TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/28 95/07/0028

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Veröffentlicht am 28.03.1996
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs2;
B-VG Art130 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde der Gemeinde K, vertreten durch den Bürgermeister, dieser vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 29. Dezember 1994, Zl. 411.259/03-I 4/94, betreffend Antrag auf Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes (mitbeteiligte Partei: F in V), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Zur Lage der vom Beschwerdefall betroffenen Gewässer wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1995, 92/07/0184, verwiesen; die Beschwerdeführerin des nunmehrigen Beschwerdefalles war die zweitmitbeteiligte Partei des zuvor genannten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, die mitbeteiligte Partei des nunmehrigen Beschwerdeverfahrens (MP) war Beschwerdeführer.

Den Gegenstand des nunmehrigen Beschwerdefalles bildet die Erledigung mehrerer im Jahre 1992 an die Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt (BH) gerichteter Eingaben der MP, in welcher sie darüber Klage führte, daß die Beschwerdeführerin immer wieder das höchstzulässige Stauziel des R.-Sees überschreite, was einerseits zu einer Vernässung von Ufergrundstücken der MP und andererseits dazu führe, daß der Wasserkraftanlage der MP nicht die benötigte Wassermenge im S.-Bach zugeführt werde. Der Abfluß des R.-Sees sei zudem auf eine Länge von ca. 60 m derart durch Sand und Schlamm verlegt, daß bei den im Herbst zu erwartenden Niederschlägen der Rückstau noch höher werden und die an das Ufergrundstück anschließende Weide der MP vernässen werde. Der Hochwasserüberlauf des R.-Sees sei mindestens zur Hälfte verlegt und könne dadurch seiner Funktion als Hochwasserentlastungsgerinne nicht gerecht werden. Im Zuge von Arbeiten am Schleusenhaus sei des weiteren die Höchststaumarke nach oben verändert worden. Dem Wasserberechtigten sei auch aufzutragen, eine für alle Seeanrainer sichtbare Höchststaumarke, die mit dem bewilligten Stand übereinstimme, anzubringen.

Mit Bescheid vom 5. Jänner 1993 wies die BH "die in den Eingaben des (MP) vom 10.4.1992, 16.8.1992, 7.10.1992, 22.10.1992 und 9.12.1992 gestellten Anträge bzw. Beschwerden aus dem Titel des berührten Grundeigentums und des berührten Wasserbenutzungsrechtes" als unbegründet ab. Die MP habe zwar kein Zugriffsrecht zur Stauspiegelhaltung innerhalb der erlaubten Grenzen, führte die BH im wesentlichen begründend aus, als unzulässige Neuerung im Sinne des § 138 WRG 1959 sei jedoch eine Überschreitung der erlaubten Stauspiegelhaltung anzusehen. Da die Beschwerdeführerin die von der MP "geforderten Maßnahmen" zwischenzeitig aber schon durchgeführt habe, liege zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides durch die BH eine unzulässige Neuerung nicht mehr vor. Die Behauptungen der MP über eine Verlandung des Abflusses des R.-Sees durch Sand und Schlamm und über eine Verlegung des Hochwasserüberlaufes seien sachverständig widerlegt worden, auch der Lattenpegel am R.-See sei mit dem nachgewiesenen Stichtag des 28. August 1992 auf die richtige Höhenlage gestellt worden.

Den Verwaltungsakten kann entnommen werden, daß am Tage der Abfertigung dieses Bescheides bei der BH eine vom hydrographischen Dienst Kärnten übermittelte Wasserstandsganglinie des R.-Sees im Jahre 1992 einlangte, hinsichtlich welcher die BH mit Schreiben vom 26. Jänner 1993 um nähere Aufklärung mit der Bemerkung ersuchte, daß die übermittelten Daten erkennen ließen, daß das am 28. August 1992 richtiggestellte Stauziel in den restlichen fünf Monaten des Jahres 1992 an keinem einzigen Tag eingehalten und teilweise ganz wesentlich überschritten worden sei. Eine Erledigung dieses Auskunftsersuchens der BH kann den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten nicht entnommen werden.

In ihrer gegen den Bescheid der BH vom 5. Jänner 1993 erhobenen Berufung verwies die MP auf die Bestimmungen der §§ 23 und 24 WRG 1959 und auf die Staumaßverordnung, BGBl. Nr. 64/1935, bekämpfte die rechtliche Beurteilung der BH und rügte auch eine mangelhafte Ermittlung des Sachverhaltes insbesondere durch das Unterbleiben einer Auseinandersetzung mit der von der MP vorgelegten wasserwirtschaftlichen Studie eines von ihr beigezogenen Zivilingenieurs.

Dem mit der Schilderung des Verfahrensganges im nunmehr angefochtenen Bescheid übereinstimmenden Vorbringen der Beschwerdeführerin - die bezughabenden Teile der Verwaltungsakten wurden dem Verwaltungsgerichtshof nicht vorgelegt - kann entnommen werden, daß der Landeshauptmann von Kärnten eine Entscheidung über die Berufung der MP innerhalb der Frist des § 73 Abs. 1 AVG nicht traf, woraufhin die MP den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf die belangte Behörde im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG begehrte.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid behob die belangte Behörde den Bescheid der BH vom 5. Jänner 1993 gemäß §§ 66 Abs. 2 und 73 Abs. 2 AVG und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die BH zurück. Begründend gab die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Ausführungen des von ihr beigezogenen Amtssachverständigen für Wasserbautechnik wieder, denen im wesentlichen folgendes zu entnehmen ist:

Ob eine Behinderung des Hochwasserabflusses gegeben sei, könne erst beurteilt werden, wenn vom "Konsenswerber" nachfolgende Unterlagen vorgelegt würden: ein Gesamtlageplan, der den Hochwasserüberlauf und den Ablauf für den Regelfall enthalte, eine planliche Darstellung des Hochwasserüberlaufes und des Gerinnes, Angaben zur projektsgemäßen Herstellung (wasserrechtlicher Bewilligungsbescheid, zugehöriges Projekt, Kollaudierungsbescheid), Angaben zur erforderlichen hydraulischen Leistungsfähigkeit (Hochwasserwerte der Landeshydrographie) und schließlich der hydraulische Nachweis der Leistungsfähigkeit des Hochwasserüberlaufes. Bezüglich der von der MP gerügten Verlandung des Gerinnes seien für eine eigenständige Prüfung ergänzende Erhebungen insoweit notwendig, als festgestellt werden müßte, "wo geräumt und wo und was vermessen" worden sei und es wären "die Überlegungen bezüglich der Anlandungen zu präzisieren". Zur Klärung "dieser Grundsatzfragen" müßten auch die relevanten wasserrechtlichen Bescheide herangezogen werden, weiters wäre das Projekt über die Räumung des "Auflaufgerinnes" (gemeint wohl: Ablaufgerinnes) inklusive allfälligem wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid und eventuellem Kollaudierungsbescheid von Bedeutung. Die Einhaltung des Wasserspiegels des R.-Sees über einen Lattenpegel begegne keinen Einwänden, wenn die ortsfeste Lage auf Unverrückbarkeit für übliche Beanspruchungen gesichert sei. Das entscheidende Kriterium sei dabei, daß der Wasserstand ohne Schwierigkeiten auch von Anrainern jederzeit ablesbar sei. Zu der von der MP gerügten Überstauung des R.-Sees sei zu bemerken, daß die Einhaltung oder Überschreitung der zulässigen Spiegelhöhen mühelos vor Ort feststellbar sei, wenn der dem Akt nicht beiliegende Bewilligungsbescheid des Seeaufstaues die zulässigen Spiegelhöhen in Absolutkoten angebe.

Klärungsbedürftig sei freilich, daß mehrfach von einem höchstzulässigen Stauziel von 1,29 m am Lattenpegel gesprochen werde, trotz zahlreicher Lokalaugenscheine und Besprechungen die vorliegende Ganglinie des Jahres 1992 aber eine lang dauernde und zum Teil sehr deutliche Überschreitung bis zu 40 cm ausweise. Zur Klärung dieser Frage seien die Wasserstandsganglinien für das Jahr 1993 und 1994 von der Landeshydrographie heranzuziehen.

Rechtlich folgerte die belangte Behörde aus diesen von ihr wiedergegebenen Ausführungen ihres Amtssachverständigen für Wasserbautechnik, daß der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft sei, daß die Wiederholung einer mündlichen Verhandlung zwecks Ergänzung des Ermittlungsverfahrens unvermeidlich erscheine.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit der Erklärung begehrt, sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht darauf als verletzt zu erachten, nicht im Wege eines die Erstbehörde gemäß § 66 Abs. 2 AVG bindenden Auftrages den Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes zuwider zur Vorlage von Unterlagen verhalten zu werden. Bei ordnungsgemäßer rechtlicher Beurteilung und Einhaltung der entsprechenden Verfahrensvorschriften habe die belangte Behörde den Bescheid der BH nicht beheben, sondern bestätigen müssen.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten der BH und einen Teil ihrer Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die MP hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde den bei ihr angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verweisen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Gemäß § 66 Abs. 3 AVG kann die Berufungsbehörde die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiemit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

Durch einen nach § 66 Abs. 2 AVG behebenden Bescheid kann eine Rechtsverletzung dadurch bewirkt werden, daß die Berufungsbehörde mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen von dieser Regelung zu Unrecht Gebrauch gemacht hat, aber auch dadurch, daß die Berufungsbehörde von einer für den Beschwerdeführer nachteiligen, jedoch für das weitere Verfahren bindenden unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen ist (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom 19. September 1994, 91/07/0103).

Insoweit die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides in einer der Erstbehörde überbundenen Rechtsansicht darüber erblickt, welche Unterlagen von ihr im fortgesetzten Verfahren beizubringen seien, läßt der angefochtene Bescheid durch die gewählte Gestalt seiner Begründung nicht eindeutig erkennen, ob die belangte Behörde die von der Beschwerdeführerin bekämpfte Rechtsansicht über die von ihr beizubringenden Unterlagen der Erstbehörde tatsächlich überbindet oder in den von der belangten Behörde vermißten "Unterlagen" lediglich einen Grund für die Erforderlichkeit einer "neuerlichen Verhandlung" sieht. Schon diese Unklarheit der Begründung des angefochtenen Bescheides über die Tragweite einer durch ihn entfalteten Bindungswirkung macht ihn rechtswidrig (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 19. September 1994, 91/07/0103). Auf Grund welcher gesetzlicher Bestimmungen die Beschwerdeführerin zur Vorlage der vom Amtssachverständigen der belangten Behörde vermißten Unterlagen zu verpflichten wäre, läßt der angefochtene Bescheid unbegründet. Es krankt die Begründung des angefochtenen Bescheides generell am vollständigen Unterbleiben jeglichen Eintretens in eine rechtliche Beurteilung der an die belangte Behörde herangetragenen Sachverhalte. Dies muß zwangsläufig zur Rechtswidrigkeit des auf § 66 Abs. 2 AVG gestützten Aufhebungsbescheides führen, weil eine nachvollziehbare Beurteilung des Fehlens entscheidungswesentlicher Sachverhaltselemente notwendig eine erste rechtliche Prüfung des vorgetragenen Sachverhaltes im Lichte der maßgebenden Rechtsvorschriften und der für deren Anwendung geforderten Tatbestandselemente voraussetzt. Wird nicht untersucht, welche Vorschriften auf einen Rechtsfall anzuwenden sein können, dann kann auch nicht beurteilt werden, ob vermißte Sachverhaltselemente als Tatbestandselemente der in Betracht kommenden Vorschriften überhaupt vorausgesetzt und allein diesfalls ermittlungsbedürftig sind. Hinzu kommt, daß im Beschwerdefall von der belangten Behörde in keiner Weise einsichtig gemacht wurde, weshalb die von ihr als fehlend beurteilten Sachverhaltsgrundlagen nur auf dem Wege der Durchführung einer mündlichen Verhandlung - welche erst recht auch von der belangten Behörde selbst durchgeführt werden könnte - zu ermitteln wären (vgl. hiezu des weiteren auch die hg. Erkenntnisse vom 20. Juli 1995, 95/07/0041, vom 15. November 1994, 93/07/0002, und vom 26. November 1991, 91/07/0086).

Da die belangte Behörde von der Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG somit in rechtswidriger Weise Gebrauch gemacht hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994; die Abweisung des Kostenmehrbegehrens gründet sich auf überhöht verzeichneten Stempelgebührenaufwand deswegen, weil die Beschwerde angesichts des Fehlens weiterer mitbeteiligter Parteien nur in dreifacher Ausfertigung zu überreichen war.

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Allgemein Beschwerde Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtliche Beurteilung Spruch und Begründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995070028.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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