Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als weitere Richter in der Verlassenschaftssache der * 1982 verstorbenen H* J*, infolge Revisionsrekurses des erblichen Sohnes W* J*, vertreten durch Dr. Karl Freund, öffentlicher Notar in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 3. Oktober 1984, GZ 43 R 1130/84-25, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 6. August 1984, GZ 4 A 896/82-21, bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Mit Einantwortungsurkunde vom 2. 3. 1983 wurde der Nachlass nach der * 1982 verstorbenen H* J* dem erblichen Sohn W* J* eingeantwortet. In den Nachlass gehörten ein Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ * KG *, sowie die Liegenschaften EZ * und EZ * KG *. Nach der Einantwortung schenkte W* J* jeweils die Hälfte der ihm eingeantworteten Liegenschaften bzw Liegenschaftshälfte seiner Ehegattin. Die Verbücherung der notariell errichteten Schenkungsverträge erfolgte durch die Bezirksgerichte Innere Stadt Wien und Hietzing als Grundbuchsgerichte.
Das Erstgericht wies den Antrag auf Verbücherung der Einantwortungsurkunde hinsichtlich der dem W* J* verbliebenen Liegenschaftsanteile ab. Infolge der Schenkungen hätten sich die Grundlagen, die im Laufe des Verlassenschaftsverfahrens festgestellt worden seien, geändert. In einem solchen Fall sei zur Verbücherung nicht das Verlassenschaftsgericht zuständig, sondern das Grundbuchsgericht. Das angerufene Verlassenschaftsgericht habe daher wegen Unzuständigkeit den Antrag auf Verbücherung der Einantwortungsurkunde zurückzuweisen gehabt.
Der Rekurs des W* J* blieb erfolglos. Das Rekursgericht führte aus, im vorliegenden Fall sei strittig, inwieweit die Verbücherung derjenigen Miteigentumsanteile des Rekurswerbers, welche von den Schenkungsverträgen nicht umfasst seien, dem Rekurswerber daher nach der Einantwortungsurkunde verblieben seien, durch das Abhandlungsgericht oder durch das Buchgericht zu erfolgen habe.
Zu Unrecht halte der Rekurswerber die Bestimmung des § 177 AußStrG für eindeutig. Gerade für Fälle wie den vorliegenden enthalte diese Bestimmung nämlich keine ausdrückliche Regelung. Nach Auffassung des Rekursgerichts habe die Verbücherung durch das Abhandlungsgericht nach den Grundlagen zu erfolgen, die im Laufe der Abhandlung festgestellt worden seien. Diese Grundlagen könnten vom Abhandlungsgericht nach Rechtskraft der Einantwortung nicht mehr geändert werden. Änderten sich die Grundlagen der Verbücherung daher nach der Einantwortung – sollte also das Gericht eine inhaltlich andere Verbücherung vornehmen als sie nach den Ergebnissen des Abhandlungsverfahrens aufscheine –, dann sei für ein solches Verfahren das Grundbuchsgericht zuständig. Die im Verhältnis zu § 75 GBG normierte Ausnahmebestimmung des § 177 AußStrG decke also nach Auffassung des Rekursgerichts nicht diejenigen Fälle, bei welchen sich die Grundlagen der Verbücherung nach der Einantwortung geändert hätten, mögen auch einzelne Miteigentumsanteile der eingeantworteten Liegenschaften beim Erben verblieben sein. Da die Einantwortung am 11. 4. 1983 rechtskräftig geworden sei und die behaupteten Schenkungsverträge vom 14. 2. 1984 sowie vom 7. 3. 1984 stammten, falle die Erledigung des Grundbuchsgesuchs nicht in die Zuständigkeit des Abhandlungsgerichts. Der Rekurswerber könne sich auch nicht auf § 23 GBG berufen, da diese Bestimmung nur für Nachlassliegenschaften gelte, die vor der Einantwortung veräußert worden seien. Eine Überweisung nach § 44 JN komme in Grundbuchsachen nicht in Betracht.
Gegen den Beschluss des Rekursgerichts wendet sich der Revisionsrekurs des W* J* aus den Anfechtungsgründen der offenbaren Gesetz- und Aktenwidrigkeit mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und dem Erstgericht die Entscheidung über den Verbücherungsantrag aufzutragen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist unzulässig.
Der Rechtsmittelwerber führt aus, die Feststellung der zweiten Instanz, seit der Erlassung der Einantwortungsurkunde hätten sich die Verhältnisse geändert, sei aktenwidrig. Vielmehr sei in Ansehung der nicht verbücherten, dem Rechtsmittelwerber eingeantworteten Liegenschaftsanteile, keine Änderung eingetreten. Die Auslegung des § 177 AußStrG durch die Vorinstanzen sei offenbar gesetzwidrig, weil diese Bestimmung ausdrücklich vorsehe, dass um die Verbücherung der Einantwortungsurkunde nur bei der Abhandlungsbehörde angesucht werden dürfe. Sollte auch das Grundbuchsgericht sich für unzuständig erklären, hätte dies eine Rechtsverweigerung zur Folge.
Diesen Ausführungen ist Folgendes zu erwidern:
Da das Rekursgericht den Beschluss des Erstgerichts bestätigte, kann die Entscheidung der zweiten Instanz gemäß § 16 Abs 1 AußStrG nur aus den in dieser Bestimmung angeführten Anfechtungsgründen der offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit oder einer begangenen Nullität angefochten werden. Die Ausführungen des Rechtsmittelwerbers vermögen eine Aktenwidrigkeit, nämlich einen Widerspruch zwischen der Aktenlage und den Tatsachenfeststellungen des Rekursgerichts nicht aufzuzeigen. Mit dem Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit können nur Verstöße gegen materiell-rechtliche Bestimmungen geltend gemacht werden, nicht aber die Verletzung von Verfahrensbestimmungen (vgl SZ 47/51 uva). Im vorliegenden Fall bekämpft der Rechtsmittelwerber die Auffassung des Rekursgerichts, das Abhandlungsgericht sei zur Anordnung der Verbücherung nicht mehr zuständig, sondern das Grundbuchsgericht, wenn sich nach der Erlassung der Einantwortungsurkunde die im Zuge der Abhandlung festgestellten Grundlagen der Verbücherung geändert hätten, das Abhandlungsgericht somit eine inhaltlich andere Verbücherung vornehmen solle, als sie den Ergebnissen des Abhandlungsverfahrens entspreche. Der Rechtsmittelwerber wirft daher dem Rekursgericht in Wahrheit eine unrichtige Lösung der Zuständigkeitsfrage, somit einen Verstoß gegen Verfahrensvorschriften vor. Eine Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften, die nicht an sich mit Nichtigkeit bedroht ist, kann im Rahmen eines auf die Gründe des § 16 Abs 1 AußStrG beschränkten Revisionsrekurses nur wahrgenommen werden, wenn sie das Gewicht einer Nichtigkeit erreicht (SZ 43/228; JBl 1972, 327; 3 Ob 518/83 ua). Die Verneinung der Zuständigkeit durch die Vorinstanzen kann die Nichtigkeitsrüge nach § 16 Abs 1 AußStrG nicht rechtfertigen, es sei denn, die Entscheidung hätte eine Rechtsverweigerung zur Folge (SZ 47/51; SZ 43/228; EvBl 1980/78; NZ 1981, 94 ua). Gerade davon kann hier nicht gesprochen werden. Die Auffassung des Rekursgerichts, dass die Verbücherung durch das Abhandlungsgericht gemäß den Grundlagen zu erfolgen habe, die im Zuge der Abhandlung festgestellt wurden, diese Grundlagen könnten nach Rechtskraft der Einantwortungsurkunde vom Abhandlungsgericht nicht mehr geändert werden, im Falle einer derartigen Änderung sei zur Verbücherung der Einantwortungsurkunde das Grundbuchsgericht zuständig, wurden vom Obersten Gerichtshof unter anderem in der Entscheidung 5 Ob 284/59 (veröffentlicht in Rpfl Slg A 1960/3175) vertreten. Auch für den Fall, dass sich das Grundbuchsgericht ebenfalls für unzuständig erklären würde, läge der Fall eines negativen Kompetenzkonflikts zwischen zwei inländischen Gerichten erster Instanz vor, für den § 47 JN eine Regelung trifft. Von einer Rechtsverweigerung könnte daher auch in einem solchen Fall keine Rede sein.
Da der Rechtsmittelwerber somit keinen der im § 16 AußStrG angeführten Anfechtungsgründe darzutun vermochte, musste der Revisionsrekurs zurückgewiesen werden.
Textnummer
E135883European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00654.840.0117.000Im RIS seit
28.09.2022Zuletzt aktualisiert am
28.09.2022