TE Lvwg Erkenntnis 2022/8/9 LVwG-S-1722/001-2021

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Veröffentlicht am 09.08.2022
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Entscheidungsdatum

09.08.2022

Norm

ASVG §4 Abs4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch seinen Präsidenten Dr. Segalla als Einzelrichter über die Beschwerde der B, ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 9. Juli 2021, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG), nach mündlicher Verhandlung durch Verkündung am 13. Juni 2022, zu Recht erkannt:

1.   Der Beschwerde wird insofern stattgegeben, als

a.   der Spruch lautet:

„Sie haben es als Geschäftsführerin und somit als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der Firma A GmbH in ***, ***, zu verantworten, dass die genannte Firma als Dienstgeberin nachstehende Person, bei welcher es sich um eine in der Krankenversicherung gemäß § 4 Abs. 4 ASVG pflichtversicherte Person handelt, am 26.02.2021 um 11:10 Uhr beschäftigt hat, obwohl diese nicht vor Arbeitsantritt bei der Österreichischen Gesundheitskasse Niederösterreich-Krankenkasse zur Pflichtversicherung angemeldet wurde.

Die genannte Firma wäre als Dienstgeberin verpflichtet gewesen, den Beschäftigten vor Arbeitsantritt anzumelden und wurde die Meldung nicht erstattet.

Beschäftigter:

C, geb. ***

Arbeitsantritt frühestens: 09.09.2020

Beschäftigungsort: ***, ***

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 111 Abs. 1 Z 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz - ASVG, BGBl 189/1955 idF BGBl I 99/2020 iVm § 33 Abs. 1 ASVG idF BGBl I 44/2016

b.   die Strafsanktionsnorm lautet:

§ 111 Abs. 2 ASVG idF BGBl I 99/2020

c.   und die von der Behörde festgesetzte Geldstrafe in der Höhe von

1460 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 225 Stunden) auf den Betrag von 730 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 112 Stunden) herabgesetzt wird.

2.   Die Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens werden mit 73 Euro neu festgesetzt.

3.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Zahlungshinweis:

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 803,-- Euro und ist gemäß § 52 Abs. 6 VwGVG iVm § 54b Abs. 1 VStG binnen zwei Wochen einzuzahlen.

Entscheidungsgründe:

1.   Verfahrensgegenstand und Verfahrensgang:

1.1. Mit Straferkenntnis vom 9. Juli 2021, ***, verhängte die Bezirkshauptmannschaft Baden über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe in Höhe von 1.460,- EUR (Ersatzfreiheitsstrafe 225 Stunden) zuzüglich eines Kostenbeitrags von 146,- EUR wegen Verletzung von § 111 Abs. 1 Z 1 iVm § 33 Abs. 1 ASVG. Der Tatvorwurf lautete im Wesentlichen wie oben im Spruch dargelegt.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die entscheidungsgegenständliche Beschwerde vom 23. Juli 2021. Vorgebracht wird darin, dass die vorgeworfene Übertretung nicht vorliege, weil der Beschäftigte C bei der SVA (sohin im Rahmen des GSVG) versichert sei.

1.3. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis erhoben in öffentlicher mündlicher Verhandlung am 22. Februar 2022, fortgesetzt am 13. Juni 2022 durch Einvernahme der Beschwerdeführerin und der Zeugen C, D und E; sowie durch Einsichtnahme in den verwaltungsbehördlichen Akt sowie in das offene Firmenbuch.

1.4. Aufgrund der mündlichen Verkündung am 13. Juni 2022 stellte die Beschwerdeführerin einen Ausfertigungsantrag.

2.   Feststellungen:

2.1. Die Beschwerdeführerin ist alleinige handelsrechtliche Geschäftsführerin der insbesondere im Bereich Winterdienst tätigen A GmbH und gleichzeitig Gesellschafterin mit einem Anteil von 50%; sie ist dadurch auch außenvertretungsbefugt. Zweiter Gesellschafter mit demselben Anteil ist ihr Ehegatte C. Letzterer war bis 8. September 2020 alleiniger Geschäftsführer; er musste aufgrund der Setzung eines gewerberechtlichen Ausschlussgrundes die Geschäftsführung an seine Gattin übertragen.

Beweiswürdigung: Die Feststellungen folgen aus den im Akt inneliegenden Firmenbuchauszügen; der Grund für den Geschäftsführerwechsel aus den Ausführungen in mündlicher Verhandlung.

2.2. Die faktische Leitung des Unternehmens liegt bei C, der auch alle Weisungen und Arbeitsaufträge an die Mitarbeiter erteilt. Die Rolle seiner Ehegattin, die nunmehrige Beschwerdeführerin, besteht in der rechtlichen Außenvertretung, in dem sie Verträge und Auszahlungsanordnungen unterschreibt. C erhält für seine Tätigkeit von der A GmbH monatlich gleichbleibend und ohne schriftlichen Vertrag 2.000,- EUR und ist dafür bei der GSVG zur Sozialversicherung angemeldet. Die Auszahlung dieser Beträge unterschreibt die Beschwerdeführerin.

Beweiswürdigung: Die Feststellungen ergeben sich aus den vorgelegten Zahlungsbelegen und Anmeldebestätigungen sowie aus den widerspruchsfreien Aussagen in mündlicher Verhandlung.

2.3. Bei der Tätigkeit von C handelt es sich dem zeitlichen Umfang nach im Wesentlichen um eine Vollzeittätigkeit, wobei das Gehalt für die von ihm ausgeübte faktische Unternehmensleitung entrichtet wird. Feste Anwesenheitspflichten, konkrete Vorgaben über seine Zeiteinteilung, Arbeitsaufträge seitens der Geschäftsführerin sowie Sanktionen bei Verstoß gegen Vorgaben gibt es in der Praxis nicht. Alle wesentlichen Arbeitsmittel – Büro, Computer, Telefon, Auto – werden ihm von der A GmbH zur Verfügung gestellt. Er hat keine weitere berufliche Tätigkeit außer jener für die A GmbH. Er kann die Leitungsfunktion der Gesellschaft nicht delegieren und trifft zB auch im Urlaubsfall alle wesentlichen Entscheidungen; Mitarbeiter nehmen im Wesentlichen nur Teilaufgaben bzw. kurze Vertretungen war, ohne dass damit eine echte Stellvertretung in der Leitung des Unternehmens verbunden wäre.

Beweiswürdigung: Das Gericht folgt den widerspruchfreien Aussagen in mündlicher Verhandlung. Dass der Beschäftigte C seine Leitungsaufgaben im Unternehmen im Wesentlichen nur persönlich erbrachte und nur Teilbereiche delegierte bzw. auch im Fall von Urlauben etc dieser Leitungsfunktion weiterhin selbst ausübte, ergibt sich insbesondere aus den Aussagen der Zeugen E und D.

Das Gericht kommt darüber hinaus beweiswürdigend zum Ergebnis, dass zwischen der faktischen Leitungstätigkeit des C und des festen Entgelts von 2.000,- EUR monatlich ein synallagmatisches Austauschverhältnis besteht, weil eine lebensnahe Betrachtung – insbesondere vor dem Hintergrund des Fehlens einer weiteren beruflichen Tätigkeit, sohin der Notwendigkeit, ein Einkommen zu erwirtschaften sowie des Fehlens eines sonstigen Sach- oder Rechtsgrunds für diese (nicht erfolgsabhängigen Zahlungen) zum Ergebnis führen müssen, dass ohne seine Leitungstätigkeit auch das Entgelt nicht entrichtet würde: Jede andere Sichtweise würde dazu führen, dass er – zum wirtschaftlichen Nachteil der Gesellschaft und der zweiten Gesellschafterin, seiner Ehegattin – zusätzlich zu allfälligen Gewinnabschöpfungen aus der Gesellschafterstellung – ein Fixum ohne Gegenleistung erholen würde, de facto also Schenkungen; für diese Sichtweise gibt es keinerlei Anhaltspunkte.

2.4. Herr C hat für seine eigene von ihm so bezeichnete Konsulententätigkeit keine Gewerbeberechtigung inne. Die Firma verfügt aber über eine solche für das ausgeübte Gewerbe.

Im Rahmen des Gesellschaftsvertrags bestehen keine Vereinbarungen über Sonderrechte, die einem der beiden Gesellschafter über ihre 50/50-Anteile hinaus eine beherrschende Stellung einräumen würden. Keiner der Gesellschafter hat damit eine beherrschende Stellung; Beschlüsse können zwar verhindert werden, aber nicht alleine – gegen den Willen des anderen – durchgesetzt.

Beweiswürdigung: Auszüge aus dem Gewerberegister; Einsichtnahme in den Gesellschaftsvertrag; Aussage in der Verhandlung, insbesondere auch zum Fehlen gesellschaftsvertraglicher Sonderregelungen zu den Beherrschungsverhältnissen.

2.5. Die Beschwerdeführerin selbst verdient ca. 2.000 Euro netto im Monat. Sie ist nicht unbescholten, aber auch nicht einschlägig vorbestraft.

Beweiswürdigung: Glaubwürdige Aussage der Beschwerdeführerin sowie Auszug aus dem Vormerkungsregister.

3.   Rechtslage:

3.1. Folgende Rechtsvorschriften sind maßgeblich:

a) Allgemeines Sozialversicherungsgesetz - ASVG

Vollversicherung

§ 4. (1) In der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sind auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet:

1. die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer;

2. die in einem Lehrverhältnis stehenden Personen (Lehrlinge);

3. die im Betrieb der Eltern, Großeltern, Wahl- oder Stiefeltern ohne Entgelt regelmäßig beschäftigten Kinder, Enkel, Wahl- oder Stiefkinder, die das 17. Lebensjahr vollendet haben und keiner anderen Erwerbstätigkeit hauptberuflich nachgehen, alle diese, soweit es sich nicht um eine Beschäftigung in einem land- oder forstwirtschaftlichen oder gleichgestellten Betrieb (§ 27 Abs. 2) handelt;

4. die zum Zwecke der vorgeschriebenen Ausbildung für den künftigen, abgeschlossene Hochschulbildung erfordernden Beruf nach Abschluß dieser Hochschulbildung beschäftigten Personen, wenn die Ausbildung nicht im Rahmen eines Dienst- oder Lehrverhältnisses erfolgt, jedoch mit Ausnahme der Volontäre;

5. Schülerinnen/Schüler an Schulen für Gesundheits- und Krankenpflege und Auszubildende in Lehrgängen nach dem Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG), BGBl. I Nr. 108/1997, Schülerinnen/Schüler und Auszubildende in Schulen und Lehrgängen nach dem Medizinische Assistenzberufe-Gesetz (MABG), BGBl. I Nr. 89/2012, sowie Studierende an einer medizinisch-technischen Akademie nach dem MTD-Gesetz, BGBl. Nr. 460/1992;

6. Vorstandsmitglieder (Geschäftsleiter) von Aktiengesellschaften, Sparkassen, Landeshypothekenbanken sowie Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit und hauptberufliche Vorstandsmitglieder (Geschäftsleiter) von Kreditgenossenschaften, alle diese, soweit sie auf Grund ihrer Tätigkeit als Vorstandsmitglied (GeschäftsleiterIn) nicht schon nach Z 1 in Verbindung mit Abs. 2 pflichtversichert sind;

7. die Heimarbeiter und die diesen nach den jeweiligen gesetzlichen Vorschriften über die Heimarbeit arbeitsrechtlich gleichgestellten Personen;

8. Personen, denen im Rahmen beruflicher Maßnahmen der Rehabilitation nach den §§ 198 oder 303 berufliche Ausbildung gewährt wird, wenn die Ausbildung nicht auf Grund eines Dienst- oder Lehrverhältnisses erfolgt;

9. Fachkräfte der Entwicklungshilfe nach § 2 des Entwicklungshelfergesetzes, BGBl. Nr. 574/1983;

10. Personen, die an einer Eignungsausbildung im Sinne der §§ 2b bis 2d des Vertragsbedienstetengesetzes 1948, BGBl. Nr. 86, teilnehmen;

11. die Teilnehmer/innen des Freiwilligen Sozialjahres, des Freiwilligen Umweltschutzjahres, des Gedenkdienstes oder des Friedens- und Sozialdienstes im Ausland nach dem Freiwilligengesetz, BGBl. I Nr. 17/2012;

12. Personen, die eine Geldleistung gemäß § 4 des Militärberufsförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 524/1994, beziehen;

13. geistliche Amtsträger der Evangelischen Kirchen AB und HB hinsichtlich der Seelsorgetätigkeit und der sonstigen Tätigkeit, die sie in Erfüllung ihrer geistlichen Verpflichtung ausüben, zum Beispiel des Religionsunterrichtes, ferner Lehrvikare, Pfarramtskandidaten, Diakonissen und die Mitglieder der evangelischen Kirchenleitung, letztere soweit sie nicht ehrenamtlich tätig sind;

14. die den Dienstnehmern im Sinne des Abs. 4 gleichgestellten Personen.

(2) Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen. Als Dienstnehmer gelten jedenfalls Personen, die mit Dienstleistungsscheck nach dem Dienstleistungsscheckgesetz (DLSG), BGBl. I Nr. 45/2005, entlohnt werden. Als Dienstnehmer gilt jedenfalls auch, wer nach § 47 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 EStG 1988 lohnsteuerpflichtig ist, es sei denn, es handelt sich um

1. Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z 4 lit. a oder b EStG 1988 oder

2. Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988, die in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen oder

3. Bezieher/innen von Geld- oder Sachleistungen nach dem Freiwilligengesetz.

(4) Den Dienstnehmern stehen im Sinne dieses Bundesgesetzes Personen gleich, die sich auf Grund freier Dienstverträge auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichten, und zwar für

1.einen Dienstgeber im Rahmen seines Geschäftsbetriebes, seiner Gewerbeberechtigung, seiner berufsrechtlichen Befugnis (Unternehmen, Betrieb usw.) oder seines statutenmäßigen Wirkungsbereiches (Vereinsziel usw.), mit Ausnahme der bäuerlichen Nachbarschaftshilfe,

2. eine Gebietskörperschaft oder eine sonstige juristische Person des öffentlichen Rechts bzw. die von ihnen verwalteten Betriebe, Anstalten, Stiftungen oder Fonds (im Rahmen einer Teilrechtsfähigkeit),

wenn sie aus dieser Tätigkeit ein Entgelt beziehen, die Dienstleistungen im wesentlichen persönlich erbringen und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen; es sei denn,

a)

dass sie auf Grund dieser Tätigkeit bereits nach § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 GSVG oder § 2 Abs. 1 BSVG oder nach § 2 Abs. 1 und 2 FSVG versichert sind oder

b) dass es sich bei dieser Tätigkeit um eine (Neben-)Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Z 1 lit. f B-KUVG handelt oder

c) dass eine selbständige Tätigkeit, die die Zugehörigkeit zu einer der Kammern der freien Berufe begründet, ausgeübt wird oder

d) dass es sich um eine Tätigkeit als Kunstschaffender, insbesondere als Künstler im Sinne des § 2 Abs. 1 des Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetzes, handelt.

[…]

§ 33. (1) Die Dienstgeber haben jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

§ 111. (1) Ordnungswidrig handelt, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder nach § 42 Abs. 1 auskunftspflichtige Person oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

1. die Anmeldung zur Pflichtversicherung oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder

[…]

(2) Die Ordnungswidrigkeit nach Abs. 1 ist von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar

– mit Geldstrafe von 730 € bis zu 2 180 €, im Wiederholungsfall von 2 180 € bis zu 5 000 €,

– bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs. 1 die Geldstrafe bis auf 365 € herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

b) Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz – GSVG

§ 2. (1) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen pflichtversichert:

1. die Mitglieder der Kammern der gewerblichen Wirtschaft;

2. die Gesellschafter/Gesellschafterinnen einer offenen Gesellschaft und die unbeschränkt haftenden Gesellschafter/Gesellschafterinnen einer Kommanditgesellschaft, sofern diese Gesellschaften Mitglieder einer der in Z 1 bezeichneten Kammern sind;

3. die zu Geschäftsführern bestellten Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, sofern diese Gesellschaft Mitglied einer der in Z 1 bezeichneten Kammern ist und diese Personen nicht bereits aufgrund ihrer Beschäftigung (§ 4 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) als Geschäftsführer der Teilversicherung in der Unfallversicherung oder der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz unterliegen oder aufgrund dieser Pflichtversicherung Anspruch auf Kranken- oder Wochengeld aus der Krankenversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz haben, auch wenn dieser Anspruch ruht, oder auf Rechnung eines Versicherungsträgers Anstaltspflege erhalten oder in einem Kurheim oder in einer Sonderkrankenanstalt untergebracht sind oder Anspruch auf Ersatz der Pflegegebühren gemäß § 131 oder § 150 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes einem Versicherungsträger gegenüber haben;

4. selbständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, erzielen, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist. Solange ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid oder ein sonstiger maßgeblicher Einkommensnachweis nicht vorliegt, ist die Pflichtversicherung nur dann festzustellen, wenn der Versicherte erklärt, daß seine Einkünfte aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr die Versicherungsgrenze übersteigen werden. In allen anderen Fällen ist der Eintritt der Pflichtversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides oder eines sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweises im nachhinein festzustellen.

3.2. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verfahren zielt im Wesentlichen darauf ab, dass ihr Ehegatte zwar nicht gesellschaftsrechtlich, jedoch aber de facto Geschäftsführer der GmbH ist und damit die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Ausnahme des gesellschaftsrechtlichen Geschäftsführers von der Pflichtversicherung nach dem ASVG anzuwenden ist. Dem kann das Landesverwaltungsgericht jedoch nicht folgen: Die Rechtsprechung des VwGH stellt darauf ab, dass sowohl ein Gesellschafter-Geschäftsführer als auch ein Fremd-Geschäftsführer grundsätzlich Dienstnehmer iSd § 4 Abs. 2 ASVG sein kann. in Beschäftigungsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG kommt jedoch dann nicht in Betracht, wenn dem Geschäftsführer kraft Gesellschafterstellung ein maßgebender Einfluss auf die Gestion des Unternehmens im hier maßgeblichen Sinne zukommt; das trifft etwa zu, wenn er kraft Gesetzes (zB als Mehrheitsgesellschafter) oder kraft Gesellschaftsvertrages (kraft Minderheitsrechtes in diesen Belangen) bestimmte Weisungen an die Geschäftsführung herbeiführen oder zumindest persönliche Weisungen der Generalversammlung an ihn verhindern kann (VwGH, 19.10.2015, 2013/08/0185).

Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte „Bereichsausnahme“ für einen „de facto-Geschäftsführer“ (der aber keine Geschäftsführerfunktion im Sinne des Gesellschaftsrechts ausübt), der gleichzeitig Gesellschafter ist, jedoch wie hier ohne beherrschende Stellung in der Gesellschaft, ergibt sich daher aus der Rechtsprechung nicht.

Entsprechend ist die Versicherungspflicht gem. § 4 ASVG nach den sonstigen maßgeblichen Kriterien der Rechtsprechung zu beurteilen.

3.3. Zuzugestehen ist, dass persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten C gegenüber der A GmbH verneint werden muss: Dem steht sowohl die praktische Ausgestaltung der Tätigkeit ohne konkrete Vorgaben zur Erbringung der Arbeitsleistung entgegen, als auch der Umstand, dass er aufgrund seiner 50%igen Gesellschafterstellung Weisungen der Generalversammlung an ihn verhindern kann.

3.4. Umgekehrt ist er jedenfalls nicht nach § 2 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 GSVG pflichtversichert, weil die erforderlichen Voraussetzungen dafür fehlen (Siehe auch VwGH, 19.10.2011, 2009/08/0043). Auch Z 3 leg.cit. ist nicht einschlägig, weil der Beschäftigte C (im Tatzeitraum) gerade nicht zum handelsrechtlichen Geschäftsführer der GmbH bestellt war.

3.5. Letztlich ist daher die Zuordnung zur Pflichtversicherung nach GSVG einerseits und nach ASVG andererseits im Wege der Abgrenzung zwischen § 2 GSVG und der Rechtsfigur des „freien Dienstnehmers“ nach § 4 Abs. 4 ASVG zu treffen. Diesbezüglich ist auf die Feststellungen zu verweisen, wonach der Beschäftigte für die Ausübung der Leitungsfunktion bei der A GmbH ein festes Entgelt bezieht, seine Dienstleistung – eben die Ausübung dieser Leitungsfunktion – im Wesentlichen persönlich erbringt und alle Betriebsmittel ihm von der A GmbH zur Verfügung gestellt werden (seine Fertigkeiten und Kenntnisse sind dabei nicht zu berücksichtigen: VwGH, 12.01.2016, Ra 2015/08/0188). Es besteht im Ergebnis jedenfalls wirtschaftliche Abhängigkeit von der Dienstgeberin und die Kriterien des § 4 Abs. 4 ASVG sind erfüllt, zumal der Beschäftigte selbst keinerlei wirtschaftliches Risiko im Rahmen der Beschäftigung trägt, wird diese doch mit einem festen Entgelt abgegolten.

Nach Maßgabe der durch das Landesverwaltungsgericht vorgenommenen Spruchkorrektur ist der objektive Tatbestand daher erfüllt.

3.6. Im Hinblick auf die subjektive Tatseite ist auf die Verschuldensvermutung des § 5 Abs. 1 VStG zu verweisen. Umstände, die fehlendes Verschulden glaubhaft machen ließen, wurden nicht vorgebracht.

3.7. Was die Strafhöhe betrifft, scheidet eine Ermahnung bereits wegen der Bedeutung des geschützten Rechtsgutes, des Schutzes der Versichertengemeinschaft, aus, ebenso eine außerordentliche Strafmilderung (kein Überwiegen von Milderungsgründen in einem Ausmaß, das eine solche rechtfertigen könnte) und die Anwendung des reduzierten Strafsatzes des § 111 Abs. 2 letzter Satz ASVG, weil die Folgen im Hinblick auf die lange Dauer des vorgeworfenen Deliktes nicht unbedeutend sind. Ebenso erscheint aber die von der Behörde verhängte Strafe in Höhe der doppelten Mindeststrafe weder spezial- noch generalpräventiv erforderlich. Die Beschwerdeführerin ist einschlägig nicht vorbestraft und liegt daher kein Erschwerungsgrund vor. Mildernd ist in Betracht zu ziehen, dass der Beschäftigte nicht versucht hat, sich zur Gänze der Versichertengemeinschaft zu entziehen, weil er durchgehend im Rahmen des GSVG versichert war. Mithin geht das Gericht davon aus, dass sich die Beschwerdeführerin anlässlich des Wechsels in der Geschäftsführerschaft (davor war der Beschäftigte tatsächlich im Rahmen des GSVG pflichtversichert) der sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen nicht bewusst war. Die daraus resultierende Fahrlässigkeit minderen Grades lässt eine Bestrafung mit der Mindeststrafe genügen.

4.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Landesverwaltungsgericht folgt in seiner Entscheidung den insoweit klaren Rechtsvorschriften und der widergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs.

Schlagworte

Sozialversicherungsrecht; Verwaltungsstrafe; Pflichtversicherung; freier Dienstnehmer; Geschäftsführer;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.S.1722.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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