Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin R*, vertreten durch Mag. Karin Herbst, Rechtsanwältin in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die Antragsgegnerin B* GmbH, *, vertreten durch Wiedenbauer Mutz Winkler und Partner Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt am Wörthersee, unter Beiziehung der weiteren Hauptmieter der Liegenschaft *, wegen § 22 Abs 1 Z 10 WGG iVm § 21 MRG, aus Anlass des Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 21. März 2022, GZ 4 R 54/22s-27, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Wolfsberg vom 11. November 2021, GZ 7 Msch 1/21x-21 bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden an das Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
[1] Die Antragstellerin als Hauptmieterin eines Objekts im Haus der Antragsgegnerin, wobei das Mietverhältnis unstrittig dem WGG unterliegt, begehrt die Betriebskostenabrechnung 2019 im Hinblick auf die Position „Wasser“ zu überprüfen und auszusprechen, welcher Betrag daraus zu Unrecht an die Mieter der Liegenschaft weiter verrechnet wurde, um welchen Betrag die Antragsgegnerin durch die Einhebung das gesetzlich zulässige Entgelt überschritten hat, und die Rückzahlung des festgestellten Überschreitungsbetrags.
[2] Das Erstgericht gab dem Antrag statt und verpflichtete die Antragsgegnerin zur Rückzahlung eines Überschreitungsbetrags von 732,35 EUR sA. Die in die Betriebskostenabrechnung 2019 aufgenommenen Kosten für die Legionellen-Prophylaxe seien weder Betriebskosten iSd § 21 MRG noch Wartungskosten iSd § 24 MRG.
[3] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR nicht übersteigend und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu fehle, ob und inwieweit Überprüfungs- und Prophylaxemaßnahmen betreffend Legionellenbefall von Wasserversorgungsleitungen an die Mieter weiterverrechenbare Aufwendungen seien.
[4] Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin, in dem sie die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinn einer Abweisung des Antrags anstrebt.
[5] Die Antragstellerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[6] Der Oberste Gerichtshof kann über den Revisionsrekurs derzeit noch nicht entscheiden.
[7] 1. Nach § 22 Abs 4 Z 1 WGG ist in einem Verfahren, das von einem oder mehreren Mietern oder sonstigen Nutzungsberechtigten einer Baulichkeit gegen die Bauvereinigung eingeleitet wird, der verfahrenseinleitende Antrag auch den anderen Mietern oder sonstigen Nutzungsberechtigten (durch Hausanschlag – § 22 Abs 4 Z 3 WGG) zuzustellen, deren Interessen durch eine stattgebende Entscheidung darüber unmittelbar berührt werden könnten. Diesen Mietern oder sonstigen Nutzungsberechtigten ist Gelegenheit zur Teilnahme am Verfahren zu geben, wofür es genügt, wenn sie zu einem Zeitpunkt, zu dem dies noch zulässig ist, Sachvorbringen erstatten können. Die Bestimmung entspricht § 37 Abs 3 Z 2 MRG, sodass die dazu ergangene Rechtsprechung zur Beurteilung der Parteistellung der übrigen Hauptmieter herangezogen werden kann (5 Ob 161/20t). Die Rechtskraft von antragsstattgebenden Sachbeschlüssen über Feststellungsbegehren erstreckt sich auf alle Mieter, denen der verfahrenseinleitende Antrag zugestellt wurde (§ 22 Abs 4 Z 6 WGG).
[8] 2. Die Verfahrensbeteiligung ist danach auszurichten, ob durch die Entscheidung über den Antrag die Interessen der anderen Hauptmieter nicht bloß in wirtschaftlicher Hinsicht abstrakt beeinträchtigt werden könnten. Nur die unmittelbare Berührung der Interessen gebietet die Verständigung und Parteistellung der anderen Mieter (RIS-Justiz RS0070366). Diesfalls sind ihnen die anfechtbaren Entscheidungen samt Rechtsmittelbelehrung mittels Hausanschlag zugänglich zu machen (RS0070534 [T5]; zuletzt 5 Ob 161/20t in einem Verfahren nach § 14a Abs 2 Z 2b iVm § 22 Abs 1 Z 1 WGG).
[9] 3. Ob dem Verfahren alle Mieter beizuziehen sind, richtet sich nach dem Antragsbegehren. So sind im Verfahren über die Angemessenheit des Mietzinses die übrigen Hauptmieter der Liegenschaft nicht zu verständigen, weil die anderen Hauptmieter der Liegenschaft auf den von einem einzelnen Hauptmieter zu entrichtenden Hauptmietzins keinen Einfluss haben (RS0069932). Alle übrigen Mieter sind am Verfahren nicht zu beteiligen, wenn nur die Feststellung der Überschreitung des gesetzlichen Zinsausmaßes durch einzelne an die Mieter vorgeschriebenen Betriebskostenbeträge begehrt wird, wenn die Höhe bestimmter Betriebskosten überhaupt, die rechtliche Qualifikation bestimmter Ausgaben als Betriebskosten, der Verteilungsschlüssel oder der Anteil eines Mietgegenstands an den Gesamtkosten nicht (um gegenüber allen Mietern des Hauses klare einheitliche Verhältnisse zu schaffen) etwa zum Gegenstand eines Zwischenfeststellungsantrags gemacht wird (vgl RS0069913). Abzustellen ist darauf, ob eine alle Mieter des Hauses bindende Entscheidung über die Betriebskosten angestrebt wird (5 Ob 100/94; Lovrek, Einige Fragen zur Parteistellung im Verfahren nach § 37 MRG, WoBl 2012, 279 [282]).
[10] 4. Zum Verfahren nach § 22 Abs 1 Z 10 WGG vertritt der Fachsenat in ständiger Rechtsprechung (RS0083730) die Auffassung, dass dort allen Mietern und Nutzungsberechtigten gemäß § 22 Abs 4 Z 2 WGG Parteistellung zukommt. Einem Verfahren nach § 22 Abs 1 Z 10 WGG auf Feststellung der Höhe einzelner Betriebskostenposten und der Qualifikation als solche müssen daher gemäß § 22 Abs 4 Z 1 WGG auch nicht antragstellende Mieter zugezogen werden (vgl auch 5 Ob 237/09b zu § 37 Abs 1 Z 12, § 37 Abs 3 Z 2 MRG). Die Mieter und sonstigen Nutzungsberechtigten sind auch an einem Rechtsmittelverfahren zu beteiligen (5 Ob 42/94).
[11] 5. Hier lässt das Begehren, das Gericht möge die Betriebskostenabrechnung 2019 im Hinblick auf die Position „Wasser“ überprüfen und aussprechen, welcher Betrag daraus zu unrecht an die Mieter der Liegenschaft weiterverrechnet wurde, ausreichend deutlich erkennen (vgl RS0070562 [T8]), dass die Feststellung der Berechtigung der betreffenden Position in der Betriebskostenabrechnung mit Wirkung gegenüber allen Mietern begehrt wird und nicht bloße Vorfrage ist. Es liegt daher ein Mehrparteienverfahren vor, dem sämtliche Mieter als Parteien beizuziehen sind.
[12] 6. Dieser Rechtslage hat das Erstgericht zwar zunächst dadurch entsprochen, dass es den verfahrenseinleitenden Antrag und auch den erstinstanzlichen Sachbeschluss den übrigen Hauptmietern mittels Hausanschlag zugestellt hat. Die Zustellung der Rekursentscheidung und des dagegen erhobenen Revisionsrekurses durch Hausanschlag unterblieb allerdings.
[13] 7. Das Erstgericht wird daher die Zustellung der Rekursentscheidung und des Revisionsrekurses samt Rechtmittelbelehrung an die übrigen Hauptmieter durch Hausanschlag zu veranlassen haben. Der Akt ist nach dem Einlangen allfälliger weiterer Rechtsmittel oder Rechtsmittelbeantwortungen oder nach ungenütztem Ablauf der dafür offenstehenden Fristen wieder vorzulegen.
Textnummer
E136149European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00120.22S.0822.000Im RIS seit
08.10.2022Zuletzt aktualisiert am
08.10.2022