Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des E in G, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Mistelbach, vom 25. August 1995, Zl. Senat-GF-94-500, betreffend Bestrafung wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 13. Juli 1994 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, am 23. September 1993 um 12.28 Uhr eine näher angeführte Verwaltungsübertretung nach der StVO begangen zu haben. Es wurde eine Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 30 Stunden) verhängt. Der dagegen vom Beschwerdeführer rechtzeitig erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 25. August 1995 keine Folge, wobei sie unter anderem ausführte, die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung habe aus den Gründen des § 51e Abs. 2 VStG unterbleiben können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Das Beschwerdevorbringen läßt sich dahin zusammenfassen, daß der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im Unterbleiben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch die belangte Behörde erblickt. Er ist damit im Recht:
Gemäß § 51e Abs. 2 erster Satz VStG (in der im Beschwerdefall bereits anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 620/1995) kann eine Verhandlung unterbleiben, wenn in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder wenn sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid oder nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder wenn im bekämpften Bescheid eine 3.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, es sei denn, daß eine Partei die Durchführung einer Verhandlung ausdrücklich beantragt.
Im vorliegenden Beschwerdefall trafen diese Voraussetzungen für das Unterbleiben der mündlichen Verhandlung nicht zu, da der Beschwerdeführer in der Berufung ausdrücklich die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung beantragt hatte.
Wohl hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung zum rechtswidrigen Unterbleiben der Anberaumung einer Verhandlung die Ansicht vertreten, daß dies nicht in jedem Fall die Aufhebung des Berufungsbescheides nach sich ziehen muß; maßgeblich ist die - in der Beschwerde darzustellende - Relevanz im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG (vgl. etwa das Erkenntnis vom 24. November 1993, Zl. 93/02/0150). Ein solches Vorbringen hat der Beschwerdeführer allerdings vor dem Verwaltungsgerichtshof erstattet:
Der Beschwerdeführer hatte sich in der Berufung zum Beweis dafür, daß er zur Tatzeit nicht am Tatort anwesend gewesen sei, auf die Einvernahme seiner Ehefrau und eines namentlich genannten Arbeitskollegen sowie auf den Inhalt der von ihm vorgelegten Ambulanzkarte (seine Ehefrau betreffend) berufen, wonach er gegen 12.20 Uhr nach einem Besuch im Krankenhaus Lainz in Wien von dort weggefahren sei und daher - so sein Vorbringen - zum Tatzeitpunkt nicht am Tatort im Ortsgebiet von Gänserndorf hätte sein können.
Die belangte Behörde führte dazu in der Begründung des angefochtenen Bescheides im wesentlichen aus, es verwundere, daß der Beschwerdeführer diese doch äußerst naheliegende Verantwortung erst im späteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens gewählt und nicht schon bei der ersten behördlichen Einvernahme vorgebracht habe. Weiters vermöge die zur Untermauerung der Behauptung vorgelegte Ambulanzkarte keinerlei Beweiskraft für den Beschwerdeführer zu entfalten, weil sich auf dieser Karte zwar Termineintragungen für andere Tage, nicht jedoch für den 23. September 1993 (den Tattag) fänden. Es sei daher als erwiesen anzunehmen, daß der Beschwerdeführer die angelastete Verwaltungsübertretung begangen habe.
Dem hält die Beschwerde entgegen, daß sich in der in Rede stehenden Ambulanzkarte sehr wohl "wenn auch schlecht lesbar" eine Eintragung für den 23. September 1993 finde.
Es ist zwar an Hand der Aktenlage nicht erkennbar, ob die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte (weitere) Eintragung in der Ambulanzkarte tatsächlich den 23. September 1993 betrifft, allerdings ist dies auch nicht ausgeschlossen. Der Beschwerdeführer hat daher zu Recht ins Treffen geführt, daß die belangte Behörde bei Erörterung der in Rede stehenden Ambulanzkarte anläßlich einer mündlichen Verhandlung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Gleiches gilt hinsichtlich der von der belangten Behörde unterbliebenen Einvernahme der beiden genannten Zeugen zum Beweis dafür, daß der Beschwerdeführer aus zeitlichen Gründen zum Tatzeitpunkt nicht am Tatort anwesend sein habe können. Was aber das Argument der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides anlangt, der Beschwerdeführer habe eine solche Verantwortung erst im späteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens gewählt, so kann dem zwar im Rahmen der von der belangten Behörde vorzunehmenden Beweiswürdigung durchaus Gewicht zukommen, doch ändert dies nichts an dem Umstand, daß die belangte Behörde nicht berechtigt war, dieses Argument VOR der Aufnahme der vom Beschwerdeführer beantragten Beweise in ihre Überlegungen miteinzubeziehen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel Beweiswürdigung antizipative vorweggenommene Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Erheblichkeit des Beweisantrages Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie Beweiswürdigung Vorweggenommene antizipative BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995020485.X00Im RIS seit
20.11.2000