Norm
BDG 1979 §43 Abs1Schlagworte
Wiederbetätigung im nationalsozialistischen SinneText
Die Bundesdisziplinarbehörde hat am 15.09.2022 in Anwesenheit des Beamten, des
Verteidigers, des Disziplinaranwaltes und der Schriftführerin durchgeführten mündlichen
Verhandlung zu Recht erkannt:
Der Beamte ist schuldig,
er hat sich auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VerbotsG 1947 bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinne betätigt, in dem er
1. in N.N. und N.N. zu nicht näher feststellbaren Zeitpunkten in den Jahren 2014
und 2015 im Internet eine Uniform und Abzeichen mit sichtbarem Hakenkreuz, eine personalisierte Urkunde mit seinem Namen und dem Dienstgrad „Obersturmbannführer“, auf welcher der Reichsadler samt Hakenkreuz ersichtlich ist, 3 Hakenkreuzfahnen sowie einen Hakenkreuztischwimpel bestellte und zum Zwecke der Herstellung einer SS-Uniform einen Aufnäher mit SS-Runen sowie 2 Aufnäher mit Reichsadler und Hakenkreuz an der Uniform angebracht und sodann diese SS-Uniform zumindest fünfmal trug und darin – teilweise in freier Natur und dort teilweise einen Helm mit sichtbaren Hakenkreuz tragend – zum Zwecke der Zur-Schau-Stellung Fotos von sich anfertigte und auf einem Datenträger speicherte und
2. zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2017 oder 2018 in N.N.
nationalsozialistische Abzeichen bzw. Auszeichnungen, auf welchen ein Hakenkreuz ersichtlich war, zeigte und
3. am 06. April 2019 in N.N. in der Kantine des Sportvereins vor zumindest 8 Personen mit der ausgestreckten rechten Hand den „Hitlergruß“ darbot und dabei ein Foto von sich anfertigen ließ und
4. zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im Sommer 2019 in N.N. in der Spielerkabine am Fußballplatz vor zumindest 11 Personen mit der ausgestreckten rechten Hand den „Hitlergruß“ darbot und
5. zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im ersten Quartal 2020 in WIEN in der N.N.-Kaserne vor seinen Kameraden mit der ausgestreckten rechten Hand den „Hitlergruß“ darbot und darüber hinaus ist er schuldig,
6. am 12. November 2021 48 Stück Knallpatronen für das Sturmgewehr 77 im Schreibtisch der dienstlichen Kanzlei in der N.N.-Kaserne verwahrt und 5 Stück Knallkörper 78 (Losnummer CA-05/03) aus Heeresbestand am Wohnsitz besessen zu haben.
Dadurch hat er schuldhaft in den Spruchpunkten 1 bis 5
gegen die Bestimmung des § 43 Abs 2 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl. Nr. 333 (BDG 1979), wonach „der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen hat, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt“ und im Spruchpunkt 6 gegen die Bestimmung des § 43 Abs 1 BDG 1979 wonach „der Beamte verpflichtet ist, seine
dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen hat“
verstoßen und Pflichtverletzungen gemäß § 2 Abs. 1 Heeresdisziplinargesetz 2014, BGBl I. Nr. 2 (HDG 2014), zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2020, begangen.
Über OStWm A.A. wird gemäß § 51 Z 3 HDG 2014 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von € 4.320,-- (viertausenddreihundertzwanzig Euro) verhängt.
Gemäß § 38 Abs. 1 HDG 2014 hat OStWm A.A. dem Bund einen Kostenbeitrag in der Höhe von € 360, -- (dreihundertsechzig Euro) zu leisten.
Gemäß § 77 Abs. 4 HDG 2014 wird die Abstattung der Geldstrafe in 36 Monatsraten zu je € 120, -- (einhundertzwanzig Euro) verfügt.
Die Dienstenthebung endet gemäß § 40 Abs 6 HDG 2014 mit dem rechtskräftigen Abschluss
des Disziplinarverfahrens.
B E G R Ü N D U N G
Zur Person:
1. OStWm A.A. steht als Militärperson in einem unbefristeten öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und unterliegt den Bestimmungen des Disziplinar- und
Dienstenthebungsverfahren nach dem HDG 2014, BGBl. I Nr. 2/2014, zuletzt geändert durch
2. Er ist auf einem Arbeitsplatz in der N.N. des N.N. (N.N.) als Kommandant der Gruppe N.N. eingeteilt. Sein Dienstort ist die N.N. Kaserne in N.N. Er bringt ein Bruttogehalt von € 2.484,10 ins Verdienen (Besoldungsmerkmal M BUO/FG 2/Gehaltsstufe 9).
3. Er ist verheiratet und hat Sorgepflichten für fünf Kinder. Personalvertreterfunktion übt er
keine aus.
Zum Verfahrensgang und Sachverhalt:
4. Mit Bescheid vom 15. November 2021 wurde OStWm A.A. mit sofortiger Wirkung durch den Disziplinarvorgesetzten gemäß § 40 Abs 1 HDG 2014 vorläufig vom Dienst enthoben und der Dienstenthebungsakt der Bundesdisziplinarbehörde (BDB) vorgelegt. Mit Bescheid vom 12. Jänner 2022 wurde er durch die BDB, Senat 45, gemäß § 40 Abs 3 HDG 2014 vom Dienst enthoben, weil er mehrere Devotionalien mit nationalsozialistischem Inhalt in seinem Besitz hatte. Außerdem wurden bei einer am 12. November 2021 an seiner Dienststelle durch Polizeibeamte im Beisein von Organen der Militärpolizei durchgeführten Durchsuchung seiner Unterkunft, Kanzlei, sowie am Wohnsitz folgende Gegenstände sichergestellt:
1 s-Patrone 9mm P80 in der Transportbox P80, versperrt im Waffenschrank
48 Stück Knallpatronen 5,56mm StG77, versperrt im Schreibtisch
50 Stück .22 Kaliber Munition für Kleinkalibergewehr im Privat-Kfz
1 s-Patrone 9mm im Privat-Kfz unbekannter Herkunft
5 Stück Knallkörper 78 aus Heeresbestand (Los CA-05/03)
1 Kiste mit derzeit noch nicht genau bezeichneten Gegenständen mit NS-Symbolen
Der Bescheid vom 12. Jänner 2022 erwuchs in Rechtskraft. Mit Bescheid vom 04. März 2022
hob der Senat 45 der BDB ob der bis dahin nicht bekannten Sorgepflichten die Bezugskürzung gemäß § 41 Abs 1 HDG 2014 auf.
5. Das Geschworenengericht beim Landesgericht N.N. verurteilte am 04. Juli 2022 den Disziplinarbeschuldigten wegen der in den Spruchpunkten 1 bis 5 angeführten Tathandlungen zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 10 Monaten und einer Geldstrafe von € 1.200.- (12 Hv45/22i). Das Urteil erwuchs in Rechtskraft.
7. Die Disziplinaranzeige wurde durch den Kdt N.N. als Disziplinarvorgesetzter am 21. Juli 2022 erstattet und langte am 26. Juli 2022 bei der Bundesdisziplinarbehörde (BDB) ein, wo sie aufgrund der am 30.11.2021 erlassenen Geschäftseinteilung für das Kalenderjahr 2022 dem Senat 45 zugewiesen wurde. Ihr wurde der im Spruch dargelegte Sachverhalt zugrunde gelegt. In Ergänzung wurde ausgeführt: „Er wurde in der am 04.07.2022 durchgeführten Verhandlung durch das Geschworenengericht für schuldig erkannt, dass er sich auf andere als in den §§ 3a bis 3f VerbotsG 1947 bezeichneten Weise im nationalsozialistischen Sinne betätigte. Auf Grund von Ermittlungen gegen ihn wurde auf Anordnung der Staatsanwaltschaft N.N. am 12.11.2021 eine Durchsuchung der militärischen Unterkunft (N.N.-Kaserne) und seines privaten Kraftfahrzeuges von 0930 bis 1200 durchgeführt. Im Zuge dieser konnten Munition, Munitionsteile und diverse Devotionalien gefunden werden. Ab 1300 Uhr erfolgte eine Hausdurchsuchung an seiner Wohnadresse, an der mehrere Waffen und verschiedene Utensilien mit NS-Bezug sichergestellt wurden. Bei der anschließenden Nachschauhaltung in N.N., wurden in einer Kiste SS-Uniformen, Fahnen, Wimpel und andere Objekte mit NS-Bezug vorgefunden und sichergestellt“. Als verletzte Pflicht wurde § 43 BDG 1979 angeführt. Ihr wurden der MP-Bericht vom 13.11.2021, die BV-Meldung vom 12.11.2021, die Einleitung des Disziplinarverfahrens durch den Einheitskommandanten vom 15.11.2021, die Bescheide zum Dienstenthebungsakt, die gekürzte Urteilsausfertigung vom 08. Juli 2022 (12 Hv 45/22i) und die Verständigung der PV vom 20.07.2022 beigeschlossen.
8. Die Bundesdisziplinarbehörde (BDB), Senat 45, erließ mit Bescheid vom 08. August 2022 den Einleitungsbeschluss, der am 10. August 2022 über die rechtsfreundliche Vertretung zugestellt wurde. Gleichzeitig wurde die mündliche Verhandlung für den 15.09.2022 ausgeschrieben und die Ladungen den Parteien und dem Zeugen ordnungsgemäß zugestellt.
Als Ergebnis des Beweisverfahrens der mündlichen Verhandlung am 15. September 2022, bei
der OStWm A.A. als Beschuldigter ein umfassendes und reumütiges Geständnis zeigte und die im Akt aufliegenden Unterlagen zur Verlesung gebrachten wurden und der Zeuge Oberstleutnant A.A. über seine bisherigen dienstlichen Leistungen und die Zukunftsprognose aussagte, ist für die Bundesdisziplinarbehörde, Senat 45, der im Spruch angeführte Sachverhalt erwiesen.
9. OStWm A.A. bekannte sich zu Beginn der mündlichen Verhandlung vollinhaltlich zum vorgeworfenen Verhalten des Einleitungsbeschlusses schuldig. Er beteuerte glaubhaft, dass es ihm sehr leidtue und ein derartiges inakzeptables Verhalten nicht mehr vorkommen würde. Er sei sich darüber im Klaren, dass im Wiederholungsfalle der Amtsverlust nach § 27 StGB drohe. Die Tathandlungen wären unter Alkoholeinfluss geschehen, er distanziere sich von den Gräueltaten des Nationalsozialismus und habe damit nichts zu tun. Er hätte die Kiste mit den unter Ziffer 4 angeführten Gegenständen nach Beendigung des Strafverfahrens zurückerhalten, wolle aber mit dem „ganzen Zeugs“ nichts mehr zu tun haben und verweigerte die Rücknahme. Er sei sich auch bewusst, dass er im Anschuldigungspunkt 6 schuldhaft gehandelt habe, weil scharfe und Knallmunition gleich zu behandeln sind und er sie dem NUO abgegeben hätte müssen. Die Knallkörper 78 habe er wohl versehentlich nach einer Übung mit nach Hause genommen und vergessen, er wollte niemanden – schon gar nicht seine Kinder - gefährden. Er habe sie sodann zuhause im Keller gelagert. Ein Senatsmitglied merkte zutreffend an, dass die unter dem Spruchpunkt 1 ausgeführten Taten nicht unter Alkoholeinfluss begangen wurden, daher eine Schutzbehauptung des Disziplinarbeschuldigten vorliegen würde.
10. Der Bataillonskommandant Obstlt A.A. attestierte dem Beschuldigten eine zufriedenstellende Dienstleistung. Im körperlichen Leistungsbereich sei er hervorragend und falle durch Teilnahme an diversen Wettkämpfen durchaus positiv auf. Bisher hätte es keine disziplinären Verfehlungen gegeben, die strafrechtlichen Verdachtsmomente wurden durch ein einschlägiges Foto im Internet bekannt. Die Kollegen des DNS hätten gemeinsam mit der MP in der Kaserne Nachschau gehalten. Disziplinarrechtlich relevante Sachverhalte durch Angehörige des Bataillons im Zusammenhang mit der Strafsache wurden rechtskräftig abgeschlossen. Das Betriebsklima wurde durch die Straftaten des OStWm A.A. nicht besonders belastet, weil alle Angehörigen des Verbandes wissen, dass die Beendigung des Dienstverhältnisses grundsätzlich die Folge für derartige Verbrechen ist. Da dem Disziplinarbeschuldigten die militärische Verlässlichkeit entzogen wurde, kann er ihn im IKT-Bereich nicht mehr einsetzen. Sollte sein Dienstverhältnis nicht beendet werden, könnte er sich seine dienstliche Verwendung in der Feldküche vorstellen. Im Dienst wären Probleme mit dem Alkoholkonsum des Herrn OStWm noch nie aufgetreten, über sein Verhalten in der Freizeit könne er keine Auskunft geben.
11. In den Schlussworten führte der Herr Disziplinaranwalt beim BMLV (DiszAnw) aus, dass der Disziplinarbeschuldigte durch seine Tathandlungen vorsätzlich gegen seine Dienstpflichten verstoßen habe. Hinsichtlich der Anschuldigungspunkte 1 bis 5 liege Bindungswirkung an das Urteil des LG N.N. vor. Der disziplinäre Überhang sei aus generalpräventiven Gründen zu bejahen. Nach der Rechtsprechung des VwGH komme aufgrund des Treueverlustes die Disziplinarstrafe der Entlassung in Betracht. Aus generalpräventiven Gründen sowieso, allerdings sei in diesem Fall eine Geldstrafe ausreichend. Das Strafgericht hätte bereits durch eine mehr als einjährige Freiheitsstrafe den Amtsverlust bewirken können, nahm aber davon Abstand. Es wollte also dem Senat der BDB als „Kameradengericht“ die Entscheidung überlassen oder dem Disziplinarbeschuldigten eine 2. Chance einräumen, er neige zu Zweiterem. Bei der Strafbemessung wäre von einer sehr schweren Dienstpflichtverletzung auszugehen, da von Dienstgeberseite nationalsozialistische Wiederbetätigung nicht geduldet wird, die spezialpräventiven Aspekte würden ob des einsichtigen Verhaltens und der ehrlich gemeinten Besserungsabsicht in den Hintergrund treten. Zudem liege eine positive Zukunftsprognose vor. Er weiß, dass er unter strenger Beobachtung steht und im Wiederholungsfall entlassen wird. Nach Darstellung der Milderungsgründe (siehe unten) und dem Erschwerungsgrund der mehrfachen einschlägigen
Pflichtverletzung forderte er eine Geldstrafe in der Höhe von 200% der Bemessungsgrundlage, also € 4.968,20 als schuld- und tatangemessene Bestrafung.
12. Der Herr Verteidiger führte in seinem Plädoyer aus, dass er grundsätzlich die Beurteilung
des Herrn DiszAnw im Hinblick auf die objektive und subjektive Tatseite teile und bedankte sich bei ihm für die faire Beurteilung des Disziplinarfalles. Das Urteil des Geschworenengerichtes habe sein Mandant bereits reumütig zur Kenntnis genommen und er sei geläutert. Hinsichtlich der Ausführungen zur Generalprävention teile er die Beurteilung des Herrn DiszAnw, im Strafprozess sei das Medieninteresse hoch gewesen. Im Bundesheer habe NS-Gedankengut keinen Platz. Aus spezialpräventiver Sicht brauche es keine strenge Bestrafung seines Mandanten, weil er weiß, dass er im Wiederholungsfalle wahrscheinlich ins Gefängnis muss und jedenfalls seine Arbeit verliert. Er ersuche daher abschließend um eine milde Bestrafung.
13. Der Disziplinarbeschuldigte betonte nochmals, dass ihm die Sache leidtue und er nicht
noch einmal in so eine Situation kommen werde. Er würde gerne alles ungeschehen machen
und stehe zu den schweren Fehlern. Er schließe sich den Ausführungen seines Verteidigers an
und ersuchte abschließend um eine milde Bestrafung.
14. Der Senatsvorsitzende befragt am Ende der mündlichen Verhandlung die Parteien, ob die Aufnahme des Schallträgers wiedergegeben werden soll. Auf das Abspielen der Aufzeichnung wird verzichtet. Auf die Verlesung der Verhandlungsschrift und Ausfolgung des Protokolls wird von den Parteien verzichtet.
Der Disziplinarsenat hat erwogen:
Rechtliche Grundlagen in Bezug auf die Dienstpflichtverletzungen:
15. § 43 Abs. 1 BDG 1979 (Allgemeine Dienstpflichten):
„Der Beamte ist verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden
Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen,“
16. § 43 Abs. 2 BDG 1979 (Allgemeine Dienstpflichten; Vertrauenswahrung):
„Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt,“
17. § 3 Abs. 1 HDG 2014: „Ein Verdächtiger darf wegen einer Pflichtverletzung nur bestraft
werden, wenn gegen ihn ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde
1. innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt, an dem die Pflichtverletzung einer für den Verdächtigen in Betracht kommenden Disziplinarbehörde zur Kenntnis gelangt ist, und
2. innerhalb von drei Jahren seit Beendigung der Pflichtverletzung.“
§ 3 Abs. 2 HDG 2014: „Ein Beschuldigter darf wegen einer Pflichtverletzung nur innerhalb
von drei Jahren nach Einleitung des Verfahrens bestraft werden. Nach Ablauf dieser Frist gilt das Disziplinarverfahren als eingestellt.“
§ 3 Abs. 3 HDG 2014: „Hat der Sachverhalt, der einer Pflichtverletzung zugrunde liegt, zu einer strafgerichtlichen Verurteilung geführt und endet die strafrechtliche Verjährungsfrist nach den §§ 57 und 58 StGB für diesen Sachverhalt später als die Dreijahresfrist nach Abs. 1 Z 2 und Abs. 2, so tritt an die Stelle dieser Frist die strafrechtliche Verjährungsfrist. In diesen Fällen ist die Halbjahresfrist nach Abs. 1 Z 1 nicht anzuwenden.
18. § 5 Abs. 1 HDG 2014: „Stellt eine gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbare Handlung zugleich eine Pflichtverletzung dar, so ist von der disziplinären Verfolgung abzusehen, wenn
1. dies ohne Verletzung dienstlicher Interessen möglich ist und
2. der Pflichtverletzung ausschließlich der für einen gerichtlich oder verwaltungsbehördlich
strafbaren Tatbestand maßgebende Sachverhalt zugrunde liegt.
§ 5 Abs. 2 HDG 2014: „Die Disziplinarbehörde ist an die dem Spruch eines rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteiles zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung gebunden. Diese Behörde darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht im Urteil als nicht erwiesen angenommen hat.“
19. § 62 Abs. 3 HDG 2014: „Das Verfahren ist …. einzustellen, wenn
1. der Beschuldigte die ihm zu Last gelegte Pflichtverletzung nicht begangen hat oder diese Pflichtverletzung nicht erwiesen werden kann oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen, oder
2. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Pflichtverletzung darstellt, oder
3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder
4. die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von weiteren Pflichtverletzungen abzuhalten oder um Pflichtverletzungen anderer Personen entgegenzuwirken.“
Zur rechtlichen Würdigung:
Beweiswürdigung (Feststellungen):
20. Zur Strafbarkeitsverjährung, weil die im Spruchpunkt 1 ausgeführten Tathandlungen in
den Jahren 2014 und 2015 erfolgten:
§ 57 Abs. 3 des Strafgesetzbuches normiert (Hervorhebung der relevanten Bestimmung):
„Die Verjährungsfrist beträgt zwanzig Jahre, wenn die Handlung zwar nicht mit lebenslanger Freiheitsstrafe, aber mit mehr als zehnjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist; zehn Jahre, wenn die Handlung mit mehr als fünfjähriger, aber höchstens zehnjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist...;“ die Strafbarkeitsverjährung ist gemäß § 3 Abs. 3 HDG iVm § 57 Abs. 3 StGB nicht eingetreten. Nachdem am 12. November 2021 eine Durchsuchung stattfand, leitete der Einheitskommandant am 15.11.2021 ob der Verdachtsgründe ein Disziplinarverfahren gegen den Disziplinarbeschuldigten unverzüglich ein. Es ist daher keine Verfolgungsverjährung im Spruchpunkt 6 (Verwahrung von Knallmunition und Knallkörpern) eingetreten.
21. Das Disziplinarrecht erfüllt eine Ordnungsfunktion. Es soll einer durch ein Dienstvergehen verursachten Störung des beamtenrechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses mit dem Ziel begegnen, die Sauberkeit und die Leistungsfähigkeit des österreichischen Beamtentums zu erhalten und sein Ansehen zu wahren. (VwGH 14. 1. 1980 SlgNF 10.007 A).
22. § 43 Abs. 2 BDG 1979 fordert die Sachlichkeit der Amtsführung. Darunter versteht der Sprachgebrauch eine solche, die der "Sache", dem "Gegenstand" der Tätigkeit entspricht und sich ausschließlich auf das "Wesentliche" bezieht. Bei einer Berufsmilitärperson kommt es auf die sachliche "Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben" an; da diese jedoch sehr weitgehend durch die Rechtsordnung bestimmt sind, wird durch § 43 Abs. 2 BDG 1979 in erster Linie das Vertrauen in die rechtmäßige Aufgabenerfüllung geschützt. Diese Pflicht verletzt der Soldat immer dann, wenn er durch ein inner- oder außerdienstliches Verhalten Bedenken dagegen auslöst, dass er bei der Vollziehung rechtmäßig vorgehen werde, und damit seine "Glaubwürdigkeit" einbüßt. Demgemäß ist ganz allgemein ein Verhalten verboten, dass das einfließen lassen anderer als dienstlicher Interessen auf die Vollziehung vermuten lässt (vgl. VwGH vom 21.12.1999, 93/09/0122). Der Beamte muss jeden Anschein vermeiden, er werde nicht zur „Sache“ gehörende Interessen einfließen lassen. Das von dieser Bestimmung geschützte Rechtsgut liegt nach Ansicht der Rechtsprechung in der allgemeinen Wertschätzung die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genießt, damit in der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und des dafür erforderlichen Ansehens der Beamtenschaft. Die genannten Rückschlüsse können von einem Verhalten gezogen werden, das mit dem Aufgabenbereich des Beamten in konkretem Zusammenhang steht. Dabei besteht ein Bezug zu den besonderen Aufgaben des jeweiligen Soldaten (besonderer Funktionsbezug). Darüber hinaus kann auch ein allgemeiner Bezug zu Aufgaben hergestellt werden, die jedem Beamten zukommen, insofern stellt § 43 Abs. 2 BDG
auch eine für alle Beamten gemeinsame Verhaltensrichtlinie dar (allgemeiner Funktionsbezug) (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarecht der Beamten4 2010, S 163f.). Der dienstliche Bezug und disziplinärer Überhang liegt auf Grund der Verletzung der Vertrauenswahrung vor:
„Insoweit eine Ahndung des fraglichen Verhaltens gemäß § 43 Abs. 2 BDG in Betracht kommt, wird ein disziplinärer Überhang immer vorliegen. Gerade diese Bestimmung enthält nämlich mit ihrem Abstellen auf das „Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung (der) dienstlichen Aufgaben“ einen spezifisch dienstrechtlichen Aspekt, der von keinem anderen Tatbestand eines anderen Strafrechtsbereiches wahrgenommen wird. Auch der VwGH vertritt seit langem grundsätzlich, dass der wesentliche Gesichtspunkt der Vertrauenswahrung ein spezifisch dienstrechtlicher ist und daher weder bei der Verhängung von gerichtlichen Strafen noch bei jener von Verwaltungsstrafen berücksichtigt wird (siehe Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, 4., aktualisierte Auflage, Seite 60)“.
Demzufolge ist auszuführen:
Wer das Verbrechen der nationalsozialistischen Wiederbetätigung begeht, zerstört dem Grunde nach das Vertrauen in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben (siehe VwGH Erk vom 05.09.2013, 2013/09/0114). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ist jedoch auf den Einzelfall Bedacht zu nehmen (siehe W146 2153105-1). Die im Spruch geschilderte Tathandlung ist nicht zu akzeptieren und stellt einen schuldhaften Verstoß gegen die Bestimmung des § 43 Abs 2 BDG 1979 dar.
23. Zum Schuldspruch im Anschuldigungspunkt 6:
Gemäß § 43 Abs 1 BDG ist der Beamte verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung gestellten Mitteln aus eigenem zu erfüllen. Er darf also während der Ausübung seines Dienstes keine strafbaren Handlungen begehen (VwGH 4.9.1990, 88/09/0013) und muss die ihm übertragenen Aufgaben ordentlich erledigen (treu, gewissenhaft, engagiert). Dazu gehört es selbstredend auch, dass er die geltende Rechtsordnung und insbesondere die für seinen Arbeitsplatz maßgeblichen Bestimmungen und Vollzugsvorschriften strikt beachtet. Ein Dienstnehmer, der seinem Dienstgeber Knallmunition und Knallkörper 78 entwendet und diese (im Fall der Knallkörper) entgegen der Vorschriftenlage (siehe Erlass Munitionswesen Teil I und II;
Schutz- und Sicherheitsbestimmungen, GZ S92011/172-Vor/2015; Teil II RZ 50 und 54) aus der Kaserne verbringt, der verletzt seine Dienstpflicht.
Zum Grad des Verschuldens:
24. Der Disziplinarbeschuldigte hat in allen Spruchpunkten vorsätzlich gegen seine Dienstpflichten verstoßen, weil er es ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, die in §§ 43 Abs 1 (Spruchpunkt 6) und Abs 2 (Spruchpunkte 1 bis 5) BDG 1979 normierten Dienstpflichten zu verletzen.
Zur Strafbemessung:
25. Die Strafe war vom erkennenden Senat im Sinne der nachstehenden Erwägungen gemäß
§ 6 HDG 2014 nach Maßgabe der im Strafgesetzbuch festgelegten Gründe zu bemessen (§§ 32-35 StGB). Die Disziplinarbehörde ist gemäß § 95 Abs. 2 BDG 1979 an den Spruch und an die dem Spruch des rechtskräftigen Urteils zu Grunde liegende Tatsachenfeststellungen gebunden. Die Bindung umfasst die Feststellung zur äußeren als auch inneren Tatseite (VwGH vom 25.06.2013, 2013/09/0038).
Nach gewissenhafter Abwägung aller für bzw. wider den Beschuldigten sprechenden Umstände gelangte der erkennende Senat in der Frage der zu verhängenden Strafart und Strafhöhe angesichts der im Folgenden darzulegenden Überlegungen zu dem im Spruch ersichtlichen Ergebnis. Grundlage für die Strafbemessung war die im Beweisverfahren zweifelsfrei erwiesene Schuld des Disziplinarbeschuldigten OStWm A.A. durch vorsätzliche Tatbegehungen. Seine Dispositions- und Diskretionsfähigkeit stehen für den Senat wie oben ausgeführt außer Zweifel.
Die objektive Schwere der Pflichtverletzung ist im oberen Bereich einzustufen. Dies deshalb, weil der Schutzzweck der Norm das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben zum Ziel hat, das Ansehen und das Vertrauen in eine ordentliche Aufgabenerfüllung durch Beamte seitens der Bevölkerung wichtig ist. Für diese Einschätzung spricht auch der Strafrahmen des § 3g VerbotsG mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren. Spezialpräventive Gründe, um ihn vor weiteren gleichgelagerten Dienstpflichtverletzungen abzuhalten, treten jedoch zumindest in den Spruchpunkten 1 bis 5 ob der nach Beurteilung des Senates einsichtigen Verantwortung und der ehrlich gemeinten Distanzierung von der Tat in den Hintergrund. Aus Gründen der Generalprävention ist eine strenge Bestrafung geboten, da allen Soldaten vor Augen zu führen ist, dass ein derartiges Verhalten vom Dienstgeber weder akzeptiert, schon gar nicht geduldet wird und grundsätzlich zur Auflösung des Dienstverhältnisses führt. Das Eigentum der Republik ÖSTERREICH ist vor ungerechtfertigten Zugriffen zu schützen. Auch wenn dem Beschuldigten zuzugestehen ist, dass er die Gewahrsame an der Knallmunition 5,56mm nicht gebrochen hat, sondern diese „nur“ vorschriftswidrig in seiner Kanzlei verwahrte.
Straferschwerend wurde gewertet:
• Mehrere Dienstpflichtverletzungen
Strafmildernd wurde gewertet:
• sein reumütiges und umfassendes Tatsachengeständnis
• sein einsichtiges Verhalten und Distanzierung vom schädigenden Verhalten
• Unbescholtenheit und bisheriger ordentlicher Lebenswandel
• sein Auftreten vor dem Disziplinarsenat und Mitwirkung an der Sachverhaltsermittlung
• seine bisherige Dienstleistung und positive Zukunftsprognose durch Kdt N.N.
Die Bemessungsgrundlage von € 2.484,10 errechnet sich aus dem Grundbezug (€ 2.360,6), der Truppendienstzulage (€ 61,1) und der Funktionszulage (€ 63,4) des Disziplinarbeschuldigten im Monat September 2022 ohne Sonderzahlungen.
Die ausgesprochene Geldstrafe in der Höhe von ca. 174 Prozent der Bemessungsgrundlage nach § 52 Abs. 3 HDG 2014 wurde vom Senat daher als tat- und schuldangemessen festgelegt, nicht zuletzt deshalb, weil die Milderungsgründe klar überwiegen und er ein ansonsten bisher ein guter Unteroffizier war. Sie liegt aber unter der Forderung des Herrn Disziplinaranwaltes, der zwei Bruttomonatsbezüge gefordert hat. Die angespannte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beschuldigten (Sorgepflichten für 5 Kinder), die glaubhaft gemachte schwere Erkrankung der Ehegattin ließen keine höhere Bestrafung zu und orientierte sich an der Entscheidung des Geschworenengerichts. Daher war ein amtswegiger Ausspruch über die Ratenzahlung geboten. Der Kostenbeitrag ergibt sich aus § 38 Abs 1 HDG, der diesen mit € 360.- begrenzt.
Er muss sich daher klar sein, dass bei weiteren einschlägigen Verhaltensweisen unverzüglich
eine Dienstenthebung als Sicherungsmaßnahme zu verfügen sein wird und die Beendigung des Dienstverhältnisses die Folge sein wird.
Die Zahlung eines Geldbetrages bei Diversion und strafrechtlicher Verurteilung darf mangels
Deckung im Gesetz nicht strafmildernd gewertet werden (siehe § 34 Abs. 1 Z 19 StGB und RZ,
Teil 2, S8 mit Verweis auf VwGH2013/09/0179 vom 19.03.14 und 2011/09/0210 vom 26.06.12). OStWm A.A. möge die milde Bestrafung als Vertrauensvorschuss sehen, dass er in Zukunft derartige Dienstpflichtverletzungen unterlässt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zuletzt aktualisiert am
13.10.2022