TE Vfgh Beschluss 1994/3/7 V22/93

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Veröffentlicht am 07.03.1994
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Nö BauO §12

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf teilweise Aufhebung einer Verordnung betreffend Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes Bad Vöslau mangels Legitimation infolge Zumutbarkeit der Erwirkung einer Bauplatzerklärung (vgl §12 Nö BauO). Daß im Zusammenhang mit einer Grundabteilungsbewilligung zwei der betroffenen Grundstücke mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Bad Vöslau vom 16.04.91 rechtskräftig zu Bauplätzen erklärt wurden, steht der meritorischen Erledigung eines Antrages auf Bauplatzerklärung auch hinsichtlich dieser Grundstücke nicht entgegen, weil deren Erklärung zu Bauplätzen vor dem Inkrafttreten der bekämpften Umwidmung in "Grünland-Landwirtschaft" (mit 05.07.91) erfolgt ist, sich also durch diese Umwidmung die maßgebliche Rechtslage inzwischen wesentlich geändert hat.

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die Antragsteller begehren mit ihrem auf Art139 (Abs1 letzter Satz) B-VG gestützten Antrag, die vom Gemeinderat der Stadtgemeinde Bad Vöslau am 6. Februar 1991 beschlossene Verordnung, mit der das örtliche Raumordnungsprogramm für das gesamte Gemeindegebiet abgeändert wird, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel der Stadtgemeinde Bad Vöslau in der Zeit vom 20. Juni bis 5. Juli 1991, insoweit als gesetzwidrig aufzuheben, als durch diese Verordnung für näher bezeichnete, im Eigentum bzw. Miteigentum der Antragsteller stehende Grundstücke die Widmung "Grünland" und die Nutzungsart "Landwirtschaft" festgelegt wird.

Die Antragsteller bringen zur Begründung ihrer Antragslegitimation der Sache nach vor, es werde ihnen durch die bekämpfte Verordnung die rechtliche Möglichkeit der von ihnen geplanten baulichen Nutzung dieser Grundstücke genommen, zu deren Verwirklichung sie bereits eine Grundabteilungsbewilligung erwirkt hätten. Die bekämpfte Verordnung greife in die Rechtssphäre der Antragsteller unmittelbar und aktuell ein und es stehe ihnen kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, um diesen rechtswidrigen Eingriff abwehren zu können, weil ihnen nicht zugemutet werden könne, allein zu diesem Zweck die nach §97 der NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-0, für ein Ansuchen um Erteilung einer Baubewilligung erforderlichen Planunterlagen anfertigen zu lassen.

Die Antragsteller machen ferner mit näherer Begründung geltend, daß die bekämpfte Verordnung aus mehreren Gründen gesetzwidrig sei und insbesondere gegen den Grundsatz der Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verstoße.

2. Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Bad Vöslau erstattete eine Äußerung, in der er die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnung verteidigte.

Die Niederösterreichische Landesregierung trat in einer Äußerung dafür ein, den (Individual-)Antrag als unbegründet abzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des Antrages erwogen:

1. Voraussetzung für die Legitimation zur Stellung eines (Individual-)Antrages auf Aufhebung einer Verordnung ist, daß die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 8009/1977, 10511/1985, 11726/1988).

2.a) Die Antragsteller weisen zu Recht darauf hin, daß der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (s. VfSlg. 8463/1978, 8697/1979, 8850/1980, 10207/1984, 10452/1985, 10793/1986, 11743/1988) die Auffassung vertreten hat, daß auf dem Boden des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 (NÖ ROG 1976) der Eigentümer eines Grundstückes legitimiert ist, einen Flächenwidmungsplan (er ist Bestandteil des örtlichen Raumordnungsprogrammes) insoweit mit einem (Individual-)Antrag nach Art139 Abs1 dritter Satz B-VG anzufechten, als dieser für das Grundstück eine bestimmte Widmungs- und Nutzungsart festlegt. Der Verfassungsgerichtshof sah in derartigen Fällen einen zumutbaren Weg, die behauptete Gesetzwidrigkeit des Flächenwidmungsplanes an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen - in Betracht käme nur ein formelles Baubewilligungsansuchen - mit Rücksicht darauf nicht als gegeben an, daß vom Antragsteller nicht erwartet werden kann, allein zu diesem Zweck die für ein Ansuchen um Erteilung einer Baubewilligung erforderlichen Planunterlagen (§97 NÖ Bauordnung 1976) anfertigen zu lassen.

Dem gegenüber erachtete der Verfassungsgerichtshof in jenen Fällen, in denen das maßgebliche Gesetz etwa eine Bauplatzbewilligung bzw. Bauplatzerklärung vorsah, die Einbringung eines darauf gerichteten, keiner aufwendigen Planunterlagen bedürfenden Ansuchens als einen zumutbaren Weg, der die Unzulässigkeit der unmittelbaren Anfechtung eines Flächenwidmungsplanes beim Verfassungsgerichtshof bewirkt (so zur Rechtslage in Oberösterreich etwa die Erkenntnisse VfSlg. 9773/1983, 10004/1984; zur Rechtslage im Land Salzburg etwa die Erkenntnisse VfSlg. 11317/1987, 12395/1990).

b) Nach der durch die 6. Novelle zur NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-6, geänderten, seit dem 1. Jänner 1989 in Geltung stehenden Fassung des §12 NÖ Bauordnung 1976 besteht nunmehr auch in Niederösterreich das Rechtsinstitut der Bauplatzerklärung. Die Bauplatzerklärung bedarf eines Antrages des Eigentümers. Sie kann, wie sich aus §10 Abs4 NÖ Bauordnung 1976 ergibt, auch unabhängig von der Bewilligung einer Grundabteilung (§10 dieses Gesetzes) und unabhängig von einer Baubewilligung mit einem eigenen Bescheid erfolgen. Einem allein auf Bauplatzerklärung gerichteten Antrag sind keinerlei Unterlagen anzuschließen.

Die Stellung eines derartigen Antrages ist, da es nicht erforderlich ist, daß der Antragsteller die für ein Ansuchen um Erteilung einer Baubewilligung erforderlichen aufwendigen Planunterlagen (§97 NÖ Bauordnung 1976) - oder überhaupt irgendwelche Unterlagen - anfertigen läßt, zumutbar.

Für die Entscheidung über einen iS des §12 Abs4 NÖ Bauordnung 1976 gestellten Antrag auf Bauplatzerklärung ist in jedem Fall der Flächenwidmungsplan, soweit er das betreffende Grundstück (den betreffenden Grundstücksteil) betrifft, präjudiziell, weil die Bauplatzerklärung, wie sich aus §2 Z7 und aus dem ersten Halbsatz des §12 Abs1 NÖ Bauordnung 1976 ergibt, unabhängig von dessen Gestalt, Beschaffenheit und Größe sowie Aufschließung nur im Einklang mit dem Flächenwidmungsplan, nämlich für im Bauland gelegene Grundstücke und Grundstücksteile, erfolgen darf (vgl. VfGH 14.10.1993, V112/92, mit weiteren Judikaturhinweisen; s. ferner auch VfGH 14.10.1993, B38/91, V1,2/91).

Auf dem Boden der durch die 6. Novelle zur NÖ Bauordnung 1976 geschaffenen Rechtslage haben somit die Antragsteller die Möglichkeit, die Erklärung der in ihrem Miteigentum bzw. Eigentum stehenden, durch die angefochtene Verordnung in "Grünland-Landwirtschaft" umgewidmeten - unbebauten - Grundstücke zu Bauplätzen zu beantragen. Daß im Zusammenhang mit einer Grundabteilungsbewilligung zwei dieser Grundstücke mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Bad Vöslau vom 16.4.1991 rechtskräftig zu Bauplätzen erklärt wurden, steht der meritorischen Erledigung eines Antrages auf Bauplatzerklärung auch hinsichtlich dieser Grundstücke nicht entgegen, weil deren Erklärung zu Bauplätzen vor dem Inkrafttreten der bekämpften Umwidmung in "Grünland-Landwirtschaft" (mit 5. Juli 1991) erfolgt ist, sich also durch diese Umwidmung die maßgebliche Rechtslage inzwischen wesentlich geändert hat.

Es steht den Antragstellern frei, gegen den ihren Antrag abweisenden Bescheid nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zu erheben und im Verfahren vor diesen Gerichtshöfen die behauptete Gesetzwidrigkeit des präjudiziellen Teiles der angefochtenen Verordnung vom 6. Februar 1991 geltend zu machen.

Damit steht den Antragstellern ein zumutbarer Weg zur Geltendmachung des behaupteten rechtswidrigen Eingriffes in ihre Rechtssphäre zur Verfügung.

3. Der (Individual-)Antrag war somit mangels Legitimation der Antragsteller zurückzuweisen.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Flächenwidmungsplan

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:V22.1993

Dokumentnummer

JFT_10059693_93V00022_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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