Index
82/01 Gesundheitsrecht, OrganisationsrechtNorm
B-VG Art10 Abs1 Z12Leitsatz
Aufhebung der Verordnung der Gesundheitsplanungs GmbH zur Verbindlichmachung von Teilen des Regionalen Strukturplans Gesundheit Wien (RSG Wien – VO 2019), soweit sie als Verordnung des Bundes in Geltung steht, auf Grund Wegfalls der gesetzlichen Grundlage; keine Gesetzwidrigkeit der RSG Wien – VO 2019 mangels Bedenken gegen die Erlassung von Regelungen verschiedener kompetenzrechtlicher Angelegenheiten in einer "gemischten" Verordnung soweit die Verordnung, betreffend die ärztliche Versorgung in Wien (Fachrichtung: Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde), als Verordnung des Landes Wien in Geltung stehtRechtssatz
Gesetzwidrigkeit der Verordnung der Gesundheitsplanungs GmbH zur Verbindlichmachung von Teilen des Regionalen Strukturplans Gesundheit Wien (RSG Wien - VO 2019), soweit sie als Verordnung des Bundes in Geltung steht. Inkraftreten der Aufhebung mit Ablauf des 31.12.2023. Zurückweisung des Hauptantrags des Verwaltungsgerichtes Wien (VGW - LVwG) insoweit er sich nicht gegen §1 Abs1 Z1 sowie die Tabellen "Ambulante ärztliche Versorgung" (samt Fußnoten) in Anlage 1 Blatt 1 ("'RSG-Planungsmatrix' für Bundesland Wien") und in Anlage 1 Blatt 3 ("'RSG-Planungsmatrix' für Versorgungsregion 92 Wien-West") der RSG Wien - VO 2019 richtet. Im Übrigen: Abweisung des Antrags.
Der VfGH vermag der Auffassung des VGW nicht entgegenzutreten, dass zumindest Teile der RSG Wien - VO 2019 in dem bei ihm anhängigen Bescheidbeschwerdeverfahren präjudiziell sind. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob die RSG Wien - VO 2019 bereits zur Beurteilung der Beschwerdelegitimation der vor dem VGW beschwerdeführenden Rechtsträger oder erst im Zuge der inhaltlichen Überprüfung des angefochtenen Bescheides anzuwenden ist. Der VfGH hat nämlich im Rahmen seiner Präjudizialitätsprüfung nur zu beurteilen, ob die Annahme der Präjudizialität durch das antragstellende Gericht vertretbar ist. Dies ist (grundsätzlich) der Fall.
Soweit sich der Hauptantrag gegen die RSG Wien - VO 2019 zur Gänze wendet, ist er zu weit gefasst. Gegenstand des Anlassverfahrens ist ein zahnmedizinisches Ambulatorium, das in 1130 Wien, sohin in der Versorgungsregion 92, errichtet werden soll. Präjudiziell sind daher nur §1 Abs1 Z1 sowie in Anlage 1 Blatt 1 ("'RSG-Planungsmatrix' für Bundesland Wien") die Tabelle "Ambulante ärztliche Versorgung" (samt Fußnoten) und Blatt 3 ("'RSG-Planungsmatrix' für Versorgungsregion 92 Wien-West") die Tabelle "Ambulante ärztliche Versorgung" (samt Fußnoten). Die übrigen Teile des RSG Wien - VO 2019 sind hingegen offenkundig nicht präjudiziell, weshalb der Hauptantrag insoweit zurückzuweisen ist. Daran ändert auch nichts, dass sich die Bedenken des VGW auf die gesamte Verordnung beziehen, weil die Voraussetzungen des Art139 Abs3 B-VG nur vom VfGH von Amts wegen wahrzunehmen sind.
Entgegen dem Vorbringen der Wiener Landesregierung führt das VGW auch nicht ausschließlich Bedenken gegen die gesetzliche Grundlage der angefochtenen Verordnung ins Treffen, sondern begründet - gesondert - seine Bedenken gegen die Verordnung für den Fall, dass ihre gesetzlichen Grundlagen verfassungskonform sein sollten. Der Einwand der Wiener Landesregierung hinsichtlich §57 Abs1 VfGG ist daher schon aus diesem Grund nicht stichhaltig.
Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag hinsichtlich §1 Abs1 Z1 und der Tabellen "Ambulante ärztliche Versorgung" in Anlage 1 Blatt 1 ("'RSG-Planungsmatrix' für Bundesland Wien") und in Anlage 1 Blatt 3 ("'RSG-Planungsmatrix' für Versorgungsregion 92 Wien-West"), jeweils samt Fußnoten, als zulässig. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf den Eventualantrag.
Der VfGH hat mit E v 30.06.2022, G334/2021 ua, V265/2021, §23 Abs4 G-ZG als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31.12.2023 in Kraft. Die Beratungen im Gesetzesprüfungsverfahren, das zur Aufhebung des §23 Abs4 G-ZG geführt hat, haben am 20.06.2022 begonnen. Der vorliegende Antrag des VGW ist beim VfGH am 22.02.2022 - also noch vor den Beratungen im Gesetzesprüfungsverfahren - eingelangt. Der Antrag hätte den Anlass zur Einleitung der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §23 Abs4 G-ZG von Amts wegen gebildet, hätte der VfGH das Gesetzesprüfungsverfahren nicht bereits aus Anlass von früher bei ihm eingelangten Anträgen eingeleitet. Der Antrag des VGW ist daher dem im Art140 Abs7 B-VG genannten Anlassfall im engeren Sinn gleichzuhalten. Es ist daher im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass im Hinblick auf die erfolgte Aufhebung des §23 Abs4 G-ZG die gesetzliche Grundlage für die RSG Wien - VO 2019, soweit sie als Verordnung des Bundes in Geltung steht, weggefallen ist. Die RSG Wien - VO 2019 ist daher, soweit sie als Verordnung des Bundes in Geltung steht, schon aus diesem Grund aufzuheben.
Gemäß Art139 Abs3 (Z1) B-VG darf der VfGH eine Verordnung nur insoweit als gesetzwidrig aufheben, als ihre Aufhebung (zulässigerweise) ausdrücklich beantragt wurde oder als er sie in der bei ihm anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte. Gelangt der VfGH jedoch zur Auffassung, dass die ganze Verordnung der gesetzlichen Grundlage entbehrt, so hat er die gesamte Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben. Ein Fall des Art139 Abs3 Z1 B-VG liegt hier vor. Die RSG Wien - VO 2019 ist daher - soweit sie als Verordnung des Bundes in Geltung steht - mangels gesetzlicher Grundlage zur Gänze aufzuheben.
Die RSG Wien - VO 2019 bleibt, soweit sie auf §10 Wiener Gesundheitsfonds-Gesetz 2017 gestützt als Verordnung des Landes Wien in Geltung steht, von dieser Aufhebung unberührt. Der VfGH hat mit E v 30.06.2022, G334/2021 ua, V265/2021, zu Recht erkannt, dass §10 Wiener Gesundheitsfonds-Gesetz 2017 nicht als gesetzwidrig aufgehoben wird. Insofern trifft also das Bedenken, die RSG Wien - VO 2019 stütze sich auf eine verfassungswidrige gesetzliche Grundlage, nicht zu.
Der VfGH hat mit E v 30.06.2022, G334/2021 ua, V265/2021, zu Recht erkannt, dass weder §23 Abs4 G-ZG noch §10 Wiener Gesundheitsfonds-Gesetz 2017 der Erlassung von Verordnungen durch die Gesundheitsplanungs GmbH entgegenstehen, die unter einem Angelegenheiten von Art10 und Art12 B-VG zum Gegenstand haben. Auch das Bedenken des VGW, dass die RSG Wien - VO 2019 gesetzwidrig sei, weil sie kompetenzübergreifend sowohl Angelegenheiten des Art10 als auch des Art12 B-VG zum Gegenstand habe, trifft daher nicht zu.
Schlagworte
Kompetenz Bund - Länder Gesundheitswesen, Kompetenz Bund - Länder Sozialversicherung, Ambulatorien, Vereinbarungen nach Art 15a B-VG, Bundesverwaltung mittelbare, Bundesstaatsprinzip, Planungsakte Verfahren, VfGH / Gerichtsantrag, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Verwerfungsumfang, Oberste Organe der Vollziehung, Verantwortlichkeit Organe, Behördenorganisation, Eventualantrag, VfGH / FristsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:V121.2022Zuletzt aktualisiert am
12.10.2022