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82/03 Ärzte, sonstiges SanitätspersonalNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Zurückweisung einer Wahlanfechtung gegen die Nichtaufnahme eines – aus der Ärztekammer ausgeschiedenen – emeritierten Arztes in die Wählerliste für die Wahl in die Vollversammlung der Ärztekammer für Oberösterreich mangels Anfechtungslegitimation; keine unsachliche Definition der Kammerangehörigen; Einbeziehung der nicht mehr Erwerbstätigen in die Berufsvertretung nicht geboten; keine Bedenken im Hinblick auf den aktiv wahlberechtigten Personenkreis für die Wahl und die – an die Mitgliedschaft in der Ärztekammer anknüpfende – Einspruchslegitimation hinsichtlich der (Nicht-)Aufnahme von Personen in die WählerlisteRechtssatz
Keine Anfechtungslegitimation gegen die Wahl vom 06.04.2022 gemäß der einfachgesetzlichen Ausgestaltung des zugrunde liegenden Verfahrens:
Die in §27 Abs1 ÄKWO 2006 vorgesehene Beschränkung der Einspruchslegitimation auf Kammerangehörige - somit (im Wesentlichen) auf den Kreis der wahlberechtigten Personen - steht mit dem durch Art141 Abs1 liti und litj B-VG verfolgten Rechtsschutzziel, der Durchsetzung des subjektiven Rechts des tatsächlich wahlberechtigten Personenkreises auf Teilnahme an der Wahl, im Einklang. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist es ausreichend, im Verfahren auf Überprüfung der Wählerevidenzen dem tatsächlich wahlberechtigten Personenkreis die Anfechtungslegitimation einzuräumen. Die (zusätzliche) Einräumung einer einfachgesetzlichen Einspruchslegitimation an nicht wahlberechtigte Personen ist zwar möglich, jedoch aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht geboten.
Vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles sind auch keine Bedenken im Hinblick auf die konkrete einfachgesetzliche Ausgestaltung des durch §27 Abs1 ÄKWO 2006 sowie §§68 Abs1, 70 Abs1 bzw 77 Abs1 ÄrzteG 1998 und §8 Abs1 ÄKWO 2006 erfassten einspruchslegitimierten bzw wahlberechtigten Personenkreises entstanden.
§68 Abs1 ÄrzteG 1998 kennt zwei Fallgruppen ordentlicher Kammermitgliedschaft, nämlich jene Gruppe von Ärzten, die in die Ärzteliste eingetragen sind, ihren Beruf im Bereich der Kammer ausüben und keine Alters- oder Invaliditätsversorgung aus dem Wohlfahrtsfonds beziehen, sowie die Gruppe der aus dem Wohlfahrtsfonds versorgungsberechtigten (somit an sich pensionierten Ärzte), die auf Grund ihrer ausgeübten ärztlichen Tätigkeit weiterhin Beiträge zum Wohlfahrtsfonds und die Kammerumlage entrichten. Dieser Personenkreis ist gemäß §70 Abs1 bzw §77 Abs1 ÄrzteG 1998 sowie §8 Abs1 ÄKWO 2006 berechtigt, die Mitglieder der Vollversammlung der Ärztekammer zu wählen.
Der VfGH hat sich bereits in VfSlg 18806/2009 mit dieser Ausgestaltung des der Ärztekammer angehörenden Personenkreises in §68 ÄrzteG 1998, die durch die seither erfolgten Novellierungen keine Änderungen erfahren hat, befasst und die im zugrunde liegenden Antrag des VwGH dargelegten Bedenken, die im Wesentlichen jenen des Anfechtungswerbers entsprechen, als nicht zutreffend erachtet.
Der VfGH geht vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles weiterhin davon aus, dass der vom Gesetzgeber in §68 ÄrzteG 1998 definierte Kreis der Kammerangehörigen nicht unsachlich ist. Wenngleich der VfGH in VfSlg 18806/2009 einen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers (auch) dahingehend anerkannt hat, nicht mehr Erwerbstätige in die Berufsvertretung ihres früheren Erwerbszweiges einzubeziehen, so ist eine solche Ausgestaltung aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zwingend.
Bei den aus der Kammer ausgeschiedenen Ärzten handelt es sich nicht um eine mit der Kammer in keiner Beziehung stehende Personengruppe, zumal ein Gesamtsystem vorliegt, in dem die aktiven Ärzte für die eigene Zukunft und auch für die ihrer Angehörigen vorsorgen - das also zugunsten ehemaliger Kammermitglieder und von deren Angehörigen eingerichtet ist. In VfSlg 18806/2009 wurde ausgesprochen, dass es zulässig ist, wenn die Verwaltung eines solchen - auch in einem Selbstverwaltungskörper verfassungsrechtlich unbedenklichen - Gesamtsystems, einschließlich der Änderung der Höhe der Pensionsansprüche, von den Organen der Kammer und damit von den Kammermitgliedern ohne Beteiligung der Leistungsbezieher vorgenommen wird. Daran anknüpfend sind vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles keine Bedenken im Hinblick auf den durch §70 Abs1 bzw §77 Abs1 ÄrzteG 1998 sowie §8 Abs1 ÄKWO 2006 definierten aktiv wahlberechtigten Personenkreis entstanden.
Folglich bestehen auch keine Bedenken gegen die einfachgesetzliche Ausgestaltung der - an die Mitgliedschaft in der Ärztekammer anknüpfenden - Einspruchslegitimation hinsichtlich der Aufnahme bzw Nichtaufnahme von Personen in Wählerlisten gemäß §27 Abs1 ÄKWO 2006.
Der Anfechtungswerber war bis zum 31.12.2012 als Facharzt in einer Krankenanstalt in Oberösterreich tätig. Seit dem 01.01.2013 übt er seinen Beruf nicht mehr aus. Gemäß §68 Abs4 Z2 ÄrzteG 1998 erlischt die Zugehörigkeit eines Arztes zur Ärztekammer, wenn dieser von der Österreichischen Ärztekammer gemäß §59 ÄrzteG 1998 aus der Ärzteliste gestrichen worden ist. Eine solche Streichung erfolgt gemäß §59 Abs1 Z3 ÄrzteG 1998 ua auf Grund einer länger als sechs Monate dauernden Einstellung der Berufsausübung. In einem solchen Fall hat die Präsidentin/der Präsident der Österreichischen Ärztekammer gemäß §59 Abs3 Z3 ÄrzteG 1998 die Streichung aus der Ärzteliste zu veranlassen und die Ärztin/den Arzt von der Streichung zu verständigen. Der Anfechtungswerber gehört der Ärztekammer vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage, ungeachtet seines Bezuges einer Altersversorgung aus dem Wohlfahrtsfonds, nicht mehr als ordentlicher Kammerangehöriger iSd §68 Abs1 ÄrzteG 1998 an. Ebenso wenig hat er behauptet, der Ärztekammer als außerordentliches Mitglied gemäß §68 Abs5 ÄrzteG 1998 anzugehören. Seinem Vorbringen, dass das ÄrzteG 1998 eine dritte Gruppe von Kammerangehörigen kenne, nämlich jene Ärzte, die, wie der Anfechtungswerber, zwar das Recht auf Berufsausübung verloren hätten, jedoch aus Mitteln des Wohlfahrtsfonds Versorgungs- und Unterstützungsleistungen beziehen würden, ist angesichts des klaren Wortlautes der §§68 Abs4 Z2 iVm 59 ÄrzteG 1998 sowie des Verweises in §96 Abs3 ÄrzteG 1998 auf die nachfolgenden Bestimmungen (vgl insbesondere die in §97 Abs1 ÄrzteG 1998 enthaltene Auflistung der aus dem Wohlfahrtsfonds versorgungsberechtigten Personengruppen) nicht zu folgen. Der Anfechtungswerber hat seine Ansprüche während seiner Zeit als Kammermitglied durch Beitragszahlungen erworben und wurde nach Ausscheiden als Kammermitglied zum Leistungsempfänger. Dem Anfechtungswerber kommt daher im durch §27 ÄKWO 2006 einfachgesetzlich ausgestalteten Einspruchsverfahren keine Einspruchslegitimation zu.
(S auch E v 23.06.2022, WIV2/2022).
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Wahlanfechtung, Ärztekammer, VfGH / Legitimation, Selbstverwaltung, Wählerevidenz, Wahlen, Wahlrecht aktivesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:WIV1.2022Zuletzt aktualisiert am
14.10.2022