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95/08 Sonstige Angelegenheiten der Technik;Norm
IngG 1990 §16 Abs1 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des Ing. L in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 31. Oktober 1994, Zl. 91 505/23-III/7/94, betreffend Standesbezeichnung "Diplom-HTL-Ingenieur", zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde das Ansuchen des Beschwerdeführers, ihm die Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Diplom-HTL-Ingenieur" zu verleihen, abgewiesen.
Zur Begründung wurde im wesentlichen (nach Darlegung der Rechtslage) ausgeführt, daß der Beschwerdeführer die staatliche Ingenieurschule in Wien 9 besucht und am 19. März 1942 durch die Ablegung der Ingenieurprüfung abgeschlossen habe. Laut eigener Angaben sei er zum gerichtlich beeideten Sachverständigen für Aufzüge bestellt. Der Beschwerdeführer habe seinem Antrag als "schriftliche Arbeit" im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 3 Ingenieurgesetz 1990 vier Gutachten beigelegt, von denen nur zwei im Gerichtsauftrag erstellt, die beiden anderen offenbar Privatgutachten seien: Das erste Gutachten an das Amt der Tiroler Landesregierung vom 4. Juli 1994 über den "Umbau von Gleichstromantrieb auf geregelten Drehstromantrieb" einer Aufzugsanlage der Universität Innsbruck beschäftige sich fünf Textseiten lang mit dem Getriebe, der Triebwerksbremse, den Treibscheiben, der Getriebehauptwelle, den Geschwindigkeitsbegrenzern, den Fahrkorbeinsätzen u.ä. und nur insofern mit elektrotechnischen Überlegungen, als es feststelle, daß der Gleichstrommotor durch einen "Spezial Asynchronmotor" ersetzt und die Relaissteuerung durch eine Mikroprozessorensteuerung erneuert werde. Im einzelnen würden die Erneuerungsarbeiten bezüglich Triebwerksraum, Geschwindigkeitsbegrenzer, Schacht und Kabinen angeführt und nur in einem weiteren Punkt elektrische Einrichtungen erwähnt. Im zweiten Gutachten an die Interunfall Versicherung AG vom 9. Februar 1994 über die Ursachen eines Unfalles, wobei die Ungenauigkeit einer Fahrkorbabstellung auslösend gewesen sei, komme der Beschwerdeführer zum Ergebnis, "Abhilfe könne dadurch geschaffen werden, daß man neue Verriegelungen mit Fehlschließsicherungen einbaut". Nach Ansicht des Beschwerdeführers und der vorher erwähnten Versuche, könne es auf Grund des hohen Alters der Anlage - ca. 20 Jahre - zu Fehlschaltungen kommen. Fehlschaltungen könnten auch bei neuen Aufzügen auftreten, nur die Wahrscheinlichkeit, daß sie auftreten würden, sei bei älteren Aufzügen größer. Das dritte Gutachten an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien vom 12. Oktober 1993 im Umfang von drei Seiten beschreibe im halbseitigen Befund den befundgegenständlichen Personenaufzug und stelle fest, daß der Ölbehälter nicht wasserdicht abgedeckt gewesen sei, was die Auswechslung des Hydrauliköles erforderlich machte. Das letzte Gutachten an das Handelsgericht Wien vom 28. Juni 1994 beschäftigte sich sieben Seiten lang mit drei Personenaufzügen und komme zum Ergebnis, daß die Anlagen zu reinigen, die Schachtverglasung zu erneuern, der Schacht abzudichten, der Fußboden vor den Ladestellen fertigzustellen seien, daß der Schutzanstrich und die Schacht- und Fahrkorbbeleuchtung fehlten und daß die Führungsschienen am Fundamenterder anzuschließen seien. Mit Schreiben vom 30. September 1994 habe das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten dem Beschwerdeführer mitgeteilt, daß diese Gutachten nicht geeignet seien, das Erfordernis der schriftlichen Arbeit zu erfüllen, weil sie sich nur in geringem Umfang mit elektrotechnischen Fragen auseinandersetzten und auf dem Gebiet des Maschinenbaues ihren Schwerpunkt hätten. Wenn die schriftliche Arbeit die verlangten Kriterien erfüllen sollte, müßte sie aber auf dem Gebiet der Elektrotechnik eingehende und umfassende Kenntnisse dartun. In seiner Stellungnahme vom 12. Oktober 1994 habe der Beschwerdeführer diese Ansicht als unrichtig bezeichnet, weil das erste Gutachten ein elektrotechnisches Gutachten sei, das bei einer geschätzten Gesamtauftragssumme von ca. 4 Mio. Schilling nur etwa 10 % für die Verschönerungsarbeiten einsetze. Beim Gutachten für die I-Versicherung AG sei beschrieben, daß es bei Öffnungsversuchen an einer Schachttüre zum Öffnen eines Türschalters gekommen sei, was der ursächliche Grund des Gebrechens gewesen sei. Bei den beiden anderen Gutachten sei die Elektrotechnik in den Hintergrund getreten, aber ohne elektrische Einrichtungen würden Aufzüge nicht funktionieren. Es gäbe, nach Ansicht des Beschwerdeführers, keinen Aufzugfachmann, der nicht über beide Fachgebiete bestens informiert sei. Außerdem habe er ein weiteres Gutachten als schriftliche Arbeit vorgelegt. Dieses eineinhalb Textseiten lange Gutachten aus dem Jahre 1970 habe von der Prüfung eines von 10 gleichen Aufzüge gehandelt und sich mit der Steuerscheibe des Kopierwerkes, dem Fahrkorbfußboden, den Wendeschützen, den Schachttüren und der Bremskonstruktion befaßt. Auch hier seien elektrotechnische Überlegungen - wenn auch in größerem Maße, als in den anderen Gutachten - nur ein Teil des Gutachtens. Die schriftliche Arbeit müsse geeignet sein, eingehende und umfassende Kenntnisse, im vorliegenden Fall auf dem Gebiet der Elektrotechnik nachzuweisen. Solche Kenntnisse müßten den Lehrplänen der einschlägigen höheren Lehranstalt gemäß die Meß-, Steuerungs- und Regelungstechnik, elektrische Maschinen und Stromrichter, elektrische Anlagen und die Elektronik beinhalten. Die vorgelegten Gutachten, die schon ihrem Umfang nach zum Nachweis solcher Kenntnisse keinen Raum böten, erforderten solche eingehenden und umfassenden Kenntnisse nicht. Es sei nicht zu beurteilen gewesen, welche Voraussetzungen ein Aufzugsfachmann aufweisen müsse, sondern ob die vom Beschwerdeführer vorgelegte schriftliche Arbeit den zwingenden Bestimmungen entspreche.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluß vom 11. Jänner 1995, B 2676/94-3, deren Behandlung ablehnte und die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem "Recht, zur Prüfung gemäß § 18 IngG zugelassen zu werden" sowie "daß die von ihm gemäß § 16 (3) Z. 3 IngG vorgelegte schriftliche Arbeit von einem Sachverständigenkollegium geprüft wird und in dem Recht, daß über sein Ansuchen auf Verleihung der Berechtigung zur Führung der Bezeichnung "Diplom-HTL-Ingenieur" erst nach Ablegung der Prüfung bescheidmäßig abgesprochen wird", verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes wird im wesentlichen vorgebracht, der angefochtene Bescheid überprüfe in unzulässiger Weise die Qualifikation einer vorgelegten schriftlichen Arbeit, ob sie geeignet sei, die erforderlichen Kenntnisse des Antragstellers nachzuweisen. Diese Überprüfung stehe der Behörde nicht zu. Gemäß § 18 Abs. 1 sowie Abs. 4 zweiter Satz Ingenieurgesetz 1990 und § 2 der Verordnung zum § 18 Ingeniergesetz 1990 sei ausschließlich das Sachverständigenkollegium im Zuge der Prüfung hiezu berechtigt. Der Einschreiter habe als schriftliche Arbeit seine Gutachten auf dem Gebiet des Aufzugsbaus vorgelegt. Dieser Aufzugsbau bedürfe umfassender Kenntnisse sowohl der mechanischen Teile der Anlage als auch insbesondere auf dem Gebiet der Elektrotechnik. Anders wären Defekte oder sonstige Zustände des Aufzuges nicht zu begutachten. Mit dem Gutachten seien also Kenntnisse auf dem Gebiet der Elektrotechnik jedenfalls nachgewiesen (ob sie umfassend genug seien, solle die Prüfungskommission entscheiden). Bei den Voraussetzungen der Verleihung des Titels im § 16 Abs. 1 Z. 3 Ingenieurgesetz 1990 sei lediglich das Vorliegen einer schriftlichen Arbeit verlangt, nicht jedoch, daß diese selbst den Nachweis der umfassenden Kenntnisse darstelle. Erst in der Verordnung zu der Bestimmung, die die Prüfung regle, sei der Inhalt der schriftlichen Arbeit näher definiert. Die inhaltliche Beurteilung sei demnach dem Sachverständigenkollegium vorbehalten und eine derartige Maßnahme der belangten Behörde inhaltlich und verfahrensrechtlich rechtswidrig. Im übrigen werde das Vorbringen der ursprünglichen Beschwerde (an den Verfassungsgerichtshof) wiederholt.
Gemäß § 16 Abs. 1 Ingenieurgesetz 1990, BGBl. Nr. 461 in der Fassung BGBl. Nr. 512/1994, ist die Berechtigung zur Führung der Bezeichnung "Diplom-HTL-Ingenieur" vom Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten über Antrag zu verleihen, wenn der Antragsteller
1.
die Reifeprüfung nach dem Lehrplan einer inländischen höheren technischen Lehranstalt erfolgreich abgelegt hat,
2.
nach der Reifeprüfung eine mindestens sechsjährige Berufspraxis, bei der die an der höheren technischen Lehranstalt erworbenen, für das Fachgebiet wesentlichen technischen Kenntnisse angzuwenden waren, zurückgelegt hat,
3.
durch die Vorlage einer schriftlichen Arbeit auf seinem Fachgebiet eingehende und umfassende Kenntnisse nachweist und
4.
eine fachliche Prüfung vor Sachverständigen erfolgreich abgelegt hat.
Gemäß § 18 Abs. 1 leg. cit. ist die Prüfung gemäß § 16 Abs. 1 Z. 4 vor einem Sachverständigenkollegium abzulegen, in das der Bundesminister für Unterricht und Kunst und der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung je einen fachkundigen Vertreter entsenden. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten bestellt eine fachkundige Person als Vorsitzenden des Sachverständigenkollegiums. Auf Antrag des Antragstellers ist die fachliche Prüfung öffentlich abzuführen.
Gemäß § 18 Abs. 4 hat sich die Prüfung umfassend auf Fragen des Fachgebietes des Antragstellers und auf die schriftliche Arbeit (§ 16 Abs. 1 Z. 3 bzw. § 16 Abs. 2 Z. 3) zu erstrecken. Die Beurteilung der schriftlichen Arbeit und der Prüfung hat nur dann mit "bestanden" zu erfolgen, wenn das Sachverständigenkollegium mit Stimmeneinhelligkeit zu diesem Kalkül gelangt.
Es ist zunächst festzuhalten, daß das Gesetz Regelungen über die Zulassung zur Prüfung vor dem Sachverständigenkollegium nicht kennt (anders z.B. die GewO 1994 hinsichtlich der Zulassung zur Meisterprüfung; vgl. deren §§ 18 Abs. 3 sowie auch 28 Abs. 6).
Das Ingenieurgesetz 1990 sieht (hier: für die Berechtigung zur Führung der Bezeichnung "Diplom-HTL-Ingenieur") in dessen § 16 Abs. 1 (lediglich) vor, daß die dort in den Ziffern 1 bis 4 genannten Voraussetzungen vorliegen müssen. Das Gesetz bietet insbesondere keinen Anhaltspunkt dafür, daß die schriftliche Arbeit nach § 16 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. einer Zwischenbeurteilung zu unterziehen ist. Wenn daher die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift darauf verweist, es müsse von der Behörde geradezu verlangt werden, daß sie die Zwischenbeurteilung der schriftlichen Arbeit vornehme und nur geeignete Arbeiten der Beurteilung durch das Sachverständigenkollegium überlasse, "weil dieses ja gemäß § 18 Abs. 4 Ingenieurgesetz 1990 in ihrer Beweisaufnahme u.a. auf die schriftliche Arbeit eingeschränkt ist", so vermag sie sich auf keine gesetzliche Grundlage zu berufen.
Die (fachliche) Beurteilung darüber, ob der Antragsteller durch die Vorlage einer schriftlichen Arbeit auf seinem Fachgebiet eingehende und umfassende Kenntnisse nachweist, steht vielmehr dem Sachverständigenkollegium zu. Wie sich aus dem oben wiedergegebenen § 18 Abs. 4 zweiter Satz Ingenieurgesetz 1990 ergibt, hat nämlich das Kalkül des Sachverständigenkollegiums nicht nur die Beurteilung der Prüfung sondern auch der schriftlichen Arbeit zu umfassen.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand (nur Ersatz der Stempelgebühren für die - in zweifacher Ausfertigung vorzulegende - Beschwerdeergänzung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren; vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. September 1983, Zl. 83/17/0145).
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995040026.X00Im RIS seit
20.11.2000