TE Vfgh Beschluss 2007/6/11 B2014/06

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Veröffentlicht am 11.06.2007
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Index

L2 Dienstrecht
L2400 Gemeindebedienstete

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Verfahrensanordnung
AVG §63 Abs2
BDG 1979 §83
Dienstpragmatik §117
Oö Statutargemeinden-BeamtenG 2002 §118
StGB §207, §212

Leitsatz

Zurückweisung der Beschwerde gegen eine Erledigung derDisziplinarkommission beim Magistrat der Stadt Steyr betreffend dieEinleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Beschwerdeführerwegen Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen bzwMissbrauchs eines Autoritätsverhältnisses mangels Bescheidcharaktersder angefochtenen Verfahrensanordnung

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der Beschwerdeführer steht als Amts- und Schularzt in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt S. Mit Schreiben vom 18. Oktober 2006 erging an den Beschwerdeführer eine Erledigung der Disziplinarkommission beim Magistrat der Stadt S, Senat I:

"Die Disziplinarkommission beim Magistrat der Stadt S..., Senat I, hat in ihrer Sitzung vom 18.10.2006 nach Einlangen der Disziplinaranzeige des Herrn MD OSR Dr. K... S... vom 16.10.2006 und nach Anhörung des Disziplinaranwaltes einstimmig beschlossen, gemäß §118 Abs1 des Statutargemeinde[n-B]eamtengesetzes, LGBl. Nr. 50/2002, idF LGBl. Nr. 13/2006, gegen Sie ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Die Einleitung dieses Disziplinarverfahrens stützt sich auf die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Steyr, [der zu Folge] Ihnen

1.

das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §207 Abs1 erster Fall StGB und

2.

das Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach §212 Abs2 Z. 1 StGB

vorgeworfen wird.

Sie werden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass gemäß §118 Abs1 leg. cit. diese Entscheidung eine Verfahrensanordnung darstellt, die durch kein abgesondertes Rechtsmittel bekämpfbar ist.

Da die Disziplinarbehörde beim Magistrat der Stadt S..., Senat I, von den gegen Sie gerichteten strafrechtlichen Vorwürfen durch die Übermittlung der Anklageschrift des strafbehördlichen Verfahrens Kenntnis erlangt hat, gilt gemäß §118 Abs6 leg. cit. das Disziplinarverfahren als unterbrochen. Das Disziplinarverfahren ist erst weiter zu führen, nachdem die Mitteilung der Staatsanwaltschaft über die Zurücklegung der Anzeige bei der Disziplinarbehörde eingelangt ist oder das gerichtliche Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen oder, wenn auch nur vorläufig, eingestellt worden ist.

Dies wird Ihnen gemäß §118 Abs6 leg. cit. als beschuldigte[m] Beamten zur Kenntnis gebracht.

Da die Entscheidung der Disziplinarkommission, Senat I, darüber, dass ein Disziplinarverfahren gegen Sie eingeleitet wird, lediglich eine Verfahrensanordnung darstellt und daher gemäß §118 Abs1 leg. cit. durch kein abgesondertes Rechtsmittel bekämpfbar ist und die Mitteilung gemäß §118 Abs6 leg. cit. [, der zu Folge] Sie als beschuldigter Beamter davon in Kenntnis gesetzt werden, dass das Disziplinarverfahren bis zum Abschluss des behördlichen Strafverfahrens als unterbrochen gilt, keinen Bescheidcharakter erfüllt, ist auch dagegen kein Rechtsmittel zulässig.

Hinsichtlich der Entscheidung über die ... am 16.10.2006 gegen Sie gemäß §117 Abs1 leg. cit. verhängte vorläufige Suspendierung (Aufhebung oder Umwandlung in eine definitive Suspendierung unter allfälliger anteiliger Kürzung Ihres Monatsbezuges) ergeht ein gesonderter disziplinarrechtlicher Bescheid."

2. Gegen diese Erledigung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie die Verletzung in Rechten wegen "Anwendung jener gesetzwidrigen Verordnung, mit der der Stadtsenat der Stadt S... die Disziplinarkommission beim Magistrat der Stadt S..., Senat I, bestellt hat", behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Erledigung beantragt wird. Zur Zulässigkeit der Beschwerde bringt der Beschwerdeführer Folgendes vor:

"Nach ständiger Recht...sprechung des VfGH stellt der Beschluss auf Einleitung der Disziplinaruntersuchung nicht bloß eine prozessleitende Verfügung dar, sondern kommt einem solchen Beschluss Bescheidcharakter zu, der mit Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes bekämpft werden kann (vgl. VfGH 4.12.1979, B304/7[8] VfSlg. 8686; VfGH 15.12.1993, B1923/93 VfSlg. 13650).

Der angefochtene Einleitungs- und Unterbrechungsbescheid vom 18.10.2006, ..., ist nicht im ordentlichen Verfahren bekämpfbar, weshalb der Instanzenzug ausgeschöpft ist."

Die Disziplinarkommission beim Magistrat der Stadt S als belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Beschwerde beantragt. Dazu bringt sie ua. Folgendes vor:

        "... Zur Zulässigkeit der Beschwerde:

        [D]er Beschwerdeführer ... verkennt ... einerseits, dass es

sich beim bekämpften Beschluss nicht um einen Beschluss auf Einleitung einer Disziplinaruntersuchung, sondern um einen Beschluss auf Einleitung des Disziplinarverfahrens an sich gehandelt hat, womit sich die genannte prozessleitende Verfügung auf eine völlig andere Rechtsgrundlage - als vom Beschwerdeführer irrtümlich angenommen - stützt.

Weiters verkennt der Beschwerdeführer offenbar die geltende Rechtslage des OÖ Statutargemeinde[n-B]eamtengesetzes 2002, LGBl. Nr. 50/2002 idgF, dahingehend völlig, als dessen §118 Abs1 ausdrücklich festlegt, dass der Vorsitzende der Disziplinarkommission nach Einlangen der Disziplinaranzeige und Anhörung des Disziplinaranwaltes unverzüglich die Disziplinarkommission zur Entscheidung darüber einzuberufen hat, ob ein Disziplinarverfahren einzuleiten ist. Diese Entscheidung stellt nach ausdrücklichem Gesetzeswortlaut des §118 Abs1 leg. cit. eine Verfahrensanordnung dar, sie ist durch kein abgesondertes Rechtsmittel bekämpfbar.

Aus diesem, vom Beschwerdeführer auch nicht als verfassungswidrig bekämpften Gesetzeswortlaut... geht eindeutig hervor, dass es sich bei dieser Verfahrensanordnung um eine solche handelt, die durch einen weiteren Rechtszug nicht mehr bekämpfbar ist."

II. 1. Die Abs1, 2 und 6 des §118 Oö. Statutargemeinden-Beamtengesetzes 2002, LGBl. 50 idF LGBl. 13/2006, (im Folgenden: Oö. StGBG 2002) lauten wie folgt:

"§118

Einleitung des Disziplinarverfahrens

(1) Der (Die) Vorsitzende der Disziplinarkommission hat nach Einlangen der Disziplinaranzeige und nach Anhörung des (der) Disziplinaranwalts(-anwältin) unverzüglich die Disziplinarkommission zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren einzuleiten ist. Diese Entscheidung stellt eine Verfahrensanordnung dar; sie ist durch kein abgesondertes Rechtsmittel bekämpfbar. Notwendige Ermittlungen sind von der Disziplinarkommission oder im Auftrag der Disziplinarkommission von der Geschäftsstelle durchzuführen.

(2) Die Entscheidung der Disziplinarkommission ist dem (der) Beschuldigten, dem (der) Disziplinaranwalt(-anwältin) und der Dienstbehörde zuzustellen.

...

(6) Hat die Disziplinarbehörde Anzeige an die Staatsanwaltschaft, die Sicherheitsbehörde oder die Verwaltungsbehörde erstattet oder hat sie sonst Kenntnis von einem anhängigen gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Strafverfahren, gilt das Disziplinarverfahren als unterbrochen. Der (Die) beschuldigte Beamte (Beamtin) ist davon in Kenntnis zu setzen. Die Disziplinarbehörde kann die Weiterführung des Verfahrens beschließen, wenn dies im Interesse des Dienstbetriebs geboten ist oder ein berechtigtes Interesse des Beamten (der Beamtin) vorliegt.

..."

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 13.968/1994 mwN) liegt ein Bescheid iSd Art144 Abs1 B-VG dann vor, wenn die Erledigung eine Verwaltungsangelegenheit gegenüber individuell bestimmten Personen normativ regelt, wenn sie also für den Einzelfall bindend die Gestaltung oder Feststellung von Rechtsverhältnissen zum Inhalt hat, ob sie nun in Form eines Bescheides nach §§56 ff AVG ergeht oder nicht.

Die Entscheidung der Disziplinarkommission, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, ist als bloße Verfahrensanordnung iSd §63 Abs2 AVG zu werten, die lediglich den Gang des Verfahrens regelt, nicht aber ein Rechtsverhältnis erledigt (so ausdrücklich §118 Abs1 zweiter Satz Oö. StGBG 2002; s. auch RV 1364/2002 und AB 1414/2002 BlgLT 25. GP). Eine derartige verwaltungsbehördliche Anordnung kann daher nicht unmittelbar beim Verfassungsgerichtshof angefochten werden (vgl. zB VfSlg. 17.291/2004 mwN). Aus den vom Beschwerdeführer in seiner unter Pkt. I.2. wiedergegebenen Beschwerde zitierten Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes ist für den vom Beschwerdeführer vertretenen gegenteiligen Standpunkt nichts zu gewinnen, da sich die für diese Erkenntnisse maßgeblichen Rechtsvorschriften (§83 BDG 1977, BGBl. 329, bzw. §117 DP, RGBl. 1914/15) von der im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmung wesentlich unterscheiden.

Da dem Verfassungsgerichtshof gemäß Art144 Abs1 B-VG nur die Entscheidung über Beschwerden gegen (letztinstanzliche) Bescheide von Verwaltungsbehörden zusteht, es sich aber bei der angefochtenen Erledigung um keinen Bescheid handelt, war die Beschwerde wegen Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG bzw. gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

4. Im Hinblick auf dieses Verfahrensergebnis war über den Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, die nur für den Fall der Ablehnung oder Abweisung der Beschwerde, nicht aber bei deren Zurückweisung in Frage kommt, nicht abzusprechen.

Schlagworte

Dienstrecht, Disziplinarrecht, Bescheidbegriff, Verfahrensanordnung,Strafrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:B2014.2006

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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