TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/23 95/11/0393

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Veröffentlicht am 23.04.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §73 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des R, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 19. Oktober 1995, Zl. 421.413/5-I/10/95, betreffend Übergang der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit des Kraftfahrwesens, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer hat mit Anbringen vom 21. Oktober 1994 gegen die mit Bescheid der Erstbehörde, der Bundespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, vom 15. November 1993 an ihn ergangenen Aufforderung gemäß § 75 Abs. 2 KFG 1967 Berufung (verbunden mit einem Wiedereinsetzungsantrag) erhoben. Diese Berufung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 17. Mai 1995, Zl. MA 65-8/158/95, (unter Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages) als verspätet zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat ferner mit demselben Schriftsatz vom 21. Oktober 1994 gegen die mit Bescheid der Erstbehörde vom 16. März 1994 verfügte Entziehung der Lenkerberechtigung gemäß § 75 Abs. 2 KFG 1967 Berufung erhoben. Mit Schriftsatz vom 18. September 1995 stellte er bei der belangten Behörde den Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht über seine Berufung gegen den Entziehungsbescheid vom 16. März 1994 gemäß § 73 Abs. 2 AVG.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Devolutionsantrag vom 18. September 1995 mit der Begründung abgewiesen, die Berufung gegen den Bescheid vom 16. März 1994 sei mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 17. Mai 1995, Zl. MA 65-8/144/95, zugestellt am 13. Juni 1995, in abweislichem Sinn bereits erledigt worden.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer behauptet der Sache nach, daß ihm am 13. Juni 1995 nur der Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 17. Mai 1995, Zl. MA 65-8/158/95, betreffend den Aufforderungsbescheid vom 15. November 1993 zugestellt worden sei. Einen Bescheid, mit dem seine Berufung gegen den Entziehungsbescheid vom 16. März 1994 erledigt worden wäre, habe er nie erhalten.

Den vorgelegten Verwaltungsakten ist zu entnehmen, daß mit Datum 17. Mai 1995 zwei Bescheide des Landeshauptmannes von Wien mit den jeweils oben genannten Zahlen gefertigt worden sind. Es findet sich in den Akten jedoch nur ein Zustellnachweis, wonach dem Beschwerdeführer am 13. Juni 1995 eine Sendung der Erstbehörde übermittelt wurde. Welchen Inhalt diese Sendung hatte, läßt sich aus den dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Unterlagen nicht beurteilen. Der Zustellnachweis trägt eine Geschäftszahl der Erstbehörde, die der entspricht, mit der der Eingang von Erledigungen bei dieser Behörde protokolliert wurde, und zwar des Bescheides des Landeshauptmannes vom 17. Mai 1995, Zl. MA 65-8/158/95, und einer Mitteilung vom 31. März 1995 betreffend den Tag der Zustellung eines Bescheides der belangten Behörde vom 14. März 1995, der nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist. Auf dem Aktenexemplar des Bescheides des Landeshauptmannes von Wien vom 17. Mai 1995, Zl. MA 65-8/144/95, finden sich kein Eingangsstempel der Erstbehörde, sondern nur handschriftliche Vermerke über die Vormerkung der Entziehung der Lenkerberechtigung in der sog. Führerscheinevidenz.

Der Verwaltungsgerichtshof ist daher zur Beurteilung, ob die Beschwerde begründet ist oder nicht, nicht in der Lage. Es ist aus seiner Sicht im Bereich der Möglichkeit, daß die am 13. Juni 1995 dem Beschwerdeführer zugestellte Sendung beide Bescheide des Landeshauptmannes von Wien vom 17. Mai 1995 enthielt oder daß der Bescheid Zl. MA 65-8/144/95 in einer anderen Sendung zugestellt wurde, deren Zustellnachweis im vorgelegten Verwaltungsakt nicht aufscheint; in diesen Fällen wäre der angefochtene Bescheid rechtmäßig und die Beschwerde unbegründet. Es kann aber auch so sein, daß die zugestellte Sendung nur den Bescheid Zl. MA 65-8/158/95 enthielt und der Bescheid Zl. MA 65-8/144/94 dem Beschwerdeführer - aus welchem Grund immer - nicht zugestellt wurde, sodaß der angefochtene Bescheid rechtswidrig und die Beschwerde begründet wäre.

Im Falle der mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bekämpften Zurückweisung einer Berufung wegen Verspätung geht es jedenfalls zu Lasten der Behörde, wenn sie die auf ihre Annahme gestützte Zurückweisung ohne vorherige Gewährung des Parteiengehörs zur Frage der Rechtzeitigkeit ausspricht (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4 auf S. 499 unter Nr. 25 und auf S. 537 unter Nr. 50 dokumentierte Rechtsprechung). Gleiches hat zu gelten, wenn eine Partei die Nichterledigung eines Antrages mit Devolutionsantrag rügt, die Oberbehörde jedoch davon ausgeht, daß eine Erledigung bereits erfolgt ist und der Partei zugestellt wurde ohne dazu Parteiengehör gewährt zu haben.

Die belangte Behörde hat unter diesem Gesichtspunkt Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995110393.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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