TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/23 94/08/0069

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Veröffentlicht am 23.04.1996
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
20 Privatrecht allgemein;
60 Arbeitsrecht;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66 Sozialversicherung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;
68/02 Sonstiges Sozialrecht;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1 idF 1993/502;
AlVG 1977 §9 Abs1 idF 1993/502;
AMFG;
BeschäftigungssicherungsNov 1993;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der E in P, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den aufgrund des Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Niederösterreich vom 28. Februar 1994, Zl. IVc 7022/7100 B, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe gemäß § 10 Abs. 1 AlVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die im Jahre 1946 geborene Beschwerdeführerin bezieht seit Jänner 1991 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung; zuletzt hatte sie einen Anspruch auf Notstandshilfe.

Am 18. August 1993 wurde der Beschwerdeführerin vom Arbeitsamt Baden (Außenstelle Pottendorf) vorgeschrieben, aufgrund von Eigeninitiative zwei Vorstellungen bzw. Bewerbungen bis 6. September 1993 nachweislich vorzuweisen. Der genannte Termin sei einer vorgeschriebenen Kontrollmeldung gleichzusetzen. Dabei wurde ihr auch zur Kenntnis gebracht, daß sie den vorgeschriebenen Termin einhalten müsse, da ansonsten eine Sperre nach § 10 AlVG erfolge.

Am 6. September 1993 erklärte die Beschwerdeführerin in einer Niederschrift vor dem Arbeitsamt, sie könne keine Bewerbungen vorlegen, weil sie keine offenen Stellen gefunden habe.

Mit Bescheid vom 5. Oktober 1993 sprach das Arbeitsamt daraufhin aus, daß die Beschwerdeführerin den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 AlVG für die Zeit vom 6. September bis 3. Oktober 1993 verloren habe. Eine Nachsicht werde nicht erteilt. Nach der Begründung habe die Beschwerdeführerin die vom Arbeitsamt vorgeschriebenen Bewerbungen nicht nachweisen können. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht lägen nicht vor.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Danach sei sie seit ihrer Arbeitslosigkeit "ununterbrochen auf Arbeitssuche". Sowohl ihre Bewerbungen als auch die Vermittlungsversuche des Arbeitsamtes seien erfolglos geblieben. Aufgrund ihres Alters und der mangelnden Qualifikation sei die Erlangung eines Arbeitsplatzes bei der derzeitigen Lage auf dem Arbeitsmarkt nahezu aussichtslos. Nach der Aufforderung des Arbeitsamtes vom 18. August 1993 habe sie sich - so wie bisher auch - selbst um offene Stellen umgesehen, habe allerdings keine ausfindig machen können. Die vorgeschriebenen Bewerbungen habe sie nicht vorgelegt, da ihr die Sinnhaftigkeit dieser Aufforderung nicht erklärbar sei. Offensichtlich sei nun auch das Arbeitsamt der Auffassung, daß ihre Vermittlungsaussichten eher gering seien, da sie nunmehr keine weiteren Bewerbungen beibringen müsse. Das Arbeitsamt dürfe ihrer Ansicht nach dem Arbeitslosen nicht willkürlich irgendwelche Verhaltensregeln vorschreiben.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der Bescheid des Arbeitsamtes bestätigt. Nach der Begründung habe in einem ergänzenden Ermittlungsverfahren festgestellt werden können, daß die Beschwerdeführerin bei ihren früheren Kontrollterminen dem Arbeitsamt gegenüber keine Bereitschaft zur Zusammenarbeit gezeigt habe. Bisher habe sie keinerlei Eigeninitiative nachgewiesen. Der Arbeitslose müsse jedoch bereit sein, selbständig Aktivitäten bei der Arbeitssuche zu entwickeln. Komme der Berater des Arbeitslosen zur Auffassung, daß nicht die entsprechende Eigeninitiative zur Erlangung einer Beschäftigung gesetzt werde, könne er den Arbeitslosen auffordern, binnen einer bestimmten Zeit eine vorgesehene Zahl von Bewerbungen anhand von Unterlagen nachzuweisen. Wenn sich die Beschwerdeführerin - wie sie in ihrer Berufung ausführe - seit ihrer Arbeitslosigkeit auf Arbeitssuche befinde, so könnten die geforderten Nachweise (z.B. Bewerbungsschreiben) wohl erbracht werden. Die belangte Behörde sei der Auffassung, daß die Beschwerdeführerin die Nichtglaubhaftmachung ausreichender Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu vertreten habe und damit der Tatbestand des § 10 Abs. 1 AlVG verwirklicht worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 AlVG ist eine Voraussetzung des Anspruches auf Arbeitslosengeld, daß der Arbeitslose arbeitswillig ist.

Nach § 9 Abs. 1 AlVG idF der ab 1. August 1993 geltenden Beschäftigungssicherungsnovelle 1993, BGBl. Nr. 502, ist unter anderem arbeitswillig, wer bereit ist, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und auch sonst alle gebotenen Anstrengungen von sich aus unternimmt, eine Beschäftigung zu erlangen, soweit ihm dies nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.

Wenn der Arbeitslose auf Aufforderung durch das Arbeitsamt nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung glaubhaft zu machen, so verliert er gemäß § 10 Abs. 1 (idF der bereits genannten Beschäftigungssicherungsnovelle 1993) für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden vier Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Gemäß § 38 AlVG sind auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Arbeitslosengeldes sinngemäß anzuwenden.

In der Beschwerde wird - zusammengefaßt - die Auffassung vertreten, daß "unter Zugrundelegung der aus den Gesetzesmaterialien gewonnenen Einschätzung" des § 9 Abs. 1 AlVG in der nunmehr geltenden Fassung die von der belangten Behörde gewählte Vorgangsweise im Gesetz keine Deckung finde. Die Bewerbungsnachweise seien nicht nur trotz Kenntnis des "erschöpften Arbeitsmarktes" verlangt worden, sondern das Arbeitsamt habe es auch unterlassen, sonstige Maßnahmen zu setzen, die zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit der Beschwerdeführerin hätten beitragen können. Der Umstand, daß die bisherigen (16) Vermittlungsversuche erfolglos geblieben seien, könne nicht der Beschwerdeführerin angelastet werden, andernfalls dies schon früher zu einer Sperre der Leistung wegen Vermittlungsvereitelung hätte führen müssen. Das Arbeitsamt hätte vielmehr als Konsequenz daraus versuchen müssen, mit Hilfe des Einsatzes von Förderungsmitteln und -maßnahmen nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz (AMFG) eine Wiederbeschäftigung der Beschwerdeführerin anzustreben.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.

In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage der Beschäftigungssicherungsnovelle 1993 (vgl. 1194 BlgNR, 18. GP., Seite 12) wird zu den §§ 9 Abs. 1 und 10 Abs. 1 AlVG folgendes ausgeführt:

"Mit der vorgesehenen Gesetzesergänzung soll festgelegt werden, daß der Arbeitslose darüber hinaus alle gebotenen Anstrengungen von sich aus zu unternehmen hat, um eine Beschäftigung zu erlangen, soweit ihm dies nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist. Im allgemeinen kann davon ausgegangen werden, daß eine Bewerbung pro Woche sicher das Minimum an zu erwartender Anstrengung darstellt. In jenen konkreten Fällen, in denen nach Auffassung des Beraters vom Arbeitslosen nicht die entsprechenden Eigeninitiativen zur Erlangung einer Beschäftigung gesetzt werden, soll das Arbeitsmarktservice den Arbeitslosen auffordern, eine bestimmte Zeit eine vorgegebene Zahl von Bewerbungen anhand von Unterlagen nachzuweisen. Bei dieser Maßnahme ist jedoch nicht an eine schematische Vorgangsweise gedacht, vielmehr wird bei der Festsetzung der Zahl der Bewerbungen auf das Alter, den Gesundheitszustand, die Bildung und Ausbildung des Arbeitslosen entsprechend Bedacht zu nehmen sein ..."

Zur Zahl der Mindestbewerbungen wird im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (vgl. 1222 BlgNR, 18. GP., Seite 2) folgende Auffassung vertreten:

"Die in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage geäußerten Vorstellungen betreffend Zahl der Mindestbewerbungen können nur so verstanden werden, daß je nach der konkreten Lage des Einzelfalles Art und Ausmaß der Bewerbungsanstrengungen festzulegen sind, soweit diese auch wirklich sinnvoll erscheinen. Dabei ist auf die konkrete Situation des Arbeitsmarktes und die Möglichkeiten einer Beschäftigung Bedacht zu nehmen. Der Betreuer wird nach den Umständen des Einzelfalles dem Arbeitslosen dabei entsprechende Hilfestellung geben.

Für die Glaubhaftmachung der eigenen Anstrengungen genügen glaubwürdige Hinweise wie z.B. Kopien von Bewerbungsschreiben oder Angabe der Kontaktperson der Firma, mit der telefoniert wurde."

Nach den oben wiedergegebenen Erläuterungen zur Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes soll der Arbeitslose neben den Vermittlungsbemühungen der Behörde darüber hinaus selbst alle gebotenen Anstrengungen von sich aus unternehmen, um eine Beschäftigung zu erlangen, soweit ihm dies nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist. In jenen Fällen, in denen nach Auffassung des Beraters vom Arbeitslosen nicht die entsprechenden Eigeninitiativen zur Erlangung einer Beschäftigung gesetzt werden, soll das Arbeitsmarktservice den Arbeitslosen auffordern, eine bestimmte Zeit hindurch eine vorgegebene Zahl von Bewerbungen nachzuweisen, soweit dies auch wirklich sinnvoll erscheint. Dabei ist auf die konkrete Situation des Arbeitsmarktes und die Möglichkeiten einer Beschäftigung Bedacht zu nehmen.

Der Beschwerde ist in der Auffassung, diese Änderung des AlVG diene nicht dazu, "Arbeitslose durch die formale Nutzung der neuen Möglichkeiten zu sanktionieren und zu entmutigen", recht zu geben. Ein solches Verhalten kann im Beschwerdefall dem Arbeitsamt aber nicht schon deshalb vorgeworfen werden, weil es der Beschwerdeführerin eigene Bemühungen aufgetragen hat, obgleich die Vermittlungsversuche des Arbeitsamtes nicht erfolgreich gewesen sind. Es ist nämlich nicht auszuschließen, daß das in einer persönlichen Bewerbung zum Ausdruck kommende aktive Bemühen um einen Arbeitsplatz die Erfolgschancen einer solchen Bewerbung gegenüber einer ausschließlich durch Vermittlung des Arbeitsamtes zustandegekommenen Bewerbung erhöht. Der Umstand, daß die Zahl offener Stellen weit geringer ist als jene der Stellensuchenden, daß also - wie es die Beschwerdeführerin ausdrückt - der Arbeitsmarkt "erschöpft" ist, macht weder Vermittlungsversuche des Arbeitsamtes entbehrlich noch Aufträge zu eigenen Bemühungen rechtswidrig.

Wenn - wie im Beschwerdefall - eine seit dem Jahre 1991 arbeitslose Beschwerdeführerin dem Arbeitsamt gegenüber behauptet, sich seit ihrer Arbeitslosigkeit stets auf Arbeitssuche zu befinden, so kann es daher nicht als rechtswidrig erachtet werden, wenn das Arbeitsamt dafür schließlich nach einigen Jahren aufgrund der nunmehr geltenden Gesetzeslage auch einen entsprechenden Nachweis verlangt und die Beschwerdeführerin auffordert, in einer Zeit von drei Wochen zwei Vorstellungen bzw. Bewerbungen nachzuweisen. Auch unter Berücksichtigung des Alters und der Ausbildung der Beschwerdeführerin kann in dieser Maßnahme keine willkürliche oder schikanöse Vorgangsweise der Behörde erblickt werden, zumal wegen des mangelnden Berufschutzes der Beschwerdeführerin (vgl. § 9 Abs. 2 letzter Satz AlVG) und ihres Wohnortes im Nahbereich von Wien auch nicht gesagt werden kann, daß jeglicher Bewerbungsversuch von vornherein aussichtslos sei. Eine Verpflichtung des Arbeitsamtes, dem Arbeitslosen erst nach dem Scheitern des Einsatzes von Förderungsmitteln und -maßnahmen nach dem AMFG Bewerbungen vorzuschreiben, wie die Beschwerdeführerin meint, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994080069.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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