TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/11 95/09/0162

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Veröffentlicht am 11.04.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §12a idF 1995/257;
AuslBG §4 Abs7 idF 1995/257;
AVG §56;
BHZÜV 1995;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 27. April 1995, Zl. 6703 B/17797/PE, betreffend Nichterteilung einer Sicherungsbescheinigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte am 25. Jänner 1995 einen Antrag auf Ausstellung einer Sicherungsbescheinigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den polnischen Staatsbürger G für die vorgesehene berufliche Tätigkeit als Kfz-Spengler.

Mit Bescheid vom 30. Jänner 1995 wies die zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien den Antrag auf Ausstellung der Sicherungsbescheinigung gemäß § 12a AuslBG ("BGBl.Nr. 218/1979 i.d.g.F.") i.V.m. der Veordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Bundeshöchstzahl 1995 vom 29. November 1994, BGBl. Nr. 944/1994, ab. Gemäß § 12a AuslBG ("i.d.F. BGBl. Nr. 501/1993, Z. 2") dürfe die Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Ausländer den Anteil von 8 % am österreichischen Arbeitskräftepotential (Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Inländer und Ausländer) nicht übersteigen. Diese Gesamtzahl betrage gemäß der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 29. November 1994 für das Kalenderjahr 1995 262.000. Die Bundeshöchstzahl 1995 sei aufgrund der vorliegenden Statistiken des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales seit 1. Jänner 1995 überschritten. Ab Erreichen der Bundeshöchstzahl dürften Sicherungsbescheinigungen nur noch für Ausländer erteilt werden, die zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag bereits der Anrechnung auf die Bundeshöchstzahl unterlägen. Es sei festgestellt worden, daß die beantragte ausländische Arbeitskraft nicht aufgrund einer Beschäftigungsbewilligung, Arbeitserlaubnis oder eines Befreiungsscheines nach dem AuslBG unselbständig beschäftigt sei, keinen Arbeitslosengeldanspruch habe und für sie auch keine Sicherungsbescheinigung ausgestellt worden sei. Sie unterliege somit nicht der Anrechnung auf die Bundeshöchstzahl.

In der Berufung vom 9. Februar 1995 wies der Beschwerdeführer darauf hin, daß der beantragte Arbeitnehmer die Meisterprüfung für Kfz-Spenglerarbeiten besitze und über Sprachkenntnisse - russisch, polnisch, ausreichend Deutsch - verfüge, die bei seinem auch ausländische Personen umfassenden Kundenkreis von Vorteil seien. Die bloße Nennung von Ziffern, welche nicht überprüft werden könnten, stelle keine ordnungsgemäße Bescheidbegründung dar. Die Ausstellung der Sicherungsbescheinigung würde auch dazu führen, daß durch einen höheren Umsatz ein höheres Steueraufkommen zu erzielen wäre, "was insgesamt volkswirtschaftlich nur als wünschenswert angesehen werden kann".

Mit Vorhalt vom 9. März 1995 brachte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer - unter Anführung von entsprechendem Datenmaterial - die nähere Berechnung der Überschreitung der Bundeshöchstzahl 1995 zur Kenntnis. Rechtlich zitierte die belangte Behörde dazu - wörtlich gleichlautend dem erstinstanzlichen Bescheid - § 12a AuslBG und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales bezüglich Festsetzung der Bundeshöchstzahl.

Nachdem dieser Vorhalt ohne Reaktion seitens des Beschwerdeführers geblieben war, erging der nunmehr angefochtene Bescheid vom 27. April 1995 (dem Beschwerdeführer zugestellt am 28. April 1995). Mit diesem Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m.

§ 12a AuslBG unter Anwendung der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Bundeshöchstzahl 1995 vom 29. November 1994, BGBl. Nr. 944/1994, keine Folge. Neuerlich werden dazu in der Begründung gleichlautend dem erstinstanzlichen Bescheid und dem Vorhalt vom 9. März 1995

§ 12a AuslBG und die Bundeshöchstzahlverordnung wiedergegeben. Es wird wiederum festgestellt, daß die Bundeshöchstzahl zum Zeitpunkt der Entscheidung überschritten sei und die beantragte ausländische Arbeitskraft nicht dem Personenkreis angehöre, der bereits auf die ausgeschöpfte Bundeshöchstzahl anzurechnen sei. Auf weitere Erteilungsvoraussetzungen "wird im gegenständlichen Bescheid nicht eingegangen, da auch bei Vorliegen dieser Voraussetzungen eine Bewilligung entgegen § 12a AuslBG nicht erteilt werden könnte".

In der Beschwerde wird inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 11 AuslBG regelt die Erteilung von Sicherungsbescheinigungen. Mit der Novelle BGBl. Nr. 257/1995 vom 11. April 1995 (in Kraft getreten gemäß Art. 49 Abs. 1 B-VG am 12. April 1995) wurde dem § 11 AuslBG ein Abs. 6 angefügt, wonach u.a. § 4 Abs. 7 leg. cit. für die Ausstellung von Sicherungsbescheinigungen sinngemäß gilt. Mit der Novelle BGBl. Nr. 257/1995 ist auch § 4 Abs. 7 (sowie § 12a Abs. 2) AuslBG in Richtung Überschreitungsmöglichkeit der Bundeshöchstzahl (siehe dazu auch die am 22. April 1995 in Kraft getretene Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung - BHZÜV - BGBl. Nr. 278/1995) geändert worden. Vor der erwähnten Novelle lautete § 4 Abs. 7 AuslBG - in Form einer absoluten Grenze - dahingehend, daß Beschäftigungsbewilligungen, soweit eine Höchstzahl für das gesamte Bundesgebiet festgesetzt ist, nur unter der zusätzlichen Voraussetzung erteilt werden dürfen, daß diese Höchstzahl nicht überschritten wird. Die (auf Grund der neuen Rechtslage ergangene) BHZÜV sieht (auch) für Sicherungsbescheinigungen bei Erfüllen der Tatbestände des § 1 Z. 1 bis 8 dieser VO eine Ausstellung auch dann vor, wenn die Bundeshöchstzahl überschritten ist.

Eine Rechtsmittelbehörde hat im allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Mai 1977, Slg. Nr. 9315/A, sowie z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Mai 1993, 93/09/0022). Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde nach der Begründung des angefochtenen Bescheides, in dem im übrigen nicht einmal auf den - novellierten - § 11 AuslBG Bezug genommen wird, die Erteilung der beantragten Sicherungsbescheinigung offensichtlich an Hand derselben Rechtsgrundlagen geprüft, die im Zeitpunkt des erstinstanzlichen Bescheides vom 30. Jänner 1995 und des Vorhalts vom 9. März 1995 in Geltung standen und keine Überschreitungsmöglichkeit der Bundeshöchstzahl vorsahen.

Wegen Anwendung einer überholten, durch die erwähnten Möglichkeiten der BHZÜV zur Überschreitung der Bundeshöchstzahl auch inhaltlich geänderten Rechtsgrundlage bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides (mit seiner Zustellung am 28. April 1995) hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, wozu im Beschwerdefall noch kommt, daß nach dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, daß ein Anwendungsfall der BHZÜV vorliegt. Er war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. März 1996, Zlen. 95/09/0170 und 95/09/0161).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Umsatzsteuer war neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand nicht zuzusprechen, ebenso keine Stempelgebühr für zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderliche Beilagen (auch der angefochtene Bescheid war nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen).

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995090162.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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