Entscheidungsdatum
19.09.2022Norm
FSG §7 Abs3 Z3Text
Im Namen der Republik!
Erkenntnis
Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Mag. Claudia Schuler über die Beschwerde der C F, H, vertreten durch Mag. Antonius Falkner Rechtsanwalt GmbH, Mieming, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B vom 06.05.2022 betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Gemäß § 28 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde keine Folge und der angefochtene Bescheid bestätigt.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.
Begründung
1. Mit angefochtenem Bescheid wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 24 Abs 1 Z 1, § 7 Abs 1, Abs 3 Z 3 sowie § 26 Abs 3a FSG die Lenkberechtigung für die Klassen B und AM, beurkundet im Führerschein der Bezirkshauptmannschaft B vom 22.06.1979 für die Dauer von sechs Monaten, gerechnet ab der nachweislichen Zustellung des Bescheides entzogen.
Unter Spruchpunkt II. wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 24 Abs 3 FSG als begleitende Maßnahme eine Nachschulung angeordnet.
Weiters wurde unter Spruchpunkt III. darauf hingewiesen, dass nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Entziehungsbescheides der über die entzogene Lenkberechtigung ausgestellte Führerschein unverzüglich der Bezirkshauptmannschaft B abzuliefern ist.
Schließlich wurde unter Spruchpunkt IV. gemäß § 13 Abs 2 VwGVG die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B vom 06.05.2022 ausgeschlossen.
2. Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin rechtzeitig Beschwerde erhoben. In dieser bringt sie im Wesentlichen vor, die Behörde verfüge mit dem gegenständlich bekämpften Bescheid den Entzug des Führerscheines der Beschwerdeführerin für sechs Monate und ordne gemäß § 74 Abs 3 FSG eine Nachschulung an. Dieser Bescheid sei in seiner Gesamtheit gesehen rechtswidrig, weil für die angeordneten Maßnahmen keine ausreichende Tatsachengrundlage besteht.
Vorab sei der Bescheid schon deswegen rechtswidrig, weil er sich auf einen Sachverhalt gründe, der in selber Weise noch der Beurteilung in einem noch laufenden Verwaltungsstrafverfahren bei der BH B unterliege. Dem Sachverhalt sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführerin vorgeworfen werde, sie hätte beim Einfahren in die A14 den Beschleunigungsstreifen nicht benützt und dadurch eine gefährliche Situation verursacht. Zu diesem Vorwurf behänge bei der BH B ein Verwaltungsstrafverfahren, welches noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sei. Insoweit werde also in diesem noch laufenden Verwaltungsstrafverfahren erst zu beurteilen sein, ob und in wie weit die Beschwerdeführerin aufgrund des auch im gegenständlichen Verfahren vorgeworfenen Sachverhaltes tatsächlich ein strafbares Verhalten begründet worden sei, oder eben nicht.
Insoweit sei die Erledigung des gesamten Verwaltungsstrafverfahrens für das vorliegende Verwaltungsverfahren natürlich präjudiziell, zumal für den Fall, dass im besagten Verwaltungsstrafverfahren kein strafbares Verhalten der Beschwerdeführerin festzustellen sei, naturgemäß auch kein Führerscheinentzug erfolgen könne. Der Behörde sei natürlich bekannt gewesen, dass dieses Verwaltungsstrafverfahren behänge, dennoch sei ohne Rücksichtnahme auf die Erledigung dieses Verwaltungsstrafverfahrens der gegenständliche Bescheid erlassen worden, der aufgrund der angezeigten Umstände damit rechtswidrig sei. Es sei nochmals hervorzuheben, dass die Erledigung des genannten Verwaltungsstrafverfahrens zum selben Sachverhalt, der dem gegenständlichen Bescheid zugrunde gelegt werde, präjudiziell sei, weshalb die Behörde mit der Erledigung des gegenständlichen Verfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verwaltungsstrafverfahrens zuzuwarten habe. Von diesen Maßgaben wäre aus Sicht der Beschwerdeführerin nur dann abzusehen, wenn aufgrund besonderer Umstände Dringlichkeit geboten wäre, die den Entzug des Führerscheins der Beschwerdeführerin rechtfertige. Für diesen Fall müssten neben dem vorgeworfenen Sachverhalt Feststellungen getroffen werden, die den Schluss zulassen würden, dass der Beschwerdeführerin ihr Führerschein zu entziehen sei. Solche Umstände würden gegenständlich aber nicht vorliegen und stütze die Behörde ihren Bescheid einzig auf den Vorfall im Dezember 2021, ohne dass sonstige Umstände hervorgekommen wären, die diese Maßnahme rechtfertigen würden. Damit bestehe für das Verwaltungsstrafverfahren zweifelsohne eine Präjudizialität, weshalb die Behörde im gegenständlichen Verfahren abzuwarten habe, bis das Verwaltungsstrafverfahren erledigt sei. Nachdem die Behörde dies nicht gemacht habe, erweise sich der gegenständliche bekämpfte Bescheid bereits aus diesen Gründen als rechtswidrig und werde ersatzlos aufzuheben sein.
Unabhängig von diesen formellen Fehlern des bekämpften Bescheides sei zudem zu erwägen, dass der von der Behörde festgestellte Sachverhalt aus Sicht der Beschwerdeführerin isoliert betrachtet nicht hinreiche, um die Voraussetzungen des § 7 Abs 3 Z 3 FSG zu begründen. Selbst dann, wenn die Beschwerdeführerin, wie von der Behörde unterstellt werde, tatsächlich auf die beschriebene Art und Weise in die Autobahn eingefahren sein solle, erreiche dieses Verhalten jedenfalls nicht jene Schwere, welche die zitierte Bestimmung des FSG für einen Führerscheinentzug voraussetze. Es handle sich vielmehr, solle der Sachverhalt im Verwaltungsstrafverfahren schlussendlich so bestätigt werden, um eine, wenn auch nicht unerhebliche Verletzung der Verkehrsvorschriften, jedoch nicht um eine solche, welche eine besonders gefährliche Situation zu begründen vermöge.
Dabei gelte es zu beachten, dass nach ständiger Rechtsprechung nicht zu hinterfragen sei, ob durch das Verhalten im konkreten Fall tatsächlich eine gefährliche Situation entstanden sei, vielmehr sei zu hinterfragen, ob das Verhalten der Beschwerdeführerin aus objektiver Sicht geeignet gewesen sei eine gefährliche Situation zu begründen. Dies wäre im konkreten Fall wohl nur dann anzunehmen, wenn die Beschwerdeführerin ohne Rücksichtnahme auf den Fließverkehr zu knapp vor diesem in die A14 eingefahren wäre, dies unter Voraussetzung der Einhaltung der auf der Autobahn höchstzulässigen Geschwindigkeit von 130 km/h. Es wäre also zu prüfen und festzustellen, mit welcher Geschwindigkeit das von den im Bescheid genannten Polizisten gelenkte Fahrzeug gefahren sei, welcher Abstand zwischen diesem und der in die A14 einfahrenden Beschwerdeführerin bestanden habe und mit welchem Abstand sonstige Fahrzeuge unterwegs gewesen seien. Eine besonders gefährliche Situation könne nur dann entstehen, wenn unter den genannten Prämissen ein zu knappes Einfahren durch die Beschwerdeführerin erfolgt wäre, nicht aber etwa dann, wenn sich andere Verkehrsteilnehmer allenfalls nicht korrekt verhalten hätten. In selber Weise werde als besonders gefährlich auch nur ein Auffahren unter dem im Gesetz genannten Bedingungen eingestuft, nicht aber ein sonstiges zu nahes Auffahren.
Nachdem also im bekämpften Bescheid keinerlei Grundlagen zu erkennen seien, wie sich die konkrete Situation am Tatort zugetragen habe, könne auch nicht per se eine besondere gefährliche Situation unterstellt werden. Die BH B wäre verpflichtet gewesen, in diesem Zusammenhang abzuklären und festzustellen, mit welcher Geschwindigkeit die genannten Polizeibeamten mit ihrem Dienstwagen unterwegs gewesen seien und in welcher Entfernung zum Dienstwagen die Beschwerdeführerin auf die A14 eingefahren sein solle. Nur die Aussage der beteiligten Polizeibeamten, die Situation wäre aus ihrer subjektiven Sicht gefährlich gewesen, reiche dazu aber nicht hin, vielmehr bedürfe es dazu konkreter und objektivierbarer Feststellungen zum tatsächlichen Ablauf der Geschehnisse. Es sei nicht Aufgabe der Beschwerdeführerin diesbezüglich entsprechende Abklärungen vorzunehmen, vielmehr sei die Behörde verpflichtet, sämtliche Parameter rund um das von ihr unterstellte besonders gefährliche Verhalten der Beschwerdeführerin abzuklären und darzulegen, warum es zur Annahme gelange, dass das Verhalten besonders gefährlich gewesen sei. Gegenständlich würden keine dazu objektivierbaren Grundlagen vorliegen, vielmehr stütze die Behörde ihre Sichtweise auf Aussagen und subjektiver Annahmen zweier Polizeibeamten, die durch keine sonstigen Daten objektiviert seien. Vor allem fehle es an Feststellungen zur Fahrgeschwindigkeit, zum Abstand zwischen beteiligten Fahrzeugen und zu sonstigen Umständen die in diesem Zusammenhang relevant seien. Jedenfalls sei daher, ausgehend von den Erwägungen im bekämpften Bescheid nicht festzustellen, ob das Verhalten der Beschwerdeführerin, solle dies überhaupt entsprechend korrekt festgestellt worden sein, iSd Gesetzes besonders gefährlich gewesen sei, weshalb auf diese Basis auch kein Führerscheinentzug nach § 7 FSG erfolgen könne. Anknüpfend an die obigen Ausführungen ergeht deshalb vonseiten der Beschwerdeführerin an das Landesverwaltungsgericht den Antrag der gegenständlichen Beschwerde Folge zu geben und den bekämpften Bescheid der BH B wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.
3. Das Landesverwaltungsgericht hat in gegenständliche Angelegenheit eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Folgender Sachverhalt steht fest:
3.1. Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes vom 20.06.2022, Zl LVwG-411-48/2022, wurde der Beschwerde, soweit sie sich gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung des angefochtenen Bescheides richtete, keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid insoweit bestätigt.
3.2. Die Beschwerdeführerin ist im Besitz einer Lenkberechtigung für die Klassen AM und B, beurkundet im Führerschein der Bezirkshauptmannschaft B vom 22.06.1979.
Die Beschwerdeführerin lenkte am 20.12.2021, um 08.30 Uhr in D auf der A 14 bei StrKm XX in Fahrtrichtung T das Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XXX (A) auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr. Die Beschwerdeführerin fuhr mit ihrem PKW in weiterer Folge vom Parkplatz D-Nord in Fahrtrichtung T in Richtung Beschleunigungsstreifen und hielt direkt bei Beginn des Beschleunigungsstreifens, der mit Sperrlinie gekennzeichnet und optisch von der Hauptfahrbahn getrennt ist, ihr PKW an. Plötzlich und unvermittelt fuhr die Beschwerdeführerin auf die Normalspur der A14 in Fahrtrichtung T. Die auf der Normalspur mit ca 100 km/h fahrende Patrouille der Autobahnpolizei-D musste eine Vollbremsung durchführen und auf die Überholspur auslenken.
Zu diesem Zeitpunkt herrschte auf der A14, Fahrtrichtung T, reger Verkehr. Die Fahrbahn war trocken.
3.3. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft B vom 27.07.2022 wurde die Beschwerdeführerin nach § 99 Abs 3 lit a StVO iVm § 46 Abs 2 StVO bestraft. Das Verwaltungsstrafverfahren ist rechtskräftig abgeschlossen.
4. Dieser Sachverhalt wird aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere aufgrund der Zeugenaussage des GI J M und der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2022 als erwiesen angenommen.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung führt der Zeuge GI J M wahrheitsermahnt und belehrt aus, er habe die Anzeige vom 20.12.2021 verfasst. Die darin enthaltenen Angaben seien richtig und vollständig. Die Beschwerdeführerin sei vom Parkplatz kommend auf die Autobahn eingefahren. Die Einfahrsituation sei derart erfolgt, dass die Beschuldigte knapp nach der Sperrlinie eingefahren sei. Sein Kollege und er seien sich diesbezüglich hinsichtlich ihrer Wahrnehmungen nicht ganz einig. Sein Kollege habe angegeben, dass die Beschwerdeführerin die Sperrlinie noch mitüberfahren habe. Seiner Wahrnehmung nach sei dies nicht der Fall gewesen, weshalb dies auch nicht zur Anzeige gebracht worden sei. Die Beschwerdeführerin sei eben auf dem Beschleunigungsstreifen stehen geblieben und auf die Autobahn eingefahren. Es sei ziemlich reger Verkehr an diesem Tag. Die Beschwerdeführerin sei alleine auf der Beschleunigungsspur gewesen. Er sei mit ca 100 km/h auf der Autobahn unterwegs gewesen. Er habe das Fahrzeug nicht gelenkt. Er sei Beifahrer gewesen. Aufgefallen sie ihnen die Beschwerdeführerin, da sie sehr langsam auf dem Beschleunigungsstreifen gefahren sei und eben angehalten habe. Der Abstand aus welchem er diese Wahrnehmung gemacht habe, könne er nicht mehr sagen. Die Reaktion des Lenkers auf das Fahrverhalten der Beschwerdeführerin sei derart gewesen, dass sie noch gesagt hätten „die Beschwerdeführerin wird jetzt doch wohl nicht einfahren.“ Der Lenker ihres Fahrzeuges habe eine Vollbremsung durchgeführt und habe auf die Überholspur ausgelenkt. Sie hätten Nachfolgeverkehr auf der Autobahn gehabt, aber wie deren Reaktion gewesen sei, könne er nicht sagen. Er habe sich nach vorn orientiert. Die Fahrbahn sei trocken gewesen. Er habe den Eindruck gehabt, dass durch das Verhalten der Beschwerdeführerin eine Gefährdung bzw Behinderung stattgefunden habe. Der Lenker habe sich nicht mehr vergewissern können, ob auf der Überholspur ein weiteres Fahrzeug gefahren sei. Er könne jedoch keine Angaben dahingehend machen, ob andere Verkehrsteilnehmer durch das Fahrverhalten der Beschwerdeführerin gefährdet oder behindert worden seien. Auf der A14 sei reger Verkehr gewesen. Stau sei keiner gewesen. Es sei kein Kolonnenverkehr gewesen. Es sei einfach ein reges Verkehrsaufkommen gewesen.
Das Landesverwaltungsgericht folgt in Zusammenschau mit der Anzeige der Autobahnpolizei-D vom 20.12.2021, welche vom Zeugen verfasst wurde, den schlüssigen und nachvollziehbaren Angaben des Zeugen GI J M, wonach die Beschwerdeführerin direkt bei Beginn des Beschleunigungsstreifens, der mit Sperrlinie gekennzeichnet und optisch von der Hauptfahrbahn der A14 getrennt ist, ihren PKW anhielt und plötzlich und unvermittelt auf die Normalspur der A14 in Fahrtrichtung T einfuhr Der Zeuge schilderte nachvollziehbar und glaubwürdig den Sachverhalt, weshalb die Angaben des Zeugen dem unter Pkt 3 festgestellten Sachverhalt zugrunde gelegt werden können.
Weiters folgt das Landesverwaltungsgericht auch den Angaben des Zeugen GI J M hinsichtlich der Verkehrssituation sowie hinsichtlich dessen, dass die Patrouille der Autobahnpolizei-D aufgrund des Fahrverhaltens der Beschwerdeführerin eine Vollbremsung durchführen und auf die Überholspur auslenken musste, weshalb unter Pkt 3 auch diesbezüglich die entsprechenden Feststellungen zu treffen waren. Das Landesverwaltungsgericht schenkt den Angaben des einvernommenen Polizeibeamten mehr Glauben, als der in der Beschwerde geäußerten Verantwortung der Beschwerdeführerin. Der Zeuge unterliegt aufgrund seiner verfahrensrechtlichen Stellungnahme der Wahrheitspflicht und muss bei deren Verletzung mit strafrechtlichen und dienstrechtlichen Konsequenzen rechnen, während die Beschwerdeführerin grundsätzlich ihre Verantwortung frei wählen kann.
Dass die Beschwerdeführerin im Besitz einer Lenkberechtigung der Klassen AM und B ist, ergibt sich aus der Aktenlage und wurde zu keinem Zeitpunkt in Zweifel gezogen.
5. Nach § 24 Abs 1 FSG, BGBl I Nr 120/1997 idF BGBl I Nr 154/2021 ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.
Nach § 3 Abs 1 Z 2 FSG, BGBl I Nr 120/1997 idF BGBl I Nr 74/2015 darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die verkehrszuverlässig sind (§ 7).
Nach § 7 Abs 1 FSG, BGBl I Nr 120/1997 idF BGBl I Nr 154/2021 gilt als verkehrszuverlässig eine Person, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs 3) und ihrer Verachtung (Abs 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigen Zustand gefährden wird.
Nach § 7 Abs 3 Z 3 hat als bestimmte Tatsache iSd Abs 1 insbesondere zu gelten, wenn jemand als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, dass an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat; als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gelten insbesondere
a) erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten und vergleichbaren Einrichtungen sowie auf Schutzwegen oder Radfahrüberfahrten, sowie jedenfalls Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 80 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 90 km/h,
b) das Nichteinhalten des zeitlichen Sicherheitsabstandes beim Hintereinanderfahren, sofern der zeitliche Sicherheitsabstand eine Zeitdauer von 0,2 Sekunden unterschritten hat und diese Übertretung mit technischen Messgeräten festgestellt wurde,
c) das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen
d) die Beteiligung an unerlaubten Straßenrennen oder
e) das Fahren gegen die Fahrtrichtung auf Autobahnen.
Nach § 25 Abs 1 FSG BGBl I Nr 120/1997 idF BGBl I Nr 15/2005 ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. Endet die Gültigkeit der Lenkberechtigung vor dem Ende der von der Behörde prognostizierten Entziehungsdauer, so hat die Behörde auch auszusprechen, für welche Zeit nach Ablauf der Gültigkeit der Lenkberechtigung keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf.
Nach § 26 Abs 2a FSG BGBl I Nr 21/1997 idF BGBl I Nr 154/2021 hat im Falle der erstmaligen Begehung einer in § 7 Abs 3 Z 3 genannten Übertretung die Entziehungsdauer mindestens sechs Monate zu betragen, sofern nicht gemäß Abs 2 eine längere Entziehungsdauer auszusprechen ist. Ein nach Ablauf von vier Jahren seit der letzten Übertretung begangene derartige Übertretung gilt als erstmalig begangen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist die Kraftfahrbehörde an die rechtskräftige Bestrafung durch die Strafbehörde gebunden (VwGH 27.07.2015, Ra 2015/11/00454).
Wie bereits unter Punkt 3. ausgeführt, wurde der Beschwerdeführerin mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft B vom 27.07.2022 wegen des obigen Sachverhaltes nach § 99 Abs 3 lit a StVO iVm § 46 Abs 2 StVO bestraft. Aufgrund des rechtskräftigen Straferkenntnisses das gegenüber der Beschwerdeführerin ergangen ist, ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin gegen das in § 46 Abs 2 StVO normierten Gebote (Benutzen des Beschleunigungsstreifens) verstoßen hat.
Eine bestimmte Tatsache nach § 7 Abs 3 Z 3 FSG setzt nicht voraus, dass es zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gekommen ist, sondern es genügt vielmehr, dass der Verstoß gegen Verkehrsvorschriften unter Umständen erfolgte, die das Verhalten des Lenkers sowie in den in § 7 Abs 3 Z 3 FSG demonstrativ aufgezählten Fällen als an sich geeignet erscheinen lassen, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen (VwGH 15.11.2018, Ra 2018/11/0220).
Die Beschwerdeführerin fuhr ohne Benützen des Beschleunigungsstreifens am Beginn des Beschleunigungsstreifens aus dem Stand plötzlich und unvermittelt auf die Autobahn auf, was jedenfalls eine große Gefahr von Unfällen mit sehr schweren Folgen bewirkt. Die Fahrzeuge auf der Autobahn fahren auf der Autobahn mit den auf Autobahnen zulässigen hohen Geschwindigkeiten. Durch das plötzliche und unvermittelte Einfahren auf die Autobahn am Beginn des Beschleunigungsstreifens steht dem Verkehr auf der Normalspur nur wenig Zeit für Brems- und Ausweichmanöver zur Verfügung. Im gegenständlichen Fall herrschte zudem noch reger Verkehr und auf der Normalspur der Autobahn musste zumindest der Lenker des Dienstfahrzeuges der Patrouille der Autobahnpolizei-D eine Vollbremsung und ein Ausweichmanöver durchführen um eine Kollision mit der Beschwerdeführerin zu verhindern. Aufgrund des Verhaltens der Beschwerdeführerin geht das Landesverwaltungsgericht vom Vorliegen besonders gefährlicher Verhältnisse und vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache iSd § 7 Abs 3 Z 3 FSG aus.
Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Verkehrszuverlässigkeit nicht mehr gegeben ist, ist von der Behörde die Lenkberechtigung entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit zu entziehen. Die Entziehung der Lenkberechtigung wegen Verkehrsunzuverlässigkeit ist als administrative Sicherungsmaßnahme und nicht als Strafe zu qualifizieren (vgl VwGH 25.11.2003, 2002/11/0124).
Bei der Entziehung der Lenkberechtigung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird; dieser ist aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.
Liegt eine bestimmte Tatsache nach § 7 Abs 3 Z 3 FSG vor, so ist die Lenkberechtigung gemäß § 26 Abs 2a FSG – unter Entfall der in § 7 Abs 4 FSG ansonsten vorgesehenen Wertung – zwingend für die Dauer von (mindestens) sechs Monaten zu entziehen. Weiters ist bei Vorliegen einer Bestimmten Tatsache iSd § 7 Abs 3 Z 3 FSG gemäß § 24 Abs 3 FSG eine Nachschulung anzuordnen.
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin erstmalig eine in § 7 Abs 3 Z 3 FSG genannten Übertretung begangen, weshalb die Lenkberechtigung der Beschwerdeführerin zwingend für die Dauer von sechs Monaten zu entziehen und eine Nachschulung anzuordnen war.
6. Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Führerscheinentzug, besonders gefährliche Verhältnisse, besondere Rücksichtslosigkeit, Auffahren auf Autobahn ohne Benützung BeschleunigungsstreifenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGVO:2022:LVwG.411.48.2022.R16Zuletzt aktualisiert am
10.10.2022