Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §42 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der G in L, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 17. Jänner 1996, Zl. Ge-440908/9-1996/Ha/Sta, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Verfahren gemäß § 77 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: B & Co. KG in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 14. März 1994 wurde der mitbeteiligten Partei die gewerberechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Schottermanipulationsfläche an einem näher bezeichneten Standort am linken Donauufer erteilt.
Mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 17. Jänner 1996 wurde die von der Beschwerdeführerin dagegen erhobene Berufung gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1994 als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Landeshauptmann aus, über den Antrag der mitbeteiligten Partei auf Erteilung der in Rede stehenden gewerbebehördlichen Genehmigung sei von der Erstbehörde die mündliche Augenscheinsverhandlung anberaumt und in der Folge auch durchgeführt worden. Die Verhandlungskundmachung sei an die Beschwerdeführerin nicht persönlich zugestellt, jedoch am Gemeindeamt der Stadtgemeinde Steyregg angeschlagen worden. Die Beschwerdeführerin sei zur mündlichen Augenscheinsverhandlung nicht erschienen und habe im übrigen auch keine schriftlichen Einwendungen bei der Behörde erhoben. Der erstbehördliche Genehmigungsbescheid sei der Beschwerdeführerin nicht zugestellt worden. In der Folge habe der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin Akteneinsicht genommen und daraufhin namens der Beschwerdeführerin Berufung erhoben, in der im wesentlichen geltend gemacht werde, die Beschwerdeführerin wohne an dem der Betriebsanlage direkt gegenüberliegenden Donauufer; sie habe bereits mit Schreiben vom 28. Juli 1992 gegenüber der Gewerbebehörde geltend gemacht, daß sie durch die Betriebsanlage durch Lärm als Anrainerin in ihren subjektiven Rechten gestört werde. Es handle sich bei ihr um eine übergangene Nachbarin. Diesem Vorbringen hielt der Landeshauptmann den Inhalt der Bestimmungen der §§ 356 und 359 GewO 1994 entgegen. Danach habe die Beschwerdeführerin trotz ordnungsgemäßer Kundmachung der Augenscheinsverhandlung keine Einwendungen im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994 erhoben und somit im gegenständlichen Verfahren keine Parteistellung erlangt. Mangels Parteistellung sei die Berufung als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin nach ihrem gesamten Vorbringen in dem Recht auf meritorische Erledigung ihrer Berufung verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringt sie vor, die Kundmachung der Augenscheinsverhandlung hätte einerseits an sie persönlich zugestellt werden müssen, da sie der belangten Behörde schon auf Grund ihres Schreibens vom 28. Juli 1992 als Nachbarin bekannt geworden sei. Davon abgesehen hätte die Kundmachung durch Anschlag nicht nur in jener Gemeinde erfolgen müssen, deren Ortsgebiet auf jenem Donauufer liege, auf dem sich auch die Betriebsanlage befinde, sondern infolge des räumlichen Zusammenhanges auch auf der am gegenüberliegenden Donauufer gelegenen Gemeinde. Nach § 356 Abs. 3 zweiter Satz GewO 1994 könne überdies ein Nachbar, der ohne sein Verschulden daran gehindert gewesen sei, die Parteistellung durch Einwendungen spätestens bei der Augenscheinsverhandlung zu erlangen, dies auch noch nach Abschluß der Augenscheinsverhandlung und bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit vorbringen und sei vom Zeitpunkt seiner Einwendungen an Partei. Gegenüber der Beschwerdeführerin könne mangels Zustellung des erstinstanzlichen Bewilligungsbescheides von einer rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit nicht gesprochen werden, sodaß sie als Nachbarin ihre Stellung als übergangene Partei nach wie vor in Anspruch nehmen könne. Würde man diese Bestimmung anders verstehen, wäre die Einräumung eines subjektiven Verfahrensrechtes an den Nachbarn im Sinne des § 356 Abs. 3 zweiter Satz GewO 1994 in dieser Funktion ausgehöhlt. Würde man den Zeitpunkt der Rechtskraft auf die übrigen Parteien des Genehmigungsverfahrens und den Antragsteller beziehen, könnte dies zum kuriosen Ergebnis führen, daß Nachbareinwendungen, die zwar vor rechtskräftigem Abschluß des Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens erhoben, aber von der Gewerbebehörde als unzulässig qualifiziert würden, selbst dann nicht zu einer neuerlichen Sachentscheidung führen könnten, wenn auf Grund erhobener Rechtsmittel die Zurückweisung von Nachbareinwendungen als unzulässig zwar als rechtswidrig erkannt werde, aber zwischenzeitig das Verfahren gegenüber den anderen Parteien rechtskräftig abgeschlossen sei. Die Beschwerdeführerin wohne im Einflußbereich der Betriebsanlage, sodaß an ihrer Qualifikation als Nachbarin nicht gezweifelt werden könne. Als Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerdeführerin, die belangte Behörde sei im angefochtenen Bescheid nicht auf ihre Argumentation, sie wäre als bekannte Beteiligte persönlich zu laden gewesen und es hätte auch in ihrem Wohnhaus ein Anschlag der Kundmachung erfolgen müssen, nicht eingegangen. Ebensowenig werde zur Frage Stellung genommen, ob die Beschwerdeführerin überhaupt als Nachbarin anzusehen sei, was im erstinstanzlichen Bescheid zur Gänze verneint worden sei.
Gemäß § 356 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde (§§ 331, 334, 335), ausgenommen in den Fällen des § 359 b, auf Grund eines Ansuchens um Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage oder um Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage eine Augenscheinsverhandlung anzuberaumen. Gegenstand, Zeit und Ort der Augenscheinsverhandlung sowie die gemäß Abs. 3 bestehenden Voraussetzungen für die Begründung der Parteistellung sind den Nachbarn durch Anschlag in der Gemeinde (§ 41 AVG) und durch Anschlag in den der Anlage unmittelbar benachbarten Häusern bekanntzugeben; die Eigentümer der betroffenen Häuser haben derartige Anschläge in ihren Häusern zu dulden. Der Eigentümer des Betriebsgrundstückes und die Eigentümer der an dieses Grundstück unmittelbar angrenzenden Grundstücke sind persönlich zu laden.
Nach dem Abs. 3 dieser Gesetzesstelle sind im Verfahren gemäß Abs. 1 unbeschadet des folgenden Satzes nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an. Weist ein Nachbar der Behörde nach, daß er ohne sein Verschulden daran gehindert war, die Parteistellung nach dem
1. Satz zu erlangen, so darf er seine Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 auch nach Abschluß der Augenscheinsverhandlung und bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit vorbringen und ist vom Zeitpunkt seiner Einwendungen an Partei; solche Einwendungen sind vom Nachbarn binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses für ihre Erhebung bei der Behörde einzubringen, die die Augenscheinsverhandlung anberaumt hat, und von dieser oder von der Berufungsbehörde in gleicher Weise zu berücksichtigen, als wären sie in der mündlichen Verhandlung erhoben worden.
Gemäß § 359 Abs. 3 leg. cit. ist der Bescheid dem Genehmigungswerber, dem zuständigen Arbeitsinspektorat, der Gemeinde und den Nachbarn, die Parteien sind (§ 356 Abs. 3), zuzustellen. Nach dem Abs. 4 dieser Gesetzesstelle steht das Recht der Berufung außer dem Genehmigungswerber den Nachbarn zu, die Parteien sind. Das Berufungsrecht der Arbeitsinspektorate wird hiedurch nicht berührt.
Rechtskräftig entschieden im Sinne des zweiten Satzes des § 356 Abs. 3 GewO 1994 ist eine Angelegenheit im Sinne dieser Gesetzesstelle dann, wenn ein weiteres Rechtsmittel dagegen nicht mehr offensteht. Wie sich aus dem diesbezüglich eindeutigen Wortlaut des § 359 Abs. 4 leg. cit. ergibt, steht das Recht der Berufung gegen einen Genehmigungsbescheid im Sinne des § 77 GewO 1994 neben dem Genehmigungswerber und allenfalls dem Arbeitsinspektorat nur jenen Nachbarn zu, die Parteien sind. Parteien des Genehmigungsverfahrens sind zufolge § 356 Abs. 3 leg. cit. aber nur jene Nachbarn, die fristgerecht, sei es im Sinne des ersten Satzes des § 356 Abs. 3 oder dessen zweiten Satzes, Einwendungen erhoben haben.
Im vorliegenden Fall erhob die Beschwerdeführerin, wie auch in der Beschwerde nicht bestritten wird, weder im Zuge des erstbehördlichen Verfahrens noch während der nach Zustellung des erstbehördlichen Genehmigungsbescheides dem Genehmigungswerber und dem Arbeitsinspektorat zustehenden Berufungsfrist Einwendungen. Nach der diesbezüglich eindeutigen Bestimmung des § 356 Abs. 3 erwarb sie daher bis zu diesem Zeitpunkt keine Parteistellung, sodaß ihr bis dahin auch nicht das Recht der Berufung gegen den erstbehördlichen Bescheid zukam. Entsprechend der oben dargelegten Rechtslage erlangte damit der erstbehördliche Bescheid mit Ablauf der dem Genehmigungswerber und dem Arbeitsinspektorat zustehenden Rechtsmittelfrist Rechtskraft. Die von der Beschwerdeführerin erst nach diesem Zeitpunkt erhobenen Einwendungen waren daher auch im Sinne des § 356 Abs. 3 zweiter Satz GewO 1994 verspätet und konnten der Beschwerdeführerin Parteistellung in dem Genehmigungsverfahren nicht mehr verschaffen. Die von der Beschwerdeführerin vertretene Rechtsansicht, eine rechtskräftige Entscheidung der Angelegenheit im Sinne des § 356 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. liege erst vor, wenn auch dem übergangenen Nachbarn der Genehmigungsbescheid zugestellt und die mit der Zustellung ausgelöste Frist zur Erhebung einer Berufung abgelaufen ist, findet in der dargestellten Rechtslage keine Deckung.
Da somit die Beschwerdeführerin durch ihre erst nach rechtskräftigem Abschluß des Genehmigungsverfahrens erhobenen Einwendungen selbst dann nicht mehr Parteistellung in diesem Genehmigungsverfahren und damit das Recht zur Berufung gegen den erstbehördlichen Bescheid erlangen konnte, wenn die Kundmachung der Augenscheinsverhandlung erster Instanz nicht dem Gesetz entsprochen haben sollte, erweist sich die von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Zurückweisung der Berufung unabhängig von der Art der Kundmachung der Augenscheinsverhandlung als frei von Rechtsirrtum. Es erübrigt sich daher in die Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Kundmachung der Augenscheinsverhandlung einzutreten.
Es läßt somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Gewerberecht Nachbar übergangenerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996040059.X00Im RIS seit
20.11.2000