TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/28 95/06/0182

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Veröffentlicht am 28.03.1996
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

BauO Stmk 1968 §3 Abs3;
BauO Stmk 1968 §6;
BauRallg;
VVG §1 Abs1;
VVG §10 Abs2;
VVG §2 Abs2;
VVG §4;
VVG §5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde der W in M, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 7. Juli 1995, Zl. 03-12 Wi 56-95/6, betreffend die Verhängung einer Zwangsstrafe in einer Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 1995, Zl. 94/06/0191, verwiesen, dem auch der nähere Sachverhalt zu entnehmen ist. Hieraus ist festzuhalten:

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde X als Baubehörde erster Instanz vom 24. Oktober 1969 wurde der "K"s Erbengemeinschaft" (nach dem Inhalt der Verwaltungsakten handelt es sich dabei um die - ungenannten - eingeantworteten Erben dieses Erblassers), vertreten durch D K, eine Widmungsbewilligung erteilt (vorgesehen war die Schaffung zahlreicher Bauplätze, aber auch von Aufschließungsstraßen), die auch eine Verpflichtung zur Grundabtretung zwecks Herstellung eines Gehsteiges enthielt. Dieser Bescheid wurde an die "K"s Erbengemeinschaft" zu Handen D K zugestellt und blieb unbekämpft; eine - gesonderte - Zustellung an die einzelnen Miterben als Miteigentümer (persönlich) erfolgte nicht.

Mit Eingabe vom 22. Februar 1993 beantragte die Stadtgemeinde X bei der örtlich zuständigen Bezirkshauptmannschaft die Vollstreckung der Verpflichtung zur Grundabtretung gemäß dem Widmungsbewilligungsbescheid und brachte vor, daß die Beschwerdeführerin, welche Rechtsnachfolgerin der "Erbengemeinschaft K" sei, dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 3. August 1993 wurde über die Beschwerdeführerin eine Zwangsstrafe von S 10.000,-- verhängt. Dieser Bescheid blieb unangefochten. Mit weiterem Bescheid vom 9. November 1993 wurde abermals zwecks Erfüllung der bescheidmäßigen Verpflichtung zur Grundabtretung eine Zwangsstrafe von S 10.000,-- verhängt. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, die mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 13. Juli 1994 als unbegründet abgewiesen wurde. Dieser Berufungsbescheid wurde mit dem eingangs genannten hg. Erkenntnis vom 18. Mai 1995, Zl. 94/06/0191, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben, weil die belangte Behörde rechtsirrig das Vorbringen der Beschwerdeführerin, der Titelbescheid sei ihr gegenüber nicht wirksam, weil ihre Rechtsvorgängerin R S (eine Miterbin) dem D K keine Vollmacht erteilt habe, ungeprüft gelassen habe (das Nähere ist dem genannten Erkenntnis zu entnehmen).

Mit dem nun angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren die Berufung der Beschwerdeführerin abermals als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges ausgeführt, aus den Verwaltungsakten ergebe sich, daß auch die Rechtsvorgängerin der Berufungswerberin, R S, den D K bevollmächtigt habe:

vergleiche man nämlich die auf der Vollmacht vom 21. Jänner 1968 "aufscheinenden Unterfertigten, mit den aufgrund der Einantwortungsurkunde vom 02.10.1967 1 A/43/67, ins Grundbuch eingetragenen Miteigentümern", so sei daraus ersichtlich, daß R S die Vollmacht "als Sechste von oben gelesen" unterfertigt haben müsse. Es sei daher davon auszugehen, daß der Titelbescheid auch gegenüber der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin erlassen worden und deshalb auch ihr gegenüber wirksam sei.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin sei sowohl die Auflage im Widmungsbewilligungsbescheid betreffend die Grundabtretung, als auch die im erstinstanzlichen Bescheid im Zwangsvollstreckungsverfahren angeführte Verpflichtung ausreichend konkretisiert: es sei daraus klar ersichtlich, zu welcher Handlung die nunmehrige Beschwerdeführerin verpflichtet sei. Der genannten Verpflichtung im Titelbescheid könne nämlich eindeutig entnommen werden, in welchem Bereich ein Grundstücksstreifen zur Errichtung des Gehsteiges abgetreten werden müsse. Diese Auflage sei derart bestimmt, daß sie einer Vollstreckung zugänglich sei. Der Ansicht der Beschwerdeführerin, wonach sie nicht Eigentümerin eines der in der Widmungsbewilligung genannten Grundstückes sei, sei nicht beizutreten. Vergleiche man nämlich den Katasterplan aus dem Jahre 1967 mit dem Widmungsplan, der einen integrierenden Bestandteil des Widmungsbewilligungsbescheides bilde und in dem die geplanten Grundstücksteilungen sowie die Aufschließungsstraßen bereits eingetragen gewesen seien, sowie den Katasterplan aus dem Jahre 1970 nach erfolgter Grundstücksteilung, so sei daraus klar und eindeutig erkennbar, daß die im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Grundstücke Teile der ursprünglich im Titelbescheid angeführten Grundstücke seien. Die Beschwerdeführerin sei noch Eigentümerin einiger Grundstücke im relevanten Bereich, auf den sich die verfahrensgegenständliche Verpflichtung des Titelbescheides beziehe (wird näher ausgeführt).

Ebenso sei ihr Einwand unzutreffend, daß die Verhängung einer Zwangsstrafe deshalb unzulässig sei, weil die erstinstanzliche Behörde es unterlassen habe, Erhebungen über ihre persönlichen Verhältnisse durchzuführen, sodaß nicht feststehe, inwieweit durch die Zwangsstrafe ihr notdürftiger Unterhalt gefährdet werde. Dem sei nämlich zu entgegnen, daß gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes § 2 Abs. 2 VVG bei der Bemessung der Zwangsstrafe gemäß § 5 VVG nicht zur Anwendung komme (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Juni 1984, Zl. 84/10/0018).

§ 2 Abs. 2 VVG bestimme nämlich, daß Geldleistungen nur insoweit zwangsweise eingebracht werden dürften, als dadurch der notdürftige Unterhalt des Verpflichteten und der Personen, für die er nach dem Gesetz zu sorgen habe, nicht gefährdet werde. Die wirtschaftliche Lage der Beschwerdeführerin werde daher erst bei Vollstreckung der Zwangsstrafe zu berücksichtigen sein.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bekämpft den angefochtenen Bescheid unter drei Gesichtspunkten: Der Titelbescheid sei mangels Bevollmächtigung des D K durch ihre Rechtsvorgängerin R S nicht wirksam zugestellt worden, Titelbescheid und Vollstreckungsverfügung seien unbestimmt, und die Bezahlung der Zwangsstrafe würde ihren notwendigen Unterhalt gefährden.

Nach der gegebenen Verfahrenslage tritt der Verwaltungsgerichtshof der Beurteilung der belangten Behörde bei, wonach die Verpflichtung im Titelbescheid auch im Hinblick auf die dem Bescheid zugrundeliegenden Planunterlagen so ausreichend konkretisiert ist, daß für einen Fachmann die zu ergreifenden Maßnahmen erkennbar sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. März 1985, Zl. 83/05/0083, = Slg. Nr. 11.691/A - nur Leitsatz). Gleiches gilt sinngemäß für den erstinstanzlichen Bescheid vom 9. November 1993. Davon ausgehend, gibt das allgemein gehaltene Beschwerdevorbringen keinen Anlaß zu einer abweichenden Beurteilung.

Zutreffend hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin entgegnet, daß die Bestimmung des § 2 Abs. 2 VVG bei der Bemessung der Zwangsstrafe gemäß § 5 VVG nicht zur Anwendung kommt (siehe das von der belangten Behörde zitierte hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1984, Zl. 84/10/0018). Das zum Kostenvorauszahlungsauftrag gemäß § 4 VVG ergangene hg. Erkenntnis vom 21. November 1969, Zl. 1369/68, auf das sich die Beschwerdeführerin beruft, ist im übrigen durch das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 6. Juni 1989, Zl. 84/05/0035, = Slg. Nr. 12.942/A, überholt.

Gemäß § 10 Abs. 1 erster Satz AVG (der in dieser Fassung bereits zur Zeit des diesem Vollstreckungsverfahren zugrundeliegenden Titelverfahrens galt) können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, soweit nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, nach der Annahme der belangten Behörde ergebe sich die Bevollmächtigung des D K durch R S aus der Vollmacht vom 21. Jänner 1968. Betrachte man aber diese Vollmacht, "welche übrigens im Verwaltungsakt nur in Kopie erliegt, sodaß schon aus diesem Grund nicht von einer wirksamen Vollmacht auszugehen ist", sei die sechste Unterschrift von oben auf der Rückseite jedenfalls als S Max (dies aufgrund "des nur dreibuchstabigen Vornamens") zu entziffern und nicht als R S, wobei es sich bei Max S um den Ehegatten der R S gehandelt habe, "welcher aber naturgemäß nicht für seine Ehegattin handeln konnte. Weiters wurde mit der gegenständlichen Vollmacht nur Vollmacht zur Vertretung in allen bürgerlichen und Strafrechtsangelegenheiten erteilt und handelte es sich bei der gegenständlichen Sache um eine Verwaltungssache".

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin teilweise im Recht:

Bei der bezogenen, den Akten des Widmungsverfahrens in Ablichtung angeschlossenen Vollmachtsurkunde vom 21. Jänner 1968 handelt es sich um ein vorgedrucktes Formular, wonach vier Personen, darunter D K, unter anderem - so der Wortlaut des Vordruckes - "ermächtigt werden mich (uns) in allen bürgerlichen und Strafrechtsangelegenheiten sowohl vor Gerichts-, politischen und Finanzbehörden als außerbehördlich zu vertreten (...) in meinem (unserem) Namen Rechtsstreite anhängig zu machen, die Zustellung von Klagen und was immer für Namen habenden Beschlüssen, Bescheiden u.dgl. und insbesondere von jenen in Grundbuchssachen anzunehmen, Vergleiche zu schließen, Vormerkungen und Einverleibungen in öffentliche Bücher zu erwirken, grundbücherliche Eintragungen aller Art zu bewilligen, insbesondere Einverleibungs- und Löschungserklärungen abzugeben, bei Behörden Vorstellungen zu machen, zu rekurrieren, Berufungen einzubringen und Nichtigkeitsbeschwerden zu überreichen und von diesen Rechtsmitteln und Berufungen wieder abzustehen ..." (Es folgt ein ganzer Katalog an Ermächtigungen.) Auf der Rückseite befinden sich zahlreiche Unterschriften.

Entgegen der Beurteilung der Beschwerdeführerin läßt der Umstand, daß sich in den Akten des seit mehr als 25 Jahren (aus der Sicht der Behörden) rechtskräftig abgeschlossenen Titelverfahrens nur eine - unbeglaubigte - Ablichtung dieser Vollmachtsurkunde befindet, weder den Rückschluß zu, daß der Vorschrift des § 10 Abs. 1 erster Satz AVG nicht entsprochen worden wäre (die Originalurkunde kann ja nach Einsicht zurückgestellt worden sein), noch, daß schon deshalb keine wirksame Bevollmächtigung des D K durch R S erfolgt sei (sollte das Vorbringen in diesem Sinne zu verstehen sein).

Auch ist der Wortlaut der Urkunde nicht dahin zu verstehen, daß damit ein Einschreiten in Verwaltungssachen (konkret: im zugrundeliegenden Widmungsverfahren) nicht gedeckt wäre, umfaßt die Vollmachtsurkunde ihrem Wortlaut nach doch auch die Vertretung vor "politischen Behörden" (Verwaltungsbehörden), dies auch in Verfahren vor Verwaltungsbehörden (daher in Verwaltungsverfahren), wie sich aus der Ermächtigung, (unter anderem) Bescheide in Empfang zu nehmen, oder auch "bei Behörden" (schlechthin, also ohne Einschränkung) Rechtsmittel zu erheben, ergibt.

Berechtigt hingegen ist das Vorbringen der Beschwerde, soweit es sich gegen die Feststellung der belangten Behörde wendet, die sechste Unterschrift von oben auf der Rückseite der Vollmachtsurkunde sei jene von R S. Die vor Erlassung des angefochtenen Bescheides hiezu nicht gehörte Beschwerdeführerin legt diesbezüglich mit der Beschwerde eine Ablichtung eines Vertrages mit einer beglaubigten Unterschrift der R S vor (ein Vertrag, mit welchem sichtlich eines der durch Parzellierung der ursprünglichen, hier steitverfangenen Liegenschaft gewonnenen Grundstücke von den Miterben abverkauft wird) und verweist zutreffend darauf, daß sich die beglaubigte Unterschrift deutlich von jener sechsten Unterschrift von oben auf der genannten Vollmachtsurkunde unterscheide. Schon aufgrund dessen kann der Verwaltungsgerichtshof der Annahme der belangten Behöre, jene sechste Unterschrift von oben könne nur jene von R S sein (d.h., eine Alternative komme nicht in Betracht) nicht beitreten; vielmehr ist die Frage, um wessen Unterschrift es sich hier handelt, noch aufklärungsbedürftig und es ist das Verfahren diesbezüglich mangelhaft geblieben. Die umfangreichen Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift auf Grundlage der Kommentarmeinung von Lenhoff in Klang I/1, erste Auflage, zur Vertretungsbefugnis des Ehemannes nach § 91 ABGB in der zur Zeit der Vollmachtserteilung geltenden Fassung vermögen daran nichts zu ändern (wie auch offenbleibt, ob die belangte Behörde damit von ihrer Feststellung, es handle sich um die Unterschrift der R S, abging, oder vielmehr davon ausging, es sei rechtlich irrerelevant, ob R S oder ihr Ehemann unterschrieben habe), weil die dem Ehemann aufgrund der damaligen Rechtslage zukommende Vertretungs- und Verwaltungsbefugnis (§§ 91, 1238, 1234 ABGB) weder unbeschränkt noch unbeschränkbar war (siehe dazu beispielsweise Wentzel in Klang I/12, Seite 380 f, und Weiß in Klang V2, Seite 37 ff zu §§ 1238 und 1239 ABGB). In diesem Zusammenhang könnte aber allenfalls bedeutsam sein, inwieweit R S tatsächlich in die Vorgänge eingebunden wurde und (oder) sie auf Grundlage dieses Widmungsbewilligungsbescheides, sei es allein, sei es mit den übrigen Miterben, Verfügungen traf. Denkbar ist auch, daß sich aus dem zugrundeliegenden Verlassenschaftsverfahren hier verwertbare Hinweise ergeben könnten.

Nach dem Gesagten war somit der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebühren für die nicht erforderliche dritte Ausfertigung der Beschwerde waren nicht zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995060182.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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