TE Lvwg Beschluss 2022/8/22 LVwG-AV-821/001-2022

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.08.2022
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Entscheidungsdatum

22.08.2022

Norm

UVP-G 2000 §19
  1. UVP-G 2000 § 19 heute
  2. UVP-G 2000 § 19 gültig ab 01.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 80/2018
  3. UVP-G 2000 § 19 gültig von 26.04.2017 bis 30.11.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 58/2017
  4. UVP-G 2000 § 19 gültig von 01.01.2014 bis 25.04.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 95/2013
  5. UVP-G 2000 § 19 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  6. UVP-G 2000 § 19 gültig von 19.08.2009 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2009
  7. UVP-G 2000 § 19 gültig von 01.01.2008 bis 18.08.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2008
  8. UVP-G 2000 § 19 gültig von 01.06.2006 bis 31.12.2007 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 153/2004
  9. UVP-G 2000 § 19 gültig von 01.01.2005 bis 31.05.2006 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 153/2004
  10. UVP-G 2000 § 19 gültig von 31.12.2004 bis 31.12.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 153/2004
  11. UVP-G 2000 § 19 gültig von 11.08.2000 bis 30.12.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 89/2000
  12. UVP-G 2000 § 19 gültig von 01.07.1994 bis 10.08.2000

Text

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch Mag. Dr. Grünstäudl als Einzelrichter über die Beschwerde der „A“, vertreten durch B, in ***, ***, gegen die Erledigung der NÖ Landesregierung vom 15. Juli 2022, Zl. ***, betreffend das Naturschutzgebiet ***, den

BESCHLUSS

1. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unzulässig zurückgewiesen.

2. Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig (§ 25a VwGG).

Begründung:

Verfahrensgang und wesentlicher Sachverhalt:

Mit E-Mails vom 28. Juni 2022 und 1. Juli 2022 holte die „A“, vertreten durch B, bei der NÖ Landesregierung (in der Folge: belangte Behörde) eine Auskunft betreffend das Naturschutzgebiet *** ein.

Mit Schreiben vom 15. Juli 2022, Zl. ***, teilte die belangte Behörde Folgendes mit:

„Sehr geehrte Damen und Herren!

Sehr geehrter Her[r] B!

 

Zu Ihren Mails vom 28.6.2022 und 1.7.2022 kann wie folgt Stellung genommen werden:

 

Es liegt kein Bescheid für die Aufhebung der Besucherzone vor, eine derartige Aufhebung bedarf der Änderung der Verordnung über die Naturschutzgebiete.

 

Zum Zweck der Erreichung einer geordneten, sanften Erholungsnutzung des

Naturschutzgebietes „***“ und der Hintanhaltung von Nachteilen für

die Schutzgüter und Schutzziele dieses Naturschutzgebietes durch exzessive Erholungsnutzung wurde der Marktgemeinde *** mit beiliegendem Bescheid der NÖ LReg vom 9.10.2020, ***, die Ausnahmegenehmigung zur Umsetzung folgender Maßnahmen im Naturschutzgebiet „***“ erteilt:

1. Abbaggern der Erdbrücke innerhalb des Abflussgrabens, über die der Zugang zum Teich erfolgt. Diese Maßnahme bewirkt auch die Wiederherstellung des Rohres innerhalb der Rampe und des Fließkontinuums im Abflussgraben.

2. Errichtung eines 28,0 m langen Zaunes vom Sprengmittelstollen bis zum Auslaufbauwerk beim Ablaufgraben. Mittels eines Tores wird die Zufahrt zu den jagdlichen Einrichtungen ermöglicht.

3. Ablagerung des Materiales der abgebaggerten Erdbrücke und zusätzlich von Fels-

und Steinmaterial auf der Lagerwiese im Westen des Teiches.

Bei der BH Mödling ist ein Antragsverfahren um forstrechtliche Genehmigung anhängig.

Zur Frage bzgl. Beweidungsprojekt wird auf unsere Ausführungen zu Punkt 2.2. in der Stellungnahme vom 6.7.2022, ***, verwiesen.

Mit freundlichen Grüßen

NÖ Landesregierung

Im Auftrag

C

Abteilungsleiterin“

Mit E-Mail vom 23. Juli 2022 erhob die „A“, vertreten durch B, Beschwerde gegen diese Erledigung (wörtlich: „Beschwerde gegen den Bescheid vom 15. Juli 2022 –***“). In diesem Schreiben führte die „A“ aus, dass die im Naturschutzgebiet *** getroffenen Maßnahmen in einem Widerspruch zum Natur- und Artenschutz stünden. Das Schreiben enthält zudem nähere Ausführungen zu Abbaggerungen, die aus Sicht der „A“ naturschutzfachlich nicht nachvollziehbar seien, zur Errichtung eines Zaunes, der aus Sicht der „A“ einen erheblichen Eingriff in die Natur darstelle sowie zur Ablagerung des Ausbaggerungsmateriales. Im Schreiben führte die „A“ aus, dass aus ihrer Sicht andere Maßnahmen zu treffen gewesen wären.

Mit E-Mail vom 26. Juli 2022 teilte die belangte Behörde der „A“ mit, dass es sich bei der Erledigung vom 15. Juli 2022, ***, um keinen Bescheid handelt.

Mit E-Mail vom 26. Juli 2022 teilte die „A“ mit, dass ihre Eingabe vom 23. Juli 2022 dennoch dem Landesverwaltungsgericht vorgelegt werden soll.

Bei der „A“ handelt es sich um eine Bürgerinitiative, welche seit dem Jahr 2013 als lose Gruppierung ohne feste Organisationsform u.a. für den Erhalt des *** eintritt. Ein Konstituierungsakt konnte nicht festgestellt werden.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, der schriftlichen Äußerung des Beschwerdeführers vom 16. August 2022 sowie der Einsichtnahme in die Homepage *** (16. August 2022).

Rechtslage:

Zulässigkeitsvoraussetzung einer jeden Beschwerde ist die Rechts- und damit Parteifähigkeit des Beschwerdeführers. Ob eine solche besteht, bestimmt sich nach § 17 VwGVG iVm § 9 AVG grundsätzlich, also soweit nicht die Verwaltungsvorschriften anderes bestimmen, nach den Regeln des bürgerlichen Rechts.

So kommt Bürgerinitiativen zunächst nach den Regeln des bürgerlichen Rechts keine Rechts- und damit Parteifähigkeit zu. Allerdings finden sich in den Verwaltungsvorschriften zum Teil abweichende Regeln, denen zufolge Bürgerinitiativen beschränkt rechts- und damit parteifähig sein können.

Das hier gegenständliche NÖ Naturschutzgesetz 2000 trifft jedoch keine Regelung in Bezug auf Bürgerinitiativen.

Die Bürgerinitiative als potenzielle Partei eines Verwaltungsverfahrens kennt demgegenüber das UVP-G 2000. Nach diesem Gesetz muss die Konstituierung der Bürgerinitiative bestimmten Regeln folgen (§ 19 Abs. 4 UVP-G 2000), um Partei- und Rechtsfähigkeit zu erlangen. Fehlt es einem derartigen Zusammenschluss mehrerer Personen an einer gesetzeskonformen Konstituierung, kommt dem Gebilde auch nach den Verwaltungsvorschriften keine Rechts- und damit Parteifähigkeit zu (vgl. etwa VfSlg 18.415/2008). Wie sich aus den einschlägigen Bestimmungen dieses Gesetzes (vgl. § 19 Abs. 1 Z 6 und Abs. 4) ergibt, setzt das Entstehen einer Bürgerinitiative als parteifähiges Gebilde ein Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren voraus und es ist die Parteifähigkeit einer in einem solchen Verfahren entstandenen Bürgerinitiative auf dieses beschränkt.

Im vorliegenden Fall konnte nicht angegeben werden, auf welche Art und Weise die Konstituierung der „A“ erfolgt sein soll, noch wurde auf ein Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren Bezug genommen.

Dem einschreitenden Gebilde „A“ kommt daher mangels Rechts- und damit Parteifähigkeit keine Beschwerdebefugnis zu.

Dafür, dass es sich bei dem genannten Gebilde in Wahrheit um eine nach anderen Rechtsvorschriften zustande gekommene juristische Person handelt, liegen keinerlei Hinweise vor. Die „A“ ist weder in der Liste anerkannter Umweltorganisationen beim BMNT (Stand 16. August 2022) eingetragen, noch ergab sich auf Grund einer Abfrage im zentralen Vereinsregister am 16. August 2022, dass die „A“ ein Verein ist. Für eine Umdeutung der Beschwerde in eine solche des Proponenten ergeben sich keine Anhaltspunkte.

Fehlt es der „A“ an der Rechtsfähigkeit, so ist die Beschwerde (im Ergebnis aus Rechtsschutzgründen) zu Handen ihres „Vertreters“ gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG mit Beschluss zurückzuweisen (VwSlg 9458 A/1977 [verstSen]; VwGH 13. Juni 1992, Zl. 92/05/0112).

Die Beschwerde der „A“ erweist sich jedoch auch aus einem weiteren Grund als unzulässig. Denn Voraussetzung für die Zulässigkeit einer (Bescheid)Beschwerde an die Verwaltungsgerichte gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist das Vorliegen eines Bescheids. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt, ist für den Fall, dass eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die Unterschrift enthält, das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter unerheblich. Allerdings kann auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, dass sie normativ – also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend – eine Angelegenheit des Verwaltungsrechts entschieden hat. Der normative Inhalt muss sich aus der Formulierung der Erledigung, also in dem Sinn auch aus deren Form ergeben. Die bloße Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen und dergleichen, können nicht als verbindliche Erledigung gewertet werden. Lässt der Inhalt einer Erledigung Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen – wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist –, so ist die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung essenziell (vgl. VwGH 18. Dezember 2020, Ra 2017/08/0096 mit Hinweis auf E 22. September 1988, Zl. 87/08/0262, VwSlg 12778 A/1987; VwGH 30. Juni 2006, Zl. 2006/03/0029, mwN; 22. Juli 2020, Zl. Ra 2020/03/0049).

Fehlt die Bezeichnung als Bescheid, kommt bei der Beurteilung der Normativität einer Erledigung auch ihrer sonstigen Form entscheidende Bedeutung zu, etwa dem Gebrauch von Höflichkeitsfloskeln, bloß narrativer Wendungen wie „teile ich Ihnen mit“, „bedaure, Ihnen mitteilen zu müssen“, „kann nicht nähergetreten werden“ oder der Grußformel „Mit freundlichen Grüßen“. Eine solche Form einer Erledigung ist ein Indiz dafür, dass kein Bescheid, sondern eine nicht normative Erklärung (Wissenserklärung) vorliegt (vgl. VwGH 18. Oktober 2000, Zl. 95/17/0180 mit Hinweis 6. September 1995, Zl. 95/12/0195; 29. März 1996, Zl. 96/02/0113).

Die von der belangten Behörde im Schreiben vom 15. Juli 2022, Zl. ***, gewählten Floskeln „Sehr geehrte Damen und Herren“, „Zu Ihren E-Mails […] kann wie folgt Stellung genommen werden“, „Zur Frage bzgl.“, „Mit freundlichen Grüßen“ in Kombination mit der fehlenden Bezeichnung als Bescheid lassen darauf schließen, dass dieses Schreiben als bloße Mitteilung der belangten Behörde zu betrachten ist und dass hier keine normative Erklärung zum Ausdruck gebracht wurde.

Im gegenständlichen Fall liegt daher aufgrund des Fehlens konstitutiver Bescheidmerkmale kein Bescheid vor, sodass die gegen das Schreiben vom 15. Juli 2022, Zl. ***, erhobene Beschwerde auch aus diesem Grund zurückzuweisen war.

Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:

Die Verhandlung entfiel gemäß § 44 Abs. 2 erster Fall VwGVG, weil die Beschwerde zurückzuweisen war.

Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Entscheidung stützt sich auf die zitierte einheitliche Rechtsprechung bzw. die klare und eindeutige Rechtslage (zur Unzulässigkeit der Revision bei klarer Rechtslage vgl. VwGH vom 15. Mai 2019, Zl. Ro 2019/01/0006)

Schlagworte

Umweltrecht; Verfahrensrecht; Bürgerinitiative; Parteifähigkeit; Bescheidmerkmale;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.AV.821.001.2022

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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