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L24009 Gemeindebedienstete WienNorm
AVG §39 Abs2Rechtssatz
Wenn das VwG im Wesentlichen argumentiert, die Dienstpflichtverletzung nach der Wr DO 1994 sei "angesichts des bis zuletzt vom Richter des VwG an den Tag gelegten großen Arbeitseinsatzes" keineswegs geeignet das Vertrauen des Dienstgebers oder der Öffentlichkeit in seine Person schwerwiegend zu erschüttern, und schließlich als tragende Milderungsgründe iSd. § 77 Abs 1 Wr DO 1994 (auch) die "sonstige Dienstleistung in quantitativer Hinsicht" und "seine persönliche Überlastung" heranzieht, wobei es dem Richter dabei auch einen freiwilligen Urlaubsverzicht zugesteht, so übersieht es, dass eine "sonstige Dienstleistung" bei der (ordnungsgemäßen) Erfüllung der Aufgaben einer Gerichtsabteilung durch eine/n Richter/in allein beim Vorwurf punktueller Verfahrensrückstände durch unrichtige Prioritätensetzung nicht als Milderungsgrund in Frage kommen kann, da der Vorwurf der unrichtigen Prioritätensetzung ja gerade voraussetzt, dass die betroffenen Fälle bei entsprechender Gewichtung ihrer Priorität im Rahmen der sonstigen Erledigungskapazitäten vom Richter/von der Richterin bewältigt werden hätten können (vgl. VwGH 2.11.2020, Ro 2020/09/0014). Die Frage der Überlastung tritt aufgrund der Feststellungen des VwG daher insoweit in den Hintergrund, weil sich daraus nicht ergibt, dass die Überlastung so massiv gewesen ist, dass eine richtige Prioritätensetzung dadurch ausgeschlossen wurde. Soweit das VwG auf Grundlage seiner Feststellungen dem Richter ein überdurchschnittliches Maß an Fleiß und Arbeitseifer zugesteht und damit auch offenkundig überdurchschnittliche Leistungen im Rahmen der Strafbemessung in die Milderungsgründen einfließen lässt, ist ihm entgegenzuhalten, dass die diesbezügliche Ermittlungstätigkeit des Gerichts bzw. die übrige Begründung dazu für eine Nachprüfung der Ermessensentscheidung nicht ausreichen: So hätte sich das VwG im Hinblick auf seine amtswegige Ermittlungspflicht nicht mit der bloßen Behauptung des Richters, in bestimmten Jahren keinen Urlaub konsumiert zu haben, begnügen dürfen, sondern diese Behauptung durch einfache Erhebungen bei der Dienstbehörde (wie Einholung eines entsprechenden Auszuges aus der entsprechenden Personalverwaltungssoftware oder Einvernahme eines informierten Vertreters der Dienstbehörde) zu überprüfen gehabt. Indem es somit erkennbar tragend für die "sonstigen Dienstleistung in quantitativer Hinsicht" des Richters in diesem Zusammenhang auch einfließen lässt, dass er auf die steigende Arbeitsbelastung mit Ausdehnung seiner Arbeitszeit und Arbeitsintensität reagiert und in bestimmten Jahren keinen Urlaub konsumiert habe, und dabei - ohne weitere Begründung - allein seinen Angaben folgt, werden fundamentale Grundsätze der amtswegigen Ermittlungspflicht übersehen.
Schlagworte
Begründung von Ermessensentscheidungen Besondere Rechtsgebiete VerfahrensbestimmungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RO2022090004.J04Im RIS seit
10.10.2022Zuletzt aktualisiert am
10.10.2022