TE Vwgh Erkenntnis 2022/9/13 Ra 2021/19/0382

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Veröffentlicht am 13.09.2022
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E3L E19103010
E6J
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht
49/01 Flüchtlinge

Norm

AsylG 2005 §6 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7
AsylG 2005 §7 Abs1
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs1 Z3
EURallg
FlKonv Art1 AbschnF
VwGVG 2014 §27
32011L0095 Status-RL Art12 Abs2 litb
32011L0095 Status-RL Art12 Abs2 litc
62009CJ0057 B und D VORAB
  1. AsylG 2005 § 7 heute
  2. AsylG 2005 § 7 gültig ab 01.09.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 56/2018
  3. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.11.2017 bis 31.08.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  4. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.11.2017 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  5. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.06.2016 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 24/2016
  6. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.01.2014 bis 31.05.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012
  7. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2009
  8. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.07.2008 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  9. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.01.2006 bis 30.06.2008
  1. AsylG 2005 § 7 heute
  2. AsylG 2005 § 7 gültig ab 01.09.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 56/2018
  3. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.11.2017 bis 31.08.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  4. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.11.2017 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  5. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.06.2016 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 24/2016
  6. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.01.2014 bis 31.05.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012
  7. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2009
  8. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.07.2008 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  9. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.01.2006 bis 30.06.2008
  1. AsylG 2005 § 7 heute
  2. AsylG 2005 § 7 gültig ab 01.09.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 56/2018
  3. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.11.2017 bis 31.08.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  4. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.11.2017 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  5. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.06.2016 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 24/2016
  6. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.01.2014 bis 31.05.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012
  7. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2009
  8. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.07.2008 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  9. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.01.2006 bis 30.06.2008
  1. AsylG 2005 § 7 heute
  2. AsylG 2005 § 7 gültig ab 01.09.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 56/2018
  3. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.11.2017 bis 31.08.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  4. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.11.2017 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  5. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.06.2016 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 24/2016
  6. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.01.2014 bis 31.05.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012
  7. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2009
  8. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.07.2008 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  9. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.01.2006 bis 30.06.2008
  1. AsylG 2005 § 7 heute
  2. AsylG 2005 § 7 gültig ab 01.09.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 56/2018
  3. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.11.2017 bis 31.08.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  4. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.11.2017 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  5. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.06.2016 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 24/2016
  6. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.01.2014 bis 31.05.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012
  7. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2009
  8. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.07.2008 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  9. AsylG 2005 § 7 gültig von 01.01.2006 bis 30.06.2008

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Seiler, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das am 9. August 2021 mündlich verkündete und am 26. August 2021 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, W116 2193489-1/9E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (mitbeteiligte Partei: G M auch R M, vertreten durch Dr. Hermann Kienast, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Friedrichgasse 6/4/17), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Der Mitbeteiligte, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 9. April 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 29. September 2014 gab das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) dem Antrag statt, erkannte ihm gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des Asylberechtigten zu und stellte gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 fest, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

2        Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 18. November 2016 wurde der Mitbeteiligte wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 30 Monaten verurteilt. Dem Schuldspruch lag zugrunde, der Mitbeteiligte habe sich (vor der Einreise in das österreichische Bundesgebiet) in Syrien als Mitglied an der terroristischen Vereinigung Liwa al-Tawid Idlib (Tawhid Brigade von Idlib) in dem Wissen beteiligt, dass er dadurch diese in ihrem Ziel, das bestehende syrische Regime zu stürzen und stattdessen einen radikal-islamistischen Gottesstaat zu errichten, und die zur Erreichung dieses Ziels als erforderlich angesehenen terroristischen Straftaten nach § 278c Abs. 1 StGB fördert. Dazu habe er sich als Kämpfer angeschlossen, bei ihr eine militärische Ausbildung an Schusswaffen und für den Häuserkampf absolviert, bei der Produktion von Propagandamaterial mitgewirkt und an militärischen Operationen der Vereinigung teilgenommen.

3        Der dagegen erhobenen Berufung gab das Oberlandesgericht Graz mit (rechtskräftigem) Urteil vom 9. August 2017 Folge und setzte die Freiheitsstrafe auf zwei Jahre herab. Mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz vom selben Tag wurde der Mitbeteiligte bedingt aus der Haft entlassen und ihm der Strafrest unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit und unter Anordnung von Bewährungshilfe bedingt nachgesehen.

4        Mit Bescheid vom 5. März 2018 erkannte das BFA dem Mitbeteiligten den Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab, stellte fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme, erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Unter einem erließ das BFA eine Rückkehrentscheidung, erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Syrien für unzulässig, legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest und erließ ein unbefristetes Einreiseverbot. Des Weiteren wies das BFA einen vom Revisionswerber gestellten Antrag auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses ab.

5        Die Aberkennung des Status des Asylberechtigten stützte das BFA darauf, dass der Mitbeteiligte aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 darstelle sowie überdies aufgrund seines strafbaren Verhaltens, das zur Verurteilung wegen eines besonders schweren Verbrechens geführt hat, eine Gefahr für die Gemeinschaft gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 bedeute.

6        Der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis statt, behob den Bescheid zur Gänze und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7        Begründend stellte das BVwG unter weitgehender Wiedergabe des Schuldspruches des Urteiles des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 18. November 2016 die Beteiligung des Mitbeteiligten an einer terroristischen Vereinigung im Alter von 15 bis 16 Jahren unter anderem als Kämpfer und Teilnehmer an militärischen Operationen fest. Es ging aber davon aus, dass eine - für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 notwendige - Gemeingefährlichkeit des Mitbeteiligten mit der notwendigen Sicherheit zu verneinen sei. Dass der Mitbeteiligte eine besondere Gefahr für die Gesellschaft oder für die Sicherheit der Republik Österreich sei, könne nicht festgestellt werden. Der Mitbeteiligte sei gut integriert, und es gebe keine Anzeichen dafür, dass er nach wie vor extremistisches Gedankengut vertreten würde. Der Mitbeteiligte sei nicht mehr besonders religiös, sei weltoffen und bemüht, sich in Österreich eine Zukunft aufzubauen.

8        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattete, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

9        Der Beurteilung des BVwG, dass die in § 6 Abs. 1 Z 3 und 4 AsylG 2005 genannten Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten, auf die sich das BFA im Bescheid vom 5. März 2018 stützte, nicht vorliegen, tritt die Revision nicht entgegen.

10       Vielmehr bringt die Revision zur Zulässigkeit vor, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es - nachdem es die vom BFA herangezogenen Tatbestände verworfen hatte - ungeprüft gelassen habe, ob ein anderer Aberkennungstatbestand erfüllt sei. Angesichts der strafgerichtlichen Verurteilung des Mitbeteiligten hätte das BVwG auch die Aberkennungstatbestände der § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 und Art. 1 Abschnitt F lit. b und c der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) in Betracht ziehen müssen. Diese Tatbestände, die eine gegenwärtige Gefahr für den Aufnahmestaat durch die betreffende Person nicht voraussetzen würden, seien aufgrund des Verhaltens des Mitbeteiligten, das der strafgerichtlichen Verurteilung zugrunde lag, erfüllt. Deshalb habe das BVwG den Bescheid des BFA zu Unrecht behoben.

11       Die Revision erweist sich als zulässig und auch berechtigt.

12       Der Verwaltungsgerichtshof judiziert in mittlerweile ständiger Rechtsprechung, dass das Verwaltungsgericht prinzipiell nicht nur die gegen einen verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen hat, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war. Eine Auslegung des § 27 VwGVG dahingehend, dass die Prüfbefugnis der Verwaltungsgerichte stark eingeschränkt zu verstehen wäre, ist demnach unzutreffend. Allerdings stellt die „Sache“ des bekämpften Bescheides den äußersten Rahmen für die Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichts dar. „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. VwGH 7.1.2021, Ra 2020/18/0491, mwN).

13       In seinem Erkenntnis vom 29. Juni 2020, Ro 2019/01/0014, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Verweis auf das Erkenntnis vom 17. Oktober 2019, Ro 2019/18/0005, ausgesprochen, dass die nach § 7 AsylG 2005 vom BFA zu entscheidende Angelegenheit die Aberkennung des Status des Asylberechtigten als solches ist und damit sämtliche in § 7 AsylG 2005 vorgesehene Aberkennungsgründe umfasst. Dementsprechend ist die „Sache“ des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens nicht nur die Klärung der Frage, ob der vom BFA angenommene Aberkennungsgrund (nach § 7 Abs. 1 Z 1 bis 3 AsylG 2005) tatsächlich vorlag, sondern sie umfasst sämtliche in § 7 AsylG 2005 vorgesehenen Aberkennungsgründe. Es ist dem Verwaltungsgericht daher nicht verwehrt, bei Verneinung einer der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 AsylG 2005 die anderen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 AsylG 2005 zu prüfen (vgl. erneut VwGH Ra 2020/18/0491, mwN). Bei entsprechenden Anhaltspunkten für das Vorliegen anderer Aberkennungstatbestände ist das Verwaltungsgericht zu einem solchen Vorgehen auch verpflichtet (vgl. VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005, Rn. 26).

14       Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist der Status des Asylberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 AsylG 2005 vorliegt. Gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn einer der in Art. 1 Abschnitt F der GFK genannten Ausschlussgründe vorliegt.

15       Gemäß Art. 1 Abschnitt F GFK sind die Bestimmungen dieses Abkommens nicht auf Personen anwendbar, hinsichtlich derer ernsthafte Gründe für den Verdacht bestehen, dass sie bevor sie als Flüchtlinge in das Gastland zugelassen wurden, ein schweres, nicht politisches Verbrechen begangen haben (lit. b) oder sich Handlungen schuldig gemacht haben, die sich gegen die Ziele und Prinzipien der Vereinten Nationen richten (lit. c).

16       § 6 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist vor dem Hintergrund des Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) zu sehen (vgl. VwGH 10.8.2020, Ra 2018/19/0228, mwN). Danach ist ein Drittstaatsangehöriger von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe zur Annahme berechtigten, dass er eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Aufnahmelandes begangen hat oder er sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und in den Art. 1 und 2 der Satzung der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen.

17       Nach der Rechtsprechung des EuGH ist bei der Beurteilung der Ausschlussgründe nach Art. 12 Abs. 2 der Statusrichtlinie eine „individuelle Prüfung der genauen tatsächlichen Umstände“ und darüber hinaus auch erforderlich, „dass der betreffenden Person ein Teil der Verantwortung für Handlungen, die von der fraglichen Organisation im Zeitraum der Mitgliedschaft der Person in dieser Organisation begangen wurde, zugerechnet werden kann“. Der EuGH hat weiters festgehalten, dass der Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling gemäß Art. 12 Abs. 2 lit. b und c der Statusrichtlinie nicht voraussetze, dass von der betreffenden Person eine gegenwärtige Gefahr für den Aufnahmemitgliedstaat ausgehe (vgl. EuGH 9.11.2010, Bundesrepublik Deutschland gegen B und D, C-57/09 und C-101/09, Rn. 105). Auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedarf es ausreichender Sachverhaltsfeststellungen, um beurteilen zu können, durch welches Verhalten der Asylwerber einen Ausschlusstatbestand erfüllt hat (vgl. neuerlich VwGH Ra 2018/19/0228, mwN).

18       Gestützt auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 18. November 2016 stellte das BVwG im angefochtenen Erkenntnis unter anderem fest, dass sich der Mitbeteiligte in Syrien der terroristischen Vereinigung Liwa Al-Tawhid Idlib als Kämpfer angeschlossen, bei dieser eine militärische Ausbildung an Schusswaffen und für den Häuserkampf absolviert, bei der Produktion von Propagandamaterial mitgewirkt und an deren militärischen Operationen teilgenommen habe.

19       Diese Feststellungen des BVwG reichen jedoch nach der oben referierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, um das Vorliegen eines Aberkennungsgrundes im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 zu beurteilen (vgl. in diesem Zusammenhang auch VwGH 11.11.2008, 2006/19/0352). Angesichts der festgestellten Beteiligung des Mitbeteiligten als Kämpfer und seiner Teilnahme an militärischen Operationen der genannten terroristischen Vereinigung kann nicht schon von vornherein ausgeschlossen werden, dass das BVwG nach entsprechenden weiteren Ermittlungen zum Schluss kommen könnte, dass der Mitbeteiligte in Syrien ein schweres nicht politisches Verbrechen iSd Art. 1 Abschnitt F lit. b GFK bzw. eine schwere nichtpolitische Straftat gemäß Art. 12 Abs. 2 lit. b der Statusrichtlinie begangen hat oder sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen iSd Art. 1 Abschnitt F lit. c GFK bzw. Art. 12 Abs. 2 lit. c der Statusrichtlinie zuwiderlaufen (vgl. zu beiden Tatbeständen erneut EuGH, Bundesrepublik Deutschland gegen B und D, C-57/09 und C-101/09). Dies lässt auch die Revisionsbeantwortung außer Acht.

20       Zusammenfassend erweist sich daher die Behebung des verwaltungsbehördlichen Bescheides ohne Prüfung weiterer Aberkennungstatbestände unter bloßer Verneinung des Vorliegens einer aktuellen Gemeingefährlichkeit als inhaltlich rechtswidrig.

21       Das angefochtene Erkenntnis war daher im Hinblick auf die Aberkennung des Status des Asylberechtigten und die darauf aufbauenden Absprüche gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Hinsichtlich der bekämpften Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses ist für das fortgesetzte Verfahren auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes über das Erfordernis eines inhaltlichen Abspruches über diesen Antrag im Rahmen der Beschwerdeerledigung hinzuweisen (vgl. beispielsweise VwGH 7.12.2016, Ra 2016/22/0033).

Wien, am 13. September 2022

Gerichtsentscheidung

EuGH 62009CJ0057 B und D VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021190382.L00

Im RIS seit

10.10.2022

Zuletzt aktualisiert am

10.10.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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