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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §12 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Holeschofksy, Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des DP in W, vertreten durch die Mutter BP, diese vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. November 1994, Zl. 103.515/5-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. November 1994 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 9 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in der Fassung vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 9 Abs. 3 a. F. AufG sei die Erteilung weiterer Bewilligungen ausgeschlossen, wenn die in § 2 Abs. 1 AufG und der darauf beruhenden Verordnung festgelegte Anzahl von Bewilligungen erreicht sei. Ab diesem Zeitpunkt seien anhängige Anträge, die sich nicht auf den in § 3 AufG verankerten Rechtsanspruch stützten, abzuweisen. Für das Bundesland Wien sei in der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem AufG für 1994, BGBl. Nr. 72/1994, eine Höchstzahl von 4300 Bewilligungen festgesetzt. Diese sei "nunmehr" erreicht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich auf einfachgesetzlicher Ebene in seinem Recht auf Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt und beantragte, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bestreitet die Anwendbarkeit der von der belangten Behörde als Abweisungsgrund herangezogenen Gesetzesbestimmung mit der Behauptung, er sei Staatsangehöriger der Republik Bosnien-Herzegowina und nicht der "Bundesrepublik Jugoslawien". In seinem Reisedokument sei ein vorläufiges Aufenthaltsrecht gemäß § 12 AufG für den Zeitraum 2. September 1993 bis 30. Juni 1994 ersichtlich gemacht. Sein (am 24. Juni 1994 gestellter) Antrag sei daher in Wahrheit nicht als Erstantrag, sondern als "Verlängerungsantrag" zu werten.
Dem ist zunächst entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer in seinem Bewilligungsantrag unter der Rubrik "Staatsangehörigkeit(en)" ausschließlich "Jugoslawien" angegeben hat. Auch der im Bescheid der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Tatsachenannahme, er sei "nunmehr ein jugoslawischer Staatsbürger", trat er in seiner Berufung mit keinem Wort entgegen. Zwar trifft es zu, daß der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren auch sein abgelaufenes Reisedokument vorgelegt hat, in dem ein vorläufiges Aufenthaltsrecht gemäß § 12 AufG (nach seinen Behauptungen bis 30. Juni 1994) ersichtlich gemacht worden war. Diese Ersichtlichmachung verschaffte dem Beschwerdeführer aber kein originäres - von seiner tatsächlichen Staatsangehörigkeit unabhängiges - vorläufiges Aufenthaltsrecht im Sinne dieser Gesetzesbestimmung.
Selbst wenn der Beschwerdeführer jedoch Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina wäre, wäre für ihn nichts gewonnen. Gemäß § 2 der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (Datum der Zustellung: 22. Dezember 1994) in Kraft gestandenen Verordnung BGBl. Nr. 368/1994 konnten Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, auf die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 dieser Verordnung zutrafen und die sich mit ihren Familien bereits längere Zeit in Österreich aufhielten, im Hinblick auf eine zwischenzeitig erfolgte teilweise Integration bei der Erteilung von Bewilligungen im Rahmen der Übergangsregelung des § 13 AufG bevorzugt berücksichtigt werden. Die Zugehörigkeit zu dem in § 1 Abs. 1 dieser Verordnung zitierten Personenkreis setzte jedoch voraus, daß die Einreise des Fremden vor dem 1. Juli 1993 erfolgt war. Auf Fremde, denen ein aus § 1 Abs. 2 dieser Verordnung abgeleitetes Aufenthaltsrecht zukam, war deren § 2 nicht anwendbar. Daß der Beschwerdeführer vor dem 1. Juli 1993 eingereist wäre, wurde von ihm weder im Verwaltungsverfahren noch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof behauptet.
Aus diesen Erwägungen hatte die belangte Behörde - ungeachtet der Frage, ob (wie § 2 der in Rede stehenden Verordnung offenbar intendiert) das vorläufige Aufenthaltsrecht gemäß § 12 AufG als "Bewilligung" im Sinne der §§ 4 Abs. 1 letzter Satz, 13 Abs. 1 AufG aufzufassen ist (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1996, Zl. 95/21/0115) - im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides am 22. Dezember 1994 § 9 Abs. 3 AufG in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 anzuwenden. Demnach durften, sobald die gemäß § 2 Abs. 1 AufG in Verbindung mit der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1994, BGBl. Nr. 72/1994, festgelegte Anzahl von Bewilligungen erreicht war, keine weiteren Bewilligungen erteilt werden. Anträge, die sich nicht auf § 3 AufG stützten, waren abzuweisen. Vor dem Hintergrund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 29. Juni 1995, B 2318/94, sind auch beim Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Gesetzesbestimmung entstanden.
Der Beschwerdeführer tritt der Annahme der belangten Behörde, wonach - bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Entscheidung - jedenfalls bereits 4300 Bewilligungen für das Bundesland Wien erteilt wurden, nicht entgegen, argumentiert jedoch dahingehend, er hätte im Falle der Gewährung von Parteiengehör zum gebrauchten Abweisungsgrund dargelegt, er sei noch im schulpflichtigen Alter und könne daher "nicht mit "Höchstzahl", "Erschöpfung der Höchstzahlen" und ähnlichen in Blockbauweise gespeicherten Standardbegründungen in Verbindung gebracht werden". Dieser Argumentation ist jedoch entgegenzuhalten, daß die Anwendung des § 9 Abs. 3 a.F. AufG sowie des § 1 Abs. 1 und Abs. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 72/1994 vom Alter und von der Schulpflicht des Fremden unabhängig zu erfolgen hat.
Auch eine Verschiebung des Antrages aus dem Grunde des § 9 Abs. 3 erster Satz, erster Halbsatz, a.F. AufG hatte nicht zu erfolgen. Ein auf § 3 AufG gestützter Antrag lag nicht vor. Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 a.F. AufG war ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung, oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 leg. cit. rechtmäßig ohne Bewilligung seit mehr als zwei Jahren ihren (ordentlichen Wohnsitz) Hauptwohnsitz in Österreich hatten, eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund vorlag. Nach den Behauptungen des Beschwerdeführers wurde auch im Reisedokument seiner Mutter ein vorläufiges Aufenthaltsrecht für den Zeitraum 2. September 1993 bis 30. Juni 1994 ersichtlich gemacht. Auch in Ansehung seiner Mutter hat der Beschwerdeführer jedoch in seinem Bewilligungsantrag als Staatsangehörigkeit "Jugoslawien" angegeben. Die belangte Behörde konnte daher nicht davon ausgehen, daß seine Mutter als Staatsangehörige Bosnien-Herzegowinas ein vorläufiges Aufenthaltsrecht gemäß § 12 AufG hatte. Überdies sind Berechtigungen nach § 12 AufG von § 3 Abs. 1 Z. 2 a.F. AufG nicht umfaßt.
Aus diesem Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995191016.X00Im RIS seit
02.05.2001