TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/28 95/06/0150

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Veröffentlicht am 28.03.1996
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §42 Abs1;
AVG §63 Abs1;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des Dr. R in G, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 8. Juni 1995, Zl. A 17-K-11.669/1994-5, betreffend Einwendungen gegen eine Widmungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: E Gesellschaft m. b.H. & Co KG in G, vertreten durch S, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Die mitbeteiligte Partei hat am 6. September 1991 beim Baupolizeiamt des Magistrates Graz um die Erteilung der Widmungsbewilligung von Teilflächen der GrstNr. 143, 145, 149/1, 149/2, 150/3, 154/3, 163/1 und 163/2 sowie

GrstNr. 150/1, alle EZ 443, KG N, angesucht und die

nachträgliche Bewilligung zur Errichtung von

520 PKW-Abstellplätzen für die Finalproduktion,

450 PKW-Abstellplätzen für Mitarbeiter, 10 LKW-Abstellplätzen, 88 Container-Abstellplätzen, 5 Verrieselungsmulden, einer Zaunanlage, eines Büro- und Portiergebäudes, von Hochmast- und Peitschenleuchten, eines Lärmschutzbauwerkes und von Nebenanlagen (wie z.B. Schmutz- und Regenwasserkanäle) auf diesen Grundstücken bzw. Teilflächen beantragt.

Gemäß dem Flächenwidmungsplan 1992 der Landeshauptstadt Graz liegt der Widmungsgrund teilweise im "Industrie- und Gewerbegebiet I" und teilweise im "Industrie- und Gewerbegebiet II". Der Widmungsgrund hat ein Gesamtausmaß von

105.280 m2. Nach Einholung verschiedenster Gutachten und ergänzender Auskünfte des Stadtplanungsamtes, des Amtes für Umweltschutz und der Feuerwehr der Stadt Graz wurde für 14. September 1994 eine mündliche Verhandlung anberaumt, zu der der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG als Anrainer geladen wurde. Aufgrund dieser Ladung verfaßte der Beschwerdeführer am 24. August 1994 einen Schriftsatz mit folgendem Wortlaut:

"Betr.: "E" GesmbH;

Ansuchen um Baubewilligung;

Einwendungen.

Grundsätzlich darf darauf hingewiesen werden, daß die zuständige Behörde im Baubewilligungsverfahren von Amts wegen verpflichtet ist, die Erfordernisse der Festigkeit tragender Bauteile, den Brandschutz, die sanitären Verhältnisse, die Einordnung in das Orts- und Landschaftsbild und insbesondere die Rechte der Nachbarn zu berücksichtigen.

Im gegenständlichen Bewilligungsverfahren wäre zu prüfen, inwieweit die Anrainer durch die in der Ladung vom 11.7.1994, Zahl: A 17-K-11.669/1994-1 u. A 17-K-11.683/1994-1, angeführten Abstellplätze einer Belästigung, insbesondere durch Lärm, ausgesetzt werden. Es müßten daher Auflagen vorgeschrieben werden, um derartige Beeinträchtigungen hintanzuhalten.

Durch die Ausleuchtung des Parkplatzes und des oben angeführten Werkes dürfen durch Scheinwerferbeleuchtung keine Beeinträchtigungen der Anrainer des E-Werkes entstehen. Es wird darauf hingewiesen, daß unsere Liegenschaft nördlich des bezeichneten Werkes gelegen ist.

Durch zu bewilligende Bauvorhaben des Antragstellers dürfen keine zusätzlichen Belastungen jeglicher Art entstehen und es sind daher entsprechende Auflagen vorzuschreiben, um etwaige Beeinträchtigungen hintanzuhalten.

Das in der Ladung angeführte Lärmschutzbauwerk muß eine entsprechende Höhe aufweisen und darf insbesonders nicht unterbrochen sein, um jegliche Lärmbelästigung, wie insbesondere durch Zu- und Abfahrt sowie Verladearbeiten, sowie sonstige lärmerzeugende Geräusche, hintanzuhalten.

Durch die zu bewilligenden Schmutz- und Regenwasserkanäle muß durch die Vorschreibung von Auflagen gewährleistet werden, daß dadurch in keiner Weise das Grundwasser beeinträchtigt wird. Es wird darauf hingewiesen, daß ich meinen Wasserkonsum vom Grundwasser (siehe hiezu Wassergenossenschaft L-Weg/P-Gasse) beziehe. Durch die Nichtvorschreibung entsprechender Auflagen wären nämlich Gesundheitsgefährdungen nicht auszuschließen.

Die Beiziehung von Sachverständigen bzw. Einholung von diesbezüglichen Gutachten wären unabdingbar.

Abschließend erlaube ich mir zu bemerken, daß es notwendig wäre, um die Einhaltung von Auflagen auch gewährleisten zu können, in periodischen Abständen bei der oben angeführten Firma Kontrollen vorzunehmen und in Vollziehung des gesetzlichen Auftrages auch die vorgesehenen Sanktionen zu verhängen."

Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Graz vom 7. April 1995 wurde der mitbeteiligten Partei die beantragte Widmungsbewilligung erteilt. Das Vorbringen des Beschwerdeführers wurde mit der Begründung, es liege keine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte vor bzw. das Vorbringen habe den Verhandlungsgegenstand verfehlt, als unzulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Im Anschluß an die wörtliche Wiederholung seines Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren zählte er darin "subjektiv-öffentliche Nachbarrechte" auf, "die sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nennen" ließen, so etwa "Vorschriften über die Einhaltung bestimmter Abstände, Vorschriften über die Einhaltung gewisser Gebäudehöhen, Vorschriften über die widmungsgemäße Verwendung von Grundflächen nach dem Flächenwidmungsplan, Vorschriften über den Schutz von Immissionen sowie das Recht auf Beachten der Rechtsanschauung".

Die Berufung wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom 8. Juni 1995 als unbegründet abgewiesen. Die Behörde hielt dem Beschwerdeführer entgegen, daß sich sein erstinstanzliches Vorbringen in der Anleitung an die Behörde erschöpfe, was im Verfahren zu prüfen sei, um eine Rechtsverletzung von Anrainern auszuschließen. Diese Aufforderung könne nicht als Einwendung im Sinne des § 42 AVG qualifiziert werden, es werde keine konkrete Rechtsverletzung behauptet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt hat.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren (bzw. im Widmungsbewilligungsverfahren nach den Bestimmungen der Steiermärkischen Bauordnung) in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, uva).

Gemäß § 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 43/1992, bedarf die Widmung von Grund zu einem oder mehreren Bauplätzen oder eine Widmungsänderung der Bewilligung der Baubehörde. Gemäß § 3 Abs. 1 letzter Satz leg. cit. sind im Widmungsverfahren die Bestimmungen über die Bauverhandlung (§ 61) sinngemäß anzuwenden. Der Nachbar kann gemäß § 61 Abs. 2 leg. cit. gegen die Erteilung der Baubewilligung (Widmungsbewilligung) Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist allerdings im nachbarrechtlichen Verfahren die Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde, der Gemeindeaufsichtsbehörde und auch des Verwaltungsgerichtshofes auf jene Rechte beschränkt, die mit den Einwendungen im Zusammenhang stehen, welche bis zum Tag vor der Verhandlung schriftlich oder bei der von der Baubehörde erster Instanz durchgeführten mündlichen Verhandlung vorgebracht wurden (vgl. u. a. die hg. Erkenntnisse vom 11. Oktober 1965, Slg. Nr. 6777/A, und vom 12. September 1966, Slg. Nr. 6980/A).

Entscheidend für die vorliegende Beschwerde sind daher einzig und allein jene "Einwendungen", die der Beschwerdeführer auf Grund der Ladung für die für 14. September 1994 festgesetzte mündliche Verhandlung in seinem Schriftsatz vom 24. August 1994 vorgebracht hat. Eine dem Gesetz entsprechende Einwendung liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht. Dem Begriff der Einwendung ist die Behauptung einer Rechtsverletzung mit Bezug auf ein bestimmtes Recht, das heißt die Geltendmachung der Verletzung eines konkreten subjektiven Rechtes, immanent (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 12. Mai 1959, Zlen. 1477/58 und 1468/58, Slg. Nr. 4966/A, vom 14. Mai 1985, Zl. 82/05/0185, vom 24. April 1990, Zlen 89/04/0178 und 89/04/0193).

Der Beschwerdeführer betitelt seine Eingabe vom 24. August 1994 mit "Einwendungen". Es folgen sodann Aufzählungen, was die Behörde zu prüfen und welche Auflagen sie vorzuschreiben hätte, um Beeinträchtigungen der Anrainer auszuschließen. Er nennt insbesondere "Belästigungen durch Lärm", "Beeinträchtigungen durch Scheinwerferbeleuchtung" sowie "zusätzliche Belastungen jeglicher Art". Auch soll die Behörde Sorge dafür tragen, daß durch die zu bewilligenden Schmutz- und Regenwasserkanäle keine Beeinträchtigungen des Grundwassers entstehen. Nicht enthalten ist jedoch die Behauptung, daß sich der (rechtskundige) Beschwerdeführer SELBST durch den Antragsgegenstand in einem subjektiv-öffentlichen Nachbarrecht verletzt fühlt. Das Vorbringen des Beschwerdeführers besteht vielmehr in einer an die Behörde gerichteten, allgemein formulierten Anleitung, was im Verfahren geprüft werden müsse, um Rechtsverletzungen (verschiedenster Art) von Anrainern auszuschließen bzw. hintanzuhalten.

Wie bereits ausgeführt, liegt eine Einwendung im Sinne des § 42 AVG nur dann vor, wenn der Beteiligte (hier: Nachbar) die Verletzung eines subjektiven Rechts geltend macht. Dem betreffenden Vorbringen muß jedenfalls entnommen werden können, daß überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechts behauptet wird, und ferner, welcher Art dieses Recht ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 16. April 1985, Slg. Nr. 11745/A, vom 15. September 1987, Zl. 87/04/0020, sowie Erkenntnis vom 2. Oktober 1989, Zl. 87/04/0071). Dies geht aus dem Schriftsatz des Beschwerdeführers nicht hervor. Die allgemein gehaltene Aufzählung verschiedenster Beeinträchtigungsmöglichkeiten, welche sich aus dem Bauvorhaben ergeben könnten, und die damit verknüpfte Aufforderung an die Behörde, bestimmte (Gegen-)Maßnahmen festzusetzen, genügen den Anforderungen an eine "Einwendung" im Sinne des § 42 AVG ebensowenig, wie die erst in der Berufung vom 30. April 1995 mit den Worten "nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes lassen sich insbesondere folgende subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte nennen" eingeleitete Aufzählung derartiger Rechte. Abgesehen davon, daß es für die rechtliche Beurteilung der Präklusion im Sinne des § 42 AVG nur darauf ankommen kann, welchen Erklärungswert die Stellungnahme des Beschwerdeführers (vor der mündlichen Verhandlung) in erster Instanz hatte, behauptete der Beschwerdeführer, nicht einmal in der Berufung, daß er sich persönlich in einem konkreten (von ihm genannten) subjektiv-öffentlichen Recht verletzt fühle.

Insgesamt erweist sich daher die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Voraussetzungen des Berufungsrechtes Berufungsrecht und Präklusion (AVG §42 Abs1)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995060150.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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