TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/23 95/11/0404

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Veröffentlicht am 23.04.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;

Norm

AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
KrPflG 1961 §12 Abs1;
KrPflG 1961 §8 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde der K in L, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in O, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 11. Juli 1995, Zl. VII/2-18/8-1995, betreffend Ausschluß vom Besuch einer Krankenpflegeschule, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Spruchpunkte 1) und 2) des angefochtenen Bescheides werden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde

1. die Berufung der Beschwerdeführerin gegen eine als "Schreiben" bezeichnete Erledigung der Allgemeinen Krankenpflegeschule des Bundeslandes Burgenland in Oberwart vom 15. November 1994 als unzulässig zurückgewiesen; 2. die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Erstbehörde, der Aufnahmekommission dieser Schule, vom 2. Februar 1995 betreffend Ausschluß der Beschwerdeführerin von der in Rede stehenden Schule abgewiesen und der Erstbescheid bestätigt sowie 3. ein Antrag auf Kostenersatz gemäß § 74 AVG zurückgewiesen.

Trotz der den angefochtenen Bescheid zur Gänze erfassenden Beschwerdeerklärung und eines entsprechenden Beschwerdeantrages ist die Beschwerde - wie sich aus der Formulierung der Beschwerdepunkte und der Ausführung der Beschwerdegründe ergibt - nur gegen die Punkte 1. und 2. des Spruches des angefochtenen Bescheides gerichtet. Die Beschwerdeführerin macht insofern Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Was den Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides betrifft, erfolgte die Zurückweisung der Berufung der Beschwerdeführerin, weil die Erledigung vom 15. November 1994 mangels Bezeichnung der bescheiderlassenden Behörde kein Bescheid sei. Diese Erledigung (die den Betreff "Ausschluß aus der Krankenpflegeschule des Bundeslandes Burgenland in Oberwart" trägt) hat im übrigen folgenden Wortlaut:

"Sehr geehrte Frau K

Sie haben im 4. Ausbildungsjahr der Krankenpflegefachausbildung im Schuljahr 1993/94 den in der

1. Krankenpflegeverordnung § 4 Abs. 4 lit. b festgesetzten Erkrankungszeitraum im Ausmaß von 2 Monaten pro Ausbildungsjahr (40 Tage) überschritten. Seit dem 14. Juni 1994 bis dato blieben sie der Krankenpflegefachausbildung unentschuldigt fern.

In der Sitzung der nach § 8 Abs. 1 - Krankenpflegegesetz gebildeten Aufnahmekommission am 10. Oktober 1994 wurde beschlossen, Ihnen die Wiederholung des 4. Ausbildungsjahres zu gewähren.

Mit Bedauern stellen wir fest, daß Sie auf die schriftliche Mitteilung der Entscheidung der Aufnahmekommission ... keine schriftliche Meldung in der gesetzten Frist von 14 Tagen an die og. Schule gerichtet haben. Daher fand am 14. November 1994 eine weitere Sitzung der Aufnahmekommission statt.

Es wird Ihnen mitgeteilt, daß die Mitglieder der Aufnahmekommission EINSTIMMIG den Beschluß faßten, Sie mit Wirkung vom 15. November 1994 aus der Krankenpflegeschule des Bundeslandes Burgenland in Oberwart auszuschließen.

Sie werden aufgefordert die Dienstkleidung sowie die Schülerbrosche der Krankenpflegeschule umgehenst in der Krankenpflegeschule Oberwart abzugeben.

Für die Schulleitung:"

Wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, faßte die gemäß § 8 des Krankenpflegegesetzes BGBl. Nr. 102/1961 (in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 872/1992) eingerichtete Kommission einen entsprechenden Beschluß (wofür sie gemäß § 12 Abs. 1 leg. cit. zuständig ist). Diese Kommission hat mangels ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung (insbesondere weder im EGVG noch im KrpflG) das AVG nicht anzuwenden. Die Erledigung weist zwar keine Bezeichnung als Bescheid auf und enthält keine Rechtsmittelbelehrung. Sie enthält aber einen eindeutig als Spruch eines Bescheides zu wertenden Satz, mit dem der vom Gesetz her durch Bescheid zu verfügende Ausschluß aus der Schule angeordnet wird. Gleichzeitig werden unmißverständlich die die Beendigung des Schulbesuches betreffenden weiteren Konsequenzen wie Ablieferung von Dienstkleidung u.a. in normativer Weise gezogen. Die Erledigung ist zwar von der "Schulleitung" gefertigt, sie erfolgte aber unter Berufung auf einen Kommissionsbeschluß. Die beiden Unterzeichner gehören der Kommission an (§ 8 Abs. 1 Z. 2 und 3 leg. cit.). Es liegt somit einerseits ein sogenannter Intimationsbescheid vor, andererseits handelt es sich nicht um einen Zweifelsfall im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A), bei dem es in Ansehung der Qualifizierung einer verwaltungsbehördlichen Erledigung als Bescheid auf ihre Bezeichnung als solcher ankommt.

Die Erledigung vom 15. November 1994 ist ein Bescheid. Die Zurückweisung der dagegen erhobenen Berufung erweist sich, da der angenommene Zurückweisungsgrund nicht vorliegt und auch kein anderer erkennbar ist, als rechtswidrig und hat - da dies von den geltend gemachten Beschwerdepunkten erfaßt ist - zur Aufhebung des Spruchpunktes 1. des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes zu führen.

Aus dieser Rechtswidrigkeit ergibt sich aber auch, daß die auf Grund der nach dem Gesagten zulässigen Berufung bei der belangten Berufungsbehörde anhängigen Verwaltungssache nicht neuerlich Gegenstand einer Entscheidung der Erstbehörde sein konnte. Im Hinblick auf den Übergang der Zuständigkeit auf die Berufungsbehörde war es der Erstbehörde verwehrt, neuerlich eine Entscheidung in der Sache zu fällen. Allfällige neue Sachverhaltselemente wären von der Berufungsbehörde bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen gewesen. Die belangte Behörde hätte daher den Bescheid der Erstbehörde vom 2. Februar 1995 aufzuheben gehabt. Auch diese Rechtswidrigkeit ist von den Beschwerdepunkten erfaßt.

Dadurch, daß die belangte Behörde in Verkennung der Bescheidqualität der Erledigung vom 15. November 1994 von der Zulässigkeit der Erlassung des Bescheides vom 2. Februar 1994 ausgegangen ist, hat sie auch den Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG auch zu dessen Aufhebung zu führen hatte.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Behördenbezeichnung Behördenorganisation Bescheidcharakter Bescheidbegriff Bejahung des Bescheidcharakters Fertigungsklausel Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Intimation Zurechnung von Bescheiden Rechtskraft Besondere Rechtsprobleme Berufungsverfahren Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995110404.X00

Im RIS seit

02.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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