TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/23 95/11/0403

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Veröffentlicht am 23.04.1996
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Index

L94406 Krankenanstalt Spital Steiermark;

Norm

KAG Stmk 1957 §3 Abs5;
KAG Stmk 1957 §5a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde der Ärztekammer für Steiermark in Graz und der Österreichischen Dentistenkammer in Wien, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 30. Oktober 1995, Zl. 12-87 Fe 5/25-1995, betreffend Bewilligung zur Errichtung eines Zahnambulatoriums (mitbeteiligte Partei: Steiermärkische Gebietskrankenkasse 8011 Graz, Josef-Pongratz-Platz 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seines Spruchpunktes I wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, hinsichtlich Spruchpunkt II wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der erstbeschwerdeführenden Partei S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 10. Mai 1993 beantragte die mitbeteiligte Partei die Erteilung einer Errichtungsbewilligung für ein Zahnambulatorium mit vier Behandlungseinheiten in Feldbach. In diesem Schreiben wurde darauf hingewiesen, daß ein Einvernehmen mit den beschwerdeführenden Parteien nicht habe erzielt werden können, sodaß "ein Bedarfsprüfungsverfahren im Sinne des § 3 Abs. 5 in Verbindung mit § 5a des Steiermärkischen Krankenanstaltengesetzes einzuleiten sein wird".

Mit Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 3 und 4 Stmk. KAG die Bewilligung zur Errichtung eines Zahnambulatoriums mit vier Dentaleinheiten auf dem Standort 8330 Feldbach, Ringstraße 25, unter Vorschreibung von zahlreichen Auflagen erteilt. Mit Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides wurden gemäß § 92 Abs. 1 ASchG, BGBl. Nr. 450/1994, drei weitere Auflagen vorgeschrieben.

In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde machen die beschwerdeführenden Parteien Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragen dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei haben Gegenschriften erstattet, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der angefochtene Bescheid ist auf Grund seiner Fertigungsklausel zur Gänze der Steiermärkischen Landesregierung zuzurechnen. Die "zuständige Behörde" im Sinne des § 92 Abs. 1 ASchG zur Erteilung von Arbeitsstättenbewilligungen ist gemäß § 99 Abs. 3 Z. 3 bei Krankenanstalten, deren Errichtung und Betrieb nach den in Ausführung des Krankenanstaltengesetzes, BGBl. Nr. 1/1957, ergangenen landesgesetzlichen Bestimmungen einer Genehmigung durch die Landesregierung bedarf, der Landeshauptmann. Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides war daher (ungeachtet der diesem Spruchpunkt beigegebenen positiven Rechtsmittelbelehrung) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

2. Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist strittig, ob für die Errichtung des verfahrensgegenständlichen Ambulatoriums ein Bedarf im Sinne des § 3 Abs. 5 Stmk. KAG besteht. Die beschwerdeführenden Parteien haben in einem umfangreichen Schriftsatz vom 27. Mai 1995 das Vorliegen eines solchen Bedarfes unter Zitierung höchstgerichtlicher Rechtsprechung zum Begriff des Bedarfes und mit der Behauptung, bei sämtlichen im Bezirk Feldbach niedergelassenen Fachärzten für Zahnheilkunde und Dentisten sei "eine normale zahnheilkundliche Behandlung" innerhalb der nächsten zwei Wochen, im Schmerzfall noch am selben Tag, zu bekommen, bestritten. Einen Bedarf verneinte auch der Landessanitätsrat für Steiermark in seiner am 22. Juni 1994 beschlossenen Stellungnahme. Eine positive Stellungnahme gab die Gemeinde Feldbach ab, die Wirtschaftskammer Steiermark nahm den Antrag der mitbeteiligten Partei zur Kenntnis, die Gemeinde Hartberg (?) erhob ausdrücklich keinen Einwand. Die mitbeteiligte Partei erwiderte in einer Stellungnahme, in der sie darauf hinwies, daß die von ihr vorgelegten Daten und Unterlagen zur Beurteilung des behaupteten Bedarfes ausreichten, verwies - wie schon in ihrem dem Verfahren zugrundeliegenden Antrag - auf die von der Weltgesundheitsorganisation beschlossenen Richtlinien über die zahnärztliche Versorgung und führte pauschale Ergebnisse der bei ihren Vertragsärzten bezüglich des Zeitraumes zwischen Anmeldung eines Patienten und Behandlungsbeginn angestellten Ermittlungen an. In der Folge legte die mitbeteiligte Partei der belangten Behörde - bezogen auf die Bedarfsfrage - ein Schreiben einer Unterorganisation einer politischen Partei vor, in dem von konkreten Wartezeiten bei einzelnen Zahnärzten die Rede ist. Nach einem Aktenvermerk vom 27. April 1995 haben stichprobenartige Überprüfungen dieser Angaben stattgefunden.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird zur Bedarfsfrage ausgeführt, daß ein regionales Entwicklungsprogramm der Steiermärkischen Landesregierung für die Planungsregion Feldbach eine Verbesserung der zahnärztlichen Grundversorgung anstrebe. Die mitbeteiligte Partei habe eine Liste der im Einzugsgebiet von Feldbach gegebenen Behandlungs- und Untersuchungsmöglichkeiten vorgelegt, aus der sich Wartezeiten von ein bis vier Monaten ergäben. Bei weitergehenden Ermittlungen seien Zeiten "um zwei Monate" bestätigt worden. Die von den beschwerdeführenden Parteien aufgeworfene Frage der Besetzung einer freien Kassenplanstelle sei durch den plausiblen Standpunkt der mitbeteiligten Partei nicht weiter relevant.

Die beschwerdeführenden Parteien sind im Recht, daß ihre Parteienrechte, insbesondere ihr Recht auf Parteiengehör, verletzt wurden. Der angefochtene Bescheid erging aus ihrer Sicht tatsächlich insofern "überfallsartig", als sie über die von der belangten Behörde herangezogenen Entscheidungsgrundlagen, die ihren im Verwaltungsverfahren artikulierten Ansichten widersprechen, nicht in Kenntnis gesetzt worden waren und ihnen keine Gelegenheit zur Stellungnahme dazu gegeben wurde. Ohne auf die Frage einzugehen, welchen Beweiswert diese Entscheidungsgrundlagen haben, wäre es Aufgabe der belangten Behörde gewesen, ihre Entscheidungsgrundlagen gegenüber den antragstellenden beschwerdeführenden Parteien offenzulegen. In der Beschwerde wird auch (zumindest partiell) dargetan, was die beschwerdeführenden Parteien im Verwaltungsverfahren gegen die Ergebnisse der "weitergehenden Ermittlungen" der belangten Behörde vorzubringen gehabt hätten.

Es fehlt auch jede Auseinandersetzung mit der für den Standpunkt der beschwerdeführenden Parteien sprechenden Stellungnahme des Landessanitätsrates für Steiermark. Die von den beschwerdeführenden Parteien im Verwaltungsverfahren aufgeworfene Frage der Besetzung einer offenen "Kassenplanstelle" wurde von der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides mit dem Hinweis auf einen - der Aktenlage nach den beschwerdeführenden Parteien nicht bekannten, nach Ansicht der belangten Behörde aber plausiblen - Standpunkt der mitbeteiligten Partei abgetan.

Die belangte Behörde hat - was sich auch aus den Gegenschriften zu ergeben scheint - den Behauptungen der antragstellenden mitbeteiligten Partei Glauben geschenkt und das Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien aus diesem Blickwinkel völlig vernachlässigt.

Zur Gegenschrift der mitbeteiligten Partei sei angemerkt, daß es im Wesen einer gesetzlich angeordneten Bedarfsprüfung liegt, daß dieses Rechtsinstitut im gegebenen Zusammenhang sehr wohl den Zweck hat, die freiberuflichen Ärzte, sofern sie die Nachfrage nach ihren Leistungen in befriedigender Weise decken, vor der Konkurrenz durch von Sozialversicherungsträgern betriebene Ambulatorien zu schützen. Erst wenn Versorgungsengpässe in der durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konkretisierten Weise festzustellen sind, darf die überschießende Nachfrage nach ärztlichen Leistungen durch Ambulatorien befriedigt werden. Ob eine Verpflichtung besteht, Versorgungslücken primär durch die Schaffung weiterer "Kassenplanstellen" zu füllen, kann im gegebenen Zusammenhang dahinstehen.

Die belangte Behörde hat damit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anders lautenden Bescheid hätte kommen können, sodaß der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grunde - also unabhängig davon, ob der Sachverhalt ausreichend ermittelt worden ist - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 53 Abs. 1, in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995110403.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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