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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 1) des Dieter S und 2) der Margarete S, beide in München, 3) des Horst V und 4) der Ingeborg V, beide in R, Bundesrepublik Deutschland, sowie 5) des Karl R vlg. P in G, alle vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 5. Jänner 1995, Zl. 03-12.10 G 26 - 95/1, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. Marktgemeinde G, vertreten durch den Bürgermeister; 2. H in K, Bundesrepublik Deutschland), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat den Beschwerdeführern Aufwendungen von insgesamt S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 3. Juni 1993 suchte die zweitmitbeteiligte Partei (in der Folge kurz: Bauwerberin) mit Zustimmung der Grundeigentümer um Bewilligung der Widmungsänderung bezüglich eines Grundstückes im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde an (zwischenzeitig wurde sie, wie sich aus den Bauakten ergibt, als Eigentümerin verbüchert). Am 4. Juni 1993 brachte sie ein entsprechendes Baugesuch zwecks Errichtung eines Doppelwohnhauses ein. Die Beschwerdeführer sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Mit Bescheid vom 25. August 1993 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die angestrebte Widmungsänderungsbewilligung unter verschiedenen Vorschreibungen. Die von den Beschwerdeführern und anderen Nachbarn dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 28. Jänner 1994 als unbegründet abgewiesen. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer (nebst weiteren Nachbarn) Vorstellung, die mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. Juni 1994 als unbegründet abgewiesen wurde. Diese Vorstellungsentscheidung wurde über Beschwerde der nunmehrigen Beschwerdeführer mit dem hg. Erkenntnis vom 12. Oktober 1995, Zl. 94/06/0272 (dem der nähere Sachverhalt zu entnehmen ist), wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Hierauf hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 12. Jänner 1996, der gemäß den von der belangten Behörde vorgelegten Ablichtungen der Rückscheine jedenfalls der mitbeteiligten Gemeinde und den Beschwerdeführern zu Handen ihres Vertreters zugestellt wurde, den im Widmungsänderungsbewilligungsverfahren ergangene Berufungsbescheid vom 28. Jänner 1994 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde verwiesen.
Im nun beschwerdegegenständlichen Baubewilligungsverfahren wurde, nachdem die Vorstellungsentscheidung im Widmungsänderungsbewilligungsverfahren ergangen war, eine Bauverhandlung für den 12. Juli 1994 anberaumt. In dieser Verhandlung erhoben die Beschwerdeführer Einwendungen gegen das Vorhaben und erklärten, "im übrigen" ihre Ausführungen "in der Vorstellung vom 13.2.1994 und in der Berufung vom 23.9.1993" (offensichtlich im Widmungsänderungsbewilligungsverfahren) ausdrücklich aufrecht zu erhalten. Des weiteren hatten, wie sich aus der Niederschrift ergibt, der Viertbeschwerdeführer und die Fünftbeschwerdeführerin überdies vor der Verhandlung schriftlich Einwendungen erhoben.
Mit Bescheid vom 21. Juli 1994 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die angestrebte Baubewilligung unter Vorschreibung verschiedener Auflagen; die Einwendungen der Beschwerdeführer wurden als unbegründet abgewiesen. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Berufung; mit Berufungsbescheid vom 25. Oktober 1994 wurde ihrer Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid vollinhaltlich bestätigt. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung, die mit dem nun angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 61 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 54/1992 (BO), kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen; diese sind in dieser Bestimmung taxativ aufgezählt. Dazu gehört u. a. (§ 61 Abs. 2 lit. a BO) das Verbot der Erteilung einer Baubewilligung vor Rechtskraft der Widmungsbewilligung.
Die im Widmungsänderungsbewilligungsverfahren ergangene Berufungsentscheidung vom 28. Jänner 1994 wurde mit der genannten Vorstellungsentscheidung vom 12. Jänner 1996 behoben. Dadurch ist das Widmungsänderungsbewilligungsverfahren vor den Gemeindebehörden in die Lage zurückgetreten, in der es sich vor Erlassung des Berufungsbescheides befunden hatte. Der Rechtszustand zwischen der Erlassung des Berufungsbescheides im Widmungsverfahren und seiner Aufhebung durch die Vorstellung ist im nachhinein so zu betrachten, als ob der aufgehobene Berufungsbescheid von Anfang nicht erlassen worden wäre, weil die Aufhebung des Berufungsbescheides, wie die Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof, ex tunc wirkt. Damit wird auch gemeindebehördlichen Bescheiden, deren Rechtmäßigkeit von der Rechtskraft eines anderen Gemeindebescheides abhängig ist (im Beschwerdefall war die Rechtmäßigkeit der im Baubewilligungsverfahren ergangenen Bescheide von der Rechtskraft des Berufungsbescheides im Widmungsänderungsbewilligungsverfahren abhängig), durch die Aufhebung des letzteren nachträglich und mit Wirkung ex tunc die Rechtsgrundlage entzogen, was aber - mangels ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung - nicht bedeutet, daß der Baubewilligungsbescheid mit Behebung des Widmungsbescheides (Widmungsänderungsbewilligungsbescheides) gleichsam automatisch wegfällt, sondern gegebenenfalls aufzuheben ist (zu all dem siehe ausführlich das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1994, Zl. 91/06/0174, mit weiteren Hinweisen auf Lehre und Judikatur, oder auch die hg. Erkenntnisse vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/06/0140, und vom 20. April 1995, Zlen. 95/06/0069, 94/06/0149).
Diesem Umstand kommt im Beschwerdefall ungeachtet dessen rechtliche Bedeutung zu, daß den Verwaltungsakten eine Einwendung der Beschwerdeführer im Sinne des § 61 Abs. 2 lit. a BO (Verbot der Erteilung einer Baubewilligung vor Rechtskraft der Widmungsbewilligung) nicht zu entnehmen ist, weil ja nach der Verfahrenslage, wie sie zum Zeitpunkt der Bauverhandlung gegeben war, eine rechtskräftige Widmungsänderungsbewilligung vorgelegen war (diese wurde erst in späterer Folge mit Wirkung ex tunc behoben), sodaß eine derartige Einwendung unbegründet gewesen wäre. Der Verwaltungsgerichtshof ist der Ansicht, daß nach den besonderen Umständen des Falles den Beschwerdeführern das Unterlassen dieser - wie gesagt, nach der damaligen Verfahrenslage sinnlosen und unbegründeten - Einwendung nicht zum Nachteil gereichen kann und demnach der nachträgliche Wegfall der Widmungsänderungsbewilligung auch ohne eine solche Einwendung wahrzunehmen ist.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben; im Hinblick hierauf erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit dem weiteren Vorbringen in der Beschwerde. Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG konnte diese Entscheidung ohne Durchführung der von den Beschwerdeführern beantragten mündlichen Verhandlung ergehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Inhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der Vorstellungsbehörde Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Verhältnis zu anderen Materien und Normen Gemeinderecht VorstellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995060051.X00Im RIS seit
03.05.2001