TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/28 95/20/0220

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Veröffentlicht am 28.03.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesminister für Inneres vom 9. März 1995, Zl. 4.345.873/3-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Irak, der am 2. Februar 1995 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 8. Februar 1995 einen Asylantrag gestellt hat, hat als maßgeblichen Grund für die Ausreise aus seinem Heimatland angegeben, er hätte als Soldat einer Militäreinheit der irakischen Armee in den Unruhen nach dem Golfkrieg an einem militärischen Einsatz gegen schiitische Dörfer im Süden des Landes teilnehmen sollen. Da er als Schiite nicht gegen schiitische Landleute (insbesondere Frauen und Kinder) habe vorgehen wollen, sei er im Dezember 1992 von der irakischen Armee desertiert. Seine Zugehörigkeit zur schiitischen Glaubensgemeinschaft im Irak sei der irakischen Armeeführung nicht bekannt gewesen, weil er dies immer verheimlicht habe. Er sei nach Mahmudie ("eine halbe Autostunde südlich von Bagdad") geflüchtet, wo Verwandte seines Vaters lebten. Ende Jänner 1993 hätten seine Eltern den ihn betreffenden Haftbefehl erhalten.

Sein Vater habe eine Urkunde unterschreiben müssen, wonach er sich mit seiner Hinrichtung einverstanden erkläre, weil der Beschwerdeführer "ein Feind Saddam Husseins sei".

Mitte 1993 habe ihm sein Vater geraten, das Land zu verlassen. Er habe daraufhin begonnen, Geld für seine Flucht zu sammeln. Er sei dann Mitte Jänner 1995 über den Nordirak, wo er sich vier Tage aufgehalten habe, ausgereist. Während seines zweijährigen Aufenthaltes in Mohmoudie habe er sich zwar gefürchtet, jedoch hätten die Behörden dort nach ihm nicht gesucht.

Das Bundesasylamt verneinte mit Bescheid vom 9. Februar 1995 seine Flüchtlingseigenschaft und wies seinen

Asylantrag ab.

Mit dem nunmehr angefochtenen, gemäß § 66 Abs. 4 AVG im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. März 1995 wurde der dagegen erhobenen Berufung keine Folge gegeben. Begründend führte die belangte Behörde aus, daß die bei Entziehung vom Wehrdienst drohende Bestrafung nicht als asylrelevante Verfolgung zu werten sei. Desertion und Wehrdienstverweigerung seien auch in klassisch demokratischen und rechtsstaatlichen Ländern mit Strafe bedroht. Eine deswegen drohende, auch strenge Strafe stelle keinen Asylgrund dar.

Die Behauptung des Beschwerdeführers, auf Grund seiner Zugehörigkeit zur schiitischen Glaubensgruppe desertiert zu sein, und deshalb wegen seiner religiösen Überzeugung verfolgt zu werden, sei nicht glaubhaft, weil im Irak die der schiitischen Glaubensgemeinschaft zugehörige Bevölkerung die Mehrheit ausmache. Die Verfassung des Iraks sehe den Islam als Staatsreligion vor, wobei aber auch andere Religionen toleriert würden. Die vom Beschwerdeführer behaupteten behördlichen Maßnahmen gegen seinen Vater und seine Geschwister, wonach diesen angedroht worden sei, im Falle ihrer Hilfe für den Beschwerdeführer würden ihnen die Ohren abgeschnitten werden, sei nicht als eine direkt gegen den Beschwerdeführer zu wertende Verfolgungshandlung anzusehen. Vor allem sei festzuhalten, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten asylrelevanten Umstände schon längere Zeit vor seiner Ausreise aus dem Irak begründet worden seien. Die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung müsse jedoch bis zur Ausreise des Asylwerbers andauern. Dies könne im vorliegenden Fall nicht gesagt werden, weil sich der Beschwerdeführer nach seiner Desertion im Dezember 1992 bis Jänner 1995 weiter im Irak aufgehalten habe, ohne für diesen Zeitraum Umstände glaubhaft zu machen, die die Annahme rechtfertigten, daß er dennoch zum Zeitpunkt seiner Ausreise eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung wegen seiner Desertion im Jahr 1992 gehabt habe. Der Beschwerdeführer hätte überdies während seines Aufenthaltes im Nordirak eine Fluchtalternative finden können. Im März 1991 sei dort (nördlich des 36. Breitengrades) von den Alliierten des Golfkrieges eine Sicherheitszone eingerichtet worden. Dieses Gebiet werde von den Kurden autonom verwaltet, womit die Gefahr einer individuellen Verfolgung durch irakische Behörden ausgeschlossen werde.

Der Beschwerdeführer habe mit seiner Unterschrift ausdrücklich bestätigt, daß er seinen gemachten Angaben nichts hinzuzufügen habe, sodaß lediglich von den geltend gemachten Fluchtgründen auszugehen sei, die jedoch die Asylgewährung nicht zu begründen vermögen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der durch § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 inhaltlich wiedergegebene Artikel 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit macht der Beschwerdeführer unter Heranziehung bundesdeutscher Judikatur zur Frage der Wehrdienstverweigerung geltend, die oben zitierten Voraussetzungen des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 lägen bei ihm vor, weil ihm infolge der Wehrdienstverweigerung in seinem Heimatland die Todesstrafe drohe. Im Falle einer Desertion werde von vornherein dem Deserteur eine politische Gesinnung, nämlich Staatsfeindlichkeit, unterstellt. Wehrdienstverweigerung sei daher im Irak als "politisches Delikt" zu werten. Zahlreiche Deserteure seien Medienberichten zufolge hingerichtet worden.

Im Falle einer Bedrohung mit der Todesstrafe (oder mit einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe) kommt bei Zutreffen der dort angeführten Voraussetzungen das Zurückschiebungsverbot des § 37 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, in Betracht. Einer Auseinandersetzung mit den in der Beschwerde vorgebrachten Argumenten, daß der Beschwerdeführer entgegen der Auffassung der belangten Behörde einer Verfolgung wegen seiner politischen Gesinnung und seiner Zugehörigkeit zur schiitischen Religionsgemeinschaft ausgesetzt gewesen sei, bedarf es deshalb nicht, weil im angefochtenen Bescheid zutreffend auf den fehlenden zeitlichen Zusammenhang zwischen der Desertion im Dezember 1992 und der Flucht im Jänner 1995 hingewiesen wurde. Die Behauptung in der Beschwerde, der Beschwerdeführer habe sich während dieses langen Zeitraumes "versteckt gehalten", was er bereits bei seiner Einvernahme angegeben habe, stimmt mit dem Akteninhalt nicht überein. Der Beschwerdeführer erklärte vielmehr, daß ihn die irakischen Behörden in Mahmudie ("ca. 1/2 Stunde mit dem Auto südlich von Bagdad") nicht gesucht hätten. Daß er sich dort "versteckt gehalten" hätte, wird erstmals in der vorliegenden Beschwerde vorgebracht. Im Verwaltungsverfahren hatte der Beschwerdeführer seinen langen Verbleib im Irak damit begründet, daß er zunächst das für die Finanzierung der Flucht erforderliche Geld habe aufbringen müssen. Damit wird aber nach hg. Auffassung keine ausreichende Erklärung dafür geboten, warum für den Beschwerdeführer nach einem Zeitraum von zwei Jahren eine wohlbegründete Furcht vor ihn individuell treffender aktueller Verfolgungsgefahr bestanden haben soll (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 6. Februar 1996, Zlen. 95/20/0159, 0160).

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war. Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200220.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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