Entscheidungsdatum
25.07.2022Norm
BAO §217Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Hofrat Mag. Röper als Einzelrichter über die Beschwerde von 1) A, 2) B und 3) C, alle vertreten durch D Rechtsanwälte GmbH, ***, ***, vom 20. Juni 2022 gegen den Berufungsbescheid des Verbandsvorstandes des Gemeindeverbandes für Abgabeneinhebung und Umweltschutz im Bezirk *** vom 16. Mai 2022, Zl. Abgabepflichtiger: ***, mit dem eine Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Verbandsobmannes des Gemeindeverbandes für Abgabeneinhebung und Umweltschutz im Bezirk *** vom 10. Februar 2022 betreffend Festsetzung einer Mahngebühr und eines Säumniszuschlages als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid vollinhaltlich bestätigt worden war, zu Recht:
1. Der Beschwerde von A und B wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) Folge gegeben und der Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend aufgehoben, als in diesem „über die Berufung von … Herrn A und Frau B“ entschieden wurde.
2. Der Beschwerde von C wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Vorschreibung der Mahngebühr aufgehoben wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
3. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1. Sachverhalt:
1.1. Abgabenbehördliches Verfahren:
1.1.1.
Mit Abgabenbescheid des Verbandsobmannes des Gemeindeverbandes für Abgabeneinhebung und Umweltschutz im Bezirk *** vom 10. Februar 2022, Mahnung-Nr.: ***, wurde gegenüber Herrn C (in der Folge: Drittbeschwerdeführer) ausgesprochen, dass sein Abgabenkonto den nachstehenden Rückstand aufweise. Zur Vermeidung von weiteren Einbringungsmaßnahmen werde er aufgefordert, die untenstehende Abgabenschuld innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Bescheides zu entrichten. Gegenüber dem Drittbeschwerdeführer wurden eine Mahngebühr in der Höhe von € 30,00 und ein Säumniszuschlag in der Höhe von € 1.131,10 (resultierend aus dem angeführten, fällig gewordenen und nicht entrichteten Abgabenbetrag von € 56.555,11) im Gesamtausmaß von € 1.161,10 festgesetzt. Mahngebühren und Säumniszuschlag würden gemäß §§ 217 und 217a bzw. §§ 227 und 227a BAO vorgeschrieben:
[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]
„…
…“
1.1.2.
Mit Schriftsatz vom 9. März 2022 erhob der Drittbeschwerdeführer durch seine ausgewiesene Vertretung rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung und führte begründend im Wesentlichen aus, dass die Erledigung bloß die Fertigung „Der Verbandsobmann" aufweise und somit keine Bescheidqualität habe. Die vorliegende Berufung werde jedoch aus Gründen der Vorsicht erhoben. Im Übrigen sei die Festsetzung einer Mahngebühr und eines Säumniszuschlags inhaltlich rechtswidrig. Der Mahnbescheid zur Mahnung-Nr. *** beziehe sich auf die Kanalgebühr für den Zeitraum 1. Oktober 2015 bis 30. November 2017. Diese Vorschreibungen seien Gegenstand des vom Drittbeschwerdeführer sowie von Herrn A und Frau B eingebrachten Antrags vom 21. Jänner 2022, der darauf abziele, die Abgabenbescheide vom 26. Mai 2021 gemäß § 299 BAO wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben. Damit erübrige sich die Ausstellung einer Mahnung und die Vorschreibung von Mahngebühren und Säumniszuschlägen.
1.1.3.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid des Verbandsvorstandes des Gemeindeverbandes für Abgabeneinhebung und Umweltschutz im Bezirk *** vom 16. Mai 2022, Zl. Abgabepflichtiger: ***, wurde die Berufung des Beschwerdeführers sowie von „Herrn A und Frau B“ (in der Folge: Erstbeschwerdeführer und Zweitbeschwerdeführerin) als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid vollinhaltlich bestätigt. Begründend wird nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens und der als maßgeblich erachteten Gesetzesbestimmungen ausgeführt, dass mit Schreiben vom 10. Februar 2022 wurde mittels Mahnbescheiden Nr. *** und Nr. *** für die offene und vollstreckbare Abgabenschuld betreffend der Kanalbenützungsgebühr ab 1. Oktober 2015 für den öffentlichen Schmutzwasserkanal, der Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe für den Anschluss an den öffentlichen Schmutzwasserkanal und der Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe für den Anschluss an den öffentlichen Regenwasserkanal die Mahngebühr inklusive Säumniszuschläge festgesetzt. Die gegenständlichen Mahnbescheide seien mithilfe automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt und wiesen auf der ersten Seite die gesetzlich vorgeschriebene Amtssignatur auf. Angemerkt werde, dass den Berufungswerber unter *** die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der vorhandenen Amtssignatur ohne größeren Aufwand möglich gewesen wäre. Daher handelt es sich um Erledigungen mit Bescheidqualität. Gemäß den gesetzlichen Bestimmungen seien die Abgabenschuldigkeiten einzumahnen, wenn diese nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet werden. Im vorliegenden Verfahren sei keine Zahlung bis zum Fälligkeitstag erfolgt. Mangels Erhebung einer fristgerechten Berufung sind die Abgabenbescheide betreffend der Kanalbenützungsgebühr ab 1. Oktober 2015 für den öffentlichen Schmutzwasserkanal, der Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe für den Anschluss an den öffentlichen Schmutzwasserkanal und der Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe für den Anschluss an den öffentlichen Regenwasserkanal vom 26. Mai 2021 in Rechtskraft erwachsen.
1.2. Beschwerdeverfahren:
Mit Schreiben vom 20. Juni 2022 brachten die drei Beschwerdeführer durch ihre ausgewiesene Vertretung rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich ein und führten aus, dass mit dem angefochtenen Bescheid „über die Berufung von Herrn C, Herrn A und Frau B“ gegen die Mahnbescheide des Verbandsobmanns des Gemeindeverbandes für Abgabeneinhebung und Umweltschutz im Bezirk *** mit den Nrn. *** und *** entschieden worden sei. Tatsächlich habe lediglich Herr C Berufung gegen die erstinstanzlichen Mahnbescheide vom 10. Februar 2022 erhoben. Diese Bescheide seien ausschließlich an ihn gerichtet gewesen. Ein behördlicher Ausspruch über die Berufung von Herrn A und Frau B sei somit jedenfalls rechtswidrig. Der Mahnbescheid zur Mahnung-Nr. *** beziehe sich auf die Kanalgebühr für den Zeitraum 1. Oktober 2015 bis 30. November 2017; der Mahnbescheid zur Mahnung-Nr. *** beziehe sich auf die mit zwei Bescheiden vom 26. Mai 2021 vorgeschriebene Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe in Höhe von insgesamt € 51.914,43 (€ 43.697,76 für den Anschluss an den öffentlichen Schmutzwasserkanal und € 8.216,76 für den Anschluss an den öffentlichen Regenwasserkanal – jeweils inkl. 10% USt.). Diese Vorschreibungen wären aufgrund der gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden aufzuheben. Mit der Behebung des Abgabenbescheides entfällt jedenfalls die Grundlage für eine Mahnung und die Vorschreibung von Mahngebühren und Säumniszuschlägen.
1.3. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Mit Schreiben vom 30. Juni 2022 legte der Gemeindeverband für Abgabeneinhebung und Umweltschutz im Bezirk *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt (samt Einladungskurrende und Sitzungsprotokoll der maßgeblichen Sitzung des Verbandsvorstandes) vor.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den bezughabenden Akt des Gemeindeverbandes für Abgabeneinhebung und Umweltschutz im Bezirk *** und durch Einsichtnahme in das öffentliche Grundbuch.
1.4. Feststellungen:
Der Abgabenbescheid des Verbandsobmannes des Gemeindeverbandes für Abgabeneinhebung und Umweltschutz im Bezirk *** vom 10. Februar 2022, Mahnung-Nr.: ***, wurde nur gegenüber dem Drittbeschwerdeführer erlassen. Nur dieser hat das Rechtsmittel der Berufung ergriffen.
Eine eigene Mahnung bzw. ein Mahnschreiben ist gegenüber dem Drittbeschwerdeführer nicht erlassen worden.
1.5. Beweiswürdigung:
Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid, sowie aus dem Vorbringen der Beschwerdeführer, soweit dieses den Feststellungen (siehe unten oben Punkt 1.4.) nicht entgegentritt.
2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:
2.1. Bundesabgabenordnung idF BGBl. I Nr. 16/2020:
§ 1. ( 1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.
§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. …
§ 3. (1) Abgaben im Sinn dieses Bundesgesetzes sind, wenn nicht anderes bestimmt ist, neben den im § 1 bezeichneten öffentlichen Abgaben und Beiträgen auch die im § 2 lit. a und c angeführten Ansprüche sowie die in Angelegenheiten, auf die dieses Bundesgesetz anzuwenden ist, anfallenden sonstigen Ansprüche auf Geldleistungen einschließlich der Nebenansprüche aller Art.
(2) Zu den Nebenansprüchen gehören insbesondere
a) die Abgabenerhöhungen,
b) der Verspätungszuschlag, die Beschwerdezinsen und die Anspruchszinsen,
…
d) die Nebengebühren der Abgaben, wie die Stundungszinsen, die Aussetzungszinsen, die Säumniszuschläge und die Kosten (Gebühren und Auslagenersätze) des Vollstreckungs- und Sicherungsverfahrens.
(3) Abgabenvorschriften im Sinn dieses Bundesgesetzes sind die Bundesabgabenordnung sowie alle Abgaben im Sinn des Abs. 1 und Monopole (§ 2 lit. b) regelnden oder sichernden
a) unmittelbar wirksamen Rechtsvorschriften der Europäischen Union,
b) Bundesgesetze,
c) Landesgesetze und
d) auf Grund des freien Beschlussrechtes ergangene Beschlüsse der Gemeindevertretungen (§ 7 Abs. 5 und § 8 Abs. 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948).
§ 3a. Für Landes- und Gemeindeabgaben gilt ergänzend zu § 3 Folgendes:
1. Mahngebühren (§ 227a) sind Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d),
2. Nebenansprüche (§ 3 Abs. 1 und 2) sind Einnahmen der sie erhebenden Körperschaften öffentlichen Rechts.
§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.
§ 92. (1) Erledigungen einer Abgabenbehörde sind als Bescheide zu erlassen, wenn sie für einzelne Personen
a) Rechte oder Pflichten begründen, abändern oder aufheben, oder
b) abgabenrechtlich bedeutsame Tatsachen feststellen, oder
c) über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses absprechen.
(2) Bescheide bedürfen der Schriftform, wenn nicht die Abgabenvorschriften die mündliche Form vorschreiben oder gestatten.
§ 93. (1) Für schriftliche Bescheide gelten außer den ihren Inhalt betreffenden besonderen Vorschriften die Bestimmungen der Abs. 2 bis 6, wenn nicht nach gesetzlicher Anordnung die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen genügt.
(2) Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.
(3) Der Bescheid hat ferner zu enthalten
a) eine Begründung, wenn ihm ein Anbringen (§ 85 Abs. 1 oder 3) zugrunde liegt, dem nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird, oder wenn er von Amts wegen erlassen wird;
b) eine Belehrung, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, innerhalb welcher Frist und bei welcher Behörde das Rechtsmittel einzubringen ist, ferner, daß das Rechtsmittel begründet werden muß und daß ihm eine aufschiebende Wirkung nicht zukommt (§ 254).
(4) Enthält der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung oder keine Angabe über die Rechtsmittelfrist oder erklärt er zu Unrecht ein Rechtsmittel für unzulässig, so wird die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt.
(5) Ist in dem Bescheid eine kürzere oder längere als die gesetzliche Frist angegeben, so gilt das innerhalb der gesetzlichen oder der angegebenen längeren Frist eingebrachte Rechtsmittel als rechtzeitig erhoben.
(6) Enthält der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über die Abgabenbehörde, bei welcher das Rechtsmittel einzubringen ist, so ist das Rechtsmittel richtig eingebracht, wenn es bei der Abgabenbehörde, die den Bescheid ausgefertigt hat, oder bei der angegebenen Abgabenbehörde eingebracht wurde.
§ 217. (1) Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten.
(2) Der erste Säumniszuschlag beträgt 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.
…
(4) Säumniszuschläge sind für Abgabenschuldigkeiten insoweit nicht zu entrichten, als
a) ihre Einhebung gemäß § 212a ausgesetzt ist,
b) ihre Einbringung gemäß § 230 Abs. 2, 3, 5 oder 6 gehemmt ist,
c) ein Zahlungsaufschub im Sinn des § 212 Abs. 2 zweiter Satz nicht durch Ausstellung eines Rückstandsausweises (§ 229) als beendet gilt,
d) ihre Einbringung gemäß § 231 ausgesetzt ist.
(5) Die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages gemäß Abs. 2 entsteht nicht, soweit die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt und der Abgabepflichtige innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der Säumnis alle Abgabenschuldigkeiten, hinsichtlich derer die Gebarung (§ 213) mit jener der nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenschuldigkeit zusammengefasst verbucht wird, zeitgerecht entrichtet hat. In den Lauf der fünftägigen Frist sind Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage, der Karfreitag und der 24. Dezember nicht einzurechnen; sie beginnt in den Fällen des § 211 Abs. 2 und 3 erst mit dem Ablauf der dort genannten Frist.
§ 217a. Für Landes- und Gemeindeabgaben gilt Folgendes:
1. § 217 Abs. 3 ist nicht anzuwenden,
2. Säumniszuschläge werden im Zeitpunkt der Zustellung des sie festsetzenden Bescheides fällig,
3. abweichend von § 217 Abs. 10 erster Satz sind Säumniszuschläge, die den Betrag von fünf Euro nicht erreichen, nicht festzusetzen.
§ 227. (1) Vollstreckbar gewordene Abgabenschuldigkeiten sind einzumahnen.
(2) Die Mahnung wird durch Zustellung eines Mahnschreibens (Mahnerlagscheines) vollzogen, in dem der Abgabepflichtige unter Hinweis auf die eingetretene Vollstreckbarkeit aufgefordert wird, die Abgabenschuld binnen zwei Wochen, von der Zustellung an gerechnet, zu bezahlen (Mahnklausel). Ein Nachweis der Zustellung des Mahnschreibens ist nicht erforderlich; bei Postversand wird die Zustellung des Mahnschreibens am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post vermutet.
(3) Bei Abgabenschuldigkeiten, die durch Postauftrag eingezogen werden sollen, gilt der Postauftrag als Mahnung.
(4) Eine Mahnung ist nicht erforderlich,
…
b) wenn eine vom Abgabepflichtigen oder von dem zur Einbehaltung und Abfuhr Verpflichteten selbst zu berechnende Abgabe zum Fälligkeitstag nicht entrichtet wurde;
…
g) bei Nebenansprüchen.
§ 227a. Für Landes- und Gemeindeabgaben gilt Folgendes:
1. Im Falle einer Mahnung nach § 227 ist eine Mahngebühr von einem halben Prozent des eingemahnten Abgabenbetrages, mindestens jedoch drei Euro und höchstens 30 Euro, zu entrichten. Die Mahngebühr wird bei Zustellung des Mahnschreibens mit der Zustellung, bei Einziehung des Abgabenbetrages durch Postauftrag mit der Vorweisung des Postauftrages fällig.
2. Wird eine vollstreckbar gewordene Abgabenschuldigkeit erstmals eingemahnt, ohne dass dies erforderlich gewesen wäre, so kann eine Mahngebühr festgesetzt werden; Z 1 gilt sinngemäß.
§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen. …
§ 288. (1) Besteht ein zweistufiger Instanzenzug für Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden, so gelten für das Berufungsverfahren die für Bescheidbeschwerden und für den Inhalt der Berufungsentscheidungen die für Beschwerdevorentscheidungen anzuwendenden Bestimmungen sinngemäß. Weiters sind die Beschwerden betreffenden Bestimmungen (insbesondere die §§ 76 Abs. 1 lit. d, 209a, 212 Abs. 4, 212a und 254) sowie § 93 Abs. 3 lit. b und Abs. 4 bis 6 sinngemäß anzuwenden.
(2) Im Berufungsverfahren sind die §§ 278 und 279 Abs. 3 (Aufhebung unter Zurückverweisung, Bindung an Rechtsanschauung) nicht anzuwenden.
(3) Besteht ein zweistufiger Instanzenzug (Abs. 1), so sind die §§ 262 bis 264 (Beschwerdevorentscheidung, Vorlageantrag) weder im Berufungsverfahren noch im Beschwerdeverfahren anzuwenden. § 300 gilt sinngemäß ab Einbringung der gegen die Entscheidung über die Berufung gerichteten Bescheidbeschwerde.
2.2. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 idF BGBl. I Nr. 109/2021:
§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
(2) Eine Revision ist nicht zulässig gegen:
1. Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 1, 3, 8 und 9;
2. Beschlüsse gemäß § 30b Abs. 3;
3. Beschlüsse gemäß § 61 Abs. 2.
(3) Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden. …
(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
3. Würdigung:
3.1. Zu Spruchpunkt 1:
Die Beschwerden sind begründet.
3.1.1.
Gegenüber dem Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin ist der Bescheid des Verbandsobmannes des Gemeindeverbandes für Abgabeneinhebung und Umweltschutz im Bezirk *** vom 10. Februar 2022, Mahnung-Nr.: ***, nicht erlassen worden, sind sie doch beide weder im Spruch noch im Adressfeld des Bescheides namentlich genannt (vgl. VwGH Ra 2014/15/0023, sowie Ritz, BAO 5. Aufl., § 93 Tz 6, unter Hinweis auf hg. Rechtsprechung).
Auch ist hervorzuheben, dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin gegen den Bescheid des Verbandsobmannes des Gemeindeverbandes für Abgabeneinhebung und Umweltschutz im Bezirk *** vom 10. Februar 2020, Mahnung-Nr.: ***, keine Berufung erhoben haben. Die Berufungsbehörde, der keine den Erfordernissen des § 250 BAO entsprechende Berufung vorliegt, ist zu einer Sachentscheidung nicht zuständig. Trifft sie eine solche dennoch, so belastet sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde (vgl. VwGH 2010/15/0213, mwN). Eine solche Unzuständigkeit, die vom Verwaltungsgericht stets aufzugreifen ist liegt insbesondere vor, wenn die Berufung gar nicht eingebracht worden ist (vgl. VwGH 2013/15/0286).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.1.2.
Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs.1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde von Erst- und Zweitbeschwerdeführer nicht beantragt. Auch aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.
3.2. Zu Spruchpunkt 2:
Die Beschwerde ist zum Teil begründet.
3.2.1.
Gegenstand des nunmehrigen Beschwerdeverfahrens ist ausschließlich die mit dem angefochtenen Berufungsbescheid bestätigte Vorschreibung einer Mahngebühr sowie eines Säumniszuschlages für bereits früher bescheidmäßig vorgeschriebene, jedoch nicht bzw. nicht zeitgerecht entrichtete Abgabenbeträge. Die diesen nicht erfüllten Zahlungsverpflichtungen zugrundeliegenden Abgabenbescheide sind nicht verfahrensgegenständlich.
3.2.2. Zur Vorschreibung einer Mahngebühr:
Die Vorschreibung einer Abgabe setzt ganz allgemein die Verwirklichung eines Abgabentatbestandes voraus. Die Erfüllung des abgabenrechtlichen Tatbestandes ist demnach Voraussetzung für die Vorschreibung einer Abgabe (vgl. VwGH 82/17/0085). Gemäß § 4 Abs. 1 Bundesabgabenordnung entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Unter dem Tatbestand, an dessen Verwirklichung § 4 Bundesabgabenordnung das Entstehen der Abgabenschuld knüpft, ist die Gesamtheit der in den materiellen Rechtsnormen (hier in der BAO selbst, im § 227) enthaltenen abstrakten Voraussetzungen zu verstehen, bei deren konkretem Vorliegen (Tatbestandsverwirklichung) bestimmte Rechtsfolgen (Abgabenschuld und Abgabenanspruch) eintreten sollen. Der Abgabenbescheid ist lediglich feststellender Natur. Er bringt den Abgabenanspruch nicht zum Entstehen, sondern stellt den aus dem Gesetz erwachsenden Anspruch lediglich fest (vgl. VwGH Zl. 94/17/0419).
Gemäß § 227 Abs. 1 und 2 erster Satz BAO sind vollstreckbar gewordene Abgabenschuldigkeiten einzumahnen. Die Mahnung wird durch Zustellung eines Mahnschreibens (Mahnerlagscheines) vollzogen, in dem der Abgabepflichtige unter Hinweis auf die eingetretene Vollstreckbarkeit aufgefordert wird, die Abgabenschuld binnen zwei Wochen, von der Zustellung an gerechnet, zu bezahlen (Mahnklausel).
Ein solches Mahnschreiben, mit der darin ausdrücklich enthaltenen Aufforderung an die Abgabepflichtigen – unter Hinweis auf die eingetretene Vollstreckbarkeit – die Abgabenschuld binnen zwei Wochen, von der Zustellung an gerechnet, zu bezahlen (Mahnklausel), ist im gegenständlichen Fall nach der eingetretenen Fälligkeit jedoch nicht ergangen.
Die Mahngebühr gemäß § 227a BAO ist mit Bescheid vorzuschreiben (vgl. Ritz, BAO5, § 217 Tz 5 mwN, und § 227a Tz 6, sowie VwGH 2012/17/0552). Die Mahnung selbst ist dagegen kein Bescheid (vgl. VwGH 89/17/0006, VwGH 96/17/0339 und VwGH 95/17/0458).
Hinsichtlich der Mahngebühr eines offenen Abgabenbetrages stellt sich die gegenständliche Erledigung somit als Bescheid dar.
Ein Abgabenanspruch der Gemeinde auf eine Mahngebühr konnte mangels Zustellung eines Mahnschreibens an den Beschwerdeführer nicht entstehen.
Die Vorschreibung einer Mahngebühr war daher spruchgemäß aufzuheben.
3.2.3. Zur Vorschreibung des Säumniszuschlages:
Gemäß § 217 Abs. 1 BAO sind Säumniszuschläge zu entrichten, wenn eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird. Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung beträgt der erste Säumniszuschlag 2 % des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages. Als Abgabe iSd § 217 ist jede durch Abgabenart, Erhebungszeitraum sowie gesetzliche oder bescheidabhängige Fälligkeit bestimmte Abgabenschuldigkeit zu verstehen (vgl. BAO3, Ellinger/Sutter/Urtz, Rz. 2 und 6 zu § 217).
Der Säumniszuschlag im Sinne des § 217 BAO ist eine objektive Rechtsfolge der verspäteten Entrichtung einer Abgabe. Die Gründe, die zum Zahlungsverzug geführt haben, sind (grundsätzlich) unbeachtlich. Bemessungsgrundlage des Säumniszuschlages ist die nicht rechtzeitig entrichtete Abgabe, unabhängig davon, ob die Festsetzung der Stammabgabe rechtskräftig oder mit Berufung angefochten ist (vgl. VwGH Ra 2017/13/0023).
Bemessungsgrundlage des Säumniszuschlages ist die nicht entrichtete Abgabenschuldigkeit unabhängig davon, ob die Festsetzung der Stammabgabe rechtmäßig, rechtskräftig, mit Bescheidbeschwerde angefochten oder richtig berechnet wurde (vgl. Ritz, BAO6, § 217 Tz 4).
Als Bemessungsgrundlage wurde im gegenständlichen Fall die Summe aus den Nachforderungen aus der festgesetzten und nicht entrichteten Kanalgebühr für den Zeitraum von 1. Jänner 2015 bis zum 30. November 2017 herangezogen.
Gemäß § 217 Abs.10 iVm § 217a Z.3 Bundesabgabenordnung sind jedoch Säumniszuschläge, die den Betrag von € 5,- nicht erreichen, nicht festzusetzen. Daraus ergibt sich eine maßgebliche Mindestbemessungsgrundlage im Einzelfall von € 250,-. Diese Mindestbemessungsgrundlage wurde im Einzelfall, das heißt, je Fälligkeitszeitpunkt und Abgabe erreicht. Vor diesem Hintergrund ist die Berechnung und Festsetzung des Säumniszuschlages nicht zu beanstanden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2.4.
Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs. 3 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde vom Drittbeschwerdeführern nicht beantragt. Auch ist aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.
3.3. Zu Spruchpunkt 3 - Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Hinblick auf die obigen Ausführungen (siehe 3.1.) liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.
Schlagworte
Finanzrecht; Abgabenanspruch; Mahnung; Säumniszuschlag; Bescheid; Adressat;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.AV.775.001.2022Zuletzt aktualisiert am
05.10.2022