Index
L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §13 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1) des FP, 2) der GP, beide in B, vertreten durch Dr. LP, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 12. September 1995, Zl. 10-A/94, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1) Stadtgemeinde Bad Vöslau, vertreten durch den Bürgermeister, 2) E, B), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der zweitmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer sind je zur Hälfte Eigentümer des Grundstückes Nr. nn/2 der Katastralgemeinde Bad Vöslau, welches im Norden und Westen an öffentliche Verkehrsflächen grenzt. Im Osten grenzt an dieses Grundstück das Grundstück Nr. nn/3 der zweitmitbeteiligten Partei. Im Bereich dieser beiden Grundstücke wurde noch kein Bebauungsplan erlassen.
Mit Eingabe vom 23. Juli 1970 beantragte der Rechtsvorgänger der Beschwerdeführer die baubehördliche Bewilligung für den Neubau eines Einfamilienwohnhauses auf dem Grundstück Nr. nn/2. In der Baubeschreibung wurde hiezu ausgeführt:
"Das Einfamilienhaus besteht aus einer Wohnung, Vorraum, Diele, Küche, Schlafzimmer, zwei Kabinette, Wohnzimmer, Wintergarten, Nähraum sowie Bad und WC.
Das Einfamilienhaus ist zur Gänze unterkellert. Als Verbindung zwischen den Geschossen werden Betonstiegen verwendet. Über dem Keller- sowie Ergeschoß werden Massivdecken aufgelegt.
...
Die Garage ist im Keller untergebracht."
Aus dem dem Ansuchen vom 23. Juli 1970 zugrundeliegenden Lageplan ist ersichtlich, daß das Gebäude von der westlichen Grundstücksgrenze 6 m entfernt sein soll. Der geringste Abstand von der südlichen Grundstücksgrenze beträgt ebenfalls 6 m. Zur nördlichen Grundstücksgrenze war eine Entfernung des Gebäudes von 14,40 m geplant, die geringste Entfernung zum Grundstück Nr. nn/3 der Zweitbeschwerdeführerin sollte 3,82 m betragen. Mit Bleistift wurde in den Plan die Lage einer offensichtlich geplanten baulichen Maßnahme (Terrasse) nicht maßstabgetreu eingezeichnet. Demnach wäre diese Terrasse vom Grundstück der Zweitbeschwerdeführerin im geringsten Abstand 2,21 m entfernt. Wann diese Ergänzung des Planes durchgeführt worden ist, kann nicht festgestellt werden.
Im Bauakt der erstmitbeteiligten Partei befindet sich auf Seite 20 folgender maschinschriftlicher Vermerk:
"Die Anrainerin Frau E hat vor der Bauverhandlung in den Einreichplan Einsicht genommen und erklärt, gegen das geplante Bauvorhaben keine Einwendungen zu erheben; auf die Zustellung einer Bescheidausfertigung hat sie ausdrücklich verzichtet."
Mit Bescheid des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Partei vom 20. Oktober 1970 wurde entsprechend dem Ansuchen vom 29. Juli 1970 "auf Grund des Ergebnisses der am 17. September 1970 abgehaltenen Bauverhandlung sowie der vorgelegten Pläne" die Baubewilligung zur Errichtung eines Einfamilienhauses auf Parzelle Nr. nn/2 der Katastralgemeinde Vöslau unter der Voraussetzung erteilt, "daß die in der beiliegenden beglaubigten Abschrift der Verhandlungsschrift, die einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildet, enthaltenen Bedingungen, ferner der unter einem rückgemittelte mit der Bewilligungsklausel versehene Bauplan sowie die einschlägigen Bestimmungen der Bauordnung für Niederösterreich genauestens eingehalten werden".
In der Niederschrift zur Bauverhandlung ist u.a. folgende Auflage enthalten:
"3.)Die Baulichkeit ist so zu situieren, daß zur Übereinstimmung mit dem Bebauungsplan eine Vorgartentiefe von 6 m, ein Seitenabstand von der linken Grundstücksgrenze von 3,82 m und von der rechten Grundstücksgrenze von 6 m sowie ein Abstand von der hinteren Grundgrenze von ... m eingehalten wird.
Der Baubewilligungswerber hat gemäß § 106 NÖ. Bauordnung vor Beginn der Ausführung die Aussteckung der Baufluchtlinien und des Niveaus in Gegenwart eines Amtsorganes der Baubehörde zu veranlassen."
In der Niederschrift zur Bauverhandlung vom 17. September 1970 ist ein Hinweis auf eine Terrasse nicht enthalten.
In der dagegen fristgerecht von der zweitmitbeteiligten Partei erhobenen Berufung wird u.a. ausgeführt, daß auf die Erhebung der Berufung nicht verzichtet worden sei, der Rechtsvorgänger der Beschwerdeführer eine Terrasse ohne Einhaltung des gesetzlichen Abstandes zur Grundstücksgrenze errichte.
In der anläßlich eines von Organen der erstmitbeteiligten Partei durchgeführten Ortsaugenscheines aufgenommenen Niederschrift vom 20. Dezember 1971 wird festgehalten, "daß im Bereich der Terrasse, die Gegenstand dieses Verfahrens ist, eine konsenswidrige Herstellung erfolgte". Der Bewilligungswerber gab die Erklärung ab, daß "die konsenswidrigen Mauern" entfernt würden und der Zustand hergestellt werde, "wie er im Einreichplan dargelegt ist".
Unter anderem wurde in der Niederschrift festgestellt:
"Die Berufungswerberin" (zweitmitbeteiligte Partei) "nimmt das Verhandlungsergebnis zustimmend zur Kenntnis."
Mit Eingabe vom 25. Oktober 1979 beantragten die Beschwerdeführer die "Vornahme der Endbeschau zum Neubau eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück in Bad Vöslau, X-Gasse 4; Parzelle Nr. nn/2 EZ n1 KG Bad Vöslau, da das oben angeführte, mit Bescheid vom 20. Oktober 1970, AZ 896, bewilligte Vorhaben vollendet wurde".
In der am 19. März 1980 durchgeführten Endbeschau wurde die Bewohnungs- und Benützungsbewilligung unter nachträglicher Genehmigung eines von den Beschwerdeführern vorgelegten Auswechslungsplanes erteilt. In diesem Auswechslungsplan ist im Nordosten des errichteten Gebäudes Richtung Grundstück der Zweitmitbeteiligten eine 2,50 m breite und 7,30 m lange, auf 6 Betonpfeilern errichtete Terrasse auf Höhe + 2,48 m (Nullinie bildet die Fußbodenoberkante im Keller) eingezeichnet.
Die zweitmitbeteiligte Partei war der Verhandlung am 19. März 1980 nicht beigezogen worden.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Partei vom 21. März 1980 wurde den Beschwerdeführern die beantragte Benützungsbewilligung erteilt und ausgesprochen:
"Der vorgelegte Auswechslungsplan wird baubehördlich genehmigt."
Gegen diesen Bescheid erhob die Zweitmitbeteiligte, der der Bescheid am 13. September 1993 zugestellt worden war, ebenfalls fristgerecht Berufung.
Mit Bescheid des Gemeinderates der erstmitbeteiligten Partei vom 20. Juli 1994 wurde der Berufung der zweitmitbeteiligten Partei gegen den Bescheid der Stadtgemeinde Bad Vöslau vom 20. Oktober 1970 Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid wie folgt geändert:
"Die Bewilligung zur Errichtung einer Terrasse im seitlichen Bauwich zur Grundstücksgrenze der Anrainerin Frau E wird versagt."
Der Berufung der zweitmitbeteiligten Partei gegen den Bescheid der Stadtgemeinde Bad Vöslau vom 21. März 1980 wurde ebenfalls Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid wie folgt geändert:
"Die Bewilligung zur Errichtung einer Terrasse im seitlichen Bauwich zur Grundstücksgrenze der Anrainerin Frau E wird versagt."
Gemäß § 23 Abs. 2 der NÖ. Bauordnung 1976 sei eine Terrasse im seitlichen Bauwich nicht zulässig, da im Beurteilungsbereich die offene Bebauungsweise vorherrschend und keine einzige Terrasse im seitlichen Bauwich errichet worden sei.
Der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. September 1995 keine Folge gegeben. Die Erklärung der zweitmitbeteiligten Partei in der Verhandlung vom 20. Dezember 1971, das Verhandlungsergebnis zustimmend zur Kenntnis zu nehmen, könne nicht als Zurückziehung der gegen den Bescheid des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Partei vom 20. Oktober 1970 erhobenen Berufung gewertet werden, da eine Zurückziehung eines Rechtsmittels ausdrücklich ausgesprochen werden müsse. Auch die Einsichtnahme in den Einreichplan und die Erklärung, keine Einwendungen gegen das Bauvorhaben zu erheben, könne nicht als Rechtsmittelverzicht gewertet werden. Die Zweitmitbeteiligte sei auch nicht präkludiert, da eine Präklusion nur jenes Projekt erfassen könne, welches den Gegenstand der Bauverhandlung gebildet habe. Die Berufungsbehörde habe somit jedenfalls eine Sachentscheidung über die Berufungen der zweitmitbeteiligten Partei zu treffen gehabt. Ob die hier strittige Terrasse bewilligungsfähig sei, sei anhand der Bestimmungen des § 120 der NÖ. Bauordnung 1976 zu prüfen. Diese Norm solle den geordneten Weiterausbau der Ortschaft gewährleisten. In die Beurteilung der Frage, ob ein Vorhaben zur bestehenden Bebauung in einem auffallenden Widerspruch stehe, seien daher alle jene Liegenschaften einzubeziehen, die miteinander nach der übrigen herrschenden faktischen Bebauung ein im wesentlichen einheitliches, zusammenhängendes Ganzes bildeten. Nur auf diese Weise könne dem Sinn der angeführten Übergangsregelungen entsprechend ein einem Bebauungsplan ähnlicher Beurteilungsmaßstab geschaffen werden. Die Beurteilung, ob ein geplantes Bauvorhaben zur bestehenden Bebauung in einem auffallenden Widerspruch stehe, erfordere konkrete Feststellungen über die Grenzen des Bezugsbereiches (Abgrenzung des Gebietes, das als Maßstab herangezogen werden soll), und sodann die Aufnahme der vorhandenen Baubestände innerhalb dieses Bereiches. Hiebei seien alle diejenigen Liegenschaften zu berücksichtigen, die nach der tatsächlich vorherrschenden Bebauung ein zusammenhängendes Ganzes bildeten, das sich dem äußeren Eindruck nach von den angrenzenden Gebieten abhebe. Das von der Berufungbehörde zu diesem Beweisthema ihrem Bescheid zugrundegelegte Gutachten des Bausachverständigen würde diesen Grundsätzen nicht gerecht, weshalb die Aufsichtsbehörde ein eigenes Ermittlungsverfahren durchgeführt und ein Gutachten eines Amtssachverständigen für Bauwesen zur Klärung der Frage eingeholt habe, ob die gegenständliche Terrasse innerhalb der geschlossenen Ortschaft zur bestehenden Bebauung in einem auffallenden Widerspruch stehe. Auf Grund eines umfassenden Befundes sei der Amtssachverständige zur Feststellung gelangt, daß im Beurteilungsgebiet als vorherrschende Bebauung die offene Bauweise vorherrsche. Unter diesem Gesichtspunkt würde für das gegenständliche Grundstück Nr. nn/2 bei Erstellung eines Bebauungsplanes mit größter Wahrscheinlichkeit die offene bzw. die gekuppelte Bauweise festgelegt werden, wobei das bestehende Gebäude der offenen Bauweise entspräche. Terrassen seien im Beurteilungsgebiet nur auf zwei Grundstücken vorgefunden worden, wobei die Terrasse auf einem Grundstück nicht im Bauakt aufscheine. Auf Grund des schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens des Amtssachverständigen gelange daher die Vorstellungsbehörde zur Ansicht, daß die gegenständliche Terrasse zur bestehenden Bebauung in einem auffallenden Widerspruch stehe, weil im Beurteilungsbereich die offene Bebauung vorherrsche und lediglich eine Terrasse - diese jedoch konsenswidrig - im seitlichen Bauwich errichtet worden sei. Im Punkt 3. der Auflagen des Baubewilligungsbescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Bad Vöslau vom 20. Oktober 1970 sei die seitliche Baufluchtlinie zur linken Grundstücksgrenze mit 3,82 m festgelegt worden. Gemäß § 23 Abs. 2 Z. 2 der NÖ. Bauordnung 1976 sei die Errichtung von Terrassen innerhalb des Bauwiches unzulässig. Dem Spruchpunkt 1) des Berufungsbescheides des Gemeinderates der Stadtgemeinde Bad Vöslau vom 20. Juli 1994 hafte daher keine Rechtswidrigkeit an.
Der Benützungsbewilligungsbescheid der Baubehörde erster Instanz vom 21. März 1980 habe den von den Beschwerdeführern vorgelegten Auswechslungsplan baubehördlich genehmigt, weshalb dieser auch als Baubewilligungsbescheid anzusehen sei. Der zweitmitbeteiligten Partei käme daher auch in diesem Verfahren Parteistellung zu, da der Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Partei vom 20. Oktober 1970 normativ verändert und hiedurch ein Nachbarrecht beeinträchtigt worden sei (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 13. September 1983, Zl. 80/05/0203, und vom 16. Juni 1987, Zl. 87/05/0056). Der zweitmitbeteiligten Partei käme daher auch ein Berufungsrecht gegen den Benützungsbewilligungsbescheid der Baubehörde erster Instanz zu. Die errichtete Terrasse entspräche nicht dem Baubewilligungsbescheid vom 20. Oktober 1970. Der Antrag auf Vornahme der Endbeschau beziehe sich auf das gesamte neuerrichtete Einfamilienhaus. Handle es sich nicht um ein konsentiertes Bauwerk (hier Terrasse), könne eine meritorische Entscheidung über den Antrag auf Erteilung der Benützungsbewilligung nicht ergehen; ein derartiger Antrag wäre zurückzuweisen. Der Gemeinderat der erstmitbeteiligten Partei hätte daher die Bewilligung zur Errichtung der Terrasse nicht versagen und den diesbezüglichen Antrag abweisen dürfen, sondern den Antrag in diesem Punkt zurückweisen müssen. Hiebei handle es sich jedoch um ein Vergreifen im Ausdruck, durch welchen die Beschwerdeführer in keinem subjektiven Recht verletzt werden könnten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht "auf Stattgebung unserer Vorstellung und Aufhebung der beiden angefochtenen Bescheide des Gemeinderates der Stadtgemeinde Bad Vöslau verletzt". Sie machen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die zweitmitbeteiligte Partei eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführer vertreten die Rechtsansicht, die zweitmitbeteiligte Partei habe ihre Berufung gegen den Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Partei vom 20. Oktober 1970 mit ihrer Erklärung beim Ortsaugenschein vom 20. Dezember 1971 ("die Berufungswerberin nimmt das Verhandlungsergebnis zustimmend zur Kenntnis") im Sinne des § 63 Abs. 4 AVG zurückgezogen. Eine solche liege immer schon dann vor, wenn die Partei ein Verhalten an den Tag lege, das bei vernünftiger Auslegung keinen Zweifel darüber lasse, daß eine Entscheidung der Berufungsbehörde nicht mehr begehrt werde, sondern die Partei mit der getroffenen Entscheidung einverstanden sei. Die zweitmitbeteiligte Partei habe nämlich auch das Schreiben des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Partei vom 27. Dezember 1972, wonach die nunmehr aufgeschüttete und geböschte Terrasse dem Baukonsens entspreche und daher auch kein Einschreiten der Baubehörde für nötig erachtet werde, zustimmend zur Kenntnis genommen, da sie nach Erhalt dieses Schreibens bis zum Jahre 1991 keinerlei Schritte unternommen habe. Durch den Verzicht der zweitmitbeteiligten Partei auf Behandlung ihrer Berufung sei der Baubewilligungsbescheid vom 20. Oktober 1970 in Rechtskraft erwachsen und hätte daher die Berufungsbehörde keine Sachentscheidung mehr treffen dürfen.
Gemäß § 63 Abs. 4 AVG ist eine Berufung gegen einen Bescheid nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Berufung verzichtet hat. Eine eingebrachte Berufung kann jederzeit zurückgezogen werden. Sowohl der Berufungsverzicht als auch die Berufungsrücknahme sind als Prozeßhandlung endgültig, somit unwiderrufbar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1988, Slg. Nr. 12616/A). Die Berufungsrücknahme muß jedoch ausdrücklich, das heißt eindeutig (zweifelsfrei) erklärt werden, bedarf jedoch keiner besonderen Form (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. September 1976, Slg. Nr. 9133/A). Da die Zulässigkeit einer Bedingung bei einer Prozeßhandlung ausdrücklich vorgesehen sein müßte, ist eine Zurücknahme der Berufung unter Bedingungen unwirksam, weshalb eine solche Erklärung die Erledigung der Berufung durch die Berufungsbehörde nicht entbehrlich macht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 29. November 1983, Slg. Nr. 11239/A, und vom 27. September 1994, Zl. 92/07/0130).
Weder die Erklärungen noch das Verhalten der zweitmitbeteiligten Partei können im Sinne der dargestellten Rechtslage als Verzicht oder Zurücknahme der Berufung gegen den Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Partei vom 20. Oktober 1970 gewertet werden. Aus der von Organen der erstmitbeteiligten Partei angefertigten Niederschrift vom 20. Dezember 1971 kann eine Erklärung der zweitmitbeteiligten Partei, die Berufung zurückzuziehen, nicht entnommen werden. Als Ergebnis der Verhandlung vom 20. Dezember 1971 wurde vielmehr festgehalten, daß sich der - damalige - Bewilligungswerber verpflichte, den Zustand herzustellen, "wie er im Einreichplan dargelegt ist". Das Ergebnis dieser Verhandlung wurde von der Zweitmitbeteiligten "zustimmend zur Kenntnis" genommen. Weitere Erklärungen wurden von der zweitmitbeteiligten Partei nicht abgegeben. Der Gemeinderat der erstmitbeteiligten Partei hat daher ohne Rechtsirrtum im Spruchpunkt 1) seines Bescheides vom 20. Juli 1994 die Berufung der zweitmitbeteiligten Partei in der Sache erledigt.
Die Beschwerdeführer führen weiters aus, mit dem Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Partei vom 20. Oktober 1970 sei auch die "Terrasse" mit einem Abstand zum Grundstück der zweitmitbeteiligten Partei von 2,63 m bzw. 2,21 m genehmigt worden. Durch die Erklärung der zweitmitbeteiligten Partei am 20. Dezember 1971, das Verhandlungsergebnis zustimmend zur Kenntnis zu nehmen, habe sie jedenfalls die Errichtung der Terrasse, wie sie im Einreichplan vorgesehen sei, "genehmigt" und sei damit auch ihr Berufungsrecht "hinsichtlich dieser Terrasse präkludiert". Die Abstände der geplanten Terrasse zum Grundstück der Zweitmitbeteiligten seien aus dem Einreichplan ersichtlich.
Aus dem Bescheid des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Partei vom 20. Oktober 1970, womit die Errichtung eines Einfamilienhauses auf Grundstück Nr. nn/2 der Katastralgemeinde Bad Vöslau bewilligt worden ist, geht eindeutig hervor, daß mit Auflagepunkt 3 die Lage des bewilligten Gebäudes und die Abstände zu den Grundstücksgrenzen zweifelsfrei festgelegt worden sind. Der Seitenabstand zur linken Grundstücksgrenze (das ist die Grenze zum Grundstück Nr. nn/3 der zweitmitbeteiligten Partei) wurde mit 3,82 m festgelegt. Dies stimmt auch mit dem einen wesentlichen Bestandteil des Baubewilligungsbescheides bildenden Plan überein. Weder der textlichen Fassung des Baubewilligungsbescheides noch aus der einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Abschrift der Verhandlungschrift und der Baubeschreibung kann entnommen werden, daß auch eine Terrasse innerhalb des festgesetzten Seitenabstandes zu den Grundstücksgrenzen bewilligt worden wäre.
Dem von der zweitmitbeteiligten Partei in ihrer Berufung vom 18. November 1971 gestellten Begehren, "den Abstand zu meiner Grundstücksgrenze zu bestimmen", ist somit bereits mit dem Baubewilligungsbescheid erster Instanz Rechnung getragen worden. Die zweitmitbeteiligte Partei wurde durch den bekämpften Baubewilligungsbescheid in ihren Rechten jedoch deshalb verletzt, weil ihm die im § 59 Abs. 1 AVG geforderte Deutlichkeit fehlt. Einen wesentlichen Bestandteil des Bescheidspruches bildet nämlich neben der Verhandlungsschrift und der Baubeschreibung auch der Bauplan, in welchen mit Bleistift ohne nähere textliche Beschreibung der Grundriß einer Baulichkeit eingefügt wurde, die nach Ansicht der Beschwerdeführer die hier zu beurteilende Terrasse wiedergeben soll. Wann und von wem diese Planergänzungen durchgeführt worden sind, läßt sich dem Akteninhalt nicht entnehmen. Da auch die Baubehörde erster Instanz - entgegen Auflagenpunkt 3. ihres Baubewilligungsbescheides vom 20. Oktober 1970 - in der Folge die Rechtsansicht vertreten hat, daß die von den Beschwerdeführern bzw. ihrem Rechtsvorgänger "aufgeschüttete und geböschte Terrasse (...) dem Baukonsens vom 20. Oktober 1970" entspricht (siehe Schreiben des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Partei an die Beschwerdeführer und die zweitmitbeteiligte Partei vom 27. Dezember 1972), hatte die Berufungsbehörde über die Berufung der zweitmitbeteiligten Partei schon im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot des § 59 Abs. 1 AVG klarzustellen, daß die mit Bescheid des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Partei vom 20. Oktober 1970 erteilte Baubewilligung nicht auch die Errichtung einer Terrasse im seitlichen Bauwich zur Grundstücksgrenze der zweitmitbeteiligten Partei (gemäß Auflagenpunkt 3 des erstinstanzlichen Bescheides 3,82 m) enthält. Erst dadurch kann ohne Dazwischentreten eines weiteren Ermittlungsverfahrens und neuerlicher Entscheidung eine allenfalls erforderliche Vollstreckungsverfügung oder ein Bauauftrag ergehen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1984, Slg. Nr. 11601/A, nur Rechtssatz).
Insoweit die belangte Behörde der Vorstellung auch hinsichtlich des Spruchpunktes 2) des Bescheides des Gemeinderates der erstmitbeteiligten Partei vom 20. Juli 1994 keine Folge gegeben hat, wird in der Beschwerde ausgeführt, daß die Veränderungen des Auswechslungsplanes nicht die maßgeblichen Daten der gegenständlichen Terrasse samt Aufschüttung beträfen. Im übrigen könnten kleine Vorbauten nach den Bestimmungen der NÖ. Bauordnung bewilligt werden.
Dem Spruchpunkt 2) des Berufungsbescheides vom 20. Juli 1994 lag der auf § 111 der NÖ. Bauordnung 1976 gestützte Benützungsbewilligungsbescheid der Baubehörde erster Instanz vom 21. März 1980 zugrunde, mit welchem auch der "vorgelegte Auswechslungsplan (...) baubehördlich genehmigt" worden ist.
Gemäß § 111 Abs. 1 leg. cit. hat in Fällen des § 92 Abs. 1 Z. 1, 2, 4, 5 und 6 die Behörde die Benützungsbewilligung zu erteilen, wenn bei der Endbeschau festgestellt wurde, daß die Ausführung des Vorhabens der erteilten Bewilligung entspricht. Sie kann bei geringfügigen Abweichungen unter Bedingungen und Auflagen erteilt werden, wenn die Abweichungen nicht den gesundheits-, feuer- oder baupolizeilichen Zustand betreffen.
Eine Benützungsbewilligung, deren Gegenstand und Inhalt ausschließlich die Erlaubnis zur Benützung des Bauwerkes bildet, kann den Baukonsens nicht abändern. Daher kommt dem Nachbarn im Benützungsbewilligungsverfahren grundsätzlich auch keine Parteistellung zu. Erteilt die Baubehörde aber unter dem Titel der "Benützungsbewilligung" offensichtlich eine Bewilligung für Abweichungen vom Baukonsens oder erweitert sie diesen, so weist eine solche Benützungsbewilligung, und zwar ohne daß dies in ihrer Form zum Ausdruck kommen muß, Merkmale einer Baubewilligung auf. Wenn die Änderung des Bauvorhabens Umstände betrifft, durch welche in die sich aus dem Gesetz oder aus dem Baubewilligungsbescheid ergebenden Rechte des Nachbarn eingegriffen wird, kommt diesem auch im Benützungsbewilligungsverfahren die Parteistellung zu (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 13. September 1983, Zl. 80/05/0203, BauSlg. Nr. 86).
Mit dem Benützungsbewilligungsbescheid des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Partei vom 21. März 1980 wurde auch der vorgelegte Auswechslungsplan baubehördlich genehmigt, in welchem nunmehr auch die - wie oben ausgeführt - nicht bewilligte Terrasse eingezeichnet ist. Der auf § 111 der NÖ. Bauordnung 1976 gestützte Benützungsbewilligungsbescheid vom 21. März 1980 erweitert somit den durch den Baubewilligungsbescheid vom 20. Oktober 1970 genehmigten Baukonsens und stellt diesbezüglich eine - Rechte der zweitmitbeteiligten Partei berührende - Baubewilligung dar. Die dem Benützungsbewilligungsverfahren nicht beigezogene zweitmitbeteiligte Partei ist insoweit als übergangene Partei berufungsberechtigt.
Gemäß § 120 Abs. 3 der NÖ. Bauordnung 1976, LGBl. Nr. 8200-9, ist in einem Baulandbereich, für den noch kein Bebauungsplan erlassen wurde oder ein vereinfachter Bebauungsplan keine Regelung der Anordnung oder Höhe der Gebäude enthält, die Baubewilligung für einen Neu-, Zu- oder Umbau eines Gebäudes zu versagen, wenn dieses Gebäude hinsichtlich seiner Anordnung auf dem Bauplatz oder seiner Höhe in einem auffallenden Widerspruch zur bestehenden Bebauung stehen würde.
Gemäß Abs. 4 dieses Paragraphen sind in der Bewilligung einer Grundabteilung oder einer Bauführung nach § 92 Abs. 1 Z. 1 bis 3 und 8 oder § 93 auf einem Grundstück, das nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes oder eines vereinfachten Bebauungsplanes liegt, die Straßenfluchtlinien und die vordere Baufluchtlinie, bei Bedarf auch andere Baufluchtlinien sowie das Niveau zu bestimmen.
Gemäß § 23 Abs. 1 leg. cit. kann die Behörde unter Bedachtnahme auf die Sicherheit von Personen und Sachen sowie auf die Pflege des Orts- und Landschaftsbildes bei Erteilung von Bewilligungen gemäß § 92 Abs. 1 Z. 1, 2 und 4 folgende Vorbauten bewilligen:
1.
über die Straßenfluchtlinien
...
2.
über die vordere Baufluchtlinie
a)
Erker, Balkone, Schutzdächer, Veranden, Freitreppen und Terrassen bis zur halben Vorgartentiefe, jedoch höchstens bis 3 m;
...
(2) Desgleichen können folgende Vorbauten über die seitlichen Baufluchtlinien und die hintere Baufluchtlinie bzw. in den Bauwich bewilligt werden:
1.
Erker, Balkone, Dachvorsprünge, Schutzdächer über Eingängen, seitlich offene oder verglaste Türvorbauten mit und ohne Stufen auf den halben Bauwich, jedoch höchstens bis 2 m;
2.
über die hintere Baufluchtlinie zusätzlich:
Veranden, Freitreppen, Terrassen, Torvorbauten und Stiegenhäuser bis zu 3 m, wobei jedoch ein Mindestabstand von 3 m von der Grundstücksgrenze einzuhalten ist.
Unstrittig steht fest, daß es sich bei dem im Auswechslungsplan enthaltenen Vorbau Richtung Grundstück der zweitmitbeteiligten Partei um eine Terrasse handelt. Gemäß § 23 BO sind jedoch Terrassen nur über die vordere und die hintere Baufluchtlinie zulässig. Da mit dem Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Partei vom 20. Oktober 1970 die Baufluchtlinie und somit auch der Seitenabstand zur Grundstücksgrenze des Grundstückes Nr. nn/3 der zweitmitbeteiligten Partei mit 3,82 m rechtskräftig im Sinne des § 120 Abs. 4 BO festgesetzt worden ist, kann die Terrasse, welche als kleiner Vorbau im Sinne des § 23 BO mit dem bewilligten Gebäude in Verbindung zu bringen ist, im Seitenabstand - wie von den Beschwerdeführern auf Grund des vorgelegten Auswechslungsplanes beantragt - nicht bewilligt werden. Ohne Rechtsirrtum hat daher bereits die Berufungsbehörde schon aus diesem Grund die Bewilligung zur Errichtung der Terrasse im seitlichen Bauwich zur Grundstücksgrenze der zweitmitbeteiligten Partei versagt.
Dem angefochtenen Bescheid haftet somit kein Rechtsirrtum an, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Im Hinblick auf die Erledigung des Beschwerdeverfahrens bedurfte es keiner Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
FormerfordernisseBauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Parteien BauRallg11/1Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995050320.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
10.03.2009