Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1968 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. März 1995, Zl. 4.325.445/10-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, reiste am 23. Oktober 1991 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 25. Oktober 1991, ihm Asyl zu gewähren. Anläßlich seiner am 30. Oktober 1991 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich erfolgten niederschriftlichen Befragung gab der Beschwerdeführer nach seinen Fluchtgründen befragt an, er gehöre der kurdischen Minderheit im Irak an und hätte deswegen schon immer Schwierigkeiten gehabt. Er habe sich in seiner Heimat politisch betätigt. Sein Vater sei bei den Widerstandskämpfen aktiv gewesen und deswegen vom Geheimdienst festgenommen und ins Gefängnis gebracht worden. Die Kurden seien im Irak schon immer verfolgt worden. Im Jahr 1965 habe es zwischen dem irakischen Militär und den Kurden eine "Versöhnungsfeier" gegeben, anläßlich derer es auch zu essen und trinken gegeben habe. Die irakischen Militärs hätten die Speisen für die Kurden jedoch vergiftet, sodaß es sehr viele Tote gegeben hätte. Auch der Vater des Beschwerdeführers sei unter diesen Toten gewesen. Er selbst habe von 1975 bis 1981 als Verkäufer gearbeitet. Im Jahr 1981 habe er den Einberufungsbefehl erhalten und sei außerdem aufgefordert worden, der Baath-Partei beizutreten. Er habe jedoch einen solchen Haß in sich gespürt, daß er der Partei nicht beigetreten sei. Daraufhin habe er in die Stadt Zakho im Nordirak flüchten müssen. Seit dem Jahr 1981 bis zu seiner Ausreise (1991) sei er Mitglied der Widerstandskämpfer gewesen. Er sei schon immer gegen Saddam Hussein und seine Führung gewesen. Es seien von ihm auch Flugblätter verteilt worden. Die Stadt, in der der Beschwerdeführer gelebt habe, sei von Saddam Hussein und seinen Truppen zweimal mit chemischen Waffen angegriffen worden, wobei es sehr viele Tote und Verletzte gegeben habe. Nach diesen Angriffen habe er noch hin und wieder Kontakt mit seiner Schwester gehabt, die ihm mitgeteilt habe, daß der irakische Geheimdienst bei ihr gewesen sei und nach ihm gefragt habe. Sie habe ihn jedoch nicht verraten, habe allerdings deswegen Mißhandlungen über sich ergehen lassen müssen. Er habe eine Verletzung im linken Auge, die vermutlich durch die chemischen Angriffe hervorgerufen worden sei. Sein Leben sei immer ohne Hoffnung gewesen. Er sei in den Bergen geblieben und habe nur gegen Saddam Hussein und seine Führung gekämpft. Die Kurden seien auch Menschen und hätten auch das Recht zu leben. Nachdem Saddam Hussein den Krieg in Kuwait verloren gehabt habe, habe er seine Truppen im Irak zurückgezogen und sie beauftragt, die Kurden in den Bergen anzugreifen. Sie seien auch angegriffen worden und es habe sehr viele Tote gegeben. Da er keine Chance mehr gesehen habe, habe er den Irak verlassen. Dies habe er auch seinen Verwandten mitgeteilt. Im Falle einer Rückkehr in seine Heimat erwarte ihn dort die Todesstrafe.
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 4. November 1991 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle.
In seiner fristgerecht gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung rügte der Beschwerdeführer die Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides, da sich dieser lediglich in einem vorgefertigten Text ohne konkreten Bezug auf seine Person erschöpfe, und weil die Behörde erster Instanz daher die ihr auferlegte Begründungspflicht verletzt habe. Im übrigen bekräftigte der Beschwerdeführer sein Vorbringen in erster Instanz und führte ergänzend aus, die Vorgangsweise des Militärregimes, die kurdische Bevölkerung, die gegen das Regime sei, auszurotten, sei weltweit bekannt. Er sei aktives Mitglied der Widerstandskämpfer in seiner Heimat gewesen, und sei dem Regime auch als solcher bekanntgewesen. Er besitze keine finanziellen Mittel, um Beweismaterial anzuschaffen, könne daher nur versichern, daß seine Angaben beim Erstinterview der Wahrheit entsprächen. Allerdings sei die "Versöhnungsfeier", anläßlich derer sein Vater vergiftet worden sei, nicht 1965, sondern 1975 gewesen. Er könne nicht mehr in seine Heimat zurückkehren, da er dort die Todesstrafe zu erwarten habe.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 29. September 1993 wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. Infolge der dagegen erhobenen Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 13. Oktober 1994, Zl. 94/19/0244, den bekämpften Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf (infolge Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 AsylG 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92,93/94), sodaß das Berufungsverfahren bei der belangten Behörde wiederum anhängig wurde.
Über entsprechenden Auftrag der belangten Behörde erstattete der Beschwerdeführer eine Berufungsergänzung und wiederholte, er werde in seiner Heimat persönlich verfolgt, weil er aktives Mitglied der kurdischen Widerstandskämpfer gewesen sei. Er sei Mitglied der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) gewesen, die seit 20 Jahren aktiv den Freiheitskampf der Kurden gegen das irakische Regime führe. Die Gruppen der Widerstandskämpfer seien nach wie vor wiederholt Ziel militärischer Angriffe durch das irakische Regime, die teilweise mit von der internationalen Staatengemeinschaft geächteten Waffen geführt würden. Laut der ihm zugekommenen Mitteilung seiner Schwester werde er vom irakischen Geheimdienst persönlich gesucht. Er sei als Angehöriger des kurdischen Widerstandes dem irakischen Regime namentlich bekannt und müsse im Fall der Rückkehr in seine Heimat mit der Todesstrafe rechnen. Dies habe nichts mit der Verweigerung des Wehrdienstes in der irakischen Armee zu tun, sondern einzig und allein mit seiner Aktivität als Angehöriger der kurdischen Minderheit. Es sei notorisch, daß die Angehörigen der bewaffneten kurdischen Minderheit, die sich gegen das irakische Regime stellten, wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit und ihrer politischen Einstellung im Falle ihrer Aufgreifung mit schwersten gesundheitlichen Nachteilen bzw. mit dem Tod zu rechnen hätten. Dies treffe auch auf einen namentlich genannten kurdischen Landsmann zu, der seit 1981 einer der Gruppen in den irakischen Bergen angehört habe, für die auch der Beschwerdeführer tätig gewesen sei und der nach seiner Flucht 1991 nach Österreich hier auch Asyl erlangt habe. Es sei unerfindlich, warum einzelne Mitglieder ein und derselben kurdischen Widerstandsgruppe in Österreich Asyl erhielten, andere hingegen nicht. Er habe im Verfahren auch dargetan, daß Angehörige seiner Familie, im besonderen sein Vater, im Irak einem Mordanschlag zum Opfer gefallen sei, der einzig und allein auf die Repression gegen diesen als Angehörigen der kurdischen Minderheit zurückzuführen gewesen sei. Auch auf Grund der Repressionen gegen seine Schwester ergebe sich im Zusammenhalt mit den obigen Ausführungen eine konkrete Gefahr für sein Leben und seine Gesundheit im Falle der Rückkehr in den Irak. Seine Furcht vor Verfolgung sei daher begründet. Der Ausschließungsgrund des Art. 1 Abschnitt F der Konvention liege bei ihm nicht vor. Im übrigen machte der Beschwerdeführer Übersetzungsschwierigkeiten geltend, da die Vernehmung unter Zuhilfenahme eines "ägyptisches" Arabisch sprechenden Dolmetschs durchgeführt worden sei, seine Muttersprache jedoch Kurdisch sei. Sowohl im Rahmen eines zwischenzeitig gestellten Wiederaufnahmsantrags als auch anläßlich der Ergänzung seiner Berufung legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung der Patriotischen Union Kurdistans vom 1. November 1993 vor, die seine Mitgliedschaft beweisen soll.
Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz)bescheid der belangten Behörde wurde die Berufung des Beschwerdeführers (neuerlich) gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen, was die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und der in Anwendung gebrachten gesetzlichen Bestimmungen im wesentlichen damit begründete, die Mitgliedschaft bei einer politischen Gruppierung "allein" sei noch kein Grund für die Anerkennung als Flüchtling, vielmehr sei aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft ableitbar, daß er eine konkrete, individuelle Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zu erdulden oder zu erwarten gehabt hätte. Er habe keinerlei Umstände oder Ereignisse geltend gemacht, welche auf eine derartige Verfolgung hinweisen würden. Er habe lediglich angegeben, für den kurdischen Widerstand Flugblätter verteilt zu haben, habe jedoch nicht erkennen lassen, "wie und warum die irakischen Behörden von Ihrer Tätigkeit Kenntnis erlangt haben sollten". Einem Asylwerber sei jedoch eine wohlbegründete Furcht "allein deswegen, weil er für eine verbotene politische Partei Flugblätter verteilte", noch nicht zuzubilligen. Im übrigen stellten die Ausführungen, er habe von seiner Schwester erfahren, daß der irakische Geheimdienst ihn suche, lediglich Behauptungen dar, weil er "dazu keine konkreten Angaben" habe machen können. Im übrigen fährt die belangte Behörde fort:
"Bloße Behauptungen können jedoch keinesfalls als ausreichend angesehen werden, da asylrelevante Vorfälle GLAUBHAFT gemacht werden müssen. Würde es bereits genügen, wenn das Vorliegen von derartigen, aus subjektiver Sicht betrachteten asylrelevanten Umständen abstrakt möglich wäre, also nicht mit Sicherheit ausgeschlossen ist, so könnte von Beweiswürdigung im eigentlichen Sinne wohl kaum gesprochen werden."
Zum behaupteten Tod seines Vaters führte die belangte Behörde weiters aus, im Asylverfahren könnten nur solche Umstände Berücksichtigung finden, die eine Person unmittelbar beträfen, und daher könnten Ereignisse gegen Familienmitglieder oder andere Personen nicht den gewünschten Verfahrensausgang bewirken. Im übrigen träfen die Auswirkungen eines bürgerkriegsähnlichen Zustandes nahezu alle Angehörigen der jeweiligen Streitparteien im ähnlichen Ausmaß, sodaß Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit in solchen Ausnahmesituationen keine individuelle Verfolgungshandlung im Sinne der Konvention darstellten. Hinsichtlich der behaupteten Wehrdienstverweigerung stellte sich die belangte Behörde auf den Standpunkt, diese sei auch in klassisch-demokratischen und rechtsstaatlichen Ländern mit Strafe bedroht, die Strenge und Art der angedrohten Strafe sei nicht maßgeblich, grundsätzlich sei die Flucht vor einer solchen Bestrafung kein Grund für die Anerkennung als Flüchtling. Die belangte Behörde vertrat die Auffassung, aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei nicht "glaubwürdig ableitbar" gewesen, er habe eine differenzierte Bestrafung im Sinne des hg. Erkenntnisses vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, (eines verstärkten Senates) zu erwarten. Im übrigen habe eine "inländische Fluchtalternative" in der nördlich des 36. Breitengrades eingerichteten Sicherheitszone bestanden, dort habe er eine konkrete, aslyrelevante und individuelle Verfolgung nicht einmal behauptet. Außerdem reiche auch eine subjektive Einstellung zu Umständen, die nach Auffassung des Asylwerbers zur Asylerlangung führen müßten, allein nicht aus, insbesondere nicht die innere Abneigung gegen das in seiner Heimat herrschende System.
Die belangte Behörde wertete darüber hinaus die vorgelegte Bestätigung der Patriotischen Union Kurdistans über die Mitgliedschaft und Tätigkeit des Beschwerdeführers für diese Organisation als unglaubwürdig, sah von der beantragten Einvernahme des namentlich genannten Landsmannes des Beschwerdeführers als nicht mehr entscheidungsrelevant ab und stellte die behaupteten Verständigungsschwierigkeiten mit dem Dolmetsch im Verfahren erster Instanz als bloße Behauptung dar, die zum gewünschten Verfahrensausgang hätte führen sollen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe im gesamten Verfahren immer wieder darauf hingewiesen und vorgebracht, er sei als Angehöriger des kurdischen Widerstandes dem irakischen Regime namentlich bekannt gewesen und vom irakischen Geheimdienst persönlich gesucht worden, weil er einer bewaffneten Widerstandsgruppe angehört habe.
Er habe des weiteren dargetan, daß Repressionen gegen seine Familie ausschließlich politisch motiviert gewesen seien.
Dies ist zutreffend. Die belangte Behörde geht an diesen Behauptungen vorbei, wenn sie als Begründung ihrer abweislichen Entscheidung zunächst davon ausgeht, die Mitgliedschaft bei einer politischen Gruppierung "allein" sei noch kein Grund für die Anerkennung als Flüchtling. Der Beschwerdeführer hat vielmehr seine Fluchtgründe keineswegs "allein" darauf gestützt, einer politischen Gruppierung anzugehören, sondern in diesem Zusammenhang weitere Umstände und Ereignisse geltend gemacht, die im übrigen die belangte Behörde ja auch ihrer weiteren rechtlichen Beurteilung unterzogen hat. Die Behauptung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe keinerlei Umstände oder Ereignisse geltend gemacht, welche auf eine derartige (gemeint: asylrelevante) Verfolgung hinweisen würden, ist unverständlich angesichts der sehr dezidierten und in allen Darlegungen der Fluchtgründe gleichlautenden Behauptungen des Beschwerdeführers zu seiner persönlichen Situation. Im übrigen zitiert die belangte Behörde auf Seite 7 des angefochtenen Bescheides aktenwidrig, der Beschwerdeführer habe "lediglich" angegeben, für den kurdischen Widerstand Flugzettel verteilt zu haben, da der Beschwerdeführer anläßlich seiner Ersteinvernahme bereits betont hat, aktiver Widerstandskämpfer (und zwar ca. 10 Jahre) gewesen zu sein und "auch" Flugzettel verteilt zu haben. Der Beschwerde ist in diesem Zusammenhang zuzugeben, daß es nicht Sache des Beschwerdeführers sein kann, nachzuweisen, wie und warum die irakischen Behörden von seiner Tätigkeit Kenntnis erlangt haben. Es hieße den Bogen überspannen, wollte man von einem Asylwerber verlangen, vor seiner Flucht zunächst festzustellen, auf welchem Wege sich der Geheimdienst seines Landes Informationen über Regimegegner und Widerstandskämpfer beschafft habe. Da aber nicht ausgeschlossen werden kann, daß Geheimdienste derlei Informationen auch auf anderem Wege als durch direkte Befragung der Betroffenen erhalten, erweist sich diese Darstellung nicht a priori als unglaubwürdig. Die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinn des § 1 Z. 1 AsylG 1991 (bzw. des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) muß "glaubhaft" gemacht werden, d. h. daß den BEHAUPTUNGEN eines Asylwerbers ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit zugrunde liegen muß. Ein über die Würdigung dieser Behauptungen hinausgehendes Beweisverfahren verlangt weder die Genfer Konvention noch das AsylG 1991. Der Akt der Beweiswürdigung ist aber in einem Bescheid erkennbar und nachvollziehbar darzulegen. Die Gedankengänge der Behörde zur Beweiswürdigung, d.h. zur Würdigung der von ihr aufgenommenen Beweisergebnisse in bezug auf deren Wahrheitsgehalt, müssen daher auch für den Verwaltungsgerichtshof schlüssig und nachvollziehbar sein. Die Wertung der Aussage des Beschwerdeführers, er habe von seiner Schwester erfahren, daß der irakische Geheimdienst bereits auf der Suche nach ihm gewesen sei, "lediglich als Behauptung" entbehrt jeglicher Begründung im oben aufgezeigten Sinne. Dementsprechend entbehren auch die weiteren oben wörtlich wiedergegebenen Ausführungen der belangten Behörde der gesetzlichen Grundlage und sind nicht nachvollziehbar.
Insoweit die Beschwerde rügt, daß die belangte Behörde ihren abweislichen Bescheid u.a. auch damit begründete, Ereignisse gegen Familienmitglieder oder andere Personen könnten den gewünschten Verfahrensausgang nicht bewirken, ist den diesbezüglichen Beschwerdeausführungen vollinhaltlich beizupflichten, insbesondere da der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren AUSDRÜCKLICH BETONT HAT, weder die Repressalien gegen seine Schwester, noch auch den Gifttod seines Vaters als eigenen Asylgrund geltend machen zu wollen, und er diese Umstände lediglich zur Dartuung seiner Gesamtsituation quasi illustrativ geschildert hat. Auch der Argumentation der belangten Behörde, "bürgerkriegsähnliche Zustände" beträfen "nahezu alle Angehörigen der jeweiligen Streitparteien in einem ähnlichen Ausmaß", sie könnten daher keine individuelle Verfolgungsgefahr im Sinne der Konvention darstellen, ist in dieser generellen Aussage zu widersprechen. Die Behörde verkennt, daß der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren deutlich gemacht hat, aktiver Widerstandskämpfer gegen das Regime Saddam Husseins gewesen zu sein. Damit läßt sich seine Person aber schwerlich mit "nahezu allen Angehörigen" der jeweiligen Streitparteien identifizieren. Die weitere Begründung der belangten Behörde betreffend eine angeblich vom Beschwerdeführer behauptete Wehrdienstverweigerung geht am Akteninhalt gänzlich vorbei, da der Beschwerdeführer in seiner Berufungsergänzung ausdrücklich erläutert hat, die von ihm angenommene Verfolgung habe nichts mit der Verweigerung des Wehrdienstes in der irakischen Armee zu tun, sondern einzig und allein mit seiner Aktivität als Widerstandskämpfer und Angehöriger der kurdischen Minderheit (Seite 2 der Berufungsergänzung).
Ebensowenig nachvollziehbar ist der Hinweis der belangten Behörde auf eine "bloß innere Abneigung gegen das ...... herrschende System", wurde doch bereits wiederholt dargetan, daß gerade beim Beschwerdeführer keineswegs eine bloß innere Abneigung vorlag, sondern diese sich bereits in nach außen zutage tretenden Aktivitäten manifestiert hat.
Geht die belangte Behörde des weiteren - ohne den Beschwerdeführer hiezu zu hören - davon aus, es habe für ihn eine "inländische Fluchtalternative" in der nördlich des 36. Breitengrades eingerichteten Schutzzone gegeben, so wendet sich der Beschwerdeführer gegen diese Annahme, ohne gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG zu verstoßen, in beachtlicher Weise mit dem Argument, es sei in keiner Weise gewährleistet gewesen, daß der irakische Geheimdienst seine Tätigkeit nicht auch nördlich des 36. Breitengrades entfalte (Geheimdienste hätten sich von derartigen Sicherheitszonen bisher wenig beeindruckt gezeigt), und daß angesichts der vom Beschwerdeführer dargestellten Versuche, seiner Person habhaft zu werden, auch die nordirakische Sicherheitszone für ihn nicht als sicherer Aufenthaltsort erscheine. Damit legt aber der Beschwerdeführer hinreichend dar, daß die belangte Behörde im Hinblick darauf, daß sie von dem Vorliegen einer "inländischen Fluchtalternative" ausgegangen ist, ohne auf die Behauptung des Beschwerdeführers näher einzugehen, die irakischen Truppen seien gegen die Widerstandskämpfer eingesetzt und mit deren Ausrottung beauftragt worden, sowie ohne dem Beschwerdeführer anderslautende Ermittlungsergebnisse im Rahmen des Parteiengehörs zur Stellungnahme vorzuhalten, verfahrensrechtliche Vorschriften verletzt hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer diesbezüglich Ausreichendes vorgebracht hat, wären dem widersprechende Ermittlungsergebnisse gesondert vorzuhalten gewesen.
Die belangte Behörde belastete ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
Schlagworte
Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995200256.X00Im RIS seit
20.11.2000