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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Rutter, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 3. Dezember 1993, Zl. SD 633/93, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 3. Dezember 1993 erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (die belangte Behörde) gegen den Beschwerdeführer, einen "serbischen" Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und 2 des Fremdengesetzes (FrG), BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei im Zeitraum von 1976 bis 1990 insgesamt zehnmal, davon fünfmal wegen Körperverletzung, gerichtlich verurteilt worden. Zwei Verurteilungen seien wegen Hehlerei erfolgt, die letzte Verurteilung vom 3. Juli 1990 wegen Übertretung des § 36 Abs. 1 Z. 1 des Waffengesetzes 1986. Am 29. Oktober 1992 und am 25. Februar 1993 seien dem Beschwerdeführer wegen Übertretungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (in drei Fällen) Geldstrafen rechtskräftig auferlegt worden. Da er somit sowohl hinsichtlich der Körperverletzung als auch der Hehlerei mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt und daneben auch mehr als einmal wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden sei, lägen bei ihm die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z. 1 und Z. 2 FrG vor. Demnach sei aber auch die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt.
Die gegenständliche fremdenpolizeiliche Maßnahme stelle zweifellos einen bedeutsamen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers, der sich seit März 1974 in Österreich aufhalte und hier mit seiner Gattin und seinen beiden Kindern lebe, dar. Ungeachtet dessen sei jedoch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen ihn zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (hier zur Verhinderung strafbarer Handlungen, zum Schutz der Rechte Dritter sowie im Interesse einer geordneten Fremden- und Beschäftigungspolitik) dringend geboten. Der Beschwerdeführer, der sich seit Mai 1993 unberechtigt in Österreich aufhalte und bereits im Jahr 1991 wegen Aufenthaltes ohne erforderlichen Sichtvermerk bestraft worden sei, habe durch sein Verhalten deutlich zum Ausdruck gebracht, daß er der österreichischen Rechtsordnung gegenüber äußerst gleichgültig eingestellt sei. Obwohl ihm bereits am 9. Jänner 1985 niederschriftlich zur Kenntnis gebracht worden sei, bei einer neuerlichen Verurteilung mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechnen zu müssen, sei er neuerlich straffällig geworden. Angesichts der Vielzahl der Rechtsbrüche und der raschen Abfolge der strafbaren Handlungen könne eine Zukunftsprognose für den Beschwerdeführer nicht positiv ausfallen. Der Umstand, daß er sich seit 11. Mai 1993 gesetzwidrig in Österreich aufhalte und am 22. März 1993 wegen Körperverletzung und gefährlicher Drohung bei der Staatsanwaltschaft Wien zur Anzeige gebracht worden sei, runde den negativen Gesamteindruck ab, den die belangte Behörde von der Person des Beschwerdeführers habe gewinnen müssen. Somit sei den öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes der Vorrang gegenüber den - wenn auch beträchtlichen - Auswirkungen der fremdenpolizeilichen Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie einzuräumen. Im Hinblick auf die zahlreichen Gesetzesverstöße durch den Beschwerdeführer könne derzeit nicht abgesehen werden, wann bei ihm ein positiver Gesinnungswandel eintreten werde, sodaß die Erstbehörde das Aufenthaltsverbot zu Recht unbefristet ausgesprochen habe.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in eventu wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer bekämpft nicht die - auf der unbestritten gebliebenen Sachverhaltsannahme gründende - zutreffende Rechtsansicht der belangten Behörde über die Verwirklichung der Tatbestände des § 18 Abs. 2 Z. 1 und 2 FrG und über das Vorliegen der in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebenen Annahme. Er bekämpft auch nicht die gleichfalls zutreffende Ansicht der belangten Behörde, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen dringend geboten und somit im Grunde des § 19 leg. cit. zulässig sei.
2. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Interessenabwägung. Dazu bringt er im wesentlichen vor, die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes würden durch die Tatsache, daß es sich bei ihm nicht um einen erst seit relativ kurzer Zeit in Österreich anwesenden Ausländer handle, der seinen Aufenthalt zur Begehung von Straftaten genützt hätte, eine empfindliche Einschränkung erfahren. Er sei seit annähernd 20 Jahren in Österreich aufhältig und hier vollständig integriert; seine Gattin, mit der er seit 13 Jahren verheiratet sei, sei nunmehr 20 Jahre in Österreich aufhältig. Seine beiden Kinder gingen hier zur Schule und hätten ihre gesamte Sozialisation hier in Österreich erfahren. Der Unterhalt der Kinder wäre durch die Außerlandesschaffung des Beschwerdeführers empfindlich gefährdet, weil er und seine Gattin zu gleichen Teilen zum gemeinsamen Familieneinkommen beigetragen hätten. Gerade auf solche Fälle sei § 20 leg. cit. zugeschnitten, der die Unzulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes - im Unterschied zu § 3 Fremdenpolizeigesetz - schon dann annehme, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden schwerer wögen als die Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes.
Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG nahm die belangte Behörde im wesentlichen auf alle zu berücksichtigenden privaten und familiären Gesichtspunkte, die gegen die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sprechen, Bedacht und es wurden die auf diese Umstände zurückzuführenden negativen Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und dessen Familie als beträchtlich gewertet. Diesem Interesse des Beschwerdeführers an seinem weiteren Verbleib in Österreich stehen die aus dem eine krasse Mißachtung der österreichischen Rechtsordnung und der Rechte und Freiheiten anderer bezeugenden Verhalten des Beschwerdeführers abzuleitenden schwerwiegenden öffentlichen Interessen am Schutz der körperlichen Integrität und des Eigentums anderer, der Verhinderung strafbarer Handlungen und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und der Ausländerbeschäftigung gegenüber. Dieses aus dem der Vielzahl der rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen und verwaltungsbehördlichen Bestrafungen des Beschwerdeführers zugrundeliegenden Fehlverhalten resultierende öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wird durch zwei Umstände beträchtlich verstärkt. Zum einen ließ der Beschwerdeführer auch nach einer Ermahnung durch die Fremdenbehörde von weiteren strafbaren Handlungen nicht ab und zum anderen hält er sich seit 11. Mai 1993 unrechtmäßig in Österreich auf.
Demgegenüber wird die aus dem langen Aufenthalt des Beschwerdeführers abzuleitende Integration dadurch gemindert, daß die dafür wesentliche soziale Komponente durch die zahlreichen Straftaten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1995, Zl. 95/18/1313). Die Unterhaltsleistungen für seine Familie kann der Beschwerdeführer auch aus dem Ausland erbringen (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis Zl. 95/18/1313).
Wenn die belangte Behörde wegen der dargelegten Umstände das öffentliche Interesse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes als schwerer wiegend ansah als das gegenläufige private Interesse des Beschwerdeführers, kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.
Diese Beurteilung vermag auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Urteile des EGMR vom 18. Februar 1991, Zl. 31/1989/191/291 (A. Moustaquim), und vom 26. März 1992, Zl. 55/1990/246/317 (M. Beldjoudi), nicht zu ändern. Beide Fälle unterscheiden sich von dem vorliegend zu beurteilenden. Im erstgenannten Fall handelte es sich um einen Beschwerdeführer, der sich bereits seit seinem 3. Lebensjahr in dem betreffenden Staat aufhielt, während der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall erst im Alter von 24 Jahren nach Österreich kam; im zweitgenannten Fall war der Beschwerdeführer in dem Land, aus dem er ausgewiesen wurde (Frankreich) geboren worden, hatte die französische Staatsbürgerschaft besessen und diese, nachdem Algerien unabhängig geworden war, mit 1. Jänner 1963 nur deswegen verloren, weil seine Eltern auf eine entsprechende Erklärung verzichtet hatten.
3. Im Hinblick auf die Ausführungen zu II.2. muß auch der Verfahrensrüge der Erfolg versagt bleiben. Ein relevanter Begründungsmangel liegt nicht vor; auch unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe des Beschwerdeführers und des Alters seiner Kinder kann der angefochtene Bescheid nicht als rechtswidrig erkannt werden. Soweit der Beschwerdeführer auf eine Verletzung des Parteiengehörs verweist, unterläßt er die konkrete Angabe, welches Vorbringen er bei Unterlassung des behaupteten Verfahrensmangels erstattet hätte, welches zu einem für ihn günstigeren Ergebnis der Rechtssache geführt hätte. Dies trifft auch auf den Vorwurf zu, die belangte Behörde hätte keine Ermittlungen durchgeführt. Auch hier vermag der Beschwerdeführer die erforderliche Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht aufzuzeigen.
4. Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides versucht der Beschwerdeführer weiters mit einem Hinweis auf § 20 Abs. 2 FrG zu begründen. Gemäß dieser Bestimmung darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre auf § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG zu gründen, weil der Fremde wegen einer mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung verurteilt worden ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Beurteilung, ob die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 gegeben sind, im Fall mehrerer Verurteilungen und/oder Bestrafungen der Zeitpunkt der Rechtskraft der vorletzten dieser Verurteilungen bzw. Bestrafungen entscheidend (vgl. das Erkenntnis vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/18/0533, uva.). Der maßgebliche Zeitpunkt ist im vorliegenden Fall somit jener der Rechtskraft der Bestrafung des Beschwerdeführers vom 29. Oktober 1992 wegen einer Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes. In diesem Zeitpunkt wäre eine Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht möglich gewesen, weil die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG 1985 mit Rücksicht auf die - oben I.1. angeführten - vorausgegangenen Straftaten des Beschwerdeführers nicht erfüllt gewesen wäre.
5. Schließlich wendet sich der Beschwerdeführer dagegen, daß das Aufenthaltsverbot unbefristet verhängt wurde. Dabei stellte die belangte Behörde auf die zahlreichen Gesetzesverstöße und auf die Unvorhersehbarkeit eines positiven Gesinnungswandels des Beschwerdeführers ab. Dieser zeigt seinerseits nicht auf, welche Umstände die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, zu dem Ergebnis zu gelangen, es sei vorhersehbarerweise nach Verstreichen eines bestimmten Zeitraumes mit einem Wegfall der für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe zu rechnen.
6. Da nach dem Gesagten dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des Antrages (§ 59 Abs. 1 VwGG) - auf die §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994180219.X00Im RIS seit
20.11.2000