Norm
PVG §2Schlagworte
Zuständigkeit der PVAB; nachprüfende Kontrolle; Sitzungen von PVO; Zuschaltung per Videokonferenz; Zuschaltung einzelner oder aller PVO-Mitglieder kein Recht der PVO-Mitglieder; Entscheidung der Vorsitzenden (Einladenden) über Präsenzsitzungen oder Videozuschaltungen; Verhinderung; Teilnahme an gewerkschaftliche Veranstaltungen; Personalvertretungsangelegenheiten; Aufgaben der Schriftführer:innen; Beiziehung von Sachverständigen; Tagesordnung; Beschlüsse; WissensstandText
A 15-PVAB/22
Bescheid
Die Personalvertretungsaufsichtsbehörde (PVAB) hat über den Antrag des Mitglieds des Fachausschusses *** (FA) A (Antragsteller) vom 17. Juni 2022, die Geschäftsführung des FA wegen der Verweigerung der Videozuschaltung von FA-Mitgliedern und Sachverständigen aus einem westlichen Bundesland zur FA-Sitzung vom Juni 2022 in Wien sowie der rechtswidrigen Tagesordnung dieser Sitzung auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen, entschieden:
1. Insoweit sich der Antrag darauf richtet, dem FA die Wiederholung der Sitzung vom Juni 2022 aufzutragen, wird er wegen Unzuständigkeit der PVAB zurückgewiesen.
2. Insoweit sich der Antrag gegen die Verweigerung der Videozuschaltung von zwei FA-Mitgliedern zur FA-Sitzung vom Juni 2022 und das E-Mail des Schriftführers vom 10. Juni 2022 im Auftrag des FA-Vorsitzenden richtet, wird er gemäß § 41 Abs. 1 PVG in Verbindung mit § 22 Abs. 3 PVG wegen gesetzmäßiger Geschäftsführung des FA als unbegründet abgewiesen.
3. Insoweit sich der Antrag gegen die Verweigerung der Videozuschaltung von Sachverständigen aus einem westlichen Bundesland zur FA-Sitzung vom Juni 2022 in Wien richtet, wird er gemäß § 41 Abs. 1 PVG in Verbindung mit § 22 Abs. 2 und Abs. 6 PVG wegen gesetzmäßiger Geschäftsführung des FA als unbegründet abgewiesen.
4. Insoweit sich der Antrag gegen die lt. Antragsvorbringen rechtswidrige Tagesordnung der FA-Sitzung vom Juni 2022 richtet, wird er gemäß § 41 Abs. 1 und 2 PVG in Verbindung mit § 1 und § 5 PVGO wegen gesetzmäßiger Geschäftsführung des FA als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit Antrag vom 17. Juni 2022 (versehentlich datiert mit 17. Februar 2022) beantragte das FA-Mitglied A, die Geschäftsführung des FA wegen behaupteten gesetzwidrigen Handelns des FA-Vorsitzenden B sowie des FA-Schriftführers C auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.
Entgegen der geltenden Rechtslage seien die FA-Mitglieder A (Antragsteller) und D sowie die beiden von der Wählergruppe des Antragstellers für die FA-Sitzung im Juni 2022 namhaft gemachten Sachverständigen E und F zu dieser FA-Sitzung nicht per Videokonferenz zugeschaltet worden. Zudem hätte die Tagesordnung dieser FA-Sitzung auch in ihrer aufgrund der Intervention des Antragstellers geänderten Fassung nicht dem PVG und der PVGO entsprochen. Letztlich sei es nicht Aufgabe des Schriftführers eines PVO, entscheidende Kommunikation im Vorfeld einer Sitzung wahrzunehmen.
Daher werde beantragt,
I. das rechtswidrige Handeln des FA-Vorsitzenden festzustellen,
II. die Sitzung vom Juni 2022 wegen rechtswidriger Zusammensetzung des FA aufzuheben,
III. die Wiederholung dieser Sitzung zu beauftragen,
IV. alle bei dieser Sitzung gefassten Beschlüsse wegen gesetzwidriger Zusammensetzung des FA als rechtswidrig aufzuheben,
V. festzustellen, dass die ursprüngliche TO für diese Sitzung nicht dem PVG und der PVGO entsprach, weil den FA-Mitgliedern nicht mindestens 48 Stunden vor Sitzungsbeginn bekannt war, welche Geschäftsstücke unter den jeweiligen TOP zu behandeln wären,
VI. festzustellen, dass auch die nach der Intervention des Antragstellers geänderte TO nicht rechtmäßig war, weil nicht mindestens 48 Stunden vor Sitzungsbeginn festgestanden hatte, welche Geschäftsstücke unter den jeweiligen TOP zu behandeln wären,
VII. festzustellen, dass es nicht Aufgabe des Schriftführers sei, entscheidende Konversation im Wege der Vorbereitung der Sitzungen für den FA-Vorsitzenden zu tätigen.
Aufgrund des Antragsvorbringens, der Stellungnahme des FA vom 1. Juli 2022 und der im Verfahren vorgelegten Dokumente erachtete die PVAB folgenden Sachverhalt als erwiesen:
1. Im Juni 2022 fand eine FA-Sitzung in Wien statt. Diese Sitzung begann um 11 Uhr, wurde am nächsten Tag um 8 Uhr fortgesetzt und endete am nächsten Tag um 9.30 Uhr.
2. Termin und Ort dieser Sitzung wurde den FA-Mitgliedern in der Jahresplanung 2022 mitgeteilt und war ihnen daher seit langem bekannt.
3. Der Antragsteller ist Mitglied des FA und Funktionär der GÖD. Er berief eine gewerkschaftliche PV-Schulung und Besprechung zu aktuellen wichtigen Themen für dieselben Tage im Juni 2022 in ein westliches Bundesland ein. Diese Veranstaltung, bei der der Antragsteller den Vorsitz führte, begann um 11 Uhr und wurde am nächsten Tag um 8:30 Uhr fortgesetzt.
4. An dieser gewerkschaftlichen Veranstaltung nahmen der Antragsteller A und das FA-Mitglied D teil. Weder A noch D ließen sich bei der FA-Sitzung im Juni 2022 in Wien wegen Verhinderung durch ein Ersatzmitglied vertreten.
5. Am 9. Juni 2022 richtete der Antragsteller per ELAK ein Schreiben an den FA. In diesem Schreiben teilte er mit, dass D und er an der FA-Sitzung im Juni 2022 wegen einer Gewerkschaftsveranstaltung in einem westlichen Bundesland nicht teilnehmen könnten. Der Antragsteller ersuchte den FA-Vorsitzenden, ihm und D die Teilnahme an dieser FA-Sitzung per Videokonferenz ermöglichen, mit einem technischen Tool, das den Bediensteten des Ressorts seit der Pandemie vom Dienstgeber für Zuschaltungen zur Verfügung gestellt wird.
6. In seinem Schreiben vom 9. Juni 2022 meldete der Antragsteller dem FA auch die der FA-Sitzung vom Juni 2022 aus der Sicht seiner Wählergruppe beizuziehenden Sachverständigen E und F. Diese wären an den Tagungsort in einem westlichen Bundesland einzuberufen und gleichfalls digital zuzuschalten.
7. Letztlich wies der Antragsteller in seinem Schreiben vom 9. Juni 2022 auf die wiederholte Mangelhaftigkeit der Tagesordnung für FA-Sitzungen hin. Eine neue (ergänzte) Tagesordnung wäre nach PVG mindestens 48 Stunden vor Sitzungsbeginn den FA-Mitgliedern zu übermitteln. In dieser wären die zu behandelnden Geschäftsstücke zu nennen, die bei den jeweiligen TOP zu behandeln seien, wobei die Nennung der GZ der Geschäftsstücke unter dem jeweiligen TOP ausreichen würde (unter Hinweis auf Schragel, PVG, § 22, Rz 39), wenngleich eine Aufbereitung anlog der Vorgangsweise des Zentralausschusses (ZA) vorzuziehen wäre.
8. Mit E-Mail vom 10. Juni 2022, 7.40 Uhr, teilte der Schriftführer C dem Antragsteller im Auftrag des FA-Vorsitzenden mit, dass die FA-Sitzung vom Juni 2022 am Sitzungsort in Wien unter körperlicher Anwesenheit stattfinden werde. Zudem sei der Sitzungstermin mit Protokoll der Mai-Sitzung 2022 bekannt gegeben worden und wäre lt. Jahresplan 2022 seit Jänner 2022 bekannt. Eine Einberufung von Sachverständigen könne nur an den Sitzungsort erfolgen. Sollte der Antragsteller bis 10 Uhr desselben Tages keine Ersatz-Mandatare und anderen Sachverständigen namhaft machen, werde der Schriftführer auftragsgemäß die im Schreiben des Antragstellers angeführten Sachverständigen an den Wiener Sitzungsort einberufen. Die TO werde in überarbeiteter Form fristgerecht übermittelt werden.
9. Die überarbeitete TO für die FA-Sitzung vom Juni 2022 wurde den FA-Mitgliedern vom Schriftführer mit E-Mail vom 10. Juni 2022 übermittelt.
10. Mit E-Mail vom 10. Juni 2022, 10.24 Uhr, reagierte der Antragsteller auf das E-Mail des FA-Schriftführers vom selben Tag. Zunächst verwies er darauf, dass nach der Rechtsprechung der PVAB (A 2-PVAB/22) die Vorsitzenden dafür verantwortlich seien, den Mitgliedern die persönliche oder sonstige Teilnahme an Sitzungen zu ermöglichen. Auch sei dem Antragsteller keine Bestimmung des PVG bekannt, wonach die Einberufung von Sachverständigen an den Sitzungsort gebunden wäre. Letztlich verwies der Antragsteller auf die Möglichkeit, sich an die PVAB zu wenden, wobei er seiner Hoffnung Ausdruck gab, dass ihm der Weg zur PVAB erspart bleiben möge.
11. Mit SMS vom 13. Juni 2022 an den FA-Vorsitzenden zeigte sich der Antragsteller verwundert, dass die Einberufung der Sachverständigen nach Wien erfolgt wäre, obwohl er deren Aufenthalt in einem westlichen Bundesland gemeldet hätte.
12. Mit E-Mail vom Sitzungstag fragte der Antragsteller den FA-Vorsitzenden, ob die Video-Einbindung zur FA-Sitzung schon heute für die fraktionellen Beratungen eingerichtet werde oder erst ab dem nächsten Tag und jeweils ab welcher Uhrzeit die Einbindung vorgesehen sei. Zudem ersuchte er um Aufnahme eines TOP „Aufnahmekommission der Dienststelle Z“ in die TO der Sitzung.
13. Mit E-Mail vom selben Tag teilte der FA-Vorsitzende dem Antragsteller mit, dass das Schreiben des Schriftführers in seinem Auftrag alles klar geregelt habe. Das Plenum mit körperlicher Anwesenheit der FA-Mitglieder beginne am ersten Sitzungstag im Juni 2022 um 8 Uhr im Sitzungszimmer des FA. Der vom Antragsteller gewünschte TOP werde in die TO dieser Sitzung aufgenommen werden.
14. Die Aufnahme des vom Antragsteller am 14. Juni 2022 beantragten TOP „Aufnahmekommission der Dienststelle Z“ wurde vor Eingehen in die TO der FA-Sitzung vom Juni 2022 einstimmig beschlossen (TOP 2 und TOP 26) und dessen Behandlung bis zur darauffolgenden FA-Sitzung vertagt.
15. Am Nachmittag des ersten Sitzungstages teilte der Antragsteller dem FA-Vorsitzenden mit, dass er einen virtuellen Raum eingerichtet habe, in dem die beiden FA-Mitglieder auf die Zuschaltung per Video am nächsten Tag ab 7.30 Uhr warten würden. Sollte keine Zuschaltung erfolgen, wäre die FA-Sitzung nicht rechtens zustande gekommen und somit ungültig.
16. Für den FA-Vorsitzenden kam eine Video-Zuschaltung nicht in Frage, da es sich in dem westlichen Bundesland um eine gewerkschaftliche Schulung handelte und um keine Dienstverrichtung, weshalb vom Antragsteller für den Sachverständigen F auch um Gewährung eines Sonderurlaubs ersucht wurde. Die Gewerkschaft sei ein Verein und die Ausübung von Vereinstätigkeiten könne daher nicht im Dienst erfolgen. Auch stelle sich für den FA-Vorsitzenden die Frage der gebotenen Sicherheit (Vertraulichkeit).
Die vorstehenden Sachverhaltsfeststellungen wurden den Parteien des Verfahrens gemäß § 45 Abs. 3 AVG mit Schriftsatz vom 13. Juli 2022 zur Kenntnisnahme übermittelt und ihnen Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen dazu Stellung zu nehmen. Unter einem wurde darauf hingewiesen, dass für den Fall keiner Stellungnahme innerhalb der gesetzten Frist angenommen werde, es bestünden keine Einwände gegen den festgestellten Sachverhalt.
Der Antragsteller übermittelte innerhalb der ihm gesetzten Frist umgehend seine Stellungnahme vom 18. Juli 2022. Zu Pkt. 1 des Sachverhalts führte er aus, mangels Teilnahme an dieser Sitzung keine Auskunft geben zu können. Zu Pkt. 3 merkte er an, dass es im eigentlichen Sinn keinen Vorsitzenden gegeben hätte; er habe am ersten Sitzungstag, nachdem klar war, dass es keine Video-Verbindung geben würde, um 11.20 Uhr die Begrüßung durchgeführt und am nächsten Sitzungstag ab 8.30 Uhr, nachdem die Verbindung nicht zustande gekommen war, als Vortragender fungiert. Zu Pkt. 16 führte er aus, dass es sich bei dieser PV-Schulung um eine „Quasi-Dienstverrichtung“ handle, was sich aus dem der Stellungnahme beigefügten Erlass der Zentralstelle ergebe. So musste der Sachverständige F Sonderurlaub beantragen, um an der Schulung teilnehmen zu können. Die GÖD sei kein Verein. Es sei nicht richtig, wie der FA ausführe, dass Vereinstätigkeit nicht im Dienst erfolgen könne, wozu der Antragsteller auf den beigefügten Erlass verweise. Die gebotene Sicherheit (Vertraulichkeit) wäre gegeben gewesen. Im Übrigen wurde kein Einwand gegen die Sachverhaltsfeststellungen der PVAB erhoben. Ergänzend kritisierte der Antragsteller diverse Aussagen des FA in dessen Stellungnahme vom 1. Juli 2022, die von ihm als beleidigend bzw. angriffig gegenüber seiner Person empfunden würden, nahm aber keine diesbezügliche Ergänzung seines Antrags vor.
Zu dieser Stellungnahme des Antragstellers hat die PVAB erwogen:
Die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) ist entgegen der Ansicht des Antragstellers als eine der Fachgewerkschaften des Vereins Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB) Teil des Vereins ÖGB, was rechtlich außer Zweifel steht, aber im vorliegenden Fall keine rechtliche Bedeutung hat. Dass die Teilnahme an gewerkschaftlichen Schulungsveranstaltungen nicht als Dienstverrichtung anzusehen ist, folgt eindeutig aus dem Umstand, dass nicht vom Dienst freigestellte Personalvertreter:innen sowie Gewerkschaftsfunktionär:innen Sonderurlaub (Dienstfreistellung) beantragen und erhalten müssen, um an solchen gewerkschaftlichen Schulungsveranstaltungen während der Normaldienstzeit teilnehmen zu können. Dies folgt auch – entgegen den Ausführungen des Antragstellers – unmissverständlich aus den seiner Stellungnahme vom 18. Juni 2022 angeschlossenen Erlässen der Zentralstelle. Die Klarstellung des Antragstellers, es habe bei der Schulungsveranstaltung keinen Vorsitzenden im eigentlichen Sinn gegeben, wird dadurch relativiert, dass der Antragsteller selbst angibt, am ersten Sitzungstag im Juni 2022 die Begrüßung der Teilnehmer:innen vorgenommen und am nächsten Tag ab 8.30 Uhr als Vortragender fungiert zu haben. Da es sich dabei um Tätigkeiten handelt, die üblicherweise von den Vorsitzenden von Schulungsveranstaltungen vorgenommen werden, sieht die PVAB keinen Anlass, Pkt. 3 ihre Sachverhaltsfeststellungen zu ändern.
Der FA hat in seiner fristgerechten Stellungnahme vom 27. Juli 2022 mitgeteilt, keine Einwände gegen den von der Personalvertretungsaufsichtsbehörde als erwiesen angenommenen Sachverhalt zu erheben. Ergänzend legte der FA das Protokoll der FA-Sondersitzung vom 1. Juli 2022 vor, in der zu TOP 4 der Tagesordnung diese Sitzung die Beschlussfassung über die Stellungnahme an die PVAB zum verfahrensgegenständlichen Antrag erfolgte.
Der Sachverhalt steht somit fest.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 41 Abs.1 PVG sind antragsberechtigt an die PVAB u.a. Personen, die die Verletzung ihrer Rechte durch gesetzwidrige Geschäftsführung eines Personalvertretungsorgans (PVO) behaupten.
Der Antragsteller ist Mitglied des FA, gegen den sich sein Antrag richtet, und fühlt sich durch die Vorgangsweise des FA-Vorsitzenden und des FA-Schriftführers in seinen ihm durch das PVG gewährleisteten Rechten verletzt. Seine Antragsberechtigung ist gegeben.
Nach § 41 Abs. 1 PVG ist die PVAB zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Geschäftsführung der PVO und nicht des Verhaltens einzelner Personalvertreter:innen zuständig, es sei denn, deren Verhalten wird für das PVO gesetzt und ist diesem zuzurechnen.
Es steht außer Zweifel, dass Handlungen und Unterlassungen von Vorsitzenden und Schriftführer:innen für das PVO dessen Geschäftsführung zuzurechnen sind und daher der Zuständigkeit der PVAB unterliegen (Schragel, PVG, § 41, Rz 2; PVAB 19. Juni 2017, A 7-PVAB/17; PVAB 15. März 2018, A 1-PVAB/18; jeweils mwN).
Die Geschäftsführung des FA-Vorsitzenden B und des FA-Schriftführers C für den FA sind daher diesem als Kollegialorgan zuzurechnen und belasten dessen Geschäftsführung mit Gesetzwidrigkeit, sofern sie entgegen den Vorgaben des PVG bzw. der PVGO erfolgen.
Zu Spruchpunkt 1
Der PVAB obliegt nach § 41 Abs. 1 PVG die Aufsicht über die Personalvertretungsorgane, welche insbesondere die Sorge um die Gesetzmäßigkeit der Geschäftsführung der Organe der Personalvertretung umfasst. Nach § 41 Abs. 2 PVG ist die Aufsichtsbehörde u.a. insbesondere berechtigt, rechtswidrige Beschlüsse der PVO aufzuheben und PVO aufzulösen, die ihre Pflichten dauernd verletzen.
Daraus folgt, dass die Aufsicht durch die PVAB kraft Gesetzes die Kontrolle der Geschäftsführung von PVO im Nachhinein erfasst und die PVAB in Personalvertretungsangelegenheiten weder zu Anordnungen („Weisungen“) an die PVO noch an die Organe des Dienstgebers oder zum direkten Eingreifen in dienstliche Abläufe oder die Geschäftsführung von PVO ermächtigt ist.
Es besteht daher keine Zuständigkeit der PVAB, dem FA aufzutragen, die Sitzung vom Juni 2022 zu wiederholen (Pkt. III des Antrags).
Zu Spruchpunkt 2
Der Antragsteller begründet seinen Antrag betreffend die behauptete rechtswidrige Verweigerung der Video-Zuschaltung der beiden FA-Mitglieder A (Antragsteller) und D mit der rechtskräftigen Entscheidung der PVAB vom 23. März 2022, A 2-PVAB/22, woraus er ableite, dass jedem Mitglied eines PVO das Recht zustehe, frei zu entscheiden, persönlich oder per Videozuschaltung an Sitzungen des PVO teilzunehmen.
Dieses vom Antragsteller behauptete Recht kann der genannten Entscheidung der PVAB nicht entnommen werden. Diese Entscheidung der PVAB bezog sich auf die Durchführung von PVO-Sitzungen während der COVID-19-Pandemie im Lichte der zur Eindämmung von COVID-19 zum damaligen Zeitpunkt im Ressort in Geltung stehenden Weisungen (Erlässe). Das nicht geimpfte und durch ärztliches Attest von der Maskenpflicht befreite Mitglied des Zentralausschusses (ZA), dem zum damaligen Zeitpunkt die Zuschaltung per Video verwehrt wurde, war zur persönlichen Teilnahme an der ZA-Sitzung bereit. Da aufgrund der damals aufgrund der Gefahrensituation durch die Pandemie im Ressort geltenden Zutrittsregelungen zur Eindämmung von COVID-19 eine persönliche Teilnahme dieses ZA-Mitglieds an einer ZA-Sitzung nicht möglich war, war diesem in dieser besonderen Krisensituation die Teilnahme an der Sitzung per Videokonferenz mit einem vom Dienstgeber zur Verfügung gestellten technischen Tool zu ermöglichen.
An den Sitzungstagen im Juni 2022 standen im Ressort aber keine besonderen Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 bei Sitzungen bzw. beim Zutritt zu Gebäuden mehr in Geltung. Die Möglichkeiten zum Homeoffice waren beendet, es galt vielmehr wieder durchgehend persönliche Anwesenheitspflicht für alle Bediensteten mit Ausnahme von Telearbeiter:innen und Angehörigen von COVID-19-Risikogruppen, für deren Dienstverrichtung weiterhin das Homeoffice offenstand.
Das vom Dienstgeber zur Verfügung gestellte digitale Tool für Videokonferenzen steht im Ressort weiterhin in Verwendung und wird je nach Entscheidung der jeweiligen Vorgesetzten (Einladenden) bei Besprechungen und Sitzungen nach wie vor angewendet. Videokonferenzen, die zu einem fixen Bestandteil der dienstlichen nationalen und internationalen Kommunikation geworden sind, oder Zuschaltungen werden im Ressort auch aus ökonomischen Gründen durchgeführt, beispielsweise, wenn Mitarbeiter:innen aus ganz Österreich an einer Sitzung teilnehmen sollen, um lange unproduktive Bahnfahrten zu vermeiden.
Da dienstrechtliche Anordnungen grundsätzlich in vollem Umfang auch für die Personalvertreter:innen gelten (PVAB 22. März 2022, A 6-PVAB/22), bedeutet diese Sach- und Rechtslage, dass die PVO-Vorsitzenden bzw. die zu den jeweiligen PVO-Sitzungen Einberufenden zu entscheiden haben, ob eine PVO-Sitzung als Präsenzsitzung mit persönlicher Anwesenheitspflicht der PVO-Mitglieder, als Videokonferenz oder mit zumindest teilweiser Videozuschaltung durchgeführt wird.
Nach PVG und PVGO haben die PVO-Vorsitzenden zu den Sitzungen einzuberufen und Ort und Zeit der Sitzungen festzulegen. Es steht daher im Ermessen der Vorsitzenden, ob die PVO-Mitglieder persönlich zu den Sitzungen zu erscheinen haben oder ob – in besonders gelagerten Einzelfällen – eine Videokonferenz einberufen oder die Zuschaltung nur einzelner Mitglieder per Video zugelassen wird. Anders als vom Antragsteller angenommen, unterliegt es nicht der freien Entscheidung von PVO-Mitgliedern, persönlich zu Sitzungen zu erscheinen oder sich per Video zuschalten zu lassen, und besteht kein Recht der einzelnen PVO-Mitglieder, sich zuschalten zu lassen. Erfolgt keine entsprechende Vereinbarung mit dem PVO-Vorsitzenden, sind die einzelnen PVO-Mitglieder zur persönlichen Teilnahme an den Sitzungen verpflichtet, sofern sie nicht aufgrund eines genügenden Entschuldigungsgrundes verhindert sind.
Zur persönlichen Anwesenheit bei PVO-Sitzungen ist festzustellen, dass nach der Systematik des PVG und dem Willen des Gesetzgebers jedenfalls Präsenzsitzungen von Kollegialorganen wegen der persönlichen Anwesenheit der Mitglieder der Vorzug zu geben ist, weil nur diese die erforderliche Unmittelbarkeit bei Debatten, denen der Gesetzgeber besondere Bedeutung zumisst (vgl. dazu nur §§ 7 und 8 PVG), in vollem Umfang zu garantieren vermögen.
Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob der Antragsteller grundsätzlich dazu verpflichtet gewesen wäre, der Ladung des FA-Vorsitzenden zur FA-Sitzung im Juni 2022 durch sein persönliches Erscheinen nachzukommen. Diese Frage ist zu bejahen.
Schragel setzt sich in seinem Kommentar zum PVG (§ 22, RZ 27 und RZ 28), eingehend mit der Verhinderung von Personalvertreter:innen auseinander. Auch nach Schragel steht es nicht im Belieben der einzelnen Personalvertreter:innen, an einer Sitzung teilzunehmen oder nicht. Sie müssen vielmehr verhindert sein und einen genügenden Entschuldigungsgrund dafür haben. Durch die imperative Formulierung in § 22 Abs. 3 PVG („hat teilzunehmen“) wird vom Gesetzgeber klargestellt, dass es nicht dem Ermessen des einzelnen Mitglieds anheimgestellt ist, an der Sitzung teilzunehmen oder sich vertreten zu lassen. Das Mitglied muss vielmehr, wie sich aus dem 3. Satz des § 22 Abs. 3 PVG ergibt, einen genügenden Entschuldigungsgrund haben.
Sowohl dienstliche Gründe als auch Einsätze in Personalvertretungsangelegenheiten können die Verhinderung von Personalvertreter:innen, an einer Sitzung teilzunehmen, bewirken (A 29-PVAK/00). Als genügender Entschuldigungsgrund kann nur eine Situation gelten, die es dem:der Personalvertreter:in unmöglich oder unzumutbar schwer macht, an der Sitzung teilzunehmen.
Die PVAB geht davon aus, dass die Teilnahme an einer gewerkschaftlichen Schulungsveranstaltung als genügender Entschuldigungsgrund anzusehen ist. Dies, obwohl im vorliegenden Fall trotz des seit Jänner 2022 bekannten Termins der FA-Sitzung im Juni 2022 vom Antragsteller in seiner Funktion als Vorsitzender selbst aufgrund besonderer Dringlichkeit zeitgleich eine gewerkschaftliche Schulungsveranstaltung in einem westlichen Bundesland anberaumt wurde. Der Antragsteller und D waren daher iSd § 22 Abs. 3 PVG verhindert, an der FA-Sitzung im Juni 2022 in Wien persönlich teilzunehmen.
Bei der Teilnahme an einer gewerkschaftlichen Schulungsveranstaltung handelt es sich weder um die Erfüllung dienstlicher Aufgaben noch um Personalvertretungstätigkeiten, sondern um gewerkschaftliche Aktivitäten. An Gewerkschaftsveranstaltungen kann nur teilgenommen werden, wenn entweder Sonderurlaub nach § 74 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) oder eine teilweise Dienstfreistellung gegen Refundierung nach § 78c Abs. 3 BDG 1979 gewährt wurde. Beide Fälle stellen – ebenso wie Erholungsurlaub oder gänzliche Dienstfreistellung – eine gerechtfertigte Abwesenheit vom Dienst dar, in der die betroffenen Personalvertreter:innen der Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 2 PVG, für die ihnen nach § 25 PVG die erforderliche Freizeit bzw. Dienstfreistellung zu gewähren ist, nicht nachkommen können (vgl. dazu auch § 2 Abs. 3 PVG zur gänzlichen Trennung von Personalvertretungs- und Gewerkschaftstätigkeiten). Ebenso stellt die umfangreiche Rechtsprechung zu § 25 Abs. 4 PVG einheitlich darauf ab, dass unter dem Passus „zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten“ ausschließlich Obliegenheiten nach PVG, also Personalvertretungstätigkeiten, verstanden werden können.
Da die FA-Sitzung und die Gewerkschaftsschulung im vorliegenden Fall zeitgleich in Wien bzw. in einem westlichen Bundesland erfolgten, konnten der Antragsteller und FA-Mitglied D nicht beide Termine wahrnehmen und entschieden sich für die Teilnahme an der Gewerkschaftsveranstaltung. Zu Recht konnte der FA-Vorsitzende daher davon ausgehen, dass der Antragsteller und D deshalb mit genügendem Entschuldigungsgrund an der Teilnahme an der FA-Sitzung verhindert waren und stellte die Namhaftmachung von Ersatzmitgliedern in den Raum, worauf der Antragsteller und D jedoch verzichteten.
Der FA-Vorsitzende, der, wie zuvor bereits dargetan, rechtskonform eine Sitzung mit persönlicher Anwesenheit der FA-Mitglieder einberufen hatte, war nach PVG nicht verpflichtet, dem Antragsteller und D die Zuschaltung per Video zu ermöglichen. Eine entsprechende Vereinbarung zwischen dem Antragsteller und dem FA-Vorsitzenden war nicht getroffen worden. Die Verweigerung der Zuschaltung des Antragstellers und D durch den FA-Vorsitzenden erfolgte in Wahrnehmung seines Ermessens als Vorsitzender des Gremiums in gesetzmäßiger Geschäftsführung, weshalb der FA bei dieser Sitzung gesetzmäßig zusammengesetzt war und kein rechtlicher Grund besteht, die bei dieser Sitzung gefassten Beschlüsse als rechtswidrig aufzuheben (Pkt. I, II und IV des Antrags).
Zum E-Mail des FA-Schriftführers vom 10. Juni 2022 an den Antragsteller, dessen Inhalte zu kommunizieren der Antragsteller als für einen Schriftführer nicht zulässig erachtet, ist festzustellen, dass dieses E-Mail, wie dessen Textierung unmissverständlich zu entnehmen ist, vom Schriftführer nicht aus eigenem Antrieb, sondern im Auftrag des Vorsitzenden gesendet wurde. Dieses E-Mail war also kein E-Mail des Schriftführers, sondern ist einem E-Mail des FA-Vorsitzenden („in dessen Auftrag“) gleichzuhalten. Daher hat der FA-Schriftführer seine Befugnisse als Schriftführer nicht überschritten und kann dem FA aus diesem Grund keine gesetzwidrige Geschäftsführung angelastet werden (Pkt. VII des Antrags).
Zusammenfassend zu Spruchpunkt 2 ist festzustellen, dass weder der FA-Vorsitzende noch der FA-Schriftführer, deren Handlungen und Unterlassungen für den FA dem FA als Kollegialorgan zuzurechnen sind, durch ihre in aufsichtsbehördliche Prüfung gezogenen Vorgangsweisen die Geschäftsführung des ZA mit Gesetzwidrigkeit belastet haben.
Zu Spruchpunkt 3
Vom Antragsteller in aufsichtsbehördliche Prüfung gezogen wurde auch die Weigerung des FA-Vorsitzenden, die beiden von der Wählergruppe des Antragstellers für die FA-Sitzung vom Juni 2022 namhaft gemachten Sachverständigen (§ 22 Abs. 6 PVG), die gleichfalls bei der gewerkschaftlichen Schulung in einem westlichen Bundesland anwesend waren, per Video der FA-Sitzung zuzuschalten.
Nach § 22 Abs. 6 PVG können sachverständige Bedienstete, die dem PVO nicht angehören, den Beratungen des Ausschusses beigezogen werden. Auch die Sachverständigen sind – ebenso wie die PVO-Mitglieder – daher vom Vorsitzenden an den von ihm festzulegenden Sitzungsort zu der von ihm festzulegenden Zeit einzuladen und haben, sofern sie als Sachverständige fungieren wollen, ebenso wie die PVO-Mitglieder einer solchen Einladung Folge zu leisten.
Es steht daher im Einklang mit der Sach- und Rechtslage, dass der FA-Vorsitzende die