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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AVG §8Rechtssatz
Eine natürliche Person ist ab dem Zeitpunkt, in dem von ihrer Bestrafung gemäß § 22 Abs. 6 Z 2 FMABG 2001 abgesehen worden ist, formal nicht mehr als Beschuldigte in dem gegen sie beendeten Verfahren anzusehen. Wird das Verfahren gegen die juristische Person weitergeführt, müssen ihr jedoch dort die Beschuldigtenrechte eingeräumt werden. Dies ist wegen der Abhängigkeit der Bestrafung der juristischen Person von der Strafbarkeit der natürlichen Person nur dann gewährleistet, wenn auch der natürlichen Person im weiteren Verfahren gegen die juristische Person Beschuldigtenrechte eingeräumt werden. Keinesfalls kommt die Beiziehung der natürlichen Person als Zeugin in Betracht (vgl. VwGH 13.12.2019, Ra 2019/02/0147). Die Einräumung dieser Beschuldigtenrechte bedeutet aber, dass eine natürliche Person, deren deliktisches Verhalten der juristischen Person zugerechnet werden soll, im gesamten Verwaltungsstrafverfahren gegen diese juristische Person Partei iSd. § 32 VStG ist und ihr damit alle aus dieser Parteistellung erfließenden prozessualen Rechte zukommen. Eine nur eingeschränkte "Teilparteistellung" einer natürlichen Person, die im Verdacht steht, eine Verwaltungsübertretung begangen zu haben, ist dem VStG fremd. Somit können jene natürlichen Personen, deren jeweiliges Verhalten der juristischen Person zugerechnet wird, gegen ein Straferkenntnis, das nur über die juristische Person eine Strafe verhängt, Beschwerde an das VwG erheben, weil gerade ihr konkretes Tun oder Unterlassen Verfahrensgegenstand (hier § 35 FM-BwG 2017) ist. Der verfassungsrechtlich gebotene Zusammenhang für die Zurechnung der Anlasstat zur juristischen Person kommt ja dadurch zum Ausdruck, dass die natürliche Person als Führungsperson entweder die Tat selbst begangen hat (§ 35 Abs. 1 FM-BwG 2017) oder die Begehung der Tat eines Mitarbeiters durch mangelnde Überwachung und Kontrolle ermöglicht wurde (§ 35 Abs. 2 FM-BwG 2017), andererseits Verbandspflichten verletzt wurden bzw. der Verband einen Nutzen aus der Tat zieht (vgl. VwGH 29.3.2019, Ro 2018/02/0023). (Hier: Jene Personen, deren Verhalten der juristischen Person von der revisionswerbenden FMA zugerechnet wurde (also auch die Geschäftsführer), konnten Beschwerde an das VwG erheben und waren Parteien des Verfahrens vor dem VwG.)
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RO2022020017.J08Im RIS seit
10.10.2022Zuletzt aktualisiert am
10.10.2022