Index
24/01 Strafgesetzbuch;Norm
FrG 1993 §18 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 1. September 1994, Zl. St 211/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (belangte Behörde) vom 1. September 1994, mit welchem gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Bundesrepublik Jugoslawien, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 sowie §§ 19, 20 und 21 des Fremdengesetzes (FrG) ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde. Der angefochtene Bescheid wurde damit begründet, daß der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichts Steyr vom 17. März 1992, wegen Vergehens der Körperverletzung sowie der versuchten Nötigung gemäß § 83 Abs. 2 und §§ 15 und 105 Abs. 1 StGB zu einer auf drei Jahre bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen sowie mit weiterem Urteil des Landesgerichts Steyr vom 9. Juni 1994 wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt durch schwere Nötigung und des unbefugten Führens einer Faustfeuerwaffe gemäß §§ 15 und 269 Abs. 1 zweiter Fall StGB und § 36 Abs. 1 Z. 1 des Waffengesetzes zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten (teilbedingt) rechtskräftig verurteilt worden sei, wobei dem letzteren der beiden genannten Urteile zugrundeliege, daß der Beschwerdeführer am 12. März 1994 zwei Gendarmeriebeamte durch Abgabe eines Schusses aus einer Pistole aus wenigen Metern Entfernung und somit durch gefährliche Drohung mit dem Tod an einer Amtshandlung, und zwar an seiner Identitätsfeststellung, zu hindern versucht habe und über die Dauer etwa eines halben Jahres unbefugt eine Faustfeuerwaffe besessen und geführt habe.
Der Beschwerdeführer halte sich seit März 1973 im Bundesgebiet auf. Er habe in Österreich drei Kinder, von denen zwei bereits volljährig seien; sie würden von der von ihm im November 1992 geschiedenen Ehegattin versorgt. Der Beschwerdeführer habe ansonsten keinerlei Verwandte in Österreich. Zwar habe sich der Beschwerdeführer den Großteil der 21 Jahre, die er sich bisher im Bundesgebiet aufgehalten habe, unauffällig verhalten, doch scheine seit seiner Ehescheidung bei ihm eine Wesensänderung eingetreten zu sein. Wie seine Ehegattin in einer mit ihr aufgenommenen Niederschrift anführe, habe er sie, nachdem sie die Scheidung eingereicht habe, laufend bedroht und einmal habe er sie verletzt. Dabei hätte er sie mit einem Gewehr bedroht. Auch der nunmehrige Lebensgefährte der ehemaligen Ehegattin des Beschwerdeführers habe angegeben, daß der Beschwerdeführer ihn des öfteren mit dem Umbringen bedroht habe, ihm überall nachgefahren sei und ihm ständig nachspioniert habe. Er habe ihm gedroht, ihn mit einem Messer umzubringen. Der Beschwerdeführer - so der nunmehrige Lebensgefährte seiner ehemaligen Ehegattin - sei als brutaler gewalttätiger Typ allgemein bekannt. Ob der Beschwerdeführer tatsächlich den nunmehrigen Lebensgefährten seiner ehemaligen Ehegattin mit dem Umbringen bedroht habe oder nicht, sei zweitrangig. Immerhin sei der Beschwerdeführer bereit gewesen, ihm sogar mit Waffengewalt gegenüberzutreten, was allein schon einen Schluß auf die von ihm ausgehende Gefährlichkeit zulasse. Auch wenn das Gericht die Strafe, zumindest zum Teil, bedingt ausgesprochen habe, so sei die damit verbundene Wertung eines allfälligen künftigen Verhaltens für die Fremdenpolizeibehörde nicht bindend. Der Beschwerdeführer müsse danach beurteilt werden, wie er sich in letzter Zeit, offenbar in Zusammenhang mit seiner Scheidung, charakterlich entwickelt habe. Unter Darlegung dieses Maßstabes erscheine der mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes verbundene Entzug der Aufenthaltsberechtigung zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK gemäß § 19 FrG dringend geboten. Es bestehe die Gefahr, daß der Beschwerdeführer wieder gegen seine Frau oder deren Lebensgefährten vorgehen und dabei auch Waffengewalt einsetzen könnte. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers sei zweifellos beträchtlich, weil er sich schon über zwei Jahrzehnte im Bundesgebiet aufhalte. Jedoch seien die nachteiligen Folgen der Abstandnahme, die immerhin in zu befürchtenden Delikten aus Eifersucht zu sehen seien, immer noch schwerwiegender, auch wenn man allfällige Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes nicht nur auf seine Lebenssituation, sondern auch auf jene seiner Familie beziehe. Der Beschwerdeführer habe sich in einer Art verändert, die zu schlimmsten Befürchtungen Anlaß gebe; selbst wenn er die Schußabgabe bei seiner Anhaltung durch die Gendarmeriebeamten nachträglich als Kurzschlußhandlung bezeichne, die ihm leid getan habe. Wenn der Beschwerdeführer nicht in der Lage sei, Kurzschlußhandlungen zu beherrschen und zu unterdrücken, so müsse tatsächlich befürchtet werden, daß sein Verhalten gegenüber seiner ehemaligen Gattin oder deren Lebensgefährten in ähnlicher Weise ablaufe. Das Aufenthaltsverbot sei daher auch gemäß § 20 Abs. 1 FrG zulässig. Zufolge der im Jahr 1992 erfolgten Verurteilung des Beschwerdeführers habe ihm bereits im Zeitpunkt der Rechtskraft dieser Verurteilung aus dem Grund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG (richtig: StbG) die Staatsbürgerschaft nicht mehr verliehen werden können. Das Aufenthaltsverbot sei daher auch aus dem Gesichtspunkt des § 20 Abs. 2 FrG zulässig. Nach einem Zeitraum von fünf Jahren müsse es dem Beschwerdeführer gelungen sein, die Scheidung von seiner Ehegattin auch innerlich zu überwinden; daher sei das Aufenthaltsverbot mit fünf Jahren zu befristen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer dessen Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte - ohne Erstattung einer Gegenschrift - die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die gegen ihn ergangenen Verurteilungen und wendet sich auch nicht dagegen, daß die belangte Behörde diese als bestimmte Tatsachen im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG gewertet hat. Auch der Verwaltungsgerichtshof hegt diesbezüglich keine Bedenken.
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid jedoch deswegen für rechtswidrig, weil die belangte Behörde aus seinem der zweiten Verurteilung zugrundeliegenden Verhalten zu Unrecht die Gefahr von Delikten, insbesondere aus Eifersucht, abgeleitet habe. Bei der Erstellung der Zukunftsprognose habe die belangte Behörde lediglich davon ausgehen dürfen, daß der Beschwerdeführer bei einem geplanten Besuch bei seiner geschiedenen Gattin eine Waffe mit sich führte und sie in der Folge dazu benützte, um sich einer Amtshandlung zu widersetzen. Bei seiner Anhaltung durch Gendarmeriebeamte habe er bloß einen ungezielten Schuß abgegeben; eine Faustfeuerwaffe habe er lediglich zur Selbstverteidigung mit sich geführt. Keinesfalls könne daraus die Gefahr von drohenden Eifersuchtsdelikten abgeleitet werden. Die vom Lebensgefährten seiner ehemaligen Ehegattin gegen ihn erhobenen Vorwürfe seien vollkommen unberechtigt, er habe bereits im Verwaltungsverfahren die Einvernahme mehrerer Zeugen beantragt, um die Unrichtigkeit von dessen Darstellungen zu beweisen. Diesem Beweisantrag sei nicht entsprochen worden. Es ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, daß der Beschwerdeführer bereit gewesen sei, dem Lebensgefährten seiner ehemaligen Ehegattin mit Waffengewalt gegenüberzutreten.
Mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer weder eine inhaltliche, noch eine auf die Verletzung von Verfahrensvorschriften zurückzuführende Rechtswidrigkeit auf. Auch das in der Beschwerde unbestrittene Verhalten des Beschwerdeführers, der, um sich einer Identitätsfeststellung durch zwei Gendarmeriebeamte zu entziehen, aus wenigen Metern Entfernung aus einer Pistole einen Schuß abgegeben hat und diese Pistole samt 83 Schuß Munition während etwa eines halben Jahres unerlaubt besessen und geführt hat, ist als bestimmte Tatsache zu werten, welche die Annahme rechtfertigt, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet. Es ist auch nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde zum Schluß kam, daß der Beschwerdeführer bereit gewesen sei, dem Lebensgefährten seiner ehemaligen Ehegattin sogar mit Waffengewalt gegenüberzutreten. Nach seinen eigenen Aussagen vom 13. März 1994 ging der Beschwerdeführer nämlich - mit einer geladenen Pistole im Hosenbund - des nachts vor dem Haus seiner ehemaligen Ehegattin umher, um nach seinem dort verlorenen Autoschlüssel zu suchen. Der geltend gemachte Verfahrensfehler entbehrt daher im Ergebnis der Relevanz.
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid weiters insoferne für rechtswidrig, als nach seiner Auffassung das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot im Hinblick auf die Tatsache, daß er sich während seines Aufenthaltes durch die letzten zwei Jahrzehnte eine wirtschaftliche Existenz in Österreich aufgebaut habe, diese Existenz zur Gänze zerstöre. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde würden die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von seiner Erlassung. Das Aufenthaltsverbot sei daher nach § 20 Abs. 1 FrG unzulässig. Es widerspreche aber auch § 20 Abs. 2 FrG, weil der Beschwerdeführer vor der Straftat vom 12. März 1994 die Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft erfüllt habe. Das Vergehen der Körperverletzung sowie der versuchten Nötigung, weswegen er bereits im Jahre 1992 verurteilt worden sei, habe im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG die Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht ausgeschlossen.
Auch dieser Beschwerdevorwurf wird nicht zu Recht erhoben. Der Verwaltungsgerichtshof kann nämlich nicht finden, daß das den Verurteilungen des Beschwerdeführers zugrundeliegende Fehlverhalten die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 19 FrG zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen des Beschwerdeführers nicht dringend geboten erscheinen lasse. Auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wirkt sich das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot zwar schon deswegen schwerwiegend aus, weil er sich zum Zeitpunkt von dessen Erlassung bereits mehr als zwanzig Jahre in Österreich aufgehalten hat. Im Hinblick auf die erfolgte Trennung von seiner Familie kann jedoch nicht gesagt werden, daß dessen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers schwerer wögen als die - in einer zu Recht nicht verneinten Gefahr für die Sicherheit anderer Menschen liegenden - nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Der angefochtene Bescheid erscheint daher auch im Lichte des § 20 Abs. 1 FrG nicht rechtswidrig.
Auch § 20 Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde vorliegend richtig angewendet. Sie durfte nämlich davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer bereits aufgrund des seiner Verurteilung vom 17. März 1992 zugrundeliegenden Fehlverhaltens (Vergehen der Körperverletzung sowie der versuchten Nötigung gemäß § 83 Abs. 2, und §§ 15 und 105 Abs. 1 StGB) die Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft verlor, weil dieses Verhalten, sowie das bereits daraus abzuleitende Charakterbild des Beschwerdeführers als Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG zu werten war. Das nach diesem - die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG ausschließende - Fehlverhalten neuerlich gesetzte Fehlverhalten reichte bei Zugrundelegung der §§ 18 bis 20 Abs. 1 FrG zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aus. Der angefochtene Bescheid ist daher auch im Grunde des § 20 Abs. 2 FrG nicht als rechtswidrig zu erkennen (vgl. zu § 20 Abs. 2 FrG das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1996, Zl. 95/21/0372).
Der angefochtene Bescheid erscheint daher nicht rechtswidrig, weshalb die dagegen gerichtete Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995210387.X00Im RIS seit
25.04.2001