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Auswertung in Arbeit!Norm
Auswertung in Arbeit!Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofräte Dr. Schwarz und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des M N in W, vertreten durch Dr. Manfred Schiffner, Rechtsanwalt in 8054 Seiersberg-Pirka, Haushamer Straße 2/4. OG, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. März 2022, W124 2123372-3/5E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 2. Februar 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 3. Februar 2016 wurde der Antrag abgewiesen und dem Revisionswerber kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt. Unter einem erließ das BFA gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 22. Juni 2018 - mit einer nicht relevanten Maßgabe - als unbegründet ab.
3 Am 9. Oktober 2018 stellte der Revisionswerber erneut einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des BFA vom 22. Februar 2019 wiederum abgewiesen wurde. Weiters erteilte das BFA dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei.
4 Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom BVwG mit Erkenntnis vom 13. Februar 2020 abgewiesen.
5 Der Revisionswerber kam seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nach, sondern stellte am 29 September 2020 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005.
6 Mit Bescheid des BFA vom 21. Dezember 2021 wurde dieser Antrag gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurückgewiesen (Spruchpunkt I.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.), die Zulässigkeit der Abschiebung nach Bangladesch festgestellt (Spruchpunkt III.), eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise bestimmt (Spruchpunkt IV.) und ein auf zwei Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.).
7 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Weiters sprach es aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
8 Der Revisionswerber erhob gegen das angefochtene Erkenntnis des BVwG zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung mit Beschluss vom 29. April 2022, E 1012/2022-5, ablehnte und sie mit Beschluss vom 19. Mai 2022, E 1012/2022-7, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge wurde die vorliegende außerordentliche Revision eingebracht.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Prüfung eines angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses eines Verwaltungsgerichtes dem Revisionspunkt nach § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG entscheidende Bedeutung zu, denn der Verwaltungsgerichtshof hat nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt worden ist, sondern nur, ob jenes verletzt worden ist, dessen Verletzung der Revisionswerber behauptet. Durch den Revisionspunkt wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses gebunden ist (vgl. etwa VwGH 12.5.2021, Ra 2021/16/0030, mwN).
13 Die Revision bringt als Revisionspunkte vor, dass sich der Revisionswerber durch „die angefochtene Entscheidung in seinen einfachgesetzlich gewährleisteten subjektiven Rechten (Verbot der Abschiebung § 50 Abs 1, 2 FPG, fehlende Einhaltung der Ermittlungspflicht und antizipierende Beweiswürdigung in unzumutbarer Weise) verletzt“ erachte.
14 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Verletzung von Verfahrensvorschriften als solche keinen Revisionspunkt darstellt, sondern zu den Revisionsgründen zählt (vgl. etwa VwGH 10.9.2019, Ra 2019/16/0072, mwN), sodass als tauglicher Revisionspunkt lediglich das Recht, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 und 2 FPG nicht abgeschoben zu werden, verbleibt.
15 Der Revisionswerber bringt in diesem Zusammenhang in der Zulässigkeitsbegründung der Revision eine schlechte medizinische Versorgungslage (auch) im Zusammenhang mit COVID-19 vor.
16 Gemäß § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch unter anderem Art. 3 EMRK verletzt werden würde.
17 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung in Bezug auf Art. 3 EMRK eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Beurteilung der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 10.2.2021, Ra 2020/19/0353, mwN).
18 Die Revision zeigt nicht auf, dass die im Einzelfall erfolgte Beurteilung am Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes unvertretbar wäre und dass (auch) im Hinblick auf die COVID-19-Pandemie in Bangladesch in Bezug auf den gesunden, arbeitsfähigen und sozial vernetzten Revisionswerber solche exzeptionellen Umstände vorlägen, welche konkret die reale Gefahr einer Verletzung der nach Art. 3 EMRK garantierten Rechte darstellen würden.
19 Soweit sich die Revision in Bezug auf die Haftbedingungen und die Gefahr einer Verfolgung des Revisionswerbers in seinem Heimatstaat gegen die beweiswürdigenden Erwägungen des BVwG wendet, ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 13.6.2022, Ra 2021/17/0201 bis 0204, mwN). Dass die Erwägungen des BVwG mit einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit behaftet wären, zeigt die Revision nicht auf.
20 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 13. September 2022
Schlagworte
Auswertung in Arbeit!European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022170111.L00Im RIS seit
14.10.2022Zuletzt aktualisiert am
14.10.2022