TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/23 96/11/0044

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Veröffentlicht am 23.04.1996
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Index

90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §73 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des Thomas W in Augsburg, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 19. Jänner 1996, Zl. IIb2-K-3284/1-1996, betreffend Aberkennung des Rechtes, von einem ausländischen Führerschein Gebrauch zu machen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 86 Abs. 1a KFG 1967 für die Dauer von vier Monaten das Recht aberkannt, von seinem deutschen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe am 22. August 1994 um

17.20 Uhr einen in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen PKW auf einer näher bezeichneten Gemeindestraße in Tirol in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und infolge überhöhter Fahrgeschwindigkeit einen Verkehrsunfall verschuldet.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, daß nicht er, sondern sein Bruder Peter W Lenker des PKWs gewesen sei, sei nach der Aktenlage unglaubwürdig. Aus der Aussage des Meldungslegers ergebe sich nämlich, daß eine Verwechslung der Identität nicht vorliegen könne. Der Beschwerdeführer habe sich damals mit einem gültigen, nicht gefälschten deutschen Personalausweis ausgewiesen. Das Photo im Personalausweis sei mit dem Kfz-Lenker identisch gewesen. Die Zulassungsbesitzerin Ursula W habe bei ihrer Vernehmung vom 22. August 1994 immer von "meinem Schwager Thomas W" gesprochen. Es könne daher dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht gefolgt werden, daß Ursula W bestätigt habe, sich nicht mit dem Beschwerdeführer in B. (in Tirol) aufgehalten zu haben. Die von den Rechtsvertretern des Beschwerdeführers aufgestellte Vermutung, es habe sich bei dem Kfz-Lenker um Peter W, den Bruder des Beschwerdeführers, gehandelt, scheine aus der Luft gegriffen und durch nichts belegt. Eine Entziehungsmaßnahme bzw. die Aberkennung des Rechtes, von einem ausländischen Führerschein Gebrauch zu machen, könne selbstverständlich auch nach einem Zeitraum von ca. eineinhalb Jahren noch ergriffen werden. Es wäre nämlich bedenklich, eine Entziehungsmaßnahme von der Länge der Verfahrensdauer abhängig zu machen. Bei der Festsetzung der "Sperrfrist" sei nach den Wertungskriterien des § 66 Abs. 3 KFG 1967 davon auszugehen, daß "Übertretungen gemäß § 99 StVO 1960" zu den schwersten Delikten im Straßenverkehr gehörten. Überdies habe der Beschwerdeführer einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verschuldet. Die Entziehungsdauer sei zur Wiederherstellung der Verkehrszuverlässigkeit erforderlich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus diesen Gründen beantragt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf die vom Beschwerdeführer geltend gemachte

- ausschließlich die Frage der Täterschaft des Beschwerdeführers betreffende - Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wegen der Unvollständigkeit des Ermittlungsverfahrens und der mangelnden Berücksichtigung der vorliegenden Beweise in der Begründung des angefochtenen Bescheides brauchte nicht weiter eingegangen zu werden, weil sich der angefochtene Bescheid aus folgenden Erwägungen als inhaltlich rechtswidrig erweist:

Nach § 86 Abs. 1a erster Satz KFG 1967 kann das Recht, von einem ausländischen Führerschein (§ 84) Gebrauch zu machen, aberkannt werden, wenn die im § 73 angeführten Gründe für die Entziehung der Lenkerberechtigung vorliegen. Zufolge § 86 Abs. 1a zweiter Satz leg. cit. gilt § 75a sinngemäß. Diese Bestimmung, die das Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern behandelt, ordnet ihrerseits die sinngemäße Anwendung der §§ 73 Abs. 2 und 3, 74 Abs. 3, 75 Abs. 1 bis 3 und 78 an.

Die im § 86 Abs. 1a KFG 1967 genannte Maßnahme kann unter anderem dann ergriffen werden, wenn der Besitzer einer ausländischen Lenkerberechtigung nicht mehr im Sinne des § 66 verkehrszuverlässig ist. Gemäß § 66 Abs. 2 lit. e leg. cit. hat als bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn jemand ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 SPG zu beurteilen ist. Bei der im Grunde des § 66 Abs. 3 leg. cit. vorzunehmenden Wertung der im Abs. 1 angeführten Tatsachen sind bei strafbaren Handlungen ihre Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend. Die selben Kriterien sind für die der Festsetzung der Zeit gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. zugrundeliegende Prognose, wann der Besitzer einer Lenkerberechtigung die Verkehrszuverlässigkeit wieder erlangen werde, heranzuziehen. Die gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. festzusetzende Zeit darf bei Personen, die nicht verkehrszuverlässig sind, unbeschadet des Abs. 3 nicht kürzer als drei Monate sein.

Unter Zugrundelegung des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes sind zu Lasten des Beschwerdeführers die Verwerflichkeit von Alkoholdelikten im Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen, sein hoher Alkoholisierungsgrad und das Verschulden eines Verkehrsunfalles zu berücksichtigen. Zugunsten des Beschwerdeführers fällt jedoch ins Gewicht, daß von der Tat bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vom 7. Dezember 1995 ca. 16 Monate verstrichen sind. Daß der Beschwerdeführer in dieser Zeit strafbare Handlungen begangen habe, hat die belangte Behörde nicht angenommen. Die der Entscheidung der belangten Behörde zugrunde liegende Auffassung, der Beschwerdeführer werde erst nach Ablauf von vier Monaten (ab Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides), sohin insgesamt erst 21 Monate nach der Tat seine Verkehrszuverlässigkeit wiedererlangen, ist im Hinblick auf die Länge der seit der Tat verstrichenen Zeit verfehlt (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 24. Oktober 1989, Zl. 88/11/0229, und Zl. 88/11/0230). Soweit die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides und in der Gegenschrift es für bedenklich hält, "eine Entziehungsmaßnahme von der Länge der Verfahrensdauer" abhängig zu machen, läßt sie das im § 66 Abs. 3 KFG 1967 ausdrücklich genannte Wertungskriterium der seit der Tat verstrichenen Zeit und des Verhaltens während dieser Zeit und § 73 Abs. 1 leg. cit. außer acht, wonach die dort genannten, von der Behörde zu ergreifenden Entziehungsmaßnahmen den Erfordernissen der Verkehrssicherheit zu entsprechen haben, sohin keinen pönalen Charakter besitzen.

Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996110044.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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