Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten Dr. Musger, den Hofrat Mag. Painsi und die Hofrätinnen Dr. A. Kodek und Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Schiedsrechtssache des Antragstellers *, emeritierter Rechtsanwalt, *, gegen den Antragsgegner *, Rechtsanwalt, *, wegen Bestellung von Schiedsrichtern in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Zu Schiedsrichtern werden RA * (Vorsitz), RA * und RA * bestellt.
Der Antragsgegner ist schuldig, dem Antragsteller binnen 14 Tagen die mit 2.365 EUR bestimmten Kosten des Bestellungsverfahrens zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Der Antragsteller und der Antragsgegner schlossen sich 2003 zur dauernden Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in der Rechtsform einer eingetragenen Erwerbsgesellschaft zusammen. Der Gesellschaftsvertrag enthält folgende Regelung:
„16. SCHIEDSKLAUSEL
Sämtliche Streitigkeiten aus und im Zusammenhang mit diesem Gesellschaftsvertrag entscheidet ausschließlich ein Schiedsgericht aus drei Personen, welche Rechtsanwälte sind. Kann binnen einem Monat keine Einigung über diese Personen erzielt werden, so kann jeder Beteiligte den Präsidenten der RAK-Wien um die Nominierung der Schiedsmänner angehen. Die Kosten werden von den Beteiligten anteilig getragen.“ (Beilage ./D).
[2] Nachdem der Antragsteller in den Ruhestand getreten war, kam es zwischen den Parteien zu Meinungsverschiedenheiten wegen der im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Versorgungsrente (Beilage ./D Pkt 10.3., Beilage ./6).
[3] Der Antragsteller und der Antragsgegner fanden weder eine Lösung in der Sache noch einigten sie sich auf drei Schiedsrichter. Stattdessen nominierten sie Anfang 2021 jeder einen eigenen Schiedsrichter (Beilage ./6), wobei der vom Antragsteller nominierte Schiedsrichter jedoch seine Funktion schon im Mai 2021 zurücklegte, bevor das Schiedsgericht vollständig besetzt war (Beilage ./5).
[4] Der Antragsteller zog daraufhin einen weiteren Rechtsanwalt bei, der sich jedoch selbst eher als schlichtender Vermittler denn als Schiedsrichter zur Verfügung stellen wollte (Beilage ./1).
[5] Mitte Juli 2021 teilte der Präsident der Rechtsanwaltskammer mit, dass nach seinen Informationen jede Partei schon einen Schiedsrichter benannt habe, sodass sich diese beiden nun auf einen Vorsitzenden einigen müssten. Sollte dies nicht gelingen, werde er einen Schiedsrichter benennen (Beilage ./4).
[6] Anfang September 2021 schlug der Antragsteller fünf Personen für das Amt des Vorsitzenden vor (Beilage ./2).
[7] Der Antragsgegner erbat mit Schreiben vom 20. 9. 2021 nähere Informationen zum Verhältnis des Antragstellers zu zwei der vorgeschlagenen Personen, lehnte die übrigen vom Antragsteller vorgeschlagenen Schiedsrichter einschließlich des um Vermittlung bemühten Rechtsanwalts ab und erstattete selbst zwei Gegenvorschläge (Beilage ./B), mit denen wiederum der Antragsteller nicht einverstanden ist (Antrag ON 1).
[8] Der Präsident der Rechtsanwaltskammer Wien verneinte mit Schreiben vom 10. 11. 2021 seine Zuständigkeit zur Nominierung von Schiedsrichtern (Beilage ./C).
[9] Der Antragsteller beantragt nun die Bestellung von zunächst zwei, nach Verbesserungsauftrag von drei Schiedsrichtern nach § 587 Abs 2 ZPO, um über seine berufliche Versorgungsrente aus dem Gesellschaftsvertrag zu entscheiden. Er bringt dazu vor, dass er seit einem Jahr versuche, das Schiedsgericht zu konstituieren; der Antragsgegner aber habe insgesamt vierzehn von ihm vorgeschlagene Personen als Schiedsrichter abgelehnt und zuletzt die Schreiben des Antragstellers nicht mehr beantwortet. Der Antragsteller habe daher die beiden vom Antragsgegner nominierten Schiedsrichter auch nicht akzeptiert. Der in der Schiedsvereinbarung zur Bestellung der Schiedsrichter vorgesehene Dritte habe eine Bestellung bereits im Oktober 2021 abgelehnt.
[10] Der Antragsgegner brachte vor, dass der Gesellschaftsvertrag gerade kein Schiedsgericht iSd §§ 577 ff ZPO vorsehe, weil diese Bestimmung im Vertragstext nicht angeführt sei. Daher sei nicht der Oberste Gerichtshof, sondern nur der Präsident der Rechtsanwaltskammer Wien zur Nominierung der Schiedsrichter zuständig, den der Antragsgegner inzwischen nochmals um Benennung der Schiedsrichter ersucht habe. Außerdem hätten sich die Parteien bereits auf einen Schiedsrichter geeinigt, den in der Folge auch der Präsident der Rechtsanwaltskammer Wien bestellt habe. Der Antragsgegner habe zwei weitere Schiedsrichter nominiert, gegen die sich der Antragsteller nie verwehrt habe. Der Antragsteller dagegen habe nie taugliche Schiedsrichter vorgeschlagen.
[11] Dem Antrag auf Schiedsrichterbestellung ist stattzugeben.
Rechtliche Beurteilung
[12] 1. Da die Schiedsvereinbarung vor Inkrafttreten des SchiedsRÄG 2006 am 1. 7. 2006 geschlossen wurde, richtet sich (nur) die – hier unstrittige – Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung nach den 2003 geltenden Bestimmungen, im Übrigen ist die aktuelle Rechtslage anzuwenden (Art VII Abs 1 bis 3 SchiedsRÄG 2006).
[13] 2.1. Eine Schiedsvereinbarung ist gemäß § 581 Abs 1 ZPO eine Vereinbarung der Parteien, alle oder einzelne Streitigkeiten, die zwischen ihnen in Bezug auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis vertraglicher oder nichtvertraglicher Art entstanden sind oder künftig entstehen, der Entscheidung durch ein Schiedsgericht zu unterwerfen. § 577 ZPO idF vor dem SchiedsRÄG 2006 definierte den Schiedsvertrag als Vereinbarung, dass die Entscheidung einer Rechtsstreitigkeit durch einen oder mehrere Schiedsrichter erfolgen solle.
[14] Eine ausdrückliche Bezugnahme auf die Bestimmungen §§ 577 ff ZPO war und ist für das Vorliegen einer Schiedsvereinbarung im Sinne des ZPO nicht erforderlich. Ob und für welche Fälle eine Schiedsvereinbarung geschlossen wurde, ist vielmehr durch Auslegung nach den Vorschriften des Prozessrechts zu ermitteln, was aber nicht ausschließt, den von den Parteien mit der Schiedsgerichtsvereinbarung gemeinsam verfolgten Zweck, also die Parteiabsicht und die Grundsätze des redlichen Verkehrs, als Auslegungsmittel heranzuziehen (RS0045045).
[15] Dass der klar formulierte Punkt 16. des Gesellschaftsvertrags eine Schiedsvereinbarung enthält, bestreitet der Antragsgegner gar nicht. Ebenso wenig behauptet er eine vom Vertragstext abweichende mündliche Vereinbarung, weshalb auch von seiner Einvernahme als Partei abgesehen werden konnte.
[16] 2.2. Das Recht des Antragstellers, die staatlichen Gerichte um Hilfestellung bei der Bildung des Schiedsgerichts anzurufen, besteht auch ohne eine entsprechende Parteienvereinbarung.
[17] Der Vierte Abschnitt der Zivilprozessordnung über das Schiedsverfahren hat nämlich den Zweck, die dem Schiedsverfahren eigenen Rechtsschutzdefizite durch Bereitstellung eines begleitenden staatlichen Rechtsschutzes zu kompensieren. Daraus ergibt sich dessen zwingende Rechtsnatur. Eine Einschränkung der gesetzlich vorgesehenen gerichtlichen Intervention kommt daher nicht in Frage (Hausmaninger in Fasching/Konecny3 IV/2 [2016] § 578 ZPO Rz 34).
[18] 3.1. Gemäß § 587 Abs 3 ZPO kann jede Partei bei Gericht die entsprechende Bestellung von Schiedsrichtern beantragen, sofern die Parteien keine Einigung erzielen (Z 2) oder ein Dritter die ihm übertragene Aufgabe nicht erfüllt (Z 3).
[19] 3.2. Wie ein Schiedsgericht zu konstituieren ist, ergibt sich gemäß § 587 Abs 1 ZPO primär aus der Vereinbarung der Schiedsparteien. Nur bei Fehlen einer solchen Parteienvereinbarung erfolgt die Bestellung der Schiedsrichter gemäß § 587 Abs 2 ZPO – bei einem Schiedsgericht mit drei Schiedsrichtern also durch Bestellung je eines Schiedsrichters durch jede Partei, die wiederum den Vorsitzenden bestellen (Z 2).
[20] Im vorliegenden Fall sieht die Schiedsklausel klar vor, dass sich die Schiedsparteien auf drei Schiedsrichter einigen müssen. Den von beiden Seiten vorgenommenen einseitigen Nominierungen von Schiedsrichtern kommt deshalb keine Wirkung zu.
[21] 3.3. Eine Bestellung durch den Präsidenten der Rechtsanwaltskammer Wien ist nicht erfolgt. Sein Schreiben enthält nach dem klaren Wortlaut keine Bestellung von (auch nur zwei) Schiedsrichtern, sondern bringt seine – vom Senat nicht geteilte – Rechtsansicht zum Ausdruck, nach welchem Modus die Schiedsrichter zu bestellen seien.
[22] 3.4. Damit wurden die drei Schiedsrichter bislang weder durch Parteieneinigung noch durch Benennung durch den im Gesellschaftsvertrag bezeichneten Dritten festgelegt.
[23] Auch die vom Antragsgegner noch während des Bestellungsverfahrens vor dem Obersten Gerichtshof angestrebte nachträgliche Benennung, die nach § 587 Abs 7 ZPO zur Abweisung des Antrags führen würde, ist dem Obersten Gerichtshof bis zur Fassung dieses Beschlusses nicht zur Kenntnis gelangt.
[24] Dem Antrag auf Bestellung von drei Ersatzschiedsrichtern gemäß § 587 Abs 3 ZPO ist daher stattzugeben.
[25] 4.1. Die Auswahl von Schiedsrichtern liegt im gebundenen Ermessen des Gerichts (§ 587 Abs 8 ZPO). Dabei sind alle nach der Parteienvereinbarung für den Schiedsrichter vorgesehenen Voraussetzungen angemessen zu berücksichtigen und allen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen, welche die Bestellung eines unabhängigen und unparteiischen Schiedsrichters sicherstellen.
[26] 4.2. Die drei bestellten Personen sind – wie im Gesellschaftsvertrag vorgesehen – (aktive) Rechtsanwälte. Der Senat hat Anwälte ausgewählt, die nach ihren eigenen Angaben bereits Erfahrung als Schiedsrichter haben und keiner der Parteien nahe stehen.
[27] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 616 Abs 1 ZPO iVm § 78 Abs 1 Satz 1 AußStrG. Dem Antragsteller sind danach die Kosten des Bestellungsverfahrens zuzusprechen (18 ONc 2/20v Pkt 8). Über die Pauschalgebühr hinausgehende Kosten hat der Antragsteller nicht verzeichnet.
Textnummer
E136201European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2022:018ONC00001.22Z.0928.000Im RIS seit
11.10.2022Zuletzt aktualisiert am
11.10.2022