TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/29 96/02/0006

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Veröffentlicht am 29.03.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
AVG §71 Abs1;
AVG §71 Abs6;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §26;
FrG 1993 §41 Abs1;
FrG 1993 §54;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des Z in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 29. Dezember 1995, Zl. Senat-F-95-452, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 29. Dezember 1995 wurde die an diese gerichtete Beschwerde gemäß § 67c Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 52 Fremdengesetz (FrG) abgewiesen und gleichzeitig festgestellt, daß die maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorlägen.

In der Begründung wurde unter anderem ausgeführt, die Bezirkshauptmannschaft Baden habe mit Bescheid vom 22. Dezember 1995 gegen den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung angeordnet. Der Beschwerdeführer sei vom Jugendgerichtshof Wien am 21. Oktober 1991 wegen §§ 15, 142 Abs. 1 und 143 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten, davon 14 Monate auf drei Jahre bedingt, rechtskräftig verurteilt worden. In der Folge sei er am 17. Juni 1993 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen § 12 Abs. 1 und "Abs. 2 Z. 3" sowie § 16 Abs. 1 Suchtgiftgesetz zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Aufgrund der rechtskräftigen Verurteilungen sei mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 21. Februar 1994 gegen ihn ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für Österreich verhängt worden. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung sei mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 10. August 1994 als verspätet zurückgewiesen worden. Weiters sei mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 23. Februar 1995 über Antrag des Beschwerdeführers festgestellt worden, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Bedrohung des Beschwerdeführers im Sinne des § 37 Abs. 1 und 2 FrG in der Türkei bestünden. Insbesondere habe der Beschwerdeführer von der türkischen Vertretungsbehörde in Wien im Jahre 1989 anstandslos einen Reisepaß ausgestellt erhalten, woraus ein maßgebliches Indiz für das Fehlen einer Verfolgung für die Fremdenbehörde abzuleiten gewesen sei. Auch die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung sei mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 25. August 1995 als verspätet zurückgewiesen worden. Der daraufhin gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung sei von der zuständigen Behörde im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht entschieden gewesen.

Dem Beschwerdeführer sei der Schubhaftbescheid vom 22. Dezember 1995 in der Strafvollzugsanstalt Hirtenberg ausgehändigt worden. Anschließend sei dessen Überstellung in das Polizeigefangenenhaus der Bundespolizeidirektion Wien erfolgt. Der Beschwerdeführer habe sich nicht um die österreichische Staatsbürgerschaft beworben und sei daher weiterhin türkischer Staatsbürger und somit Fremder. Im Hinblick auf die zwei rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen zeige sich beim Beschwerdeführer aufgrund des gesamten Tat- und Täterbildes eine deutliche Tendenz zur Kriminalität, die nicht bloß eine Einzelerscheinung darstelle. Es liege ein rechtskräftiges und durchsetzbares Aufenthaltsverbot vor, auch wenn über den Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers noch nicht entschieden worden sei. Es sei den für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen mehr Gewicht zuzuerkennen als den privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers, weshalb die sofortige Ausreise des Fremden im Interesse der öffentlichen Ordnung und aus Gründen der nationalen Sicherheit erforderlich sei.

Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes erscheine daher durchaus gerechtfertigt. Die Notwendigkeit, den Beschwerdeführer in Schubhaft anzuhalten, um dessen Abschiebung zu sichern, ergebe sich allein schon aus der in der Vergangenheit deutlich dokumentierten Bereitschaft zur Kriminalität. Diesem Verhalten wohne eine extrem schädliche soziale Neigung des Beschwerdeführers inne. Aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers, seiner Ansicht nach nicht in seine Heimat zurückkehren zu können, sei zu erwarten, daß er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen werde. Der Beschwerdeführer habe weder auf familiäre Beziehungen noch auf das Eigentum anderer Menschen Rücksicht genommen und habe mit Rauschgift gehandelt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, es komme in seinem Fall nur eine Abschiebung in die Türkei in Betracht. Diesbezüglich sei das Verfahren nach § 54 Fremdengesetz (FrG) noch nicht abgeschlossen, weil auch ein Wiedereinsetzungsverfahren "ein offenes Verfahren" darstelle.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 26. Jänner 1996, Zl. 96/02/0007, ausgeführt hat, entfaltet jedoch die Einbringung eines Wiedereinsetzungsantrages keine unmittelbaren Rechtswirkungen. Die belangte Behörde hatte daher zu Recht das über den Beschwerdeführer rechtskräftig verhängte Aufenthaltsverbot zu beachten. Auch wäre selbst bei Bewilligung eines Wiedereinsetzungsantrages für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, weil die belangte Behörde keine Veranlassung hatte, darauf einzugehen, ob eine für den Beschwerdeführer positive Entscheidung nach § 54 FrG zu fällen sein wird und welche Auswirkungen sie auf die Rechtmäßigkeit der Schubhaft hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 1994, Zl. 94/02/0038). Es liegt daher auch kein Fall einer präventiven Schubhaft - wie der Beschwerdeführer vermeint - vor. Durch die verhängte Schubhaft wird - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - die Entscheidung im anhängigen Verfahren betreffend die beantragte Bewilligung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen des nach § 54 FrG erlassenen Bescheides auch nicht "präjudiziert", weil es beim Wiedereinsetzungsverfahren nicht auf die Frage einer allfälligen Verhängung einer Schubhaft ankommt, sondern dabei gänzlich andere Aspekte zu prüfen sind.

Die über den Beschwerdeführer verhängte Schubhaft dient auch nicht einer "neuerlichen und unzulässigen Bestrafung" des Beschwerdeführers, sondern im Hinblick auf das verhängte rechtskräftige Aufenthaltsverbot und die von der belangten Behörde angenommene fehlende Ausreisewilligkeit des Beschwerdeführers zur Sicherung von dessen Abschiebung (§ 36 Abs. 1 Z. 3 FrG). Es entspricht auch der Lebenserfahrung, wenn die belangte Behörde im Zuge der Beweiswürdigung aufgrund des Hinweises des Beschwerdeführers, nicht in seinen Heimatstaat "zurückkehren zu können", zur Annahme einer fehlenden Ausreisewilligkeit desselben gelangte.

Der Beschwerdeführer erachtet sich ferner dadurch, daß die belangte Behörde auf die Interessenabwägung zur Wahrung des Privat- und Familienlebens nicht ausreichend eingegangen sei, in seinen Rechten verletzt. Er wirft der belangten Behörde in diesem Zusammenhang vor, sie hätte unter anderem nicht auf allfällige Vorstrafen abstellen dürfen, sondern die Intensität und Dauer des Familienlebens, sowie die Bindung seiner Familie an Österreich, insbesondere aber die fehlende familiäre Bindung des Beschwerdeführers zu seinem Heimatstaat zu beachten gehabt. Gerade nach Verbüßung der über den Beschwerdeführer verhängten Strafen würde dieser den Rückhalt der Familie beim Aufbau einer neuen Existenz benötigen. Die diesbezüglichen Feststellungen habe die belangte Behörde ohne Durchführung eines erforderlichen Ermittlungsverfahrens getroffen, sodaß das Verfahren auch aus diesem Grunde mangelhaft sei.

Damit übersieht der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides nur zu prüfen hatte, ob das für eine Anhaltung in Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung eine (mittelbare) Tatbestandswirkung erzeugende (durchsetzbare) Aufenthaltsverbot nach wie vor aufrecht war oder nicht. Traf dies zu, so war sie an das Bestehen derselben gebunden und hatte davon auszugehen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 7. April 1995, Zl. 95/02/0108).

Da nach dem Gesagten die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Rechtskraft Besondere Rechtsgebiete Diverses freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996020006.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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