TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/11 95/18/0428

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Veröffentlicht am 11.04.1996
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Index

20/02 Familienrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

EheG §23;
EheG §27;
FrG 1993 §18 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Rutter, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. Jänner 1995, Zl. SD 1088/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 12. Jänner 1995 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm § 18 Abs. 2 Z. 2 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer, der am 2. August 1989 in das Bundesgebiet eingereist sei, habe aufgrund seiner Tätigkeit als Werbematerialverteiler einen Sichtvermerk bis 2. Februar 1990 erhalten. Einen für ihn am 5. Februar 1990 gestellten Sichtvermerksantrag habe er am 27. Februar 1990 zurückgezogen und versprochen auszureisen. Er sei jedoch nicht ausgereist - diesbezüglich sei er auch bestraft worden -, sondern habe am 15. Mai 1990 einen neuen Sichtvermerksantrag gestellt. Hierauf sei ihm - lediglich zwecks Ausreise - der bis 30. Mai 1990 gültige Sichtvermerk erteilt worden. Auch danach habe der Beschwerdeführer von einer Ausreise Abstand genommen. Statt dessen habe er einen neuerlichen Sichtvermerksantrag gestellt. Nach neuerlicher Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes seien ihm drei weitere Sichtvermerke erteilt worden. Am 3. April 1992 sei der Beschwerdeführer zum dritten Mal wegen unerlaubten Aufenthaltes bestraft worden. Aufgrund der Vorlage einer Heiratsurkunde (Tag der Eheschließung: 7. November 1991) und eines Befreiungsscheines sei ihm wiederum ein Sichtvermerk bis 11. November 1994 erteilt worden. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Favoriten vom 11. März 1993 sei die am 7. November 1991 geschlossene Ehe für nichtig erklärt worden.

Angesichts der Tatsache, daß der Beschwerdeführer bereits drei Mal wegen unerlaubten Aufenthaltes im Bundesgebiet rechtskräftig bestraft worden sei, seien die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG gegeben. Wenngleich das darin zum Ausdruck kommende Fehlverhalten des Beschwerdeführers als solches im Hinblick auf die nachfolgende Erteilung eines Sichtvermerks noch keine Gefährdung im Sinne des § 18 Abs. 1 FrG erkennen lasse, stelle aber der im Zusammenhang mit dem Eingehen einer Ehe zwecks Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen begangene Rechtsmißbrauch eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Sinne dieser Bestimmung dar. Dem Einwand des Beschwerdeführers gegen die Annahme eines Mißbrauches des Instituts der Ehe zu den bezeichneten Zwecken sei die Rechtskraft des Gerichtsurteils entgegenzuhalten. Daher gehe auch der Hinweis des Beschwerdeführers, daß er schon früher eine Beschäftigungsbewilligung gehabt habe, ins Leere. Auch der Einwand des Beschwerdeführers, früher sei eine Verhaltensweise, wie sie ihm vorgeworfen werde, nicht so streng beurteilt worden, ändere nichts an dem ihm vorzuwerfenden Rechtsmißbrauch. Nach herrschender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Eingehung einer solchen Scheinehe dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 des Fremdengesetzes gleichzuhalten. In einem solchen Fall sei ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, sofern nicht die §§ 19 oder 20 FrG entgegenstünden. Der Beschwerdeführer behaupte in der Berufung gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz, daß er eine starke familiäre Bindung im Bundesgebiet hätte und sozial integriert wäre. Im Hinblick auf die von der belangten Behörde als erwiesen angenommene rechtsmißbräuchliche Eingehung der Ehe durch den Beschwerdeführer sei es ihm aber verwehrt, sich unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Privat- und Familienlebens im Sinn des § 19 FrG auf das Bestehen dieser Ehe zu berufen. Die Beziehung zu seinen Brüdern und anderen Verwandten, die zwar im Bundesgebiet, aber nicht im gemeinsamen Haushalt mit dem Beschwerdeführer lebten, falle nicht unter den Schutzbereich des § 19 FrG. Von einer relevanten sozialen Integration könne ebenfalls nicht gesprochen werden, da der Beschwerdeführer sich durch Mißbrauch des Instituts der Ehe einen Befreiungsschein und eine Aufenthaltsbewilligung verschafft habe, womit auch seine "legale" Beschäftigung relativiert erscheine.

Wenn man im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich von einem Eingriff in sein Privatleben ausgehe, so sei dieser Eingriff jedenfalls zur Erreichung eines geordneten Fremdenwesens und damit der in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten und seien die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme vom Aufenthaltsverbot schwerwiegender als die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers.

Somit sei das Aufenthaltsverbot zu Recht erlassen, doch erscheine eine Dauer von fünf Jahren ausreichend.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zutreffend hat die belangte Behörde - der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend - die Eingehung einer Ehe allein zum Zweck der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen als Rechtsmißbrauch qualifiziert, der als gravierende Beeinträchtigung eines geordneten Fremdenwesens anzusehen sei und solcherart - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - die in § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige und der auch zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten erscheinen lasse und demnach diese Maßnahme im Grunde des § 19 FrG zulässig mache (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. März 1996, Zl. 95/18/1441).

Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang angibt, daß er die Ehe nicht "in Betrugsabsicht oder rechtsmißbräuchlich" abgeschlossen habe, ist ihm - worauf die belangte Behörde zu Recht hingewiesen hat - die Rechtskraft des Urteils des Bezirksgerichtes Favoriten entgegenzuhalten, mit dem die Ehe des Beschwerdeführers für nichtig erklärt worden war. Im Hinblick darauf geht auch die Behauptung des Beschwerdeführers, daß für ihn zu keiner Zeit das eheliche Verhältnis zu einer österreichischen Staatsbürgerin erforderlich gewesen sei, um eine Aufenthaltsbewilligung bzw. einen Sichtvermerk zu erhalten, ins Leere.

2. Die Beschwerde zeigt auch keine Rechtswidrigkeit der von der belangten Behörde vorgenommenen Beurteilung gemäß §§ 19 und 20 Abs. 1 FrG auf. Aus den Verwaltungsakten ergibt sich, daß sich der Beschwerdeführer in Österreich etwa für die Dauer von fünf Jahren erlaubterweise - allerdings mit Unterbrechungen - aufgehalten hat, wobei aber der erlaubte Aufenthalt in den letzten drei Jahren auf die rechtsmißbräuchlich eingegangene Ehe zurückzuführen ist. Zutreffend nimmt die belangte Behörde an, daß die Berechtigung zum Aufenthalt wie auch zur Beschäftigung in Österreich insoweit, als sie dem Beschwerdeführer durch Mißbrauch des Instituts der Ehe zukamen, im gegebenen Zusammenhang ohne wesentliches Gewicht sind. Angesichts des somit nicht allzu großen Gewichts der privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers einerseits und des sehr großen Gewichts der Beeinträchtigung maßgeblicher öffentlicher Interessen durch den Beschwerdeführer andererseits kann das die letztgenannten Interessen (die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes) höher veranschlagende Ergebnis der von der belangten Behörde vorgenommenen Abwägung nicht als rechtswidrig angesehen werden.

3. Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

W i e n , am 11. April 1996

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995180428.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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