Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/20/0300Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerden 1.) des R H und 2.) der V H, beide zuletzt wohnhaft in W, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 7. Februar 1995, Zl.4.342.880/1-III/13/93 (für beide Beschwerdeführer gleichlautend), jeweils betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der den Erstbeschwerdeführer betreffende angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Hingegen wird die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer, ein irakisches Ehepaar, das am 5. Mai 1993 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 6. Mai 1993 den Asylantrag gestellt hat, wurden noch am selben Tag vom Bundesasylamt niederschriftlich zu ihren Fluchtgründen befragt.
Dabei gab der Erstbeschwerdeführer im wesentlichen an, er sei Angehöriger der armenisch-orthodoxen Kirche sowie der armenischen Volksgruppe. Wegen seines christlichen Glaubens sei er schon in der Schule benachteiligt und sehr oft von moslemischen Mitschülern beschimpft und bespuckt worden. Auch während seiner Militärdienstzeit sei er als armenischer Christ diskriminiert und als Mensch zweiter Klasse behandelt worden. Er habe am 1. Oktober 1988 seinen Militärdienst angetreten und sei die ersten 20 Monate in der Nähe von Bagdad stationiert gewesen. Anschließend sei er in die Nähe von Basra verlegt worden und habe bis zum 10. August 1990 dort gedient. Ab diesem Zeitpunkt (identisch mit dem Ausbruch des Golfkrieges) sei seine Einheit an verschiedenen Frontabschnitten an der Grenze zu Kuwait eingesetzt worden. Seine Militäreinheit habe ca. 35 Soldaten umfaßt, von denen er der einzige Christ gewesen sei. Von seinem Kommandanten sei ihm des öfteren angeordnet worden, sich als "Späher nützlich zu machen". Da der Beschwerdeführer jedoch der Meinung gewesen sei, daß er diese Tätigkeit nur deshalb habe verrichten müssen, weil er Christ sei, habe er diese Befehle verweigert. Während seiner gesamten Militärdienstzeit sei er des öfteren von seinen Militärkollegen und seinem Vorgesetzten grundlos geschlagen worden. Auf Grund der einige Male vorkommenden Befehlsverweigerung sei er im September 1990 festgenommen und in ein Militärgefängnis in der Nähe von Basra gebracht worden, wo er bis zum 15. April 1991 festgehalten worden sei. Während der ersten zehn Tage sei er täglich zweimal mit einer Eisenstange am ganzen Körper geschlagen worden, wovon er noch heute an der Stirn eine Narbe aufweise. Er habe sich auch alle zwei Tage nackt auf eine Flasche setzen müssen. Die Militärbeamten hätten ihm Befehlsverweigerung vorgeworfen und ihn immer wieder gefragt, warum er dies getan habe. Sie hätten gemeint, er habe auf Grund seines christlichen Glaubens nicht gegen die Amerikaner (ebenfalls Christen) kämpfen wollen. Die ersten drei bis vier Tage seiner Haft habe er keinerlei Nahrung erhalten, später habe er dann fast immer einmal täglich etwas zu essen bekommen. Während der gesamten Haftdauer sei er von Zeit zu Zeit von unbekannten Soldaten geschlagen worden und habe durch diese Mißhandlungen auch Blutergüsse und offene Wunden am ganzen Körper erlitten. Heute sei jedoch nur mehr die Narbe auf seiner Stirn sichtbar. Anfang April 1991 habe das Wachpersonal in diesem Gefängnis gewechselt. Einer der neuen Wächter habe sich um ihn gekümmert und sei freundlich zu ihm gewesen, habe es ihm in der Folge auch ermöglicht, in der Nacht im Hof spazieren zu gehen, was ansonsten untersagt gewesen sei. Am 15. April 1991 habe er diesen Wächter um eine Zigarette gebeten. Während dessen Abwesenheit, um ihm die Zigarette zu besorgen, sei er über den Stacheldrahtzaun geklettert und habe so das Gefängnis verlassen. Das Gefängnis sei nur mit solchen Stacheldrahtzäunen abgegrenzt gewesen. In diesem Militärgefängnis hätten sich lediglich 18 bis 20 Häftlinge befunden, die je von einem Soldaten bewacht worden seien. Nach seiner Flucht sei er zu Fuß zwei Tage und zwei Nächte entlang der Hauptstraße bis Suleimania gegangen. Dort habe er einem Bauern erzählt, daß er aus dem Gefängnis geflohen sei, dieser habe ihn dann in seinem Kleinbus mit nach Bagdad genommen. In Bagdad habe sich der Beschwerdeführer bis zum 5. Juli 1991 bei den verschiedensten Verwandten aufgehalten und sich auf der Straße "nicht blicken" lassen. Durch seine Verlobte habe man in der Folge einen Schlepper kontaktiert, der ihnen am 5. Juli 1991 die Flucht aus dem Irak ermöglicht habe. In den letzten drei Monaten seiner Haft sei ihm immer wieder vorgeworfen worden, daß er einer oppositionellen Partei, entweder prokurdisch oder proschiitisch, angehöre und aktiv für diese tätig gewesen sei. Dies habe jedoch nicht gestimmt.
Die Zweitbeschwerdeführerin gab zu ihren Fluchtgründen im wesentlichen an, auch sie sei armenisch-orthodoxen Glaubens und Angehörige der armenischen Volksgruppe, diese Minderheit sei allgemein benachteiligt. Kaufleute hätten sich geweigert, ihr Nahrungsmittel zu verkaufen. Auch an der Universität seien alle Christen schlechter behandelt worden als die moslemischen Studienkollegen. Als sie sich geweigert habe, der Baath-Partei beizutreten, sei sie verwarnt und mit einem einmonatigen Universitäts-Besuchsverbot belegt worden. Erst durch Hinterlegung einer größeren Geldsumme habe sie bis März 1991 an der Universität weiterstudieren dürfen, zu welchem Zeitpunkt sie letztendlich vom Studium unter dem Vorwurf ausgeschlossen worden sei, an der Universität eine oppositionelle Gruppe organisiert gehabt zu haben, was jedoch unrichtig gewesen sei. Nach der Flucht ihres damaligen Verlobten und nunmehrigen Ehemannes (des Erstbeschwerdeführers) aus dem Gefängnis seien zwei Geheimdienstbeamte zu ihr nach Hause gekommen und hätten den Aufenthaltsort ihres Verlobten in Erfahrung zu bringen versucht. Sie habe ihn jedoch nicht verraten. Die Geheimdienstbeamten hätten ihr jedoch eine Frist von zwei Monaten eingeräumt, den Verbleib ihres Verlobten bekanntzugeben, ansonsten sie inhaftiert werden würde. Aus diesem Grunde habe ihre Familie alles veranlaßt, daß sie beide das Land verlassen könnten. Sie selbst habe nie irgendwelche konkrete Verfolgungshandlungen seitens irakischer Sicherheitsbehörden zu erleiden gehabt, sie sei auch nicht verfolgt, sondern nur als Christin benachteiligt gewesen. Im Falle der Rückkehr in den Irak hätten sie beide mit langer Haft bzw. Hinrichtung zu rechnen.
Mit Bescheiden jeweils vom 7. Mai 1993 wies das Bundesasylamt die Asylanträge der Beschwerdeführer ab, wobei die Erstbehörde nicht nur die Flüchtlingseigenschaft im Sinn des § 1 Z. 1 AsylG 1991 verneinte, sondern auch den Asylausschlußgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 als vorliegend erachtete, weil sich die Beschwerdeführer vor Einreise in das österreichische Bundesgebiet etwa eineinhalb Jahre in Jordanien aufgehalten hatten.
In seiner gegen den abweislichen erstinstanzlichen Bescheid gerichteten Berufung gestand der Erstbeschwerdeführer zu, daß in der Einberufung zum Militärdienst allein noch keine Verfolgung zu sehen sei, sicher aber Asylrelevanz vorliege bei der Heranziehung (gemeint offenbar von Wehrpflichtigen) zu besonders gefährlichen Aufgaben, insbesondere dann, wenn es immer Angehörige einer bestimmten ethnischen oder religiösen Gruppe träfe. Dies stelle nicht nur eine nicht mehr hinzunehmende Diskriminierung dar, sondern es werde dies auch als Mittel der Verfolgung etwa von Angehörigen der christlichen Glaubensgemeinschaft bewußt eingesetzt. Auch die Behandlung, die ihm im Gefängnis zuteil geworden sei, sei im erstinstanzlichen Bescheid sehr vereinfacht dargestellt und als Mißhandlung bezeichnet worden. Er habe sehr genau geschildert, was ihm widerfahren sei. Dies sei nicht lediglich eine Mißhandlung, sondern Folter. Es sei verständlich, daß er sich einerseits geweigert habe, bestimmte Befehle auszuführen, letztlich aber auch aus dem Gefängnis geflohen und somit desertiert. Auch Desertion allein sei wegen der deswegen drohenden Bestrafung noch kein Asylgrund, doch drohe im Irak hiefür eine weitaus überhöhte Strafe (nämlich die Todesstrafe auf Grund der Resolution 1370 des irakischen Revolutionsrates vom 2. Jänner 1984), und außerdem sei kein rechtmäßiges Gerichtsverfahren zu erwarten, weshalb unter diesen Umständen der Wehrdienstentziehung durchaus Asylrelevanz zukommen könne. Im übrigen bestritt der Erstbeschwerdeführer die Verfolgungssicherheit in Jordanien.
Auch die Zweitbeschwerdeführerin bekämpfte den erstinstanzlichen abweisenden Bescheid mit Berufung, verwies im wesentlichen auf die von ihrem Ehemann (dem Erstbeschwerdeführer) dargelegten Fluchtgründe und führte weiters aus, diese Gründe beträfen "naturgemäß" auch sie. Vor allem aber stimme nicht, daß sie persönlich keine Verfolgung zu gewärtigen gehabt hätte, man habe sie ja mit Verhaftung bedroht, falls man ihren Mann, damals noch Verlobten, nicht finden würde. Daß dies keine leere Drohung gewesen sei, wisse man, da auch schon amnesty international über viele derartige Fälle von "Sippenhaftung" berichtet habe. Sie hätte mit langer Inhaftierung und schweren Mißhandlungen bis hin zur Folter rechnen müssen. Würde sie in den Irak zurückkehren müssen, habe sie erst recht mit diesen Maßnahmen zu rechnen.
Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufungen der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab (Spruchpunkte 1 der jeweils angefochtenen Bescheide) und sprach im übrigen aus, daß den Beschwerdeführern gemäß § 8 Abs. 1 und 2 AsylG 1991 der befristete Aufenthalt im Bundesgebiet bis 17. Februar 1996 bewilligt werde (jeweilige Spruchpunkte 2).
Gegen diesen Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Verbindung beider Rechtssachen infolge ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung erwogen hat:
Zum Erstbeschwerdeführer:
Die belangte Behörde begründete ihre abweisende Entscheidung im wesentlichen damit, die Zugehörigkeit eines Asylwerbers zu einer bestimmten, auch religiösen Minderheit "allein" sei kein Grund für die Anerkennung als Flüchtling, ebensowenig wie Auswirkungen von Schwierigkeiten, mit denen christliche Minderheiten in islamischen Staaten konfrontiert seien, die aber alle Angehörigen dieser Minderheit im gleichen Maß träfen. Auch könnten Umstände, die schon längere Zeit vor der Ausreise zurückliegen, im Fall des Erstbeschwerdeführers die während der Schulzeit erlittene Unbill, nicht mehr beachtlich sein. Zur vom Beschwerdeführer geltend gemachten Wehrdienstverweigerung bzw. Desertion müsse festgestellt werden,
"daß die im Irak in Aussicht gestellte Strafe wegen dieser Delikte allein noch nicht die Annahme eines asylrelevanten Aspektes Ihrer behaupteten Furcht rechtfertigt. Desertion und Wehrdienstverweigerung sind auch in klassisch-demokratischen und rechtsstaatlichen Ländern mit Strafe bedroht. Die Strenge und Art der angedrohten Strafe ist nicht maßgeblich. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, daß die "Flucht" vor einer wegen Desertion bzw. Wehrdienstverweigerung drohenden (unter Umständen auch strengen) Bestrafung keinen Grund für die Anerkennung als Flüchtling darstellt (...).
Auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht im Irak kommt es nicht zur zielgerichteten Auswahl von Personen mit bestimmten Eigenschaften oder Überzeugungen. Die Rekrutierung und damit auch die Bestrafung wegen Entziehung oder Verweigerung hat somit nicht erkennbar den Zweck, die Wehrpflichtigen in schutzwürdigen persönlichen Merkmalen (Rasse, Religion, politische Überzeugung usw.) zu treffen. Staatliche Maßnahmen zur Einhaltung der Wehrpflicht sind Ausdruck des Rechtes eines jeden Staates und stellen als solche keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention bzw. des Asylgesetzes 1991 dar.
Aus Ihrem Vorbringen ist jedenfalls nicht glaubwürdig ableitbar, daß Sie auf Grund eines in der Genfer Konvention bzw. im § 1 Z. 1 des AsylG 1991 genannten Grundes im Falle ihrer Aufgreifung und Verurteilung eine differenzierte Bestrafung im Vergleich zu anderen irakischen Staatsangehörigen zu erwarten hätten."
Im übrigen qualifiziert die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer geschilderten Mißhandlungen bzw. Folterungen als "Übergriffe" selbständig handelnder Einzelpersonen, die nicht vom Staat initiiert oder geduldet worden seien, auch wenn sie von Organen des Staates gesetzt worden seien, und fährt dann fort:
"Sie behaupten ja nicht einmal, daß sie den Versuch unternommen hätten, sich bei den zuständigen Stellen über Ihre Mißhandlung beschwert zu haben oder von diesen Stellen diesbezüglich abgewiesen worden zu sein."
Daran knüpft die belangte Behörde die weitere Überlegung, der Beschwerdeführer habe keine Umstände dartun können, die eine Steigerung der Glaubwürdigkeit hätten bewirken können. Bezüglich des Vorwurfes, daß er angeblich einer oppositionellen Partei angehöre, sei zu erörtern, daß für staatliche Organe Grund für die Annahme bestehen müsse, der Asylwerber sei ein Gegner des herrschenden Systems und die Verfolgung würde dem begegnen. Da er nie politisch aktiv gewesen sei und auch keinerlei Aktivitäten gesetzt habe, auf die eine geplante Verfolgung von den Behörden hätte schließen lassen können, könne der Vorwurf einer Parteizugehörigkeit seine (des Beschwerdeführers) Aussagen nicht unterstützen.
Auf das von der Erstbehörde noch herangezogene Thema der "Verfolgungssicherheit" ging die belangte Behörde nicht mehr ein. Sie versagte das Asyl, weil sie auf Grund der dargelegten Erwägungen zum Schluß kam, dem Beschwerdeführer komme die Flüchtlingseigenschaft im Sinn des § 1 Z. 1 AsylG 1991 nicht zu.
Der Erstbeschwerdeführer wendet sich gegen diese von der belangten Behörde vorgenommene Beurteilung der Verfahrensergebnisse im wesentlichen mit dem Argument, für die Beurteilung als Flüchtling sei die individuelle Situation des Asylwerbers in ihrem gesamten Zusammenhang zu betrachten. Der Beschwerdeführer sei in seiner Einheit deshalb so häufig mit besonders gefährlichen Aufgaben (als Späher) bedacht worden, weil er einer religiösen Minderheit angehört habe. Diese Sonderstellung habe den Beschwerdeführer letztlich zur Befehlsverweigerung veranlaßt. Der belangten Behörde ist zwar grundsätzlich zuzugestehen, daß die Zugehörigkeit zu einer auch religiösen Minderheit ALLEIN keinen Grund für die Anerkennung als Flüchtling darstellt, ebensowenig wie die Schwierigkeiten, mit denen christliche Minderheiten in islamischen Staaten generell konfrontiert werden, doch geht diese Begründung am Kern der hier vorliegenden Behauptungen gänzlich vorbei, weil der Beschwerdeführer offensichtlich nur rein illustrativ auch die allgemeinen Schwierigkeiten von Mitgliedern seiner Glaubensrichtung erwähnt, doch als Fluchtgründe letztendlich nicht diese allgemeinen Schwierigkeiten, sondern höchst konkrete, ihn individuell betreffende im Zusammenhang mit seinem Einsatz während seines Wehrdienstes bzw. der von ihm erlittenen Mißhandlungen anläßlich seiner Inhaftierung geltend gemacht hat. Daß der zeitliche Zusammenhang zwischen diesen Umständen und der Flucht des Beschwerdeführers vorliegt, vermag die belangte Behörde nicht in Abrede zu stellen.
Auch den weiteren Ausführungen der belangten Behörde zum Themenkreis der Wehrdienstverweigerung bzw. Desertion kann nicht gefolgt werden. In dem von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid selbst zitierten Erkenntnis des verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, wurden Kriterien aufgestellt, bei deren Vorliegen Desertion bzw. Wehrdienstverweigerung asylrelevant sein kann. Dies ist dann der Fall, wenn zwischen der Einberufung zum Militärdienst bzw. der Zuteilung besonders gefährlicher Aufgaben während des Militärdienstes und der Zugehörigkeit zu einer der in Kapitel 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (§ 1 Z. 1 AsylG 1991) genannten Gruppen ein Zusammenhang besteht. Gerade dieser Zusammenhang wird aber vom Beschwerdeführer bereits in seiner erstinstanzlichen Vernehmung eindeutig hergestellt, gab er doch an, ausschließlich wegen der Zugehörigkeit zu einer religiösen Minderheit zu besonders gefährlichen Aufgaben (Späherdienste) herangezogen worden zu sein. Damit hat er aber selbst den Grund für seine militärdisziplinäre Inhaftierung in einen asylrechtlich relevanten Zusammenhang gebracht. Es ist nicht erkennbar, daß die belangte Behörde auf dieses Vorbringen im besonderen eingegangen ist; im Gegenteil: Wenn sie ausführt, aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei "jedenfalls nicht glaubwürdig ableitbar, daß Sie auf Grund eines in der Genfer Konvention bzw. im § 1 Z. 1 AsylG 1991 genannten Grundes im Falle Ihrer Aufgreifung und Verurteilung eine differenzierte Bestrafung im Vergleich zu anderen irakischen Staatsangehörigen zu erwarten hätten", ist evident, daß sie sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers überhaupt nicht auseinandergesetzt hat. Daß die belangte Behörde die Angaben des Beschwerdeführers insgesamt als unglaubwürdig qualifiziert hätte, ergibt sich aus dem angefochtenen Bescheid nicht.
Der belangten Behörde kann auch nicht darin beigepflichtet werden, wenn sie die näheren Haftbedingungen des Beschwerdeführers nur teilweise wiedergibt und somit
-
offenbar - selektive Feststellungen treffen will. Daher erscheint die Rüge beachtlich, daß die vom Beschwerdeführer
-
folgt man seinen Angaben, an denen zu zweifeln kein Anlaß besteht - während seiner Inhaftierung im Militärgefängnis erlittene Behandlung durchaus als Folter bezeichnet werden kann. Diese als "Übergriffe" selbständig handelnder Einzelpersonen abzutun, entbehrt im Hinblick auf Art und Dauer (6 1/2 Monate) jeglicher weiterer Begründung. Der daran anschließende Hinweis, der Beschwerdeführer hätte sich ja bei den übergeordneten Stellen beschweren können, erscheint angesichts der vom Beschwerdeführer geschilderten Gesamtsituation unangebracht.
Damit verkannte die belangte Behörde die Asylrelevanz der vom Erstbeschwerdeführer aufgestellten Behauptungen, weshalb sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastete. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Zur Zweitbeschwerdeführerin:
Die belangte Behörde begründete ihren die Zweitbeschwerdeführerin betreffenden Bescheid im wesentlichen damit, die von ihr geschilderten Benachteiligungen, die sie als Christin im täglichen Leben sowie an der Universität zu erleiden gehabt habe, stellten keine ausreichende Begründung für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dar. Sie beträfen alle Angehörige dieser Minderheiten. Im übrigen könnten auch Ereignisse, die Familienmitglieder oder andere Personen beträfen, nicht den gewünschten Verfahrensausgang bewirken. Auch hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin sah die belangte Behörde von der Anwendung des Ausschließungsgrundes des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 ab.
In ihrer Beschwerde macht die Zweitbeschwerdeführerin nunmehr geltend, auch sie sei in ihrem Heimatland insofern der Verfolgung ausgesetzt gewesen, als ihr die Verhaftung unmittelbar angedroht worden sei, wenn sie den Aufenthalt ihres damaligen Verlobten, der vom Militärdienst desertiert und aus dem Gefängnis entwichen sei, nicht angebe. Im Falle ihrer Verhaftung hätte sie mit Verhören und auch mit Folter rechnen müssen. Die Verfolgungsgefahr sei darin begründet gewesen, daß sie eben nicht den Aufenthaltsort ihres Verlobten habe bekanntgeben wollen. Dem ist allerdings zu entgegnen, daß die Zweitbeschwerdeführerin - im Gegensatz zum Erstbeschwerdeführer - wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem der in § 1 Z. 1 AsylG 1991 genannten Gründe verfolgt zu werden, nicht dargetan hat. Selbst die Androhung der Verhaftung ihr gegenüber diente lediglich dazu, sie hinsichtlich der Bekanntgabe des Aufenthaltes ihres damaligen Verlobten entsprechend unter Druck zu setzen. Einen unmittelbar asylrechtlich relevanten Zusammenhang zwischen der angedrohten Inhaftierung einerseits und asylrechtlichen Kriterien im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 andererseits macht die Beschwerdeführerin auch gar nicht geltend. Insoweit sie nunmehr allerdings "Sippenhaftung" anspricht, ist ihr zu entgegnen, daß sich dem erstinstanzlichen Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin ausreichende Anhaltspunkte in dieser Richtung nicht entnehmen lassen. Es ist aber der belangten Behörde auch nicht mit Erfolg entgegenzutreten, wenn sie die allgemein verbleibenden Benachteiligungen, wie auch den Ausschluß aus der Universität, wie sie die Zweitbeschwerdeführerin geltend gemacht hat, als nicht geeignet qualifiziert hat, den weiteren Verbleib der Zweitbeschwerdeführerin in ihrem Heimatland für diese unerträglich zu machen.
Diese Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995200299.X00Im RIS seit
03.04.2001