TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/11 95/18/0171

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.04.1996
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte

Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Rutter, über die Beschwerde des A in F, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. September 1994, Zl. 103.489/2-III/11/94, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 22. September 1994 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines tunesischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG abgewiesen.

Der Beschwerdeführer habe am 20. Juli 1993 bei der Österreichischen Botschaft Tunis einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz eingebracht. Er habe jedoch den Ausgang des Bewilligungsverfahrens nicht im Ausland abgewartet, sondern sei in das Gebiet der Republik Österreich eingereist, ohne im Besitz eines Sichtvermerkes gewesen zu sein. Da sich der Beschwerdeführer ohne österreichischen Sichtvermerk bzw. ohne Aufenthaltsbewilligung nicht länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten dürfe, solle ihm die beantragte Aufenthaltsbewilligung nach sichtvermerksfreier Einreise gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG erteilt werden. Diese Bestimmung finde "durch den § 5 Abs. 1 AufG direkt Anwendung".

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser trat sie nach Ablehnung von deren Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 28. November 1994, B 2129/94).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren begehrt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in eventu wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf eine Bewilligung Fremden (u.a.) nicht erteilt werden, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt.

Nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG ist ein Sichtvermerk zu versagen, wenn dieser zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 AufG oder § 14 FrG) erteilt werden soll.

2.1. Die belangte Behörde hat die nach Einbringung eines Aufenthaltsbewilligungsantrages bei der Österreichischen Botschaft Tunis erfolgte Einreise des Beschwerdeführers ohne österreichischen Sichtvermerk als "sichtvermerksfreie Einreise" i. S. des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG qualifiziert und als Folge dessen im Hinblick darauf, daß die Aufenthaltsbewilligung nach der so gewerteten Einreise erteilt werden solle, den Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 leg. cit. als verwirklicht angesehen.

2.2. Gemäß Art. 1 des durch Notenwechsel vom 28. Juni 1965 zwischen der Republik Österreich und der Tunesischen Republik geschlossenen Abkommens zur Aufhebung der Sichtvermerkspflicht (kundgemacht im BGBl. Nr. 254/1965; in Kraft getreten am 1. August 1965) in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung der Verbalnote vom 17. Juli 1987 (Kundmachung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 477/1987) dürfen österreichische und tunesische Staatsangehörige, die einen von den zuständigen Behörden ihres Landes ausgestellten gültigen Reisepaß besitzen, zu einem nicht Erwerbszwecken dienenden Aufenthalt sichtvermerksfrei in das Gebiet des anderen Vertragsstaates einreisen und sich dort drei Monate aufhalten. Nach Art. 2 dieses Abkommens ist für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder für einen drei Monate übersteigenden Aufenthalt im Gebiet des anderen Vertragsstaates ein Sichtvermerk erforderlich.

2.3. Nach Ausweis der dem Gerichtshof vorgelegten Akten besteht kein Zweifel, daß der Beschwerdeführer zum fraglichen Zeitpunkt (Juli/August 1993) zu Erwerbszwecken nach Österreich eingereist ist: Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz vom 20. Juli 1993 enthält unter der Rubrik "Aufenthaltszweck" die Angabe "Profispieler (Fußball) bei Sportklub X"; dem Antrag liegt eine "Vertragsvereinbarung" zwischen dem Beschwerdeführer und dem Sportclub X vom 25. Juni 1993 bei, derzufolge der Beschwerdeführer bei dem genannten Sportclub als Fußballspieler tätig ist und (bei Absolvierung von 80 % der Spiel- und Trainingseinheiten) eine Aufwandsentschädigung von S 5.500,-- (monatlich) erhält; dem Antrag liegt weiters eine Erklärung gemäß § 4 Abs. 3 Z. 5 AuslBG betreffend die Unterkunft des Beschwerdeführers vom 1. Juli 1993 bei, in welcher der Sportclub X als Arbeitgeber des Beschwerdeführers genannt ist; schließlich ist in einem dem Antrag beiliegenden Schreiben der Österreichischen Botschaft Tunis an das Amt der Vorarlberger Landesregierung vom 20. Juli 1993 die Rede davon, daß eine "telephonische Kontaktnahme des Sportclub X (Herr E, sportlicher Leiter) mit der ho. Botschaft ergab, daß die Landesmeisterschaften am 14. August d.J. beginnen und die Anwesenheit des Antragstellers hiefür unbedingt notwendig sei".

3. Daraus folgt, daß der Beschwerdeführer, weil zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit in Österreich eingereist, eines österreichischen Sichtvermerkes bedurfte, also keine "sichtvermerksfreie Einreise" i.S. des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG vorlag. Da somit die Erteilung eines Sichtvermerkes bzw. einer Aufenthaltsbewilligung "nach sichtvermerksfreier Einreise" begrifflich nicht in Betracht kam, konnte durch die in Rede stehende Antragstellung des Beschwerdeführers der Versagungstatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG nicht verwirklicht werden. Dies hat die belangte Behörde verkannt.

4. Nach dem Gesagten war der sich - sowohl im Spruch als auch in der Begründung (in dieser: formal und materiell) - ausschließlich auf den Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG (iVm § 5 Abs. 1 AufG) stützende angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995180171.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten