TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/23 95/11/0411

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Veröffentlicht am 23.04.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;

Norm

ARG 1984 §27 Abs1;
ARG 1984 §27;
ARG 1984 §3;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AZG §28 Abs1;
KJBG 1987 §30;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des Dipl.-Ing. E in I, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 11. September 1995, Zl. 20/35-3/1995, betreffend Übertretungen des Arbeitsruhegesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer einer näher bezeichneten Gesellschaft m.b.H. schuldig erkannt, es verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten zu haben, daß 12 namentlich genannte Arbeitnehmer der Gesellschaft am 27. März 1994 - einem Sonntag - beschäftigt wurden. Er habe dadurch 12 Übertretungen nach § 27 Abs. 1 iVm § 3 Abs. 1 des Arbeitsruhegesetzes begangen. Über ihn wurden 12 Geldstrafen zu je S 1.000,-- (je 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Soweit der Beschwerdeführer Verstöße gegen § 44a VStG behauptet, ist sein Vorbringen unbegründet. Die belangte Behörde hat als Berufungsbehörde den Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses in Ansehung des Schuldspruches neu formuliert, die Berufung im übrigen als unbegründet abgewiesen. Es bestand daher für sie keine Veranlassung, und schon gar keine Notwendigkeit, die verhängte Strafe und die "Strafdrohung" im Spruch des angefochtenen Bescheides wiederzugeben.

2. Da die einzelnen verhängten Geldstrafen S 10.000,-- nicht übersteigen, war die Zuständigkeit eines Einzelmitgliedes der belangten Behörde gegeben.

3. Die Unterlassung der Einvernahme eines namentlich genannten Arbeitnehmers der Gesellschaft m.b.H. - eines Prokuristen -, die im Schreiben an die belangte Behörde vom 21. August 1995 beantragt worden ist und die nach dem Beschwerdevorbringen Aufschlüsse über das vom Beschwerdeführer eingerichtete Kontrollsystem betreffend Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen hätte geben können, anstelle des im Zeitpunkt der Durchführung der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde verhinderten Beschwerdeführers stellt keinen zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führenden Verfahrensmangel dar. Der Beschwerdeführer hat in seinem in Rede stehenden Antrag keinerlei Beweisthema genannt, sondern lediglich die Einvernahme "anstelle" des Beschwerdeführers begehrt. Die beantragte Einvernahme konnte von der belangten Behörde auch deswegen als entbehrlich betrachtet werden, weil der Beschwerdeführer im vorangegangenen Verwaltungsstrafverfahren die Erfüllung des objektiven Tatbestandes der Verletzung des Sonntagsbeschäftigungsverbotes nicht in Abrede gestellt und keine über Anweisungen an den Bauleiter und stichprobenweise Besuche der Baustellen hinausgehenden Kontrollmaßnahmen behauptet hat.

4. Der von der belangten Behörde als Zeuge vernommene "Bauleiter" hat der Sache nach ausgesagt, daß die in Rede stehende Sonntagsarbeit von ihm ohne Wissen der Betriebsleitung angeordnet worden sei, um einen Rückstand im Baufortschritt aufzuholen, welchen er selbst zu vertreten gehabt hätte. Es habe sich um eine in seinem eigenen Interesse angeordnete "Nacht- und Nebelaktion" gehandelt. Ihm seien vom Beschwerdeführer für den Fall des Verstoßes gegen Arbeitnehmerschutzbestimmungen Konsequenzen angedroht gewesen; andernfalls hätte er den Beschwerdeführer von den am Sonntag durchzuführenden Arbeiten auch verständigt. In den 15 Jahren seiner Tätigkeit in dem Unternehmen habe er - abgesehen von einem Arbeitsunfall - nie Probleme in bezug auf den Arbeitnehmerschutz gehabt.

Die belangte Behörde ist auf diese Aussage - was den oben wiedergegebenen Sachverhalt betrifft - nur insoferne eingegangen, daß sie die Anordnung der Sonntagsarbeit durch den Zeugen, der "einen durchaus guten Eindruck hinterließ", als erwiesen annahm. Es fehlt aber eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob selbst ein konkret behauptetes und belegtes vom Beschwerdeführer eingerichtetes Kontrollsystem zur Verhinderung der gegenständlichen Verstöße gegen das Arbeitsruhegesetz geeignet gewesen wäre. Dem Arbeitgeber (seinem Organ im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG) fällt die Unterlassung der Einrichtung oder Dartuung eines solchen Kontrollsystems nur dann zur Last, wenn sich a) tatsächlich Verstöße ereignet haben (die Unterlassung selbst stellt kein strafbares Verhalten dar) und

b) diese Verstöße durch das Kontrollsystem hätten verhindert werden können. Wenn ein an sich taugliches Kontrollsystem in einem Einzelfall versagt hätte, kann sein Fehlen nicht zur Strafbarkeit des Arbeitgebers führen, weil dies im Ergebnis zu einer nach dem Gesetz nicht gegebenen Strafbarkeit führen würde.

Die belangte Behörde hat damit zu Lasten des Beschwerdeführers Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, indem sie einerseits ihrer Begründungspflicht nicht ausreichend nachkam, andererseits gegebenenfalls notwendige weitere Sachverhaltsfeststellungen unterließ. Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft einen dem Beschwerdeführer unterlaufenen Rechenfehler.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung VerfahrensmangelVerantwortung für Handeln anderer Personen Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995110411.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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