Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des L in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 22. Februar 1995, Zl. MA 65-11/71/94, betreffend Verweigerung eines Ausweises nach § 29b Abs. 4 StVO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Bezüglich der Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg. Erkenntnis vom 12. August 1994, Zl. 94/02/0207, verwiesen. Mit dem angefochtenen Ersatzbescheid vom 22. Februar 1995 hat die belangte Behörde unter Berufung auf § 73 Abs. 2 AVG das Ansuchen des Beschwerdeführers um Ausstellung eines Ausweises nach § 29b Abs. 4 StVO abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Gemäß § 29b Abs. 4 erster Satz StVO hat die Behörde Personen, die dauernd stark gehbehindert sind, auf deren Ansuchen einen Ausweis über diesen Umstand auszufolgen.
Der Beschwerdeführer wendet zunächst ein, laut Befundbericht (offenbar gemeint vom 26. März 1993) und dem Ergebnis der orthopädischen Untersuchung vom 12. Dezember 1994 trage aufgrund seiner Behinderung der rechte Fuß überhaupt kein Körpergewicht oder nur einen geringen Teil davon. Der Beschwerdeführer müsse beim Gehen den überwiegenden Teil auf den für ihn unbedingt erforderlichen Stock verlagern. Ein "Gehen" im Sinne des § 29 Abs. 4 StVO liege aber hiebei aber gar nicht vor. Selbst unter Zugrundelegung des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes müsse sohin jene Rechtsansicht als verfehlt angesehen werden, daß bei einem Nachziehen oder Beistellen eines Beines diese Fortbewegung noch als "Gehen" im Sinne des § 29b Abs. 4 StVO qualifiziert werden könne. Es würden hiezu auch Feststellungen im angefochtenen Bescheid fehlen.
Dem ist entgegenzuhalten, daß im ärztlichen Bericht betreffend die Untersuchung vom 12. Dezember 1994 hinsichtlich des sogenannten "Gangbildes" folgendes festgestellt wurde: "mit einem Stock in der rechten Hand, unsicher und langsam, wobei das rechte Bein eher beigestellt wird". Der untersuchende Facharzt kommt jedoch insgesamt zur Beurteilung, daß aus orthopädischer Sicht nur "eine leichte Gehbehinderung" vorliegt. Die Untersuchung vom 12. Dezember 1994 hat jedoch nicht ergeben, daß der rechte Fuß "überhaupt kein Körpergewicht bzw. nur einen geringen Teil davon" tragen würde. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann insbesondere auch aus der zeitlich aktuelleren Untersuchung vom Dezember 1994 nicht abgeleitet werden, es würde beim Beschwerdeführer kein "Gehen" im Sinne des § 29 Abs. 4 StVO vorliegen. Da in dem angefochtenen Bescheid die Ergebnisse der fachärztlichen Untersuchungen übernommen wurden und von der belangten Behörde der auch zu den ergänzend eingeholten Gutachten nicht im Widerspruch stehende Schluß gezogen wurde, daß die Art der Fortbewegung des Beschwerdeführers "als Gehen" zu qualifizieren sei, liegt die gerügte Rechtswidrigkeit nicht vor.
Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde ferner vor, sie habe im Hinblick auf das im Beschwerdefall ergangene Vorerkenntnis, Zl. 94/02/0207, zu Unrecht in Ergänzung zum seinerzeitigen lungenfachärztlichen Befund festgestellt, daß sich die darin enthaltenen Aussagen "auf die mangelnde Mitarbeit des Antragstellers bei der Untersuchung beziehen" würden. Die belangte Behörde sei jedoch nicht darauf eingegangen, ob es dem Beschwerdeführer überhaupt möglich gewesen wäre, bei den Untersuchungen mitzuwirken. Das Vorliegen eines körperlichen Gebrechens sei ein "ausreichender Grund", an einer Untersuchung nicht mitzuwirken.
Wie der von der belangten Behörde herangezogene lungenfachärztliche Gutachter in einer ergänzenden Stellungnahme vom 10. Oktober 1994 festhielt, war die sogenannte "große Spirometrie aus Mitarbeitsgründen des Patienten nicht durchführbar". Diese Angaben bezogen sich laut Ausführungen des Gutachters auf entsprechende Mitteilungen der untersuchenden Ärzte im W.-Spital. An weiterer Stelle führt der Gutachter aus: "Die beschriebene fehlende Mitarbeit bei den Atemmanövern kann nicht mit der Lähmung begründet werden, sondern ist absichtlich herbeigeführt". Insbesondere ist der Beschwerdeführer nicht dem ergänzend eingeholten und ihm im Zuge des Parteiengehörs zur Stellungnahme vorgehaltenen lungenfachärztlichen Gutachten vom 2. Februar 1995, das auch aufgrund der teilweise am 1. Oktober 1993 im W.-Spital durchgeführten Untersuchung erstattet werden konnte und zu dem Schluß gelangt, daß der Beschwerdeführer "aus pulmonaler Leistungsfähigkeit eine Gehstrecke von 300 Metern" zugemutet werden könne, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.
Der Beschwerdeführer bringt ferner vor, es sei im Befund vom 12. Dezember 1994 eine endgültige orthopädische Begutachtung von der Vorlage eines Hüft- und Kniegelenksröntgens und einer neurologischen Zusatzbegutachtung abhängig gemacht worden. Von der belangten Behörde sei ihm mit Schreiben vom 13. Februar 1995 lediglich die Möglichkeit eingeräumt worden, binnen zwei Wochen (offenbar gemeint: zu den vorgehaltenen ergänzenden Ermittlungsergebnissen) Stellung zu nehmen, ohne jedoch ausdrücklich auf das Erfordernis weiterer Röntgenbilder hinzuweisen. Die nicht erfolgte Vorlage der Röntgenbilder könne nicht zu seinem Nachteil als Nichtnachkommen seiner Pflicht zur Mitwirkung an der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes gewertet werden. Allfällige "Säumnisfolgen" dürften erst nach erfolglosem Ablaufen einer unter Androhung der Rechtsfolgen erteilten Nachfrist eintreten.
Der Beschwerdeführer übersieht dabei, daß ihm die Notwendigkeit zur Beibringung der Röntgenbilder sowie zur Durchführung einer ergänzenden neurologischen Untersuchung bereits aufgrund der am 12. Dezember 1994 durchgeführten ergänzenden orthopädischen Untersuchung nach der Aktenlage bekannt war, und es daher keiner weiteren behördlichen Aufforderung diesbezüglich bedurfte. Da die Beibringung dieser Unterlagen insbesondere von der Mitwirkung des Beschwerdeführers abhängig war, diese jedoch - wie der Aktenlage zu entnehmen ist - nicht gegeben war und somit der Beschwerdeführer seiner Pflicht zur Mitwirkung an der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes nicht (ausreichend) nachgekommen ist, vermag er mit seinen Ausführungen nicht die Wesentlichkeit eines Verfahrensmangels darzutun.
Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, er habe seiner Stellungnahme vom 18. November 1994 eine Kopie des vom Bundessozialamt ausgestellten Behindertenausweises beigelegt, in dem ihm eine dauernde starke Gehbehinderung bescheinigt werde.
Dem ist entgegenzuhalten, daß die von einer anderen Behörde ausgestellte Bescheinigung nicht mit Erfolg die auf fachärztlicher Ebene getroffene Begutachtung des Grades der Gehbehinderung zu widerlegen vermag. Insbesondere ist der Beschwerdeführer dem ergänzenden ärztlichen Gutachten im Zuge des vor der belangten Behörde durchgeführten Verwaltungsverfahrens nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.
Aus den dargelegten Gründen erweist sich die Beschwerde somit insgesamt als nicht begründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Gutachten Beweiswürdigung der Behörde widersprechende Privatgutachten Gutachten Verwertung aus anderen VerfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995020365.X00Im RIS seit
12.06.2001