TE Vfgh Erkenntnis 1994/3/5 B1550/92

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Veröffentlicht am 05.03.1994
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Index

64 Besonderes Dienst- und Besoldungsrecht
64/03 Landeslehrer

Norm

B-VG Art83 Abs2
Nö Landeslehrer-DiensthoheitsG §3
LDG 1984 §26

Leitsatz

Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Zurückweisung eines Antrags der in einen verbindlichen Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerberin um eine schulfeste Leiterstelle auf bescheidmäßige Erledigung ihres Bewerbungsgesuches mit der Begründung des Mangels der Parteistellung; Parteistellung gegeben

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Niederösterreich ist schuldig, der Beschwerdeführerin zu Handen ihres bevollmächtigten Vertreters die mit 15.000 S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführerin steht als Hauptschuloberlehrerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich. Mit Eingabe vom 22. Mai 1989 bewarb sie sich ebenso wie vier weitere Lehrer um die im Verordnungsblatt des Landesschulrates für Niederösterreich, Stück VII/1989, ausgeschriebene Leiterstelle der Hauptschule II Korneuburg.

2.a) Das Kollegium des Bezirksschulrates Korneuburg beschloß in seiner Sitzung am 21. Juni 1989 gemäß §3 Abs1 litb iVm Abs2 des NÖ Landeslehrer-Diensthoheitsgesetzes 1976, LGBl. 2600-0, idF LGBl. 2600-1, einen Besetzungsvorschlag (Dreiervorschlag) iS des §26 Abs6 und 7 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes - LDG 1984, BGBl. 302, idgF, in dem jener Bewerber, dem in der Folge die Leiterstelle verliehen wurde, an erster Stelle, die Beschwerdeführerin an zweiter Stelle und ein weiterer Bewerber an dritter Stelle gereiht waren.

b) Einen damit übereinstimmenden Besetzungsvorschlag beschloß das Kollegium des Landesschulrates für Niederösterreich in seiner Sitzung am 7. November 1989.

3. Die Niederösterreichische Landeslehrerkommission für allgemeinbildende Pflichtschulen verlieh mit Beschluß vom 27. November 1989 die Leiterstelle dem an erster Stelle gereihten Bewerber.

4. Der von der Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 11. Dezember 1989 an die Niederösterreichische Landeslehrerkommission für allgemeinbildende Pflichtschulen gestellte Antrag auf bescheidmäßige Erledigung ihres Bewerbungsgesuches wurde von dieser Behörde mit Bescheid vom 28. März 1990 zurückgewiesen. Über die von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid rechtzeitig eingebrachte Berufung wurde von der Niederösterreichischen Landesregierung nicht entschieden. In der Folge wies der von der Beschwerdeführerin mit einer gegen die Niederösterreichische Landesregierung gerichteten Säumnisbeschwerde angerufene Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 23. September 1991, 90/12/0321, die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landeslehrerkommission für allgemeinbildende Pflichtschulen gemäß §42 Abs4 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes iVm §66 Abs4 AVG ab. Dies - zusammengefaßt - mit der Begründung, daß im Verfahren um die Verleihung einer schulfesten Stelle nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls nur ein Bescheid über die Verleihung der schulfesten Stelle zu erlassen sei und daß auf eine abgesonderte bescheidmäßige Erledigung anderer Bewerber um die schulfeste Stelle kein Rechtsanspruch bestehe. Es wäre Sache der Bewerber, die Zustellung einer allenfalls bereits getroffenen Entscheidung über die Verleihung der schulfesten Stelle zu begehren, damit diese auch ihnen gegenüber erlassen wird (Hinweis auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 17.9.1976, 416/76, VwSlgNF 9127 A/1976 und vom 22.2.1991, 90/12/0286,0287). Die Behörde erster Instanz habe im Ergebnis jedenfalls zutreffend den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erlassung eines besonderen Bescheides über die Verleihung der schulfesten Leiterstelle der Hauptschule

II Korneuburg der Beschwerdeführerin gegenüber als unzulässig zurückgewiesen; dies unabhängig davon, ob der Beschwerdeführerin im Verfahren über die Vergabe einer schulfesten Leiterstelle Parteistellung zukomme oder nicht.

5.a) In der Folge stellte die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 23. April 1992 an die Niederösterreichische Landeslehrerkommission für allgemeinbildende Pflichtschulen den Antrag, ihr den Bescheid, mit dem über die Verleihung der (schulfesten) Leiterstelle der Hauptschule II Korneuburg abgesprochen wurde, zuzustellen.

b) Die Niederösterreichische Landeslehrerkommission für allgemeinbildende Pflichtschulen wies diesen Antrag der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 18. Mai 1992 "mangels Parteistellung" zurück. Begründend führte sie unter Hinweis auf näher bezeichnete Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Sache nach im einzelnen aus, daß im Verfahren zur Besetzung einer (gemäß §24 Abs1 LDG 1984, also kraft Gesetzes schulfesten) Leiterstelle (ua.) einer Hauptschule (auch) den in die Besetzungsvorschläge aufgenommenen Bewerbern Parteistellung nicht zukomme. Mangels Parteistellung stehe der Beschwerdeführerin kein Rechtsanspruch auf Zustellung des Bescheides über die Verleihung der in Rede stehenden Leiterstelle zu.

c) Der von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid rechtzeitig eingebrachten Berufung wurde mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 12. August 1992 keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt. Die Berufungsbehörde begründete ihren Bescheid mit folgenden Ausführungen:

"Mit dem bekämpften Bescheid wurde Ihr Antrag auf Zustellung des Bescheides über die Verleihung der schulfesten Leiterstelle der Hauptschule II in Korneuburg (Dekret der NÖ Landeslehrerkommission für Allgemeinbildende Pflichtschulen vom 27. November 1989, Zl. VIII/1-LK-9/38) mangels Parteistellung zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 9. Juni 1992 haben Sie dagegen berufen und den Bescheid in seinem gesamten Umfang bekämpft, da Ihrer Auffassung nach die Behörde die Parteistellung nicht richtig beurteilt hat. Sie haben in der weiteren Folge den Antrag gestellt, die Berufungsbehörde möge den angefochtenen Bescheid aufheben und im Sinne des Antrages der Berufungswerberin entscheiden, weiters ihr den Bescheid zuzustellen mit dem über die Verleihung der schulfesten Leiterstelle der HS II in Korneuburg entschieden wurde, um die sich die Berufungswerberin mit Eingabe vom 22. Mai 1989 ebenfalls beworben hatte.

Gemäß §8 AVG sind Personen die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien.

Die Frage, ob einer Person in einem Verfahren Parteistellung zukommt, ist nicht bloß anhand der im jeweiligen Fall anzuwendenden Verwaltungsvorschrift, sondern nach dem Gesamtbereich der Rechtsordnung zu prüfen und zu beurteilen.

Die Ernennung ist ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt, der in Ausübung des freien Ermessens ergeht. Das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz räumt kein verfolgbares subjektives aus dem Dienstverhältnis erwachsendes Recht auf Ernennung zum Leiter einer der im §24 Abs1 LDG 1984 genannten Schulen ein. Subjektive Rechte daraus bestehen ebensowenig wie z. B. in Hinsicht auf die Aufnahme in das Beamten- oder Landeslehrerdienstverhältnis oder in Richtung auf eine Beförderung (vgl. Verwaltungsgerichtshof Zl. 352/76 vom 14. März 1976, VwGH Zl. 918/64 vom 17. November 1965 und VwGH Zl. 180/66 vom 25. Mai 1966). Ein Rechtsanspruch eines Bewerbers auf Verfahrens- bzw. Ermessenskontrolle kann nicht angenommen werden, auch bei Vorliegen von an die Behörde gerichteten und diese verpflichtenden Normen erwächst im Zusammenhang mit der Verleihung eines Dienstpostens niemand ein Rechtsanspruch oder ein rechtliches Interesse im Sinne des §8 AVG 1950 (vgl. VwGH Zl. 2334/77 vom 21. Mai 1979, VwGH Zl. 86/12/0037 vom 5. März 1987).

Wer in einem konkreten Fall Partei ist, kann anhand des AVG allein nicht entschieden werden. Diese Entscheidung ist nur aus dem Inhalt der in Betracht kommenden Vorschriften zu treffen (VfGH 1. Dezember 1972, Slg. 6908). Auch dem Bewerber um die Aufnahme in den öffentlichen Dienst steht keine Parteistellung zu (s. VwGH 16. Juni 1965, 993/65).

Die Tatsache, daß die Berufungswerberin im Besetzungsvorschlag aufgenommen war, ändert an dem Umstand nichts, daß ihr im Sinne der Rechtsordnung keine Parteistellung zukommt. Im Zusammenhang mit der Verleihung der Leiterstelle an der Hauptschule II Korneuburg ist daher weder ein Rechtsanspruch noch ein rechtliches Interesse im Sinne des §8 AVG 1950 entstanden.

Es besteht daher kein Rechtsanspruch auf Zustellung des Bescheides, mit dem die Stelle verliehen wurde."

6. Gegen diesen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, mit der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

7. Die Niederösterreichische Landesregierung hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die Beschwerdeführerin hat auf die Gegenschrift repliziert.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde ua. verletzt, wenn die Behörde in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (z.B. VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (z.B. VfSlg. 10374/1985, 11160/1986).

2. Wie der Verfassungsgerichtshof erstmals im Erkenntnis VfSlg. 6151/1970 und in der Folge in zahlreichen weiteren Erkenntnissen (s. etwa in bezug auf die Rechtslage in Niederösterreich VfSlg. 9923/1984; ferner zB VfSlg. 12102/1989, 12476/1990, 12477/1990, 12556/1990) ausgesprochen hat, verleiht die Aufnahme in einen verbindlichen Besetzungsvorschlag auch in jenen Fällen, in denen es sich um ein Verfahren zur Verleihung einer (kraft Gesetzes schulfesten) Leiterstelle iS des §24 Abs1 LDG 1984 handelt, dem Bewerber Parteistellung iS des §3 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. 29/1984. Besetzungsvorschläge für die Verleihung schulfester Stellen sind verbindlich (s. dazu etwa VfSlg. 7084/1973, 7094/1973), wobei sich die Verbindlichkeit des Besetzungsvorschlages der Schulbehörde des Bundes erster Instanz bereits aus Art14 Abs4 lita B-VG ergibt (s. VfSlg. 7084/1973, S 457 f.; 7094/1973,

S 497). Die in einen verbindlichen Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerber bilden eine Verwaltungsverfahrensgemeinschaft (s. etwa VfSlg. 12868/1991 mit Hinweisen auf Vorjudikatur). Sie haben ein Recht auf Teilnahme an dem durch den Besetzungsvorschlag (die Besetzungsvorschläge) konkretisierten Verwaltungsverfahren sowie darauf, daß die Verleihungsbehörde die Stelle nicht einem Bewerber verleiht, der nicht in den Besetzungsvorschlag (die Besetzungsvorschläge) aufgenommen ist.

3. Die Beschwerdeführerin war in den (verbindlichen) Besetzungsvorschlag des Bezirksschulrates Korneuburg und in den damit übereinstimmenden Besetzungsvorschlag des Landesschulrates für Niederösterreich aufgenommen, weshalb ihr im Verfahren zur Verleihung der Leiterstelle der Hauptschule II Korneuburg Parteistellung zukam.

Die belangte Behörde hat, indem sie der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gab und den angefochtenen Bescheid bestätigte, einen mit dem erstinstanzlichen Bescheid inhaltlich übereinstimmenden Bescheid erlassen (z.B. VfSlg. 5970/1969, 6016/1969, 8084/1977), somit den Antrag der Beschwerdeführerin mit der Begründung des Mangels der Parteistellung zurückgewiesen. Da dies in Verkennung der Rechtslage geschehen ist, hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert. Die Beschwerdeführerin ist deshalb durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid war schon aus diesem Grund aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 2.500 S enthalten.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Landeslehrer, Besetzungsvorschlag, Parteistellung Dienstrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B1550.1992

Dokumentnummer

JFT_10059695_92B01550_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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