwohnern geregelt. §19 leg. cit. sieht - wie dies im B-VG vorgesehen ist - vor, daß über begründetes Ansuchen einer Landesregierung auch Gemeinden durch den Rechnungshof zu überprüfen sind, die nicht mindestens 20.000 Einwohner haben. §19 verweist sodann auf §18 und legt fest, daß dessen Absätze 1 bis 3 und 6 sowie 7 sinngemäß anzuwenden sind. Hier sieht der Bundesgesetzgeber somit vor, daß primär §18 als Organisationsvorschrift zu sehen und anzuwenden ist. Was nun die Gebarungskontrolle der Gemeindeverbände betrifft, so verweist §17 lediglich darauf, daß hiefür die Bestimmungen des §18 RHG sinngemäß anzuwenden wären, im Gegensatz zu §19 nicht unter Ausschluß der Absätze 4 und 5, sondern zur Gänze. Wenn jedoch bei einer Gesetzesverweisung die sinngemäße Anwendung eines im selben Gesetz zitierten Paragraphen ausdrücklich normiert wird und hiezu keine Einschränkungen in der Zitierung selbst erfolgen, dann ist dieser zitierte Paragraph zur Gänze und uneingeschränkt anzuwenden. Der Gesetzgeber hätte ansonst eine andere Wortwahl getroffen. Im - dem §18 nachfolgenden - §19 hat dies der Gesetzgeber ja auch ausdrücklich getan und die sinngemäße Anwendung des §18 eben auf die zitierten Absätze eingeschränkt. Insbesondere kann sich die Hauptschulgemeinde Schwechat einer Auslegung keinesfalls anschließen, die besagt, daß alle Bestimmungen des §18 sinngemäß anzuwenden seien, nicht jedoch die Einschränkung auf die 20.000 Einwohner. Eine solche Interpretation erscheint der Hauptschulgemeinde Schwechat den logischen Denkgesetzen zu widersprechen.

Somit steht für die Hauptschulgemeinde Schwechat zunächst fest, daß der Rechnungshof selbständig nur dann eine Gebarungskontrolle vornehmen kann, wenn der Gemeindeverband aus Gemeinden besteht, die insgesamt zusammen mindestens 20.000 Einwohner haben. Die Hauptschulgemeinde Schwechat besteht aus der Stadtgemeinde Schwechat mit 14.669 Einwohnern und der Gemeinde Zwölfaxing mit 1.371 Einwohnern, jeweils bezogen auf die Ergebnisse der Volkszählung vom 15. Mai 1991. Somit umfaßt das Verbandsgebiet zwei Gemeinden mit insgesamt 16.040 Einwohnern. Das Ergebnis der Volkszählung 1981 ergab eine Einwohnerzahl im Verbandsgebiet von 16.016. Damit steht für die Hauptschulgemeinde Schwechat fest, daß eine Gebarungsüberprüfung durch den Rechnungshof nur über begründetes Ersuchen der Niederösterreichischen Landesregierung möglich ist. Nachdem ein solches Ersuchen nicht vorgelegen ist, hat die Hauptschulgemeinde Schwechat mit Recht die Vornahme der Gebarungskontrolle verweigert."

1.3.2. Dazu nahm der Rechnungshof folgendermaßen Stellung:

"In ihrer Äußerung führt die Hauptschulgemeinde Schwechat aus, daß das in ihr zusammengefaßte Verbandsgebiet zwei Gemeinden, nämlich Schwechat und Zwölfaxing, mit insgesamt 16.016 (1981) bzw. 16.040 (1991) Einwohnern umfasse.

Der Rechnungshof stellt die angeführten Einwohnerzahlen mit dem Bemerken außer Streit, daß seiner Auffassung nach die Prüfungszuständigkeit des Rechnungshofes gegenüber Gemeindeverbänden unabhängig von der Einwohnerzahl der dem Gemeindeverband angehörigen Gemeinden gegeben ist.

Die Prüfungszuständigkeit des Rechnungshofes gegenüber Gemeindeverbänden ergibt sich aus Art121 Abs1 B-VG, wonach 'zur Überprüfung der Gebarung des Bundes, der Länder, der Gemeindeverbände, der Gemeinden und anderer durch Gesetz bestimmter Rechtsträger ... der Rechnungshof berufen (ist)'. Im Unterschied zu den Gemeinden enthält das B-VG in weiterer Folge hinsichtlich der Gemeindeverbände jedoch keine Einschränkung der Prüfungsbefugnis. Sowohl Art127 a Abs8 B-VG als auch §17 RHG stellen lediglich klar, welche Verfahrensvorschriften der Rechnungshof anläßlich der Überprüfung der Gebarung von Gemeindeverbänden anzuwenden hat.

In ihrer Äußerung beschäftigt sich die Hauptschulgemeinde Schwechat ausführlich mit den in §§17 und 19 Abs2 RHG enthaltenen Anordnungen über die sinngemäße Geltung des §18 RHG. Hiebei weist die Hauptschulgemeinde auf den Umstand hin, daß §17 RHG in Ansehung der Gemeindeverbände uneingeschränkt die sinngemäße Anwendung des §18 RHG anordnet, während §19 Abs2 in Ansehung der Kleingemeinden die Absätze 4, 5 und 8 des §18 RHG von seiner sonst gebotenen sinngemäßen Anwendung ausdrücklich ausnimmt. Daraus zieht die Hauptschulgemeinde Schwechat den Schluß, zufolge des umfassenden Verweises in §17 RHG sei 'der zitierte Paragraph zur Gänze und uneingeschränkt anzuwenden'. Deshalb könne sich die Hauptschulgemeinde Schwechat keinesfalls einer Auslegung anschließen, derzufolge zwar 'alle Bestimmungen des §18 (RHG) anzuwenden seien, nicht jedoch die Einschränkung auf die 20.000 Einwohner'.

Nach Auffassung des Rechnungshofes ergibt sich jedoch aus dem in §17 RHG enthaltenen Verweis auf den gesamten Inhalt des §18 RHG, daß der Gesetzgeber die Gemeindeverbände - ohne Bezugnahme auf ihre Einwohnerzahl - im Rahmen der Prüfungszuständigkeit und des Prüfungsverfahrens des Rechnungshofes rechtlich den Gemeinden mit mindestens 20.000 Einwohnern gleichstellen und auch in gleicher Weise wie diese behandelt wissen wollte. Hätte der Gesetzgeber - wie dies die Hauptschulgemeinde Schwechat vermeint - eine Unterscheidung der Gemeindeverbände in solche mit mindestens 20.000 Einwohnern und solche mit weniger Einwohnern vornehmen wollen, hätte er dies in §17 RHG mit einem Verweis sowohl auf §18 als auch auf §19 RHG zum Ausdruck bringen müssen. Die auf §19 RHG gestützte Begründung der Hauptschulgemeinde Schwechat geht daher angesichts des in Ansehung der Gemeindeverbände fehlenden Verweises in §17 RHG auf §19 RHG ins Leere.

Abschließend verweist der Rechnungshof noch auf den Umstand, daß der Gesetzgeber anläßlich der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990 (BGBl. 252/1990) normiert hat, daß Wasserverbände uneingeschränkt der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen (§96 Abs5 WRG). Diese Prüfungsbefugnis besteht unabhängig von der Einwohnerzahl der daran beteiligten Gemeinden, woraus sich gleichfalls Rückschlüsse auf die Prüfungszuständigkeit des Rechnungshofes in Ansehung der Gebarung von Gemeindeverbänden und der Auslegung des §18 RHG ziehen lassen."

2. Über den Antrag des Rechnungshofs wurde erwogen:

2.1.1.1. Nach Art121 Abs1 B-VG ist zur Überprüfung der Gebarung "des Bundes, der Länder, der Gemeindeverbände, der Gemeinden und anderer durch Gesetz bestimmter Rechtsträger" der Rechnungshof berufen.

2.1.1.2. Art126 a B-VG idF des BVG BGBl. 508/1993 lautet:

"Entstehen zwischen dem Rechnungshof und einem Rechtsträger (Art121 Abs1) Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen, die die Zuständigkeit des Rechnungshofes regeln, so entscheidet auf Antrag der Bundesregierung oder einer Landesregierung oder des Rechnungshofes der Verfassungsgerichtshof. Alle Rechtsträger sind verpflichtet, entsprechend der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes eine Überprüfung durch den Rechnungshof zu ermöglichen. Die Exekution dieser Verpflichtung wird von den ordentlichen Gerichten durchgeführt. Das Verfahren wird durch Bundesgesetz geregelt."

Dazu heißt es im Bericht des Verfassungsausschusses (1142 BlgNR XVIII. GP, 2):

"Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Tätigkeitsbericht über das Jahr 1990 darauf hingewiesen, daß Verfahren zur Feststellung der Zuständigkeit des Rechnungshofes gegenüber öffentlichen Unternehmungen daran leiden, daß die von der bestrittenen Prüfungszuständigkeit betroffenen Unternehmungen nicht am Verfahren teilnehmen dürfen und daß für die Durchsetzung der Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes entsprechende verfahrensrechtliche Handhaben fehlen.

Der vorliegende Initiativantrag soll nunmehr diese verfassungsrechtliche Lücke schließen und für die Zukunft derartige Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs durchsetzbar machen.

Eine rechtliche Änderung wird einerseits insofern vorgenommen, als nunmehr von Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Rechtsträger (Art121 Abs1 B-VG) und dem Rechnungshof die Rede ist. Dadurch werden auch solche Rechtsträger in das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof einbezogen, die bisher zwar Anlaß zu Meinungsverschiedenheiten sein konnten, ihre Rechtsauffassung in einem Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof aber nicht unmittelbar vertreten konnten."

2.1.1.3. Nach dem 1. Absatz des §36 a VerfGG 1953 idF BGBl. 510/1993 kann ua. der Rechnungshof bei Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und einem Rechtsträger (Art121 Abs1 B-VG) über die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen, die seine Zuständigkeit regeln, den Antrag auf Entscheidung durch den Verfassungsgerichtshof stellen; eine Meinungsverschiedenheit liegt ua. vor, wenn ein Rechtsträger die Zuständigkeit des Rechnungshofs zur Gebarungsüberprüfung ausdrücklich bestreitet oder die Gebarungsüberprüfung tatsächlich nicht zuläßt. Gemäß §36 c Abs1 VerfGG 1953 idF BGBl. 510/1993 sind Parteien des Verfahrens der Antragsteller und der Rechtsträger, mit dem eine Meinungsverschiedenheit über die Zuständigkeit des Rechnungshofs entstanden ist.

2.1.1.4. Das Bundesverfassungsgesetz BGBl. 508/1993, mit dem Art126 a B-VG geändert wurde, und die entsprechende VerfGG-Novelle BGBl. 510/1993 traten mit 31. Juli 1993 in Kraft (Art49 Abs1 B-VG).

2.1.2. Da Übergangsbestimmungen - etwa in dem Sinn, daß laufende Verfahren nach bisherigem Recht zu Ende zu führen seien - fehlen, finden die neuen Vorschriften auch auf Rechtssachen Anwendung, die - wie die vorliegende - am 31. Juli 1993 bereits beim Verfassungsgerichtshof anhängig waren.

Diese Rechtsauffassung vertritt auch die Niederösterreichische Landesregierung, die nach der früheren Rechtslage Antragsgegnerin war; sie meint allerdings, daß diese ihre formale Bezeichnung (nämlich als Antragsgegnerin) im Antrag des Rechnungshofs, der zudem ausdrücklich auf die frühere Fassung des §36 a Abs2 VerfGG 1953 gestützt sei, einer Fortführung des Verfahrens mit der betroffenen Hauptschulgemeinde Schwechat als Verfahrenspartei (nunmehriger Antragsgegnerin) hindernd im Wege stehe. Dem kann jedoch nicht beigepflichtet werden; die Veränderung der Prozeßposition des betroffenen Rechtsträgers macht einen Antrag nach Art126 a B-VG, dessen Zulässigkeit nach altem Recht die Landesregierung - ebenso wie die Hauptschulgemeinde - im übrigen gar nicht bezweifelt, für sich allein noch nicht unzulässig. Vielmehr muß geprüft werden, ob (auch) nach dem jetzt anzuwendenden neuen Recht alle Prozeßvoraussetzungen erfüllt sind. Diese Voraussetzungen treffen hier zu: Es liegt eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem Rechnungshof und dem Rechtsträger Hauptschulgemeinde Schwechat als Gemeindeverband (Art121 Abs1 B-VG iVm §36 a Abs1 VerfGG 1953 nF) über die Auslegung der die Zuständigkeit des Rechnungshofs regelnden gesetzlichen Bestimmungen vor; die Hauptschulgemeinde Schwechat bestritt ausdrücklich die Zuständigkeit des Rechnungshofs zur Gebarungsüberprüfung, sie ließ eine solche Überprüfung tatsächlich nicht zu. Auch war im Zeitpunkt der Antragstellung seit dem Auftreten der Meinungsverschiedenheit nicht mehr als ein Jahr vergangen (s. §36 a Abs2 VerfGG 1953 nF).

Der Antrag ist folglich zulässig.

2.2. Der Antrag erweist sich aber auch als begründet.

2.2.1. Die Hauptschulgemeinde Schwechat ist nach dem §41 Abs4 NÖ PflichtschulG, LGBl. 5000, iVm der Verordnung der Landesregierung LGBl. 5000/10-7 als Gemeindeverband iS des Art121 Abs1 B-VG eingerichtet: Der Rechnungshof ist nach dieser Verfassungsbestimmung zur Überprüfung der Gebarung solcher Gemeindeverbände berufen. Art127 a Abs8 B-VG ordnet an, daß bei der Überprüfung der Gebarung der Gemeindeverbände die für die Überprüfung der Gebarung der Gemeinden mit mindestens 20.000 Einwohnern geltenden Bestimmungen sinngemäß anzuwenden sind. Demgemäß gelten für die Überprüfung der Gebarung der Gemeindeverbände kraft §17 RHG die - mit "Gemeinden" überschriebenen - Bestimmungen des §18 RHG sinngemäß.

2.2.2. Das B-VG nennt in seinem Art121 (Abs1) über die Gebarungskontrolle "Gemeinden" und "Gemeindeverbände" und nimmt von dieser Kontrolle in weiterer Folge nur Gemeinden mit einer 20.000 nicht erreichenden Einwohnerzahl grundsätzlich aus (Art127 a Abs1 B-VG, s. aber Art127 a Abs7 B-VG), nicht aber bestimmte Gemeindeverbände, wie groß die Einwohnerzahlen der zu diesen Verbänden zusammengeschlossenen Gemeinden auch immer sein mögen. Daraus folgt zwingend, daß der Rechnungshofkontrolle die Gebarung aller Gemeindeverbände - unabhängig von der Einwohnerzahl der verbandsangehörigen Gemeinden - unterliegt (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts7, 1992, Rz 1240; Hengstschläger, Der Rechnungshof, 1982, 191; derselbe, Rechtsfragen der Kontrolle kommunaler Unternehmungen, Institut für Kommunalwissenschaften und Umweltschutz 49, 21).

2.2.3. Die gegenteiligen Überlegungen der Hauptschulgemeinde Schwechat in ihrer Gegenäußerung müssen schon am klaren Verfassungswortlaut scheitern; desgleichen die diese Verfassungsrechtslage vernachlässigende Deutung der §§17 bis 19 RHG. Daß "Gemeindeverbände" (nur) zur Besorgung "einzelner Aufgaben" gebildet werden können, vermag daran nichts zu ändern. Der Verfassungsgerichtshof tritt insoweit den im wesentlichen zutreffenden Ausführungen in der Stellungnahme des Rechnungshofs vom 5. Jänner 1994 bei, auf die verwiesen werden kann.

2.3. Aus diesen Erwägungen mußte spruchgemäß entschieden werden.

2.4. Da es sich bei dem der Gebarungsüberprüfung durch den Rechnungshof unterliegenden Gemeindeverband Hauptschulgemeinde Schwechat um einen Rechtsträger handelt, der keine Gebietskörperschaft ist (s. dazu Oberndorfer, Gemeinderecht und Gemeindewirklichkeit, 1971, 290 f.; Neuhofer, Handbuch des Gemeinderechts, 1972, 404; Hengstschläger, Der Rechnungshof, 1982, 190; Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts7, 1992, Rz 863), war gemäß §36 d VerfGG 1953 nF auszusprechen, daß die Hauptschulgemeinde Schwechat schuldig ist, die Überprüfung ihrer Gebarung seit 1988 durch den Rechnungshof bei sonstiger Exekution zu ermöglichen.

2.5. Einer zeitlichen Begrenzung der Prüfungszuständigkeit im vorliegenden Erkenntnis bedurfte es nach Lage dieses Falls nicht; da es hier nämlich um eine auf Dauer angelegte Einrichtung geht - die Prüfungskompetenz des Rechnungshofs also nur durch Änderung der Rechtslage entfallen könnte -, war die begehrte Feststellung (auch) für unbefristete Zeit zulässig (anders die Sachlage etwa in den Fällen VfSlg. 11988/1989 u. 12225/1989).

2.6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Rechnungshofzuständigkeit, VfGH / Verfahren, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Rechnungshof, Gemeinde Rechnungshofzuständigkeit, Gemeindeverband, Schulen, Pflichtschulen, Schulorganisation, Zuständigkeit siehe auch VfGH / Rechnungshofzuständigkeit, Zuständigkeit Rechnungshof, Übergangsbestimmung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:KR1.1993

Dokumentnummer

JFT_10059695_93KR0001_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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