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E000 EU- Recht allgemeinNorm
AVG §56Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision der Datenschutzbehörde in 1030 Wien, Barichgasse 40-42, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. April 2022, Zl. W258 2247028-1/11E, betreffend eine datenschutzrechtliche Angelegenheit (mitbeteiligte Partei: O Aktiengesellschaft in Wien, vertreten durch die Cerha Hempel Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Parkring 2), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Die Revisionswerberin leitete aufgrund von Medienberichten, wonach die mitbeteiligte Partei im Zuge unternehmensinterner Ermittlungen Diensthandys und dienstliche E-Mail-Accounts einiger ihrer Mitarbeiter überwacht habe, ein amtswegiges Prüfverfahren ein. Zusammengefasst gab die mitbeteiligte Partei in der ihr aufgetragenen Stellungnahme zu dem vorgehaltenen Sachverhalt an, die Überwachung sei zum Zweck der Untersuchung einer unternehmensinternen Indiskretion in Zusammenhang mit dem Verkauf eines Geschäftsbereichs erfolgt, die zu einem Schaden in Millionenhöhe geführt habe. Die mitbeteiligte Partei sei daher zu dieser Untersuchung aus gesellschaftsrechtlichen Gründen verpflichtet gewesen.
2 2. Mit Bescheid vom 29. Juli 2021 sprach die Revisionswerberin aus, „das amtswegige Prüfverfahren war berechtigt und es wird festgestellt, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten von 73 Personen zwischen Jänner und März 2021 für Zwecke interner Ermittlungen auf Basis der angegebenen Rechtsfertigungstatbestände (§ 1 Abs. 2 DSG, Art. 6 Abs. 1 lit. a und ersatzweise lit. f DSGVO) unrechtmäßig war“.
3 Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
4 3. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde der mitbeteiligten Partei Folge und behob den angefochtenen Bescheid ersatzlos. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
5 In seiner Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Dezember 2021, Ro 2020/04/0032, aus, es bestehe für die Revisionswerberin keine rechtliche Grundlage für einen selbständigen Abspruch über die allfällige Berechtigung der Durchführung eines Verfahrens im Sinne des Art. 58 Abs. 2 DSGVO bzw. der allfälligen Rechtswidrigkeit des jeweils anlassgebenden Verarbeitungsvorgangs. Eine analoge Anwendung des § 24 DSG, welcher der Durchsetzung allfälliger Ansprüche der von datenschutzrechtlich relevanten Vorgängen betroffenen Personen diene, komme mangels planwidriger Lücke nicht in Betracht. Der angefochtene Bescheid sei somit ohne Rechtsgrundlage ergangen und daher ersatzlos zu beheben.
6 4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision.
7 5. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 5.1. Vorweg ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof in dem bereits vom Bundesverwaltungsgericht zitierten Erkenntnis ausgeführt hat, dass keine rechtliche Grundlage für einen selbständigen Abspruch über die allfällige Berechtigung der Durchführung eines Verfahrens im Sinne des Art. 58 Abs. 2 DSGVO bzw. der allfälligen Rechtswidrigkeit des jeweils anlassgebenden Verarbeitungsvorgangs besteht (vgl. VwGH 14.12.2021, Ro 2020/04/0032).
11 Art. 58 DSGVO enthält keine ausdrückliche rechtliche Grundlage für eine selbständige Feststellung über die allfällige Rechtswidrigkeit eines datenschutzrechtlich relevanten Verarbeitungsvorgangs in einem amtswegig eingeleiteten Verfahren durch die Datenschutzbehörde. § 24 DSG sieht zwar die Möglichkeit der Feststellung einer Verletzung in einem datenschutzrechtlich geschützten Recht über Antrag einer betroffenen Person vor. Diese Bestimmung regelt jedoch die Individualbeschwerde einer in ihrem Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten verletzten Person und ist auf das von der Datenschutzbehörde amtswegig eingeleitete Verfahren nicht direkt anwendbar (vgl. wiederum VwGH 14.12.2021, Ro 2020/04/0032). Eine analoge Anwendung des § 24 DSG auf das amtswegig geführte Prüfverfahren im Sinne des Art. 58 Abs. 2 DSGVO lehnte der Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis bereits ab.
12 5.2. Die vorliegende Revision bringt zur Begründung der Zulässigkeit vor, es handle sich - abweichend von dem VwGH 14.12.2021, Ro 2020/04/0032 zugrundeliegenden Sachverhalt - fallbezogen um eine in der Vergangenheit liegende, bereits abgeschlossene Rechtsverletzung, die keiner Abhilfebefugnis im Sinne des Art. 58 Abs. 2 DSGVO zugänglich sei. Das Bundesverwaltungsgericht sei insofern von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen.
13 Dem ist zu erwidern, dass der Verwaltungsgerichtshof den oben wiedergegebenen Rechtssatz nicht etwa auf den Umstand stützte, die Revisionswerberin habe dort als zuständige Datenschutzbehörde ohnehin Abhilfebefugnisse im Sinne des Art. 58 Abs 2 DSGVO wahrgenommen, weshalb keine selbstständige Feststellung der Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Behörde bzw. der Rechtswidrigkeit des betreffenden Verarbeitungsvorgangs zu treffen sei. Vielmehr wurde dort klargestellt, dass schlicht keine Rechtsgrundlage für einen Feststellungsanspruch der Revisionswerberin im Falle eines gemäß Art. 58 Abs. 2 DSGVO amtswegig eingeleiteten Prüfverfahrens - im Unterschied zu einem Verfahren über eine Individualbeschwerde im Sinne des § 24 DSG - vorliegt.
14 Der von der Revision ins Treffen geführte Unterschied des dem Erkenntnis VwGH 14.12.2021, Ro 2020/04/0032 zugrundeliegenden Sachverhalts ändert somit nichts an der Anwendbarkeit des dort festgehaltenen Rechtssatzes auch im vorliegenden Fall.
15 5.3. Insofern die Revision ausführt, es sei zu klären, ob es einer Aufsichtsbehörde im Rahmen eines amtswegigen Prüfverfahrens möglich sei, „Sachverhalte zu prüfen und von einer Befugnis nach Art. 58 DSGVO Gebrauch zu machen, selbst wenn die Rechtsverletzung zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits abgeschlossen ist und der Ausspruch einer Verwarnung nach Art. 58 Abs. 2 lit. b sowie die Verhängung einer Geldbuße nach Abs. 2 lit. i DSGVO nicht in Betracht kommen“, ist nicht ersichtlich, welche konkrete „Befugnis nach Art. 58 DSGVO“ die Revisionswerberin hier anspricht. Eine über den Katalog des Art. 58 DSGVO hinausgehende Befugnis wurde der Revisionswerberin als Aufsichtsbehörde im Sinne der DSGVO vom österreichischen Gesetzgeber nicht eingeräumt. Dass eine über die Ausführungen in Ro 2020/04/0032 hinausgehende Klarstellung der Rechtslage erforderlich wäre, wird hiermit nicht aufgezeigt.
16 Ob im vorliegenden Fall eine Verwarnung im Sinne des Art. 58 Abs. 2 lit. b DSGVO ausgesprochen hätte werden können, ist schon deshalb nicht zu klären, weil die Revisionswerberin von dieser Befugnis explizit keinen Gebrauch gemacht hat. Ebenso verhält es sich mit der Befugnis, allenfalls eine Geldbuße gemäß Art. 58 Abs. 2 lit. i DSGVO zu verhängen. Gerade die Einräumung dieser zuletzt genannten Befugnisse durch die DSGVO widerlegt aber die Argumentation der Revisionswerberin, es sei ihr ohne Zugeständnis der hier strittigen Feststellungsbefugnis nicht möglich, abgeschlossene Rechtsverletzungen zu ahnden, weil sich die vorgesehene Verwarnung jedenfalls und die Geldbuße allenfalls auf bereits abgeschlossene Rechtsverletzungen beziehen.
17 5.4. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 1. September 2022
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022040066.L00Im RIS seit
04.10.2022Zuletzt aktualisiert am
04.10.2022